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Persönlich haftender Gesellschafter


Begriff und rechtliche Einordnung des persönlich haftenden Gesellschafters

Ein persönlich haftender Gesellschafter ist ein Mitglied einer Personengesellschaft, das für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft unbeschränkt, unmittelbar und gesamtschuldnerisch mit dem gesamten eigenen Vermögen haftet. Diese besondere Haftungsform ist ein zentrales Unterscheidungsmerkmal zwischen Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften und stellt ein wesentliches Element der gesellschaftsrechtlichen Haftung dar.

Arten von Gesellschaften mit persönlich haftenden Gesellschaftern

Offene Handelsgesellschaft (OHG)

In der Offenen Handelsgesellschaft (§§ 105 ff. HGB) sind sämtliche Gesellschafter zwingend persönlich haftende Gesellschafter. Die Haftung umfasst alle Gesellschaftsverbindlichkeiten, unabhängig von intern getroffenen Absprachen. Der Gläubiger kann die Begleichung seiner Forderungen unmittelbar vom Privatvermögen jedes Einzelnen verlangen.

Kommanditgesellschaft (KG)

Bei der Kommanditgesellschaft (§§ 161 ff. HGB) besteht ein Unterschied zwischen Komplementären und Kommanditisten. Die Komplementäre sind persönlich haftende Gesellschafter und tragen die volle persönliche Haftung, während die Kommanditisten nur bis zur Höhe ihrer Einlage haften. Die Verteilung der Haftung ist in der KG somit zweigeteilt.

Partnerschaftsgesellschaft (PartG)

In einer Partnerschaftsgesellschaft (§§ 1 ff. PartGG) haften die Partner grundsätzlich wie persönlich haftende Gesellschafter, es sei denn, es handelt sich um einen Partnerschaftsfall, in dem die Haftung einzelner Partner begrenzt ist (z. B. im Bereich der Freien Berufe).

Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA)

Auch bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien (§§ 278 ff. AktG) existieren persönlich haftende Gesellschafter, die sogenannten Komplementäre. Sie haften unbeschränkt und persönlich, während die übrigen Anteilseigner (Kommanditaktionäre) nur bis zur Höhe ihrer Einlage haften.

Umfang und Modalitäten der Haftung

Unmittelbare Haftung

Die Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters ist unmittelbar, d. h., ein Gläubiger kann sich direkt an den Gesellschafter wenden, ohne vorher einen Versuch der Durchsetzung gegenüber dem Gesellschaftsvermögen unternehmen zu müssen.

Unbeschränkte Haftung

Der persönlich haftende Gesellschafter haftet unbeschränkt, d. h., mit seinem gesamten Privatvermögen. Es gibt grundsätzlich keine Begrenzung der Haftung auf die eingebrachte Kapitaleinlage oder einen bestimmten Betrag.

Gesamtschuldnerische Haftung

Die Haftung ist gesamtschuldnerisch im Sinne des § 421 BGB. Das bedeutet, jeder Gesellschafter hat für die Gesamtheit der Verbindlichkeiten aus Gesellschaftsgeschäften einzustehen, und der Gläubiger kann jeden Gesellschafter für die vollständige Forderung in Anspruch nehmen.

Haftung nach Ausscheiden

Auch nach dem Ausscheiden aus der Gesellschaft bleibt der persönlich haftende Gesellschafter gemäß § 160 HGB für die während der Zugehörigkeit zur Gesellschaft begründeten Verbindlichkeiten weiterhin haftbar, wobei eine Haftungsbegrenzung auf fünf Jahre nach dem Ausscheiden gilt.

Rechtliche Besonderheiten und Auswirkungen

Innenverhältnis

Im Innenverhältnis der Gesellschaft kann durch Gesellschaftervertrag eine abweichende Verteilung der Haftung oder Freistellung einzelner Gesellschafter geregelt sein. Solche Regelungen binden jedoch nur intern und entfalten keine Wirkung gegenüber Gesellschaftsgläubigern.

Außenverhältnis

Gegenüber Dritten, insbesondere Gläubigern, ist die Haftung der persönlich haftenden Gesellschafter nicht beschränkbar oder abdingbar (§ 128 HGB). Die Gesellschaft als eigenes Rechtssubjekt tritt im Geschäftsverkehr auf, doch die persönlich haftenden Gesellschafter stehen stets als Haftungsträger im Hintergrund bereit.

Eintritt und Ausscheiden

Beim Eintritt eines neuen persönlich haftenden Gesellschafters entsteht die Haftung regelmäßig auch für bereits bestehende Verbindlichkeiten der Gesellschaft (§ 130 HGB). Entsprechendes gilt beim Ausscheiden hinsichtlich der Nachhaftung.

Abgrenzung zu anderen Gesellschaftern

Kommanditist

Der Kommanditist einer KG trägt lediglich eine beschränkte Haftung bis zur Höhe der Kommanditeinlage (§ 171 HGB) und unterscheidet sich damit grundlegend vom persönlich haftenden Gesellschafter.

Aktionär

Aktionäre oder Gesellschafter von Kapitalgesellschaften (z. B. GmbH, AG) haften grundsätzlich nicht persönlich für Gesellschaftsverbindlichkeiten, sondern ihre Haftung beschränkt sich regelmäßig auf die Einlage.

Pflichten und Rechte des persönlich haftenden Gesellschafters

Geschäftsführung und Vertretung

Typischerweise obliegt persönlich haftenden Gesellschaftern bei Personengesellschaften die Geschäftsführung sowie die Vertretung der Gesellschaft nach außen. Dies gilt für die OHG und die Komplementäre der KG (§§ 114, 161 HGB).

Kontroll- und Informationsrechte

Persönlich haftenden Gesellschaftern steht ein umfassendes Kontroll- und Informationsrecht hinsichtlich der Gesellschaftsangelegenheiten zu. Dies umfasst Einsichtsrechte in Bücher und Unterlagen sowie das Recht auf Information über den Geschäftsverlauf.

Entnahmerecht

Ein Recht auf Entnahmen und Gewinnbeteiligung steht persönlich haftenden Gesellschaftern in der Regel vertraglich oder gesetzlich zu (§ 122 HGB).

Haftungsrisiken und Haftungsbeschränkung

Risiken

Durch die unbeschränkte Haftung besteht ein erhebliches persönliches Risiko, das im Falle wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Gesellschaft zum vollständigen Verlust des Privatvermögens führen kann.

Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung

Eine effektive Haftungsbeschränkung ist nur durch die Wahl einer anderen Gesellschaftsform (z. B. GmbH & Co. KG, bei der eine GmbH Komplementärin wird) möglich. Vereinbarungen zur Haftungsbeschränkung im Verhältnis zu Dritten sind gesellschaftsrechtlich grundsätzlich unwirksam.

Steuerrechtliche Aspekte

Persönlich haftende Gesellschafter tragen die persönliche Einkommensteuerlast für ihre Gewinnanteile. Die Besteuerung erfolgt im Rahmen der sogenannten transparenten Besteuerung von Personengesellschaften.

Fazit

Der persönlich haftende Gesellschafter stellt ein zentrales Element des Personengesellschaftsrechts dar, der durch seine unbeschränkte und unmittelbare Haftung ein besonderes Vertrauen der Geschäftspartner in die Gesellschaft schafft. Gleichsam birgt die Stellung erhebliche finanzielle Risiken, die bei der Auswahl der Rechtsform bedacht werden müssen. Im Rahmen von Personengesellschaften ist die Position des persönlich haftenden Gesellschafters untrennbar mit weitreichenden Pflichten wie Geschäftsführung, Vertretung und Haftung, aber auch mit umfassenden Rechten verbunden.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Konsequenzen hat die persönliche Haftung eines Gesellschafters?

Im rechtlichen Kontext bedeutet die persönliche Haftung eines Gesellschafters, dass dieser mit seinem gesamten Privatvermögen für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet. Dies ist insbesondere bei den Gesellschaftsformen Offene Handelsgesellschaft (OHG) und Kommanditgesellschaft (KG) der Fall, wobei bei letzterer nur der Komplementär persönlich haftet. Gesetzlich geregelt ist diese Haftung im Handelsgesetzbuch (HGB), insbesondere §§ 128 ff. HGB. Die Gläubiger der Gesellschaft können ihre Forderungen unmittelbar gegenüber dem persönlich haftenden Gesellschafter geltend machen, ohne vorher die Gesellschaft selbst in Anspruch nehmen zu müssen (Durchgriffshaftung). Darüber hinaus besteht die Haftung gesamtschuldnerisch, das heißt, jeder Gesellschafter haftet für die gesamten Schulden der Gesellschaft und kann für die gesamte Verbindlichkeit in Anspruch genommen werden. Nach Befriedigung der Gläubiger hat der Gesellschafter jedoch ein Ausgleichsrecht gegenüber seinen Mitgesellschaftern. Auch nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters bleibt dieser für bis zum Ausscheiden begründete Verbindlichkeiten fünf Jahre lang haftbar (§ 160 HGB).

In welchen Gesellschaftsformen kommt ein persönlich haftender Gesellschafter vor?

Ein persönlich haftender Gesellschafter kommt insbesondere in der Offenen Handelsgesellschaft (OHG) und der Kommanditgesellschaft (KG) sowie in der Partnerschaftsgesellschaft (PartG) vor. In der OHG haften alle Gesellschafter unbeschränkt und unmittelbar. In der KG gibt es zwei Gruppen von Gesellschaftern: die Komplementäre, die persönlich haftend sind, und die Kommanditisten, deren Haftung auf die Höhe ihrer Einlage beschränkt ist. Bei der GmbH & Co. KG fungiert eine GmbH als persönlich haftender Gesellschafter, wodurch die Haftung de facto beschränkt wird, da die GmbH selbst nur mit ihrem Gesellschaftsvermögen haftet. Auch bei der Partnerschaftsgesellschaft haften die Partner persönlich, wenn auch bestimmte Haftungsbeschränkungen durch Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag möglich sind. In allen diesen Gesellschaftsformen ist der persönlich haftende Gesellschafter rechtlich hervorzuheben, weil durch seine Haftungsstellung das Risiko für den Einzelnen deutlich erhöht wird.

Kann die persönliche Haftung eines Gesellschafters vertraglich ausgeschlossen werden?

Ein vertraglicher Ausschluss der persönlichen Haftung eines Gesellschafters gegenüber Dritten ist grundsätzlich nicht möglich. Die gesetzliche Regelung im Handelsgesetzbuch sieht eine zwingende Haftung der persönlich haftenden Gesellschafter vor (§ 128 HGB). Vertragliche Vereinbarungen im Innenverhältnis der Gesellschafter, nach denen ein Gesellschafter von der Haftung befreit wird, entfalten keine Wirkung gegenüber externen Gläubigern der Gesellschaft. Ein derartiger Ausschluss wäre nur im reinen Innenverhältnis denkbar, hätte jedoch keinen Einfluss auf die Außenhaftung. Die Gläubiger können unabhängig von internen Absprachen oder Beschränkungen stets den persönlich haftenden Gesellschafter zur Begleichung offener Schulden heranziehen.

Welche Bedeutung hat die Haftung des Gesellschafters bei der Insolvenz der Gesellschaft?

Im Falle der Insolvenz einer Gesellschaft haftet der persönlich haftende Gesellschafter für die sämtlichen, die Gesellschaft betreffenden Verbindlichkeiten weiterhin unbeschränkt – auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Wird ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet, so können die Gläubiger nach wie vor auf das Privatvermögen des Gesellschafters zugreifen. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens der Gesellschaft bleibt die Haftung der Gesellschafter für Altverbindlichkeiten bestehen, es sei denn, auch über deren Privatvermögen wird das Insolvenzverfahren eröffnet. Zusätzlich hat dies zur Folge, dass bei Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft auch gegen die persönlich haftenden Gesellschafter Insolvenzverfahren eingeleitet werden können, um deren Vermögen zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger heranzuziehen. Die Insolvenz der Gesellschaft schützt den persönlich haftenden Gesellschafter also nicht vor Haftungsansprüchen.

Wie können Gläubiger vorgehen, wenn ein persönlich haftender Gesellschafter nicht zahlt?

Gläubiger haben das gesetzliche Recht, sich direkt an den persönlich haftenden Gesellschafter zu wenden, um Forderungen einzutreiben. Zahlt der betroffene Gesellschafter nicht, können Gläubiger rechtliche Schritte einleiten, wie z.B. die Einleitung eines Mahnverfahrens oder die Beantragung eines vollstreckbaren Titels gegen den Gesellschafter. Nach Erlangung des Titels ist die Zwangsvollstreckung in das Privatvermögen des Gesellschafters möglich, was die Pfändung von Bankkonten, Gehalt oder anderen Vermögenswerten beinhalten kann. Die gesamtschuldnerische Haftung bedeutet zudem, dass jeder einzelne Gesellschafter unabhängig von der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen für die gesamte Forderung haftet. Der in Anspruch genommene Gesellschafter kann im Anschluss seine Mitgesellschafter im Innenverhältnis auf anteiligen Ausgleich verklagen.

Wie wirkt sich das Ausscheiden eines Gesellschafters auf die Haftung aus?

Auch nach dem Ausscheiden aus der Gesellschaft bleibt die persönliche Haftung für vor dem Ausscheiden begründete Verbindlichkeiten bestehen, und zwar für die Dauer von fünf Jahren (§ 160 HGB). Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem das Ausscheiden in das Handelsregister eingetragen wurde. Innerhalb dieser Frist können Gläubiger den ausgeschiedenen Gesellschafter für Altverbindlichkeiten in Anspruch nehmen. Erst nach Ablauf der fünf Jahre entfällt die Nachhaftung. Diese Regelung dient dem Gläubigerschutz und stellt sicher, dass bereits bestehende Forderungen auch nach personellen Veränderungen in der Gesellschafterstruktur einzutreiben sind.

Welche Unterschiede bestehen zur Haftung eines Kommanditisten?

Während der Komplementär in der KG persönlich, d.h. unbeschränkt, mit seinem Privatvermögen haftet, ist die Haftung des Kommanditisten auf die im Handelsregister eingetragene Einlage (Haftsumme) beschränkt. Nach vollständiger Einbringung dieser Hafteinlage entfällt die persönliche Haftung des Kommanditisten für neue Verbindlichkeiten (§ 171 HGB). Kommanditisten treten damit rechtlich ähnlich wie Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft auf, während der Komplementär dem typischen Bild des persönlich haftenden Gesellschafters entspricht. Im Insolvenzfall unterscheidet sich die Haftungsmasse deutlich: Der Kommanditist ist nach Einlageleistung nicht mehr persönlich zur Leistung verpflichtet, während das Privatvermögen des Komplementärs weiterhin für Verbindlichkeiten haftet.