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Overallotment


Definition und rechtlicher Rahmen des Overallotments

Begriffserklärung Overallotment

Das Overallotment beschreibt im Kapitalmarktrecht und insbesondere bei Börsengängen (Initial Public Offerings, IPOs) die Mehrzuteilung von Wertpapieren durch Banken oder Emissionskonsortien über die ursprünglich vorgesehene Emissionsmenge hinaus. Diese Technik dient zur Stabilisierung des Emissionskurses und wird regelmäßig mit der sogenannten Greenshoe-Option kombiniert, um Überzeichnungen während der Platzierung zu regulieren.

Gesetzliche Grundlagen und aufsichtsrechtliche Einordnung

Das Overallotment ist kein eigenständiger Tatbestand im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), jedoch sind damit verbundene Praktiken wie Kursstabilisierungsmaßnahmen und deren Transparenzverpflichtungen rechtlich geregelt. Wesentliche Vorgaben ergeben sich insbesondere aus den Vorgaben der Europäischen Marktmissbrauchsverordnung (Market Abuse Regulation, MAR, Verordnung (EU) Nr. 596/2014) sowie ergänzend aus dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG) und relevanten Leitlinien der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

Zweck und Funktionsweise

Das Ziel des Overallotments besteht darin, die Liquidität im Markt zu erhöhen, eine Preisstabilität nach erfolgter Emission sicherzustellen und zu verhindern, dass der Kurs unmittelbar nach dem Börsengang (Going Public) unter den Emissionspreis sinkt. Die Mehrzuteilung erfolgt in der Regel parallel zur Platzierung mit Unterstützung der Greenshoe-Option, einer Rückkaufsoption, welche die Deckung der Überzuteilung absichert.

Rechtliche Ausgestaltung der Mehrzuteilung

Die rechtliche Struktur der Emissionskonsortien

Im Rahmen der Mehrzuteilung verpflichten sich Emissionsbanken dazu, eine größere Anzahl von Aktien am Markt zu platzieren als tatsächlich von der Emittentin herausgegeben werden. Rechtlich wird hierfür eine zusätzliche Zuteilung aus dem Bestand der Altaktionäre (Sekundärzuteilung) oder durch die Grundsatzvereinbarung einer Aktienleihe (Stock Lending Agreement) geschaffen. Die rechtliche Absicherung erfolgt primär über die Konsortialverträge und die Platzierungsvereinbarungen mit der Emittentin.

Greenshoe-Option als Sicherungsinstrument

Typischerweise begleitet die Greenshoe-Option die Mehrzuteilung. Hierbei erteilt die Emittentin dem Bankenkonsortium eine Kaufoption auf einen bestimmten Prozentsatz der Gesamtemission, sodass das Konsortium die Möglichkeit erhält, die über die Ursprungsemissionsmenge hinausgehende Nachfrage zu bedienen. Die rechtliche Grundlage bildet eine separat ausgehandelte Optionsvereinbarung, deren Ausübung marktüblich in einem bestimmten Zeitraum nach erfolgter Börsenzulassung erfolgt.

Transparenzanforderungen und Prospektpflichten

Die rechtliche Zulässigkeit von Overallotments ist an strikte Transparenzvorgaben gebunden. Nach Art. 5 EU-Marktmissbrauchsverordnung müssen Stabilisierungsmaßnahmen, einschließlich Overallotments, zeitnah und in geeigneter Form offengelegt werden. Die wesentlichen Bedingungen der Mehrzuteilung – insbesondere Umfang, Zielsetzung und die Bedingungen der Greenschuh-Option – müssen im Wertpapierprospekt klar und unmissverständlich dargestellt werden. Die BaFin und andere Aufsichtsbehörden überwachen die Einhaltung dieser Vorschriften.

Anlegerschutz und Marktintegrität

Schutzmechanismen und Grenzen der Zulässigkeit

Obwohl Overallotments zur Markteinführung beitragen, unterliegen sie engen aufsichtsrechtlichen Restriktionen zum Schutz der Marktintegrität. Zum einen dürfen sie ausschließlich zum Zweck der Emissionsstabilisierung eingesetzt werden. Jegliche weitergehende marktmanipulative Ausnutzung ist untersagt und stellt eine Ordnungswidrigkeit im Sinne der Marktmissbrauchsregulierung dar.

Offengelegter Stabilisierungszeitraum und Reportingpflichten

Die Durchführung der Mehrzuteilung und damit verbundener Rückkäufe (Stabilisierungsmaßnahmen) darf lediglich innerhalb eines gesetzlich definierten Zeitrahmens stattfinden, typischerweise innerhalb von 30 Kalendertagen nach dem Handelsbeginn. Über sämtliche durchgeführten Maßnahmen muss das Emissionskonsortium der Öffentlichkeit und der zuständigen Aufsichtsbehörde regelmäßig Bericht erstatten.

Rechtsfolgen bei Verstößen

Verstöße gegen die Offenlegungs- und Transparenzpflichten im Zusammenhang mit Overallotments können zu erheblichen aufsichtsrechtlichen Sanktionen führen. Neben empfindlichen Geldbußen droht auch die Rückabwicklung der jeweiligen Transaktion sowie zivilrechtliche Schadensersatzansprüche geschädigter Marktteilnehmer.

Internationaler Kontext und besondere Bestimmungen

Europarechtliche Einflüsse

Die Regulierung von Overallotments ist europaweit durch die Vorgaben der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) harmonisiert und unterliegt damit einheitlichen Anforderungen im gesamten europäischen Wirtschaftsraum. Nationale Besonderheiten können sich aus unterschiedlichen Umsetzungspraxis und ergänzenden Regelunge auf Ebene der jeweiligen Aufsichtsbehörden ergeben.

Besonderheiten in anderen Rechtsordnungen

In anderen Rechtsordnungen, insbesondere in den USA oder im angelsächsischen Raum, existieren eigene Bestimmungen zur Rechtsnatur und Zulässigkeit von Overallotments. Dort regelt die Securities and Exchange Commission (SEC) die Ausgestaltung, wobei auch hier erhebliches Gewicht auf Transparenz und Anlegerschutz gelegt wird.

Zusammenfassung

Overallotment ist ein bedeutendes Instrument im Kapitalmarktrecht, das im Rahmen von Börsengängen zur Stabilisierung von Wertpapierkursen eingesetzt wird. Die rechtliche Ausgestaltung erfolgt durch umfassende vertragliche, aufsichtsrechtliche und kapitalmarktrechtliche Vorgaben. Transparenz, Offenlegung und die Vermeidung von Marktmanipulation stellen zentrale Regulierungsschwerpunkte dar. Die Einhaltung dieser Vorgaben wird durch nationale und europäische Aufsichtsbehörden überwacht, wobei Verstöße empfindliche Sanktionen nach sich ziehen können. Overallotments ermöglichen so einen stabilen Börsenstart, wobei deren gesetzliche und aufsichtsrechtliche Grenzen dem Schutz der Marktintegrität und der Anlegerinteressen dienen.

Häufig gestellte Fragen

Welche haftungsrechtlichen Risiken bestehen bei einer Overallotment-Option für die beteiligten Parteien?

Im Rahmen einer Kapitalmarkttransaktion, insbesondere bei einem Börsengang (Initial Public Offering, IPO), können verschiedene Parteien wie Emittenten, Konsortialbanken und Altaktionäre an einer Overallotment-Option (auch als „Greenshoe-Option“ bekannt) beteiligt sein. Die haftungsrechtlichen Risiken ergeben sich primär aus Prospekthaftungstatbeständen (z.B. nach § 9 WpPG), etwaigen zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen und spezialgesetzlichen Haftungsnormen. Wesentlich ist, dass die ordnungsgemäße Veröffentlichung sämtlicher die Emission betreffenden Tatsachen, insbesondere im Wertpapierprospekt, sichergestellt wird. Werden z.B. marktmissbräuchliche Praktiken (wie Informationsvorspielung zum tatsächlichen Umfang der Platzierung) begangen oder werden beweispflichtige Aufklärungspflichten verletzt, können Schadensersatzansprüche gegenüber Emittenten und Konsortialführern entstehen. Auch können Haftungen aus kapitalmarktrechtlichen Vorschriften, insbesondere bei Verstößen gegen das Marktmissbrauchsregime (MAR), entstehen, etwa falls die tatsächliche Ausübung und Rückabwicklung der Overallotment-Transaktionen nicht adäquat mitgeteilt wird.

Welche Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten entstehen durch die Durchführung einer Overallotment im deutschen Kapitalmarktrecht?

Nach deutschem Kapitalmarktrecht und entsprechend anwendbarem EU-Recht (insbesondere der Marktmissbrauchsverordnung, MAR), bestehen weitreichende Transparenz- und Veröffentlichungspflichten. Dazu zählt insbesondere die Veröffentlichung der Planungen und Transaktionsdetails rund um die Overallotment-Option im Wertpapierprospekt (nach ProspektVO) sowie die ad hoc-Mitteilungspflichten, sollte die Ausübung der Option oder eine nicht erwartete Platzierungsentscheidung einen Kursbeeinflussungseffekt haben. Daneben erfordern Bestimmungen der Wertpapierhandelsgesetzgebung (WpHG) die Offenlegung aller relevanten Orderbuchtransaktionen und Marktstabilisierungsmaßnahmen. Entsprechende Mitteilungen müssen, je nach Ausgestaltung der Transaktion und der Rolle der Banken, auch anschließend an die BaFin und Börsengesellschaft erfolgen. Ein Versäumnis kann sowohl verwaltungsrechtliche Sanktionen als auch zivilrechtliche Ansprüche nach sich ziehen.

Welche aufsichtsrechtliche Genehmigung oder Anzeige ist für die Implementierung einer Overallotment-Option erforderlich?

Die Implementierung einer Overallotment-Option bedarf im Regelfall keiner gesonderten aufsichtsrechtlichen Genehmigung, solange sie im Rahmen der geltenden kapitalmarktrechtlichen Rahmenbedingungen erfolgt und im Wertpapierprospekt ausreichend beschrieben wird. Es ist jedoch zwingend erforderlich, dass die Option und die beabsichtigten Marktstabilisierungsmaßnahmen explizit und transparent im Emissionsprospekt offenbart werden, um aufsichtsrechtliche Konformität zu sichern. Darüber hinaus sind Stabilisierungstransaktionen nach Art. 5 der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) sowie delegierten Rechtsakten explizit der zuständigen nationalen Behörde, in Deutschland der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), vorab anzuzeigen und regelmäßig zu reporten. Unterbleiben diese Anzeigen, drohen empfindliche Bußgelder und gegebenenfalls prospektrechtliche Konsequenzen.

Inwieweit unterliegt die Preisbildung beim Einsatz einer Overallotment-Option regulatorischen Beschränkungen?

Die Preisbildung bei Transaktionen mit Overallotment-Optionen ist insbesondere durch das europäische Marktmissbrauchsrecht reguliert. Jede Art der Marktbeteiligung im Rahmen von Greenshoe-Transaktionen muss den Vorgaben der Preismanipulationsverbote der MAR entsprechen, das heißt, es dürfen keine künstlichen Preisniveaus geschaffen oder andere Marktteilnehmer über den tatsächlichen Wert, das Angebot oder die Nachfrage des Finanzinstruments getäuscht werden. Erlaubt ist lediglich eine sogenannte Preisstützung innerhalb des zulässigen Rahmens für Marktstabilisierungsmaßnahmen, die streng dokumentiert und offengelegt werden muss. Wettbewerbshüter nehmen insbesondere bei Abweichungen oder nicht nachvollziehbaren Transaktionspreisen eine intensive Prüfung vor. Eine Verletzung der Bestimmungen kann empfindliche administrative und strafrechtliche Konsequenzen haben.

Welche Rolle spielen gesellschaftsrechtliche Beschlüsse bei der Einrichtung und Ausübung einer Overallotment-Option?

Da die Overallotment-Option meist mit einer Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss (genehmigtes oder bedingtes Kapital) einhergeht, sind entsprechende Hauptversammlungsbeschlüsse nach Aktiengesetz (insb. § 203 AktG i.V.m. § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG) erforderlich. Diese Beschlüsse müssen unter anderem Art, Umfang und Zweck der Maßnahme ausreichend konkretisieren und die Ermächtigung der Geschäftsleitung zur entsprechenden Ausgabe neuer Aktien regeln. Ohne eine saubere Beschluss- und Protokolllage besteht das Risiko einer rechtlichen Anfechtung und einer möglichen Rückabwicklung der Transaktion. Auch für die Platzierung existierender Aktien aus Altbeständen können gesellschaftsrechtliche Regelungen einschlägig sein, beispielsweise Zustimmungserfordernisse auf Gesellschafter- oder Aufsichtsratsebene.

Wie sind die zivilrechtlichen Vertragsbeziehungen zwischen Emittent, Konsortialbank und Anleger bei einer Overallotment-Option ausgestaltet?

Die zivilrechtlichen Vertragsbeziehungen nehmen bei einer Overallotment-Struktur zentrale Bedeutung ein. Grundsätzlich werden hierfür komplexe Konsortialverträge (Underwriting Agreements) abgeschlossen, in denen die Bedingungen zur Ausübung der Option, die Pflichten und Haftungsverteilung unter den Banken sowie gegenüber dem Emittenten detailliert festgelegt werden. Besondere Klauseln betreffen unter anderem Settlement- und Rückabwicklungsmechanismen, im Falle einer Ausübung der Option durch die Konsortialbanken. Anleger haben grundsätzlich Ansprüche auf Zuteilung der überzeichneten Aktien, soweit die Option tatsächlich ausgeübt wurde und müssen über etwaige Besonderheiten bei Allokation und Kursstützung im Transparenzdokument (Prospekt) aufgeklärt werden. Im Streitfall greift das Allgemeine Schuldrecht (z.B. §§ 280 ff. BGB) sowie das Wertpapierrecht.

Welche kartellrechtlichen Aspekte sind bei der Durchführung von Overallotment-Optionen zu beachten?

Kartellrechtlich relevant wird die Durchführung, wenn mehrere Kreditinstitute oder Emissionsbanken im Rahmen eines Emissionskonsortiums agieren. Die wettbewerbsrechtlichen Normen des GWB (insb. §§ 1, 2 GWB, Art. 101 AEUV) verbieten grundsätzlich wettbewerbsbeschränkende Absprachen. Das Syndikat darf faktisch und rechtlich keine über die Transaktionsabwicklung hinausgehenden Absprachen über Preisgestaltung, Marktverhalten oder sonstige Beschränkungen treffen. Eine coordination de facto, etwa durch abgesprochene Mengen oder Preisuntergrenzen bei der Platzierung von Aktien, kann sowohl national (Kartellamt) als auch europäisch (Europäische Kommission) geahndet werden. Die Kartellaufsicht fordert daher eine klare Abgrenzung zwischen notwendiger Konsortialabstimmung im Rahmen der Transaktion und verbotener Marktbeherrschung oder Koordinierung.