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Ortschaftsbeirat, Ortschaftsrat


Begriff und rechtliche Grundlagen des Ortschaftsbeirats / Ortschaftsrats

Der Ortschaftsbeirat bzw. Ortschaftsrat ist ein kommunales Vertretungsorgan in Deutschland, das in bestimmten Gemeinden und Ortsteilen mit Ortschaftsverfassung gebildet wird. Seine Aufgaben, Organisation und Rechtsstellung sind im Wesentlichen auf der Grundlage des Kommunalrechts der einzelnen Bundesländer geregelt. Besonders relevant ist dabei die Rolle des Ortschaftsbeirates als Vertretungseinrichtung für den jeweiligen Ortsteil. Ziel ist die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung durch eine stärkere Beteiligung der Bewohner von Ortschaften oder Stadtteilen an öffentlichen Angelegenheiten.

Rechtsquellen und gesetzliche Grundlagen

Die rechtlichen Regelungen zum Ortschaftsbeirat und Ortschaftsrat finden sich überwiegend in den jeweiligen Gemeindeordnungen oder Kommunalverfassungen der Bundesländer. Die wichtigsten Gesetzeswerke sind:

  • Baden-Württemberg: § 67 ff. Gemeindeordnung Baden-Württemberg (GemO)
  • Sachsen: §§ 65 ff. Sächsische Gemeindeordnung (SächsGemO)
  • Nordrhein-Westfalen: § 36 Gemeindeordnung NRW (GO NRW)
  • weitere Länder: ähnliche Bestimmungen in den Gemeindeordnungen

Darüber hinaus erlassen Gemeinden und Städte auf Grundlage der jeweiligen Gesetze Satzungen zur Ausgestaltung der Ortschaftsverfassung.

Aufgaben und Zuständigkeiten des Ortschaftsbeirats

Funktion und Aufgabenbereich

Der Ortschaftsbeirat vertritt die Interessen der Bürgerinnen und Bürger einer Ortschaft oder eines Ortsteils gegenüber dem Gemeinderat und der Gemeindeverwaltung. Zu den klassischen Zuständigkeiten gehören:

  • Beratung und Stellungnahme zu Angelegenheiten, die die Ortschaft betreffen, beispielsweise zur örtlichen Infrastruktur, Schulen, Vereinen oder Verkehrsangelegenheiten.
  • Entscheidungs- oder Vorschlagsrecht in bestimmten, durch Satzung zugewiesenen Angelegenheiten
  • Antragsrecht an den Gemeinderat
  • Mitwirkung bei der Planung von Maßnahmen, die die Ortschaft betreffen (z. B. Dorfentwicklungsplanung, Bebauungspläne, Spielplatz- oder Straßenbau)
  • Überwachung der Durchführung von Beschlüssen, die die Ortschaft betreffen

Die konkrete Ausgestaltung der Aufgaben hängt von der jeweiligen Gemeindeordnung und den konkreten Vorschriften der Ortssatzung ab.

Entscheidungsbefugnisse

Die Gemeindeordnungen sehen in der Regel lediglich ein beratendes und empfehlendes Mandat für den Ortschaftsbeirat vor. Einzelne Aufgaben können jedoch durch die Hauptsatzung der Gemeinde ausdrücklich zur eigenen Entscheidung oder Verwaltung im Rahmen der übertragenen Aufgaben zugewiesen werden. Die Rechte umfassen typischerweise:

  • Anhörungs- und Vorschlagsrecht in Angelegenheiten der Ortschaft
  • Entscheidungsrecht in Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, soweit diese durch Satzung übertragen wurden

Verbindliche Entscheidungen trifft meist der Gemeinderat, sofern ihnen nicht ausdrücklich Kompetenzen auf den Ortschaftsbeirat übertragen wurden.

Wahl, Zusammensetzung und Amtszeit

Wahlverfahren

Die Mitglieder des Ortschaftsbeirates oder Ortschaftsrates werden, abhängig vom Kommunalrecht des Bundeslands, in der Regel direkt, manchmal auch indirekt von den wahlberechtigten Bürgern des Ortsteils gewählt. Die Einzelheiten des Wahlverfahrens (z. B. Verhältniswahlrecht, Mehrheitswahlrecht) sowie die Zahl der Beiratsmitglieder bestimmt die Satzung der jeweiligen Gemeinde.

Zusammensetzung

Die Größe und Zusammensetzung des Ortschaftsbeirates wird in der Hauptsatzung geregelt und richtet sich meistens nach der Einwohnerzahl des Ortsteils. Die Mindest- und Höchstzahl ist in den Landesgesetzen unterschiedlich geregelt, bewegt sich typischerweise im Rahmen von drei bis dreizehn Mitgliedern. Vorsitzendes Mitglied ist in der Regel der Ortsvorsteher oder die Ortsvorsteherin.

Amtszeit

Die Amtszeit der Mitglieder des Ortschaftsbeirats entspricht regelmäßig der regulären Wahlperiode der Gemeindevertretung bzw. des Gemeinderats, d. h. im Regelfall fünf Jahre. Nachwahlen und Nachrücker werden ebenfalls durch die Hauptsatzung bzw. kommunale Wahlgesetze geregelt.

Der Ortsvorsteher / die Ortsvorsteherin

Wahl und Aufgaben

Der Ortsvorsteher fungiert in vielen Bundesländern als Vorsitzender des Ortschaftsbeirats und repräsentiert den Ortsteil nach außen. Die Wahl erfolgt meist aus den Reihen der gewählten Beiratsmitglieder, teils direkt durch die Einwohner des Ortsteils. Zu den Aufgaben zählen:

  • Leitung der Sitzungen des Ortschaftsbeirats
  • Vertretung der Ortschaft gegenüber Gemeinderat und Verwaltung
  • Ausführung der Entscheidungen und Beschlüsse
  • Wahrnehmung repräsentativer Aufgaben im Ortsteil

Die rechtlichen Einzelheiten zur Wahl und Amtszeit regeln die Gemeindeordnung und die Satzungen der Gemeinden.

Abgrenzung: Ortschaftsbeirat, Ortschaftsrat und Gemeindevertretung

Die Begriffe Ortschaftsbeirat und Ortschaftsrat werden nicht einheitlich verwendet. In einigen Bundesländern ist der Ortschaftsbeirat ein beratendes Gremium ohne Beschlusskompetenz, während der Ortschaftsrat – insbesondere in Baden-Württemberg – als Vertretungskörperschaft mit eigenständigeren Rechten auftritt. Die genaue Kompetenzabgrenzung ergibt sich aus den Landesgesetzen und den entsprechenden kommunalen Satzungen.

Die Gemeindevertretung (z. B. Gemeinderat) ist das höchste Beschlussorgan einer Gemeinde; Ortschaftsbeirat und Ortschaftsrat nehmen im Rahmen der ihnen verliehenen Kompetenzen lediglich Verantwortung für den Teilbereich der Ortschaft oder des Ortsteils wahr.

Rechtsschutz und Kontrolle

Der Ortschaftsbeirat ist in seiner Arbeit an Recht und Gesetz, die Ortsverfassung sowie Satzung und Geschäftsordnung gebunden. Bei Überschreitung seiner Kompetenzen kann die Gemeindeaufsichtsbehörde einschreiten. Darüber hinaus können Entscheidungen des Ortschaftsbeirats durch den Gemeinderat geändert oder aufgehoben werden, sofern die Befugnis zur abschließenden Entscheidung nicht explizit übertragen wurde.

Beschlüsse des Beirats sind grundsätzlich öffentlich, soweit nicht datenschutzrechtliche oder sonstige schutzwürdige Interessen dagegen sprechen. Für Fehler und Pflichtverletzungen gelten die allgemeinen kommunalen Haftungsregeln.

Bedeutung und Funktion im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung

Die Einrichtung eines Ortschaftsbeirates dient der Beteiligung der Bevölkerung auf örtlicher Ebene an kommunalen Entscheidungsprozessen, fördert die Transparenz und sorgt für eine stärkere Identifikation der Bürger mit ihrem Ortsteil oder ihrer Gemeinde. Sie wirkt einer Zentralisierung der Entscheidungskompetenz in der Gemeindeverwaltung entgegen und stärkt das Prinzip der Selbstverwaltung.

Im Rahmen des Zusammenwachsens kleinerer Gemeinden zu Verwaltungseinheiten oder im Zuge von Eingemeindungen sichern Ortschaftsbeiräte oft den Fortbestand ortsteilbezogener Interessenwahrnehmung.

Literaturhinweise und weiterführende Vorschriften (Auswahl)

  • Gemeindeordnung Baden-Württemberg (GemO)
  • Sächsische Gemeindeordnung (SächsGemO)
  • Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen (GO NRW)
  • Kommunalverfassungsgesetze der übrigen Bundesländer
  • Hausmann/Gröpl: Kommunalrecht, neuste Auflage

Fazit

Der Ortschaftsbeirat beziehungsweise Ortschaftsrat ist ein wesentliches Instrument der kommunalen Selbstverwaltung und Bürgerbeteiligung auf Ortsteilebene. Die genaue Ausgestaltung seiner Rechtsstellung, Wahl, Aufgaben und Kompetenzen hängt von den Vorgaben der jeweiligen Landesgesetzgebung sowie den örtlichen Satzungen ab. In seiner Funktion als Bindeglied zwischen Bürgerschaft, Gemeinderat und Verwaltung trägt der Ortschaftsbeirat wesentlich dazu bei, die Interessen von Ortsteilen im Entscheidungsprozess der Gesamtgemeinde zu repräsentieren und zu fördern.

Häufig gestellte Fragen

Wie erfolgt die Wahl des Ortschaftsrats bzw. des Ortschaftsbeirats nach rechtlichen Bestimmungen?

Die Wahl des Ortschaftsrats oder Ortschaftsbeirats ist in den Gemeindeordnungen der jeweiligen Bundesländer geregelt, wobei sich die gesetzlichen Einzelheiten zum Teil deutlich unterscheiden. In Baden-Württemberg etwa sind die Regelungen im § 69ff. Gemeindeordnung (GemO BW) festgeschrieben. Die Mitglieder werden in der Regel gleichzeitig mit dem Gemeinderat für die Dauer der jeweiligen Wahlzeit gewählt. Das Wahlverfahren folgt dabei in der Regel den Grundsätzen der Verhältniswahl oder der Mehrheitswahl. Wahlberechtigt und wählbar sind grundsätzlich die Bürgerinnen und Bürger der Ortschaft, wobei die spezifischen Wahlrechtsvoraussetzungen, wie das Mindestalter und der Wohnsitz, den allgemeinen Kommunalwahlvorschriften entsprechen. Die endgültige Sitzverteilung erfolgt nach den gesetzlichen Auszählungsverfahren (beispielsweise Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren in einigen Ländern). Bei Ausscheiden eines Mitglieds während der Amtszeit wird die Nachfolge ebenfalls rechtlich geregelt, beispielsweise durch Nachrücker oder Nachwahl.

Welche gesetzlichen Aufgaben und Befugnisse hat der Ortschaftsrat bzw. Ortschaftsbeirat?

Die Aufgaben und Befugnisse des Ortschaftsrats oder Ortschaftsbeirats sind im jeweiligen Kommunalrecht verankert, insbesondere in den Vorschriften der Gemeindeordnung sowie in der Hauptsatzung der Gemeinde. Grundsätzlich hat der Ortschaftsrat die Aufgabe, die Interessen der jeweiligen Ortschaft im Kontext der Gesamtgemeinde zu vertreten. Hierzu zählen insbesondere die Beratung und Beschlussfassung in Angelegenheiten, die die Ortschaft betreffen und die der Ortschaftsrat kraft gesetzlicher oder satzungsmäßiger Zuweisung wahrnehmen darf. In der Regel besitzt der Ortschaftsrat Anhörungs- oder Vorschlagsrechte und, je nach Hauptsatzung, auch ein Entscheidungsrecht in bestimmten Angelegenheiten der örtlichen Verwaltung, wie zum Beispiel bei der Verwendung von Ortschaftsmitteln, Durchführung von Veranstaltungen oder der Pflege öffentlicher Einrichtungen. Die genauen Zuständigkeiten ergeben sich jeweils aus der Hauptsatzung der Gemeinde, die sich an den gesetzlichen Rahmenbedingungen orientiert.

Wie ist das Verhältnis zwischen Ortschaftsrat/Ortschaftsbeirat und dem Gemeinderat gesetzlich geregelt?

Das Verhältnis zwischen Ortschaftsrat bzw. Ortschaftsbeirat und Gemeinderat ist durch übergeordnete Vorschriften der Gemeindeordnung (z. B. § 70 GemO BW) sowie durch die Hauptsatzung der Gemeinde bestimmt. Der Gemeinderat bleibt das zentrale Beschlussorgan der gesamten Gemeinde, während der Ortschaftsrat auf die Ortschaft begrenzte Befugnisse besitzt. In vielen Fällen kann der Ortschaftsrat jedoch zu Angelegenheiten, die die Ortschaft betreffen, Stellung nehmen, und der Gemeinderat ist verpflichtet, die Stellungnahme des Ortschaftsrats vor seiner Entscheidung einzuholen oder zu berücksichtigen. Beschlüsse des Ortschaftsrats, die im Rahmen seiner übertragenen Zuständigkeit gefasst werden, sind für die Ortschaft verbindlich, ansonsten handelt der Ortschaftsrat meist beratend. Das Gremium darf den Gemeinderat aber nicht ersetzen oder dessen Entscheidungen aufheben. Die Aufgaben- und Kompetenzabgrenzung wird in der Gemeindehauptsatzung konkretisiert und kann durch Delegation zusätzlicher Kompetenzen durch den Gemeinderat erweitert werden.

Welche rechtlichen Vorgaben bestehen für die Geschäftsführung und die Einberufung von Sitzungen des Ortschaftsrats?

Die Geschäftsführung des Ortschaftsrats ist durch die Gemeindeordnung des jeweiligen Bundeslandes sowie ergänzend durch eine von der Gemeinde erlassene Geschäftsordnung bestimmt. Die Einberufung der Sitzungen erfolgt grundsätzlich durch den Vorsitzenden des Ortschaftsrats, in der Regel den gewählten Ortsvorsteher. Die Ladungsfristen und Formen der Einladung müssen die gesetzlichen Vorgaben beachten, meist unter Einhaltung einer Mindestfrist und schriftlicher Zustellung unter Nennung der Tagesordnung. Die Sitzungen sind grundsätzlich öffentlich, es sei denn, gesetzliche Gründe für den Ausschluss der Öffentlichkeit liegen vor. Die Beschlussfähigkeit, Abstimmungsverfahren und Protokollführung sind ebenfalls gesetzlich geregelt. Entscheidungen werden mit Stimmenmehrheit gefasst, wobei die genaue Stimmanzahl und etwaige Sonderregelungen (z. B. bei Stimmengleichheit) in der Satzung oder Geschäftsordnung festgelegt sind.

Welche Rechte und Pflichten haben die Mitglieder eines Ortschaftsrats bzw. Ortschaftsbeirats aus rechtlicher Sicht?

Die Mitglieder des Ortschaftsrats oder Ortschaftsbeirats sind sogenannte ehrenamtliche Mandatsträger und unterliegen daher speziellen gesetzlichen Regelungen. Sie sind zur ordnungsgemäßen und gewissenhaften Ausübung ihres Mandats verpflichtet, unterliegen einer Verschwiegenheitspflicht bezüglich vertraulicher Angelegenheiten und haben sich bei Entscheidungen an Recht und Gesetz zu halten. Jedes Mitglied hat das Recht auf Auskunft und Einsicht in die Unterlagen, die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlich sind (Akteneinsichtsrecht). Zudem haben sie das Recht auf Teilnahme an allen Sitzungen, das Stimmrecht und das Recht, Anträge zu stellen. Andererseits sind sie verpflichtet, an Sitzungen teilzunehmen, sich auf Sitzungen vorzubereiten und etwaige Befangenheiten unverzüglich offenzulegen. Bei Verstößen gegen die Pflichten können vom Vorsitzenden Ordnungsmaßnahmen verhängt werden; in schweren Fällen ist ein Ausschluss durch den Gemeinderat möglich.

Unter welchen rechtlichen Voraussetzungen kann ein Ortschaftsrat bzw. Ortschaftsbeirat aufgelöst oder neu gebildet werden?

Die Auflösung oder Neubildung eines Ortschaftsrats bzw. Ortschaftsbeirats ist in der Gemeindeordnung sowie in den Gesetzen zur Kommunalreform geregelt. Grundlegende Voraussetzungen sind strukturelle Veränderungen wie Eingemeindungen, Gebietsveränderungen oder die Änderung der Hauptsatzung der Gemeinde. Die Bildung neuer Ortschaften und damit verbundener Gremien kann durch Beschluss des Gemeinderats erfolgen und ist meist an bestimmte formale Voraussetzungen wie Einwohnerzahl, Ortsteilerhalt oder spezifische historische Gründe gekoppelt. Die Auflösung ist nur unter engen gesetzlichen Vorgaben möglich, etwa bei Wegfall der Ortschaft infolge Eingemeindung oder durch ausdrücklichen Willen der Bevölkerung nach Durchführung eines Bürgerentscheids, sofern dies die Landesgesetze zulassen. Die Verfahren sehen umfassende Anhörungs- und Beteiligungsrechte für die betroffenen Bürger vor und unterliegen in der Regel einer kommunalaufsichtlichen Kontrolle.