Begriff und Definition der Organisierten Kriminalität
Organisierte Kriminalität ist ein Begriff, der strafrechtlich und kriminologisch insbesondere als Oberbegriff für komplexe, arbeitsteilige und verdeckt agierende Gruppierungen verwendet wird, die erhebliche kriminelle Aktivitäten über einen längeren Zeitraum hinweg planen, ausführen und hiervon wirtschaftlich profitieren. Die Legaldefinition der organisierten Kriminalität findet sich für den bundesdeutschen Raum unter anderem im 1. Periodischen Sicherheitsbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2001 sowie in den gemeinsamen Lagebildern von Polizei und Strafverfolgungsbehörden. International maßgeblich ist die Definition im Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (UNTOC, sog. Palermo-Konvention).
Organisierte Kriminalität umfasst dabei nicht einzelne Straftaten oder Gelegenheitsdelikte, sondern strukturell und arbeitsteilig aufgebaute Verbrechen mit dem Ziel materielle Vorteile zu erlangen. Wesentliche Merkmale sind die zentrale Steuerung, konspirative Vorgehensweise und die systematische Begehung insbesondere schwerer Straftaten.
Wesentliche Merkmale
Die im polizeilichen Verständnis etablierten Kriterien lauten:
- Zusammenschluss mehrerer Personen auf längere Dauer
- Arbeitsteilige Organisation und Planung der Taten
- Verfolgung von Gewinn- oder Machtinteressen
- Abschirmung nach außen (z. B. durch Korruption, Gewalt, Bedrohung)
- Einflussnahme auf Wirtschaft, Politik, Verwaltung oder Justiz
Gesetzliche Grundlage und rechtlicher Rahmen
Nationale Regelungen
In Deutschland existiert kein eigenständiger Straftatbestand „Organisierte Kriminalität“. Die Bekämpfung erfolgt vielmehr durch ein Zusammenspiel verschiedener Strafnormen des Strafgesetzbuchs (StGB), Spezialnormen und prozessualen Befugnisse.
Wesentliche Bedeutung kommt dabei folgenden Regelungen zu:
- § 129 StGB: Bildung krimineller Vereinigungen
Enthält den Grundsatz, dass sich bereits die Gründung bzw. Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung oder deren Unterstützung strafbar macht, wenn deren Ziel die Begehung erheblicher Straftaten ist.
- § 129a StGB: Bildung terroristischer Vereinigungen
Ergänzt den § 129 StGB um speziell terroristisch motivierte Vereinigungen, etwa bei Anschlägen.
- § 129b StGB: Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland
Erweiterung der Strafbarkeit auf im Ausland agierende Gruppierungen mit Bezug zum Inland.
- § 261 StGB: Geldwäsche
Sanktionsbewehrung für die Einschleusung illegal erworbener Vermögenswerte in den legalen Wirtschaftskreislauf – als ein zentrales Element der organisierten Kriminalität.
- Spezielle Straftatbestände wie Drogenhandel (§ 29 BtMG), Menschenhandel (§ 232 StGB), Erpressung, Korruption, Fälschungsdelikte oder Waffenhandel.
Internationale Regelungen
Organisierte Kriminalität wird in zahlreichen internationalen Abkommen adressiert, darunter:
- Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (UNTOC, 2000)
Definiert eine „organisierte kriminelle Gruppe“ als einen strukturierten Zusammenschluss von drei oder mehr Personen, der über längere Zeit und in Absprache kriminell tätig ist. Erfasst werden insbesondere grenzüberschreitende Delikte und Geldwäsche.
- Europäischer Rahmenbeschluss zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität
Legt Mindestvorschriften zur gegenseitigen rechtlichen Zusammenarbeit und zur Harmonisierung der Strafnormen innerhalb der EU fest.
Erscheinungsformen und Deliktsbereiche
Organisierte Kriminalität ist kein homogenes Phänomen, sondern umfasst eine Vielzahl von Deliktsbereichen, die häufig tiefgreifende Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft und Staat haben:
- Drogenhandel: Produktion, Schmuggel und Vertrieb illegaler Betäubungsmittel
- Menschenhandel und Schleusung: Ausbeutung von Personen (Sexuelle Ausbeutung, Zwangsarbeit)
- Waffenhandel: Illegaler Besitz, Weitergabe und internationale Verschiebung von Waffen
- Wirtschaftskriminalität: Betrug (z. B. Umsatzsteuerkarusselle), Produktpiraterie, Markenfälschung
- Umweltkriminalität: Illegale Müllentsorgung, giftige Abfälle
- Cyberkriminalität: Angriff auf IT-Infrastrukturen, Ransomware, Internetbetrug
Vielfach mit traditioneller organisierter Kriminalität verknüpft.
Bekämpfung und Strafverfolgung
Ermittlungsbefugnisse und Strafverfahren
Im Kampf gegen organisierte Kriminalität greifen Strafverfolgungsbehörden häufig auf erweiterte und teils in Grundrechte eingreifende Ermittlungsmaßnahmen zurück, darunter:
- Telefonüberwachung (§ 100a StPO)
- Einsatz von Verdeckten Ermittlern (§ 110a StPO)
- Observation und Wohnraumüberwachung (§§ 100c, 100f StPO)
- Vermögensabschöpfung und Einziehung (§§ 73 ff. StGB, § 111b StPO)
- Internationale Rechtshilfe (z. B. Europol, Interpol)
- Zusammenarbeit über Europäische Ermittlungsanordnungen und gemeinsame Ermittlungsgruppen (Joint Investigation Teams)
Schutzmaßnahmen
Der Schutz von Zeugen spielt eine herausragende Rolle, da Aussagen gegen organisierte Gruppen erhebliche Gefahren für Leib und Leben der Zeugen bedeuten können. So existieren spezielle Zeugenschutzprogramme auf nationaler und internationaler Ebene.
Kriminologische Einordnung und gesellschaftliche Auswirkungen
Struktur und Aufbau
Organisierte Kriminalität weist typischerweise eine hierarchische oder netzwerkartige Struktur auf, die Anonymität und Effizienz im Vorgehen sichert. Entscheidungen werden entweder zentral von Führungskreisen getroffen (z. B. Mafia, ‚Ndrangheta) oder dezentral über horizontale Netzwerke koordiniert (z. B. Transnationale Banden, Kartelle).
Gesellschaftliche und ökonomische Folgen
- Unterwanderung von Wirtschaft und Politik: Durch systematische Korruption werden legale Märkte und Verwaltung beeinflusst.
- Schädigung des Wirtschaftsstandorts: Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung und Produktpiraterie führen zu Wettbewerbsverzerrungen.
- Steigende Gewaltkriminalität: Machtstreitigkeiten und Drohungen innerhalb und zwischen Gruppierungen erhöhen das Gewaltniveau.
Prävention und internationale Zusammenarbeit
Die Bekämpfung organisierter Kriminalität erfordert koordinierte Prävention und Kooperation zwischen Staaten, Behörden und betroffenen sektoren. Neben repressiven Maßnahmen wie Strafverfolgung und Vermögensabschöpfung spielen Prävention, gesellschaftliche Sensibilisierung und Korruptionsbekämpfung eine wesentliche Rolle. Tauschnetzwerke und gemeinsame Task Forces sind für die grenzüberschreitende Bekämpfung unerlässlich.
Literaturverweise und rechtliche Grundlagen
Weitere Informationen und detaillierte Regelungen finden sich insbesondere in:
- Strafgesetzbuch (StGB), insbesondere §§ 129, 129a, 129b StGB
- Betäubungsmittelgesetz (BtMG)
- Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG)
- UNÜbereinkommen gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (UNTOC, Palermo-Konvention)
Weiterführende Literatur:
Bundeskriminalamt (BKA): Lagebilder Organisierte Kriminalität
Handkommentar zum Strafgesetzbuch
Monographien und wissenschaftliche Fachliteratur zum Phänomen Organisierte Kriminalität
Schlagworte: Organisierte Kriminalität, Strafrecht, § 129 StGB, UNTOC, Struktur, Deliktsbereiche, Ermittlungsmaßnahmen, Prävention, internationale Zusammenarbeit
Häufig gestellte Fragen
Welche strafrechtlichen Maßnahmen sind gegen organisierte kriminelle Gruppierungen in Deutschland vorgesehen?
Das deutsche Strafrecht sieht für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität eine Vielzahl spezifischer Maßnahmen und Straftatbestände vor. Zentrale Bedeutung hat dabei § 129 StGB („Bildung krimineller Vereinigungen“) sowie § 129a StGB („Bildung terroristischer Vereinigungen“), nach denen bereits die Mitgliedschaft, Unterstützung oder Werbung für eine kriminelle Organisation strafbar ist, unabhängig davon, ob bereits einzelne Delikte verwirklicht wurden. Daneben finden auch Delikte wie Geldwäsche (§ 261 StGB), bandenmäßiger Betrug, Rauschgifthandel oder Menschenhandel verschärfte Berücksichtigung, wenn sie im Rahmen organisierter Strukturen begangen werden. Zusätzlich ermöglichen Verfahren nach der Strafprozessordnung (StPO) besondere Ermittlungsmaßnahmen, wie z.B. Telekommunikationsüberwachung, Einsatz von verdeckten Ermittlern (§§ 100a ff. StPO) und Beschlagnahme von Vermögenswerten nach §§ 73 ff. StGB zur Erschwerung der wirtschaftlichen Grundlagen solcher Gruppierungen. Auch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung von 2017 zielt darauf ab, den aus kriminellen Geschäften stammenden Gewinn konsequent abzuschöpfen.
Wie gestaltet sich das Ermittlungsverfahren gegen Organisierte Kriminalität und welche Besonderheiten gelten?
Ermittlungsverfahren gegen organisierte Kriminalität zeichnen sich durch besonders komplexe und langwierige Abläufe aus. Die Staatsanwaltschaften, häufig in besonderen Schwerpunktabteilungen, koordinieren die Ermittlungen oftmals gemeinsam mit spezialisierten Einheiten der Polizei (wie den Landeskriminalämtern oder dem Bundeskriminalamt). Ein wesentliches Kennzeichen ist der verstärkte Einsatz besonderer Ermittlungsinstrumente, etwa der großen und kleinen Lauschangriff (§§ 100c, 100f StPO), verdeckte Ermittler, Kronzeugenregelungen (§ 46b StGB), sowie Observationen über längere Zeiträume. Aufgrund der Struktur und Abschottung von kriminellen Organisationen bestehen insbesondere Probleme bei der Beweisgewinnung. Auch die Zusammenarbeit mit ausländischen Sicherheitsbehörden spielt eine entscheidende Rolle, da organisierte Kriminalität häufig grenzüberschreitend agiert. Überdies bedarf es regelmäßig der Sicherung und Auswertung umfangreicher Finanzdaten, um Strukturen und Geldflüsse aufdecken zu können.
Welche Rolle spielt die Vermögensabschöpfung im Kampf gegen die organisierte Kriminalität?
Die strafrechtliche Vermögensabschöpfung nimmt im Kampf gegen die organisierte Kriminalität eine herausragende Rolle ein. Sie dient dazu, den finanziellen Anreiz krimineller Handlungen zu beseitigen, indem unrechtmäßig erlangte Vermögenswerte eingezogen werden. Seit der Reform 2017 ermöglicht das deutsche Recht die selbstständige Einziehung auch ohne eine Verurteilung des Betroffenen, sofern nachgewiesen werden kann, dass der Vermögenswert aus kriminellen Handlungen stammt (§§ 76a ff. StGB). Dies erleichtert der Strafverfolgung die Rückführung von Vermögen, das insbesondere bei komplex organisierten Gruppen oft verschleiert wurde. Die Maßnahme umfasst z.B. Konten, Immobilien, Fahrzeuge oder Bargeld und trägt maßgeblich zur Schwächung der wirtschaftlichen Basis der Gruppierungen bei.
Welche strafprozessualen Besonderheiten gelten beim Zeugenschutz in Verfahren wegen organisierter Kriminalität?
Zeugenschutz besitzt im Kontext organisierter Kriminalität eine besondere Bedeutung, da Bedrohungen und Einschüchterungen gegen Zeugen ein typisches Phänomen sind. In Deutschland sieht das Zeugenschutzgesetz (ZSchG) eine Vielzahl von Maßnahmen zum Schutz der Zeugenaussage und der Person des Zeugen vor. Neben anonymisierten Aussagen und dem Ausschluss der Öffentlichkeit kann der Schutz bis hin zu neuen Identitäten und Wohnorten reichen. Auch polizeilicher Personenschutz, Änderung von biografischen Daten sowie Schutz durch besondere Unterbringung sind vorgesehen. In der Strafprozessordnung finden sich zahlreiche regelnde Vorschriften, etwa Ausschluss der Öffentlichkeit (§ 171b GVG), Vernehmung mittels Videotechnik (§ 247a StPO) oder Verzicht auf Angaben zur Person (§ 68 Abs. 2 StPO). Der umfangreiche Zeugenschutz ist erforderlich, um effektive Strafverfolgung trotz erheblicher Bedrohungslagen zu ermöglichen.
Wie ist die Zusammenarbeit zwischen deutschen und internationalen Ermittlungsbehörden bei der Bekämpfung organisierter Kriminalität geregelt?
Die transnationale Natur organisierter Kriminalität erfordert eine intensive internationale Zusammenarbeit. Diese erfolgt auf verschiedenen rechtlichen und organisatorischen Ebenen: Innerhalb der EU existieren Mechanismen wie Europol und Eurojust, die gemeinsame Ermittlungsgruppen und den Austausch sensibler Informationen ermöglichen. Deutschland nutzt zudem internationale Rechtshilfeübereinkommen (z.B. das Übereinkommen von Palermo) und arbeitet bilateral wie multilateral mit Polizei- und Justizbehörden weltweit zusammen. Rechtlich geregelt ist dies durch das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) sowie zahlreiche völkerrechtliche Verträge, welche den Informations- und Beweisaustausch ermöglichen. Die internationale Kooperation umfasst auch Auslieferungen sowie gemeinsame Ermittlungsgruppen (Joint Investigation Teams), die insbesondere bei der Beweisaufnahme und dem Zugriff auf Verdächtige bedeutsam sind.
Welche Rechte und Pflichten haben Beschuldigte im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen organisierter Kriminalität?
Auch im Kontext organisierter Kriminalität stehen den Beschuldigten die verfassungsmäßig garantierten Rechte wie das Recht auf ein faires Verfahren, Verteidigung, Aussageverweigerung und Akteneinsicht (nach § 147 StPO) zu. Sie haben Anspruch auf einen Verteidiger, insbesondere bei notwendigen Verteidigungen (§ 140 StPO), und müssen über die gegen sie geführten Ermittlungen und den Tatvorwurf informiert werden (§ 136 StPO). Angesichts der oftmals erheblichen Belastung durch Öffentlichkeit und mediale Berichterstattung genießen die Persönlichkeitsrechte erhöhte Bedeutung. Gleichzeitig sind sie verpflichtet, Ermittlungsmaßnahmen wie z. B. erkennungsdienstliche Behandlung, Hausdurchsuchungen oder DNA-Entnahmen zu dulden, sofern richterliche oder staatsanwaltschaftliche Anordnungen vorliegen und keine besonderen Schutzrechte entgegenstehen.
Welche Sanktionen drohen bei einer Verurteilung wegen Beteiligung an organisierter Kriminalität?
Die gesetzlichen Strafandrohungen richten sich nach dem jeweiligen Tatbestand. Für die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) droht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren, und im Falle besonders schwerwiegender Straftaten (z. B. Rauschgifthandel in bandenmäßiger Begehung) Freiheitsstrafen von bis zu fünfzehn Jahren. Die Einziehung von Vermögenswerten ist dabei häufig obligatorisch. Bei zusätzlicher Anwendung des Strafverschärfungstatbestands der bandenmäßigen Begehung erhöht sich das Strafmaß oftmals erheblich, da der Gesetzgeber – etwa bei Raub, Betrug oder Drogenhandel – in der bandenmäßigen Organisation eine besondere Gefährlichkeit sieht und dies mit Regelbeispielen für besonders schwere Fälle belegt. Sanktionen können auch berufs- und aufenthaltsrechtliche Konsequenzen, Führungsaufsicht oder Abschiebung im Falle ausländischer Staatsangehöriger nach sich ziehen. In besonders schweren Fällen können zudem Sicherungsverwahrung oder Berufsverbote angeordnet werden.