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Online-Teilnahme an einer Hauptversammlung


Begriff und Grundsatz der Online-Teilnahme an einer Hauptversammlung

Die Online-Teilnahme an einer Hauptversammlung bezeichnet die rechtskonforme Möglichkeit für Aktionärinnen und Aktionäre, an der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft (AG) oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) per elektronischer Kommunikationsmittel teilzunehmen, ohne physisch am Veranstaltungsort anwesend zu sein. Dieses Instrument dient der Teilhabe an der Willensbildung der Gesellschaft und trägt insbesondere dem Ziel der Flexibilisierung und Modernisierung der Unternehmensstrukturen im Zeitalter der Digitalisierung Rechnung. Die Online-Teilnahme ist in den relevanten gesellschaftsrechtlichen Gesetzen detailliert geregelt und unterliegt spezifischen Voraussetzungen und Grenzen.

Rechtsgrundlagen der Online-Teilnahme an Hauptversammlungen

Aktiengesetz (AktG) und Online-Teilnahme

Die maßgeblichen Vorschriften zur Online-Teilnahme an einer Hauptversammlung finden sich im deutschen Aktiengesetz (AktG), insbesondere seit der Reform durch das Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften. Gemäß § 118 AktG kann der Vorstand unter bestimmten Voraussetzungen vorsehen, dass Aktionärinnen und Aktionäre die Möglichkeit haben, ganz oder teilweise im Wege der elektronischen Kommunikation an der Hauptversammlung teilzunehmen.

Regelung laut § 118 AktG

  • Absatz 1 Satz 2 AktG: Der Vorstand ist – sofern eine entsprechende Ermächtigung in der Satzung besteht oder die Satzung aufgrund gesetzlicher Vorgaben dies ermöglicht – berechtigt, die Online-Teilnahme einzuräumen.
  • Absatz 1 Satz 3 AktG: Der Umfang der Online-Teilnahme, auch hinsichtlich Rederecht, Antragsrechte und Stimmrechtsausübung, ist von der konkreten Ausgestaltung abhängig.

Einbindung in das Gesellschaftsrecht

Die Online-Teilnahme ist Teil eines umfassenden Konzepts zur Flexibilisierung der Hauptversammlungsdurchführung. Sie ergänzt andere Kommunikationsformen, wie die Stimmrechtsausübung durch Bevollmächtigte, Briefwahl oder elektronische Abstimmung (E-Voting), und ist abzugrenzen von einer rein virtuellen Versammlung, die keine physische Präsenz am Versammlungsort mehr erfordert.

Voraussetzungen und Durchführung der Online-Hauptversammlungsteilnahme

Satzungsgrundlage und Vorstandsbeschluss

Voraussetzung für die Einrichtung der Online-Teilnahme ist eine entsprechende Satzungsregelung oder ein Vorstandsbeschluss, der auf einer gesetzlichen Grundlage fußt. Ohne diese Basis besteht keine Verpflichtung zur Durchführung einer Online-Teilnahme.

Technische Voraussetzungen

Die Gesellschaft ist verpflichtet, angemessene technische Lösungen für die Online-Teilnahme bereit zu stellen. Zu den Anforderungen gehören:

  • Sicherstellung von Authentifizierung und Identifikation der Teilnehmenden
  • Stabile und sichere Übertragungswege (z.B. Livestream, Video- oder Audiokonferenz)
  • Schutz personenbezogener und vertraulicher Daten gemäß Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)

Rechte der Online-Teilnehmenden

Aktionärinnen und Aktionäre, die online teilnehmen, haben – soweit vom Einberufenden eingeräumt – folgende Rechte:

  • Teilnahme an der Versammlung
  • Rederecht (ggf. beschränkt auf schriftliche Einreichung)
  • Fragerecht, mitunter zeitlich oder im Umfang limitiert
  • Antragsrecht (Stellen von Gegenanträgen, Wahlvorschlägen)
  • Ausübung des Stimmrechts mittels elektronischer Abstimmungsverfahren

Es gelten grundsätzlich dieselben Informationspflichten und Mitwirkungsrechte wie für Aktionäre, die physisch anwesend sind, sofern die Satzung oder die Einberufung keine abweichenden Regelungen vorsehen.

Rechtliche Wirkung und Herausforderungen der Online-Teilnahme

Gleichstellung und Benachteiligungsverbot

Die Online-Teilnahme muss den Grundsätzen der Gleichbehandlung aller Aktionäre genügen (§ 53a AktG). Insbesondere dürfen daraus keine Nachteile für online teilnehmende gegenüber physisch präsenten Aktionären resultieren. Verstöße können die Anfechtbarkeit gefasster Beschlüsse zur Folge haben.

Ausgestaltungsmöglichkeiten und Beschränkungen

Die Gesellschaft kann den Umfang der Online-Rechte und die technischen Modalitäten im Rahmen der Satzung bzw. der Einberufung näher festlegen. Der Zugang zur Online-Teilnahme kann je nach Gesellschaft unterschiedlich ausgestaltet sein (z.B. passiv informierend oder mit aktiver Beteiligungsmöglichkeit).

Anfechtungsrisiken

Mängel bei der technischen Ausgestaltung (z.B. Ausfälle, Störungen im Übertragungssystem) sowie Verstöße gegen die Informationsrechte der Aktionäre können zur Anfechtung gefasster Beschlüsse nach §§ 243 ff. AktG führen. Die rechtliche Bewertung technischer Störungen unterscheidet dabei zwischen Ursachen, die im Verantwortungsbereich der Gesellschaft liegen, und solchen, die im Verantwortungsbereich des Aktionärs liegen.

Datenschutzrechtliche Aspekte

Die Online-Teilnahme erfordert die Verarbeitung personenbezogener Daten der Teilnehmenden. Die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen, insbesondere der DSGVO und des BDSG, ist zwingend. Die Gesellschaft ist verpflichtet, die Aktionäre vorab umfassend über die Datenverarbeitungsvorgänge zu informieren und geeignete Schutzmaßnahmen zu treffen.

Historische Entwicklung und Reformen

Die Online-Teilnahme an Hauptversammlungen ist das Ergebnis einer schrittweisen digitalen Öffnung des Gesellschaftsrechts. Maßgebliche Reformen erfolgten insbesondere durch das Aktiengesetz 1965, die Einführung des Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) sowie im Zuge der COVID-19-Pandemie durch das Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Folgen der COVID-19-Pandemie. Die dauerhafte Einführung und Präzisierung der Online-Teilnahme erfolgte zuletzt durch das Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften (Virtuelle-Hauptversammlungs-Gesetz).

Unterschiede zwischen Online-Teilnahme und virtueller Hauptversammlung

Die Online-Teilnahme an einer Präsenzversammlung ist klar abzugrenzen von der rein virtuellen Hauptversammlung. Im Rahmen der Online-Teilnahme findet die Hauptversammlung physisch statt, wobei ein Teil der Aktionäre per elektronischer Kommunikation partizipiert. Demgegenüber erfolgt die virtuelle Hauptversammlung vollständig ohne Präsenz, sämtliche Beteiligte nehmen online teil. Die verfassungsrechtlichen, datenschutzrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Anforderungen unterscheiden sich je nach Modell erheblich.

Internationale Perspektiven

Im internationalen Vergleich bestehen zum Teil erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Zulässigkeit und Ausgestaltung der Online-Teilnahme an Hauptversammlungen. Während in einigen Ländern (wie Österreich und der Schweiz) vergleichbare Modelle entwickelt wurden, sind in anderen Jurisdiktionen strengere Anforderungen oder Zulassungsbeschränkungen zu beachten.

Zusammenfassung

Die Online-Teilnahme an einer Hauptversammlung ist ein integraler Bestandteil moderner Unternehmensorganisation und steht im Einklang mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aktionäre. Sie unterliegt in Deutschland klaren rechtlichen Vorgaben, deren Einhaltung sowohl die Rechtssicherheit der Beschlussfassungen als auch die Teilnahme- und Mitwirkungsrechte der Aktionärinnen und Aktionäre gewährleistet. Technische, datenschutzrechtliche und gesellschaftsrechtliche Anforderungen sind sorgfältig zu beachten, um die Online-Teilnahme als Instrument der Unternehmensdemokratie effektiv und rechtssicher zu gestalten.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Online-Teilnahme an einer Hauptversammlung erfüllt sein?

Für die rechtlich wirksame Online-Teilnahme an einer Hauptversammlung müssen bestimmte formelle und technische Voraussetzungen erfüllt werden, die im Aktiengesetz (insbesondere § 118 AktG) geregelt sind. Die Online-Teilnahme muss in der Einberufung der Hauptversammlung ausdrücklich als Möglichkeit vorgesehen werden. Die Satzung der Gesellschaft muss zudem eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage bieten oder der Vorstand muss auf Grundlage einer gesetzlichen Öffnungsklausel handeln. Technisch gesehen muss das Unternehmen gewährleisten, dass Aktionäre oder deren Bevollmächtigte die gesamte Hauptversammlung in Echtzeit verfolgen, ihr Stimmrecht ausüben, Anträge stellen, an Abstimmungen teilnehmen sowie – sofern vorgesehen – das Auskunftsrecht wahrnehmen können. Die Verlässlichkeit, Vertraulichkeit und Integrität der elektronischen Kommunikation muss durch geeignete Maßnahmen sichergestellt sein. Darüber hinaus sind Datenschutz- und IT-Sicherheitsanforderungen zu beachten, um Rechtssicherheit zu gewährleisten.

Welche Rechte stehen Aktionären bei der Online-Teilnahme zu?

Aktionären, die online an der Hauptversammlung teilnehmen, stehen grundsätzlich die gleichen Rechte zu wie bei einer physischen Präsenz. Dazu zählen insbesondere das Anwesenheitsrecht, das Stimmrecht, das Recht auf Auskunft (§ 131 AktG), das Antragsrecht und das Rederecht, soweit die Satzung oder der Versammlungsleiter das Rederecht auf die Online-Teilnehmer erstreckt. Die Gesellschaft muss für eine rechtssichere und technisch störungsfreie Ausübung dieser Rechte sorgen. Beschränkungen oder Abweichungen – etwa im Hinblick auf das Fragerecht oder die technische Ausgestaltung von Redebeiträgen – sind nur zulässig, wenn sie ausdrücklich gesetzlich vorgesehen, in der Satzung geregelt oder über eine Versammlungsordnung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben festgelegt sind. Beschwerden über die Einschränkung von Aktionärsrechten aufgrund technischer Mängel können im Einzelfall zur Anfechtbarkeit der gefassten Beschlüsse führen.

Wie wird die Ausübung des Stimmrechts bei einer Online-Hauptversammlung rechtlich abgesichert?

Die rechtswirksame Ausübung des Stimmrechts im Rahmen einer Online-Hauptversammlung setzt voraus, dass das verwendete elektronische System eine eindeutige Authentifizierung des Aktionärs sowie Integrität und Nachvollziehbarkeit der Stimmabgabe sicherstellt. In der Regel erfolgt dies durch den Versand personalisierter Zugangsdaten an die Aktionäre, die zuvor ihr Teilnahme- bzw. Stimmrecht nachgewiesen haben (oft mit Nachweis des Anteilsbesitzes am sogenannten „Record Date“). Die Stimmabgabe hat dokumentiert und protokolliert zu erfolgen, und einem potenziellen Missbrauch muss durch technische und organisatorische Maßnahmen vorzubeugen sein. Die Gesellschaft trägt das Risiko etwaiger technischer Störungen beim Abstimmungsprozess, sofern diese nicht dem Aktionär zuzurechnen sind.

Welche Dokumentationspflichten bestehen für Online-Hauptversammlungen?

Gesellschaften sind verpflichtet, die ordnungsgemäße Durchführung der Online-Hauptversammlung und die Ausübung aller wesentlichen Rechte durch die Aktionäre zu dokumentieren. Dies umfasst insbesondere das Versammlungsprotokoll mit allen Beschlussfassungen, die elektronische Teilnahme und Abstimmung der Aktionäre sowie alle gestellten Fragen und dazu erteilten Antworten, soweit das Fragerecht eröffnet ist. Diese Dokumentation ist für die Nachprüfbarkeit im Falle späterer Anfechtungen von zentraler Bedeutung. Gleichzeitig müssen die Vorgaben des Datenschutzes und der Vertraulichkeit eingehalten werden. Ein Mitschnitt der Versammlung ist nur zulässig, wenn dem keine Persönlichkeitsrechte oder betriebliche Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen und dies vorher angekündigt wurde.

Welche Risiken bestehen hinsichtlich technischer Störungen und wie sind diese rechtlich einzuordnen?

Technische Störungen während der Online-Hauptversammlung, wie Ausfälle der Übertragung oder des Abstimmungssystems, stellen ein erhebliches rechtliches Risiko dar. Grundsätzlich trägt das Unternehmen die Verantwortung für den störungsfreien Ablauf und muss durch geeignete Backup-Systeme und Supportleistungen Vorsorge treffen. Können Aktionäre aufgrund solcher Störungen ihre Rechte nicht wahrnehmen oder an Abstimmungen nicht teilnehmen, können Anfechtungsgründe gemäß § 243 AktG entstehen, sofern die Beeinträchtigungen erheblich sind und sich auf das Beschlussergebnis auswirken. Eine exakte rechtliche Bewertung erfolgt einzelfallabhängig, wobei insbesondere unterschieden wird, ob die Ursache der Störung im Verantwortungsbereich der Gesellschaft oder beim Aktionär lag.

Wie lange und in welchem Umfang müssen Aktionäre zur Online-Teilnahme zugelassen werden?

Die Zulassung der Aktionäre zur Online-Hauptversammlung und die Möglichkeit der Ausübung ihrer Rechte muss, soweit gesetzlich oder durch die Satzung nicht anders bestimmt, während der gesamten Dauer der Versammlung gesichert sein. Insbesondere müssen Aktionäre ab Beginn bis zum Abschluss der jeweiligen Abstimmungen zur Ausübung ihrer Stimmrechte und sonstigen Mitgliedschaftsrechte zugelassen sein. Eine vorzeitige Sperrung oder zeitliche Begrenzung der Teilnahme ist nur nach Maßgabe gesetzlicher, satzungsmäßiger oder ordnungsrechtlicher Bestimmungen zulässig. Auch kurzzeitige Unterbrechungen dürfen nicht dazu führen, dass grundlegende Aktionärsrechte unverhältnismäßig eingeschränkt werden.

Unterliegen Zustimmungserklärungen oder Widersprüche der gleichen Formerfordernisse wie bei der Präsenzversammlung?

Ja, Zustimmungserklärungen, Widersprüche gegen Beschlüsse und sonstige rechtserhebliche Erklärungen, die im Rahmen der Online-Hauptversammlung abzugeben sind, unterliegen denselben Formerfordernissen wie in einer klassischen Präsenzversammlung. Sie müssen während der Versammlung auf dem vorgeschriebenen elektronischen Weg erklärt, vom System zweifelsfrei dokumentiert und ggf. für die spätere gerichtliche Überprüfung nachvollziehbar gespeichert werden. Die Gesellschaft muss hierfür angemessene technische Verfahren bereitstellen, die die Rechtssicherheit der Abgabe und Dokumentation garantieren. Eine spätere Nachholung außerhalb der Versammlung ist in der Regel nicht möglich.