Online-Teilnahme an einer Hauptversammlung: Begriff und Einordnung
Die Online-Teilnahme an einer Hauptversammlung bezeichnet die rechtlich vorgesehene Möglichkeit, an einer Versammlung von Anteilseignerinnen und Anteilseignern mittels elektronischer Kommunikationsmittel teilzunehmen. Sie umfasst in der Regel die elektronische Zuschaltung zur Versammlung, die Ausübung von Stimmrechten, das Stellen von Fragen und Redebeiträgen sowie die Abgabe von Anträgen und Widersprüchen im digitalen Verfahren. Sie ist von einem bloßen Livestream ohne Interaktionsrechte abzugrenzen.
Formen der Durchführung
Unternehmen können Hauptversammlungen als Präsenzveranstaltung, als rein virtuelle Versammlung oder in hybrider Form abhalten. Bei der rein virtuellen Versammlung werden sämtliche Teilnahmerechte ausschließlich elektronisch gewährt. Die hybride Form verbindet die physische Präsenz am Versammlungsort mit gleichwertigen digitalen Teilnahmerechten. Die konkrete Ausgestaltung ergibt sich aus den gesetzlichen Vorgaben, der Satzung und der Einberufung.
Adressatenkreis
Die Online-Teilnahme richtet sich an stimmberechtigte Anteilseignerinnen und Anteilseigner, deren Bevollmächtigte sowie mitunter an sonstige Berechtigte (z. B. Inhaber von Hinterlegungsscheinen). Gastzugänge ohne Rechte sind hiervon zu unterscheiden.
Rechtlicher Rahmen
Grundprinzip der Gleichwertigkeit
Online-Teilnehmende müssen rechtlich so gestellt werden, dass ihre Mitwirkungs- und Kontrollrechte im Ergebnis den Rechten einer Teilnahme am Versammlungsort entsprechen. Das betrifft insbesondere Stimmrecht, Auskunftsrecht, Rederecht, Antragsrecht, Wahlrecht sowie die Möglichkeit, Widerspruch zur Niederschrift zu erklären.
Satzung, Einberufung und Versammlungsleitung
Ob und in welchem Umfang Online-Teilnahme gewährt wird, ergibt sich aus der Satzung und der Einberufung. Die Einberufung enthält die technischen und organisatorischen Einzelheiten, etwa Registrierungswege, Fristen, Kommunikationskanäle und Authentifizierungsverfahren. Die Versammlungsleitung wahrt die Ordnung der Versammlung, steuert Rede- und Fragerunden und überwacht die Einhaltung der Teilnahmebedingungen.
Beurkundung und Teilnehmendenverzeichnis
Beschlüsse der Hauptversammlung werden protokolliert. Online-Teilnehmende werden ebenso im Teilnehmendenverzeichnis erfasst wie physisch Anwesende. Elektronische Zuschaltungen und Stimmabgaben sind nachvollziehbar zu dokumentieren.
Teilnahmevoraussetzungen
Registrierung und Nachweis des Anteilsbesitzes
Voraussetzung ist in der Regel die fristgerechte Anmeldung zur Hauptversammlung sowie der Nachweis des Anteilsbesitzes zum maßgeblichen Stichtag. Die Einzelheiten, etwa die Form des Nachweises und Fristen, werden in der Einberufung festgelegt. Bei depotverwahrten Aktien wird häufig eine Bestätigung der depotführenden Stelle verwendet.
Authentifizierung und Zugangsdaten
Zum elektronischen Zugang setzen Unternehmen üblicherweise persönliche Zugangsdaten ein, etwa Aktionärsnummer und PIN, TAN-Verfahren oder Zwei-Faktor-Authentifizierung. Die Zugangsdaten dienen der Identitätsfeststellung und dem Schutz vor unbefugter Teilnahme.
Vollmacht und Stimmrechtsvertretung
Das Stimmrecht kann auch im Rahmen der Online-Teilnahme durch Bevollmächtigte ausgeübt werden. Die Erteilung und der Widerruf einer Vollmacht sind in Textform oder elektronisch möglich, soweit dies in der Einberufung vorgesehen ist. Daneben kann die Gesellschaft Stimmrechtsvertreter benennen, die nach Weisung abstimmen.
Rechte während der Online-Teilnahme
Stimmrecht und Abstimmungsverfahren
Online-Teilnehmende üben das Stimmrecht elektronisch aus. Systemseitig werden Stimmen erfasst, gezählt und dem jeweiligen Beschlussgegenstand zugeordnet. Eine Änderung oder ein Widerruf abgegebener Stimmen ist bis zum Ende der jeweiligen Abstimmung möglich, soweit das Verfahren dies vorsieht.
Rede-, Frage- und Antragsrecht
Die Teilnahme umfasst das Recht, zur Tagesordnung zu sprechen, Fragen zu stellen und Anträge zu stellen. Fragen können nach Maßgabe der Einberufung vorab eingereicht oder live gestellt werden. Die Versammlungsleitung kann Beiträge bündeln, vergleichbare Fragen zusammenfassen und Redezeiten sachgerecht begrenzen.
Gegenanträge und Wahlvorschläge
Gegenanträge und Vorschläge zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern oder Abschlussprüferinnen und -prüfern sind unter Einhaltung der in der Einberufung genannten Form- und Fristerfordernisse einzureichen. Bei rechtzeitiger Einreichung werden sie bekannt gemacht und zur Abstimmung gestellt.
Widerspruch
Zur Wahrung bestimmter Rechte kann ein Widerspruch gegen Beschlüsse erklärt werden. Das elektronische System stellt hierfür ein Verfahren bereit, das eine eindeutige Zuordnung und rechtzeitige Erfassung ermöglicht.
Technik und Ablauf
Plattform und Zugang
Die Online-Teilnahme erfolgt über eine gesicherte Plattform. Der Zugang wird über die Einberufung beschrieben. Üblich sind Browser-basierte Lösungen mit verschlüsselter Datenübertragung, teils ergänzt um Telefonzuschaltungen für Redebeiträge.
Technische Störungen
Unternehmen treffen organisatorische und technische Maßnahmen zur Sicherung einer stabilen Übertragung. Kommt es dennoch zu Störungen, sind Regelungen zum Umgang mit Unterbrechungen relevant, etwa die vorübergehende Aussetzung einzelner Tagesordnungspunkte oder eine Fortsetzung nach Behebung der Störung. Für die Rechtswirksamkeit von Beschlüssen ist bedeutsam, ob wesentliche Teilnahmerechte beeinträchtigt wurden.
Nachvollziehbarkeit und Protokollierung
Zeitstempel, Logdaten und Erfassungsprotokolle dienen der Dokumentation des Ablaufs, der Stimmauszählung und der Teilnahme. Die Vertraulichkeit der Abstimmung bleibt gewahrt, sofern keine satzungsmäßige Offenlegung vorgesehen ist.
Elektronische Briefwahl
Teilweise wird neben der Online-Teilnahme eine elektronische Briefwahl angeboten. Sie ermöglicht die Stimmabgabe ohne Zuschaltung zur Versammlung. Elektronische Briefwahl ist von der interaktiven Online-Teilnahme zu unterscheiden, da sie regelmäßig kein Rederecht und keine Live-Fragemöglichkeit umfasst.
Datenschutz und IT-Sicherheit
Datenkategorien und Zwecke
Für die Online-Teilnahme werden typischerweise Identitäts- und Kontaktdaten, Anteilshöhe, Zugangsdaten, Stimmabgaben, Wortmeldungen und technische Metadaten verarbeitet. Die Zwecke umfassen die Organisation der Versammlung, die Sicherstellung der Teilnahmeberechtigung, die Ausübung von Rechten, die Beurkundung und die rechtssichere Dokumentation.
Transparenz und Speicherdauer
Unternehmen informieren über die Datenverarbeitung in gesonderten Hinweisen. Die Speicherdauer richtet sich nach gesetzlichen Aufbewahrungspflichten, Anforderungen an die Protokollierung und etwaigen Fristen im Zusammenhang mit Beschlüssen.
Übertragungssicherheit und Aufzeichnungen
Die Übertragung erfolgt verschlüsselt. Die Anfertigung eigener Aufzeichnungen durch Teilnehmende ist in der Regel untersagt, es sei denn, die Einberufung sieht etwas anderes vor. Offizielle Aufzeichnungen oder Mitschnitte werden, falls vorgesehen, gesondert kenntlich gemacht.
Anfechtungs- und Haftungsrisiken
Rechtliche Risiken können sich ergeben, wenn Online-Teilnehmende nicht gleichwertig behandelt werden oder wenn wesentliche Rechte durch vermeidbare technische Mängel beeinträchtigt sind. Auch Einladungsfehler, unzureichende Bekanntmachung von Gegenanträgen, unklare Authentifizierungsverfahren oder die unzutreffende Auszählung elektronischer Stimmen können Auswirkungen auf die Wirksamkeit von Beschlüssen haben. Die Beurteilung hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.
Internationale Bezüge und Sonderformen
Bei grenzüberschreitendem Aktionariat spielen Sprache, Zeitzonen und die Einbindung von Intermediären eine Rolle. Bei in internationalen Registern eingetragenen Gesellschaften oder bei Aktien in Form von Hinterlegungsscheinen ergeben sich Besonderheiten bei der Legitimation und der Ausübung des Stimmrechts. Die Einberufung stellt die hierfür maßgeblichen Vorgaben bereit.
Abgrenzungen
Livestream ohne Rechte
Ein reiner Livestream ist eine Übertragung ohne Interaktionsrechte und stellt keine Teilnahme dar. Stimmabgabe, Fragen oder Anträge sind darüber nicht möglich.
Stimmrechtsvertretung
Bei der Stimmrechtsvertretung übt eine bevollmächtigte Person die Rechte aus. Dies kann mit oder ohne Zuschaltung der oder des Berechtigten erfolgen und ist von der eigenen Online-Teilnahme zu unterscheiden.
Elektronische Briefwahl
Die elektronische Briefwahl ermöglicht die Stimmabgabe vor oder während der Versammlung ohne Teilnahme an der Diskussion. Sie ist eine Alternative, aber keine Form der interaktiven Teilnahme.
Historische Entwicklung und Praxis
Die Online-Teilnahme hat sich von einer ergänzenden Option zu einem eigenständigen Veranstaltungsformat entwickelt. Technische Standards und organisatorische Verfahren wurden fortentwickelt, um Rechte gleichwertig auszuüben und Beschlüsse rechtssicher zu fassen. Heute werden vielfach hybride oder virtuelle Formate genutzt, um die Beteiligung zu erleichtern und Abläufe zu standardisieren.
Häufig gestellte Fragen
Ist die Online-Teilnahme der Präsenzteilnahme rechtlich gleichgestellt?
Die Online-Teilnahme soll in ihren Mitwirkungs- und Kontrollmöglichkeiten der Teilnahme am Versammlungsort entsprechen. Dazu zählen insbesondere Stimmrecht, Rede- und Fragerechte, Antragsrechte sowie die Möglichkeit, Widerspruch zu erklären. Die konkrete Ausgestaltung ergibt sich aus Satzung und Einberufung.
Welche Nachweise sind für die Online-Teilnahme erforderlich?
Erforderlich sind üblicherweise eine fristgerechte Anmeldung sowie der Nachweis des Anteilsbesitzes zum maßgeblichen Stichtag. Die Form des Nachweises und die Fristen werden in der Einberufung näher bestimmt und können eine Bestätigung der depotführenden Stelle vorsehen.
Können Fragen und Wortbeiträge live gestellt werden?
Dies hängt von der in der Einberufung vorgesehenen Ausgestaltung ab. Zulässig sind sowohl vorab eingereichte Fragen als auch Live-Beiträge während der Versammlung. Die Versammlungsleitung kann Beiträge thematisch bündeln und Redezeiten angemessen begrenzen.
Was gilt bei technischen Störungen während der Online-Teilnahme?
Bei technischen Störungen sind Regelungen zur Unterbrechung und Fortsetzung der Versammlung maßgeblich. Entscheidend ist, ob wesentliche Teilnahmerechte beeinträchtigt wurden. Für die Wirksamkeit von Beschlüssen kommt es auf die konkrete Beeinflussung der Mitwirkungsrechte an.
Dürfen Teilnehmende eigene Ton- oder Bildaufnahmen anfertigen?
Eigene Aufzeichnungen sind in der Regel nicht gestattet. Sofern offizielle Aufzeichnungen oder eine Übertragung vorgesehen sind, wird dies in der Einberufung oder zu Beginn der Versammlung kenntlich gemacht.
Wie wird die elektronische Stimmabgabe rechtlich wirksam?
Die elektronische Stimmabgabe erfolgt über das bereitgestellte System und wird mit Zeitstempel erfasst und gezählt. Maßgeblich sind die in der Einberufung beschriebenen Verfahren, einschließlich etwaiger Möglichkeiten zum Widerruf oder zur Änderung bis zum Schluss der Abstimmung.
Können Vollmachten für die Online-Teilnahme elektronisch erteilt werden?
Die Erteilung einer Vollmacht ist in Textform oder elektronisch möglich, soweit dies vorgesehen ist. Einzelheiten zur Form, Übermittlung und zum Widerruf ergeben sich aus den Teilnahmebedingungen in der Einberufung.
Wie werden personenbezogene Daten im Rahmen der Online-Teilnahme verarbeitet?
Verarbeitet werden typischerweise Identitäts- und Kontaktdaten, Nachweise der Berechtigung, Stimmabgaben, Wortmeldungen sowie technische Metadaten. Zwecke sind die Organisation der Versammlung, die Gewährung von Rechten und die Dokumentation. Nähere Informationen enthalten die Hinweise zum Datenschutz der Gesellschaft.