Offenbaren von Geheimnissen, unbefugtes – Begriff und rechtliche Grundlagen
Das unbefugte Offenbaren von Geheimnissen stellt einen bedeutenden Begriff im deutschen Straf- und Zivilrecht dar. Er beschreibt die rechtswidrige Weitergabe vertraulicher Informationen durch Personen, denen diese Informationen im Rahmen bestimmter Vertrauensverhältnisse anvertraut wurden. Wesentliche rechtliche Normen finden sich in den §§ 203, 204 und 205 des Strafgesetzbuches (StGB) sowie in angrenzenden gesetzlichen Bestimmungen.
Bedeutung und Abgrenzung des Begriffs
Definition des Offenbarens von Geheimnissen
Das unbefugte Offenbaren von Geheimnissen meint das Weitergeben oder Offenlegen von Informationen, die einer Person als Geheimnisträger im besonderen Vertrauensverhältnis anvertraut wurden oder sonst bekannt geworden sind. Die Weitergabe erfolgt ohne Einwilligung des Berechtigten und ohne eine gesetzliche Rechtfertigung.
Geheimnisbegriff im rechtlichen Kontext
Unter einem Geheimnis versteht das deutsche Recht Tatsachen, Umstände oder Vorgänge, die nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind und an deren Geheimhaltung ein berechtigtes Interesse besteht. Dies betrifft insbesondere persönliche, wirtschaftliche oder betriebliche Daten, die nicht allgemein zugänglich sind.
Strafrechtliche Regelungen
§ 203 StGB – Verletzung von Privatgeheimnissen
Der zentrale Straftatbestand ist § 203 StGB, welcher das Offenbaren von Geheimnissen durch bestimmte Berufsgruppen, die zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, unter Strafe stellt. Hierzu zählen u.a.:
- Ärzte und Angehörige anderer Heilberufe,
- Rechtsanwälte und Notare,
- Sozialarbeiter,
- Ehe-, Familien-, Erziehungs- und Jugendberater,
- Mitglieder bestimmter Verwaltungsgremien, sofern sie in amtlicher Funktion Geheimnisse erfahren.
Strafbar ist das Offenbaren eines Geheimnisses, das einem dieser Geheimnisträger in Ausübung seines Berufes oder Amtes anvertraut oder sonst bekannt geworden ist. Die Vorschrift schützt die betroffenen Personen vor der unbefugten Weitergabe sensibler Daten.
Subjektiver und objektiver Tatbestand
- Objektiver Tatbestand: Das Geheimnis muss im Rahmen des Vertrauensverhältnisses erlangt worden sein, und der Täter muss dieses „offenbaren“, d. h. einem Dritten zugänglich machen.
- Subjektiver Tatbestand: Der Täter muss vorsätzlich handeln, also Kenntnis vom Geheimnis und vom Fehlen einer Offenbarungsberechtigung haben.
Strafmaß
Das Gesetz sieht Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vor, in besonders schweren Fällen kann das Strafmaß höher festgesetzt werden.
Sonderregelungen in weiteren Rechtsgebieten
§ 204 StGB – Verwertung fremder Geheimnisse
§ 204 StGB stellt zusätzlich unter Strafe, wenn jemand ein durch § 203 StGB geschütztes Geheimnis verwertet, indem er es ausnutzt, ohne es an Dritte direkt zu offenbaren. Diese Regelung soll insbesondere wirtschaftliche Nachteile für den Geheimnisherrn verhindern.
§ 353b StGB – Verletzung von Dienstgeheimnissen
Für Personen im öffentlichen Dienst regelt § 353b StGB den Schutz von Dienstgeheimnissen und besonders gefährdeten Geheimnissen des Staates. Hier besteht ebenfalls eine Strafbarkeit beim unbefugten Offenbaren.
Zivilrechtliche Aspekte
Anspruch auf Unterlassung und Schadenersatz
Bei einer unbefugten Offenbarung von Geheimnissen können unter Umständen zivilrechtliche Ansprüche auf Unterlassung oder Schadenersatz entstehen, insbesondere nach den §§ 823 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass durch die Offenbarung das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder ein sonstiges absolutes Recht verletzt wurde.
Verschwiegenheitspflichten in Vertragsverhältnissen
In vielen beruflichen und geschäftlichen Beziehungen werden Verschwiegenheitspflichten vertraglich vereinbart. Ein Verstoß kann zur Geltendmachung von Schadensersatz sowie zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen.
Rechtfertigungsgründe und Ausnahmen
Einwilligung des Geheimnisherrn
Die Offenbarung ist nicht unbefugt, wenn der Betroffene ausdrücklich oder konkludent eingewilligt hat. Die wirksame Einwilligung setzt voraus, dass der Betroffene in Kenntnis aller wesentlichen Umstände handelt.
Gesetzliche Offenbarungspflichten
In bestimmten Situationen kann eine gesetzliche Pflicht zur Offenbarung bestehen, beispielsweise im Rahmen der Meldepflichten bei bestimmten meldepflichtigen Erkrankungen oder bei Aussagepflichten gegenüber Strafverfolgungsbehörden. Hierbei sind jedoch immer die jeweiligen gesetzlichen Grundlagen und Schranken zu beachten.
Überwiegendes Interesse der Allgemeinheit
Ein unbefugtes Offenbaren kann ausnahmsweise gerechtfertigt sein, wenn ein überwiegendes Interesse der Allgemeinheit oder das Vorliegen eines rechtfertigenden Notstands gegeben ist (§ 34 StGB). Dies ist jedoch restriktiv auszulegen und unter strenger Abwägung aller Interessen vorzunehmen.
Verhältnis zum Datenschutzrecht
Das Offenbaren von Geheimnissen überschneidet sich vielfach mit datenschutzrechtlichen Vorgaben, insbesondere der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Die Weitergabe personenbezogener Daten kann sowohl den Straftatbestand der unbefugten Offenbarung erfüllen als auch eine datenschutzrechtliche Pflichtverletzung darstellen.
Folgen eines unbefugten Offenbarens
Strafrechtliche Konsequenzen
Bei Verwirklichung des Straftatbestandes drohen Geld- oder Freiheitsstrafe. Im Rahmen von Berufsgruppen mit besonderer Verschwiegenheitspflicht kann zudem der Verlust der Berufszulassung oder die Entlassung drohen.
Zivilrechtliche Konsequenzen
Neben Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen können Ansprüche auf Schmerzensgeld gemäß § 253 BGB bestehen, insbesondere bei Verletzung des Persönlichkeitsrechts.
Berufsrechtliche und arbeitsrechtliche Konsequenzen
Verstöße gegen die Verschwiegenheitspflicht führen regelmäßig auch zu berufsrechtlichen oder arbeitsrechtlichen Sanktionen, etwa Abmahnung, Kündigung oder Entzug der Zulassung.
Internationaler Vergleich und Bedeutung
Auch in anderen Ländern existieren straf- und zivilrechtliche Sanktionen für das unbefugte Offenbaren von Geheimnissen, allerdings weichen die konkreten Regelungen teils erheblich voneinander ab. Im europäischen Kontext bestehen harmonisierte Vorgaben etwa im Datenschutzrecht.
Zusammenfassung
Das unbefugte Offenbaren von Geheimnissen ist im deutschen Recht umfassend geregelt und schützt das Vertrauensverhältnis zwischen Geheimnisträgern und ihren Klienten, Patienten oder Mandanten. Die Normen dienen dem Schutz sensibler persönlicher und wirtschaftlicher Interessen und greifen sowohl im Straf- als auch im Zivilrecht. Rechtfertigungsgründe und gesetzliche Erlaubnistatbestände sind eng auszulegen. Ein Verstoß kann weitreichende strafrechtliche, zivilrechtliche und berufliche Konsequenzen haben.
Weiterführende Literatur
- Loos, „Schweigepflichten und Offenbarungspflichten in freien Berufen“, München 2022
- Fischer, Strafgesetzbuch Kommentar, § 203 StGB
- Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch mit Nebengesetzen, zu §§ 823, 1004 BGB
Siehe auch
- Schweigepflicht
- Datenschutz
- Persönlichkeitsrecht
- § 203 StGB
- § 204 StGB
Hinweis: Die vorstehenden Ausführungen dienen der allgemeinen Information über das Thema und ersetzen keine rechtliche Beratung im Einzelfall.
Häufig gestellte Fragen
Was versteht man unter der Strafbarkeit beim unbefugten Offenbaren von Geheimnissen?
Die Strafbarkeit des unbefugten Offenbarens von Geheimnissen ist im deutschen Recht insbesondere in § 203 Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Dabei handelt es sich um einen Straftatbestand, der es gewissen Berufsgeheimnisträgern, wie Ärzten, Rechtsanwälten, Apothekern, Psychotherapeuten und bestimmten Amtsträgern, verbietet, personenbezogene oder ihnen anvertraute Geheimnisse ohne berechtigte Offenbarungsbefugnis an Dritte weiterzugeben. Die Strafbarkeit ist an das Vorliegen eines „Geheimnisses“ gebunden, das tatsächlich nur einem begrenzten Personenkreis bekannt ist und an dessen Geheimhaltung ein berechtigtes Interesse besteht. Ein Verstoß kann mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe geahndet werden. Die Norm schützt damit das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Geheimnisträger und Geheimnisgeber und zielt auf die Wahrung persönlicher, wirtschaftlicher oder sonstiger schützenswerter Interessen ab.
Wer kann als Täter des unbefugten Offenbarens von Geheimnissen in Frage kommen?
Täter im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften können ausschließlich bestimmte Personengruppen sein, denen gesetzlich eine Geheimhaltungspflicht auferlegt ist. Zu diesen Berufsgeheimnisträgern gehören u. a. Ärzte, Psychotherapeuten, Rechtsanwälte, Notare, Verteidiger, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Patentanwälte, Apotheker, sowie deren berufliche Gehilfen und Personen, die zur Vorbereitung auf einen entsprechenden Beruf tätig sind. Darüber hinaus sind Amtsträger, insbesondere Beamte, Richter und andere Funktionsträger im öffentlichen Dienst, nach zusätzlichen Normen (z. B. §§ 353b, 355 StGB) verpflichtet, amtliche Geheimnisse zu wahren. Auch andere Personen können als Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfen) strafbar werden, sofern sie an der unbefugten Offenbarung mitwirken.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit eine Offenbarung als „unbefugt“ gilt?
Eine Offenbarung gilt als „unbefugt“, wenn keine gesetzliche Erlaubnis oder Einwilligung des Betroffenen vorliegt. Maßgeblich ist, ob es eine entgegenstehende rechtliche Pflicht oder ein berechtigtes Interesse gibt, das die Geheimhaltung gebietet. Die Offenbarung ist dann unbefugt, wenn sie außerhalb der rechtlich zulässigen Grenzen erfolgt. Zu den einschlägigen Ausnahmetatbeständen gehören Mitteilungspflichten gegenüber Behörden (z. B. Meldepflichten bei ansteckenden Krankheiten), Offenbarungsbefugnisse aufgrund schriftlicher Einwilligung des Geheimnisgebers oder bei Vorliegen eines rechtfertigenden Notstandes (§ 34 StGB). Fehlt diese Legitimation, ist die Weitergabe des Geheimnisses unzulässig und strafbar.
Welche Arten von Geheimnissen fallen unter den strafrechtlichen Schutz?
Geschützt werden sowohl persönliche als auch wirtschaftliche und betriebliche Geheimnisse, die einer Person in der Eigenschaft als Geheimnisträger anvertraut oder sonst bekannt geworden sind. Hierzu zählen insbesondere Gesundheitsdaten, Diagnose- und Behandlungsdaten bei Ärzten, steuerliche und wirtschaftliche Verhältnisse bei Steuerberatern oder Mandantendaten bei Anwälten. Die Information muss geeignet sein, dem Geheimnisgeber bei Offenbarung einen Nachteil zuzufügen oder zumindest ein berechtigtes Interesse an deren Geheimhaltung begründen. Offenkundige Tatsachen, also solche, die allgemein bekannt sind, genießen keinen strafrechtlichen Schutz unter § 203 StGB.
Inwiefern ist die Mitteilung an Dritte, wie zum Beispiel an Familienangehörige oder Kollegen, strafbar?
Auch die Mitteilung an Personen, zu denen ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht, wie beispielsweise Familienangehörige, Lebenspartner oder Kollegen, ist vom strafrechtlichen Geheimnisschutz umfasst, sofern keine Einwilligung besteht oder keine gesetzliche Befugnis vorliegt. Das Gesetz stellt allein auf die Weitergabe „an einen Anderen“ ab, unabhängig vom Verhältnis zwischen Geheimnisträger und Empfänger. Bereits das Erzählen im privaten Kreis, wenn auch ohne Veröffentlichungsabsicht, erfüllt regelmäßig den Tatbestand der unbefugten Offenbarung. Die Verschwiegenheitspflicht gilt somit uneingeschränkt gegenüber jedermann.
Welche Sanktionen drohen bei unbefugtem Offenbaren von Geheimnissen?
Je nach betroffener Rechtsnorm drohen verschiedene Sanktionen. Der Verstoß gegen § 203 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. In besonders schweren Fällen, oder wenn zusätzlich andere Rechtsgüter verletzt werden (z. B. Verrat von Staatsgeheimnissen), können auch höhere Strafen vorgesehen sein. Neben strafrechtlichen Konsequenzen kann es zu berufsrechtlichen Konsequenzen wie dem Widerruf der Approbation, der Entziehung von Zulassungen oder Disziplinarmaßnahmen kommen. Zudem ist die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch den Geheimnisgeber im Rahmen des Zivilrechts denkbar.