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Offenbare Unrichtigkeit


Begriff und Ursprung der Offenen Unrichtigkeit

Die „offenbare Unrichtigkeit“ ist ein bedeutender Begriff im deutschen Verfahrensrecht und betrifft insbesondere das Korrekturverfahren gerichtlicher oder behördlicher Entscheidungen. Sie beschreibt Fehler, die rein formaler oder mechanischer Natur sind und nicht auf einer fehlerhaften rechtlichen Würdigung oder inhaltlichen Entscheidung beruhen. Diese Fehler können nach ihrer Entdeckung mittels eines speziellen Berichtigungsverfahrens korrigiert werden.

Gesetzliche Grundlagen

Zivilprozessrecht

Im Zivilprozessrecht ist die Korrektur einer offenbaren Unrichtigkeit in § 319 der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt. Danach kann das Gericht jederzeit von Amts wegen oder auf Antrag offensichtliche Schreibfehler oder Rechenfehler in Urteilen, Beschlüssen und sonstigen Entscheidungen berichtigen. Die Vorschrift stellt sicher, dass solche Unstimmigkeiten, die das Ergebnis nicht beeinflussen, auf einfache Weise korrigiert werden können.

Strafprozessrecht

Im Strafprozessrecht findet sich eine vergleichbare Regelung in § 267 Abs. 4 Strafprozessordnung (StPO). Hier wird ausdrücklich die Korrektur offenbarer Unrichtigkeiten im Urteil zugelassen, wenn beispielsweise versehentlich Zahlen oder Namen falsch aufgenommen wurden. Ziel ist auch hier die Korrektur von rein mechanischen Versehen.

Verwaltungsrecht

Das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) regelt in § 42 VwVfG die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten in Verwaltungsakten. Auch hier steht die zweckmäßige Korrektur formaler Fehler ohne inhaltliche Neubewertung im Fokus, um die Richtigkeit und Klarheit des Verwaltungshandelns sicherzustellen.

Definition und Abgrenzung

Formelle Fehler

Offenbare Unrichtigkeiten sind rein formell oder mechanisch entstanden, etwa durch Schreib-, Druck- oder Rechenfehler. Solche Fehler müssen für einen mit den Umständen vertrauten Dritten ohne Weiteres erkennbar sein.

Keine inhaltlichen Fehler

Abzugrenzen sind offenbare Unrichtigkeiten von inhaltlichen Mängeln, etwa einer unzutreffenden Beweiswürdigung oder fehlerhaften Rechtsanwendung. Solche substantiellen Fehler können regelmäßig nur im Wege von Rechtsmitteln wie Berufung oder Beschwerde angegangen werden, nicht jedoch per Berichtigung.

Offensichtlichkeit

Voraussetzung für die Berichtigung eines Fehlers ist dessen Offensichtlichkeit: Der Fehler muss sich bei objektiver Betrachtung förmlich „aufdrängen“. Nicht ausreichend sind verdeckte, auslegungsbedürftige oder zweifelhafte Fehlerquellen.

Verfahren zur Berichtigung

Berichtigung von Amts wegen

Gerichte und Behörden sind befugt, offenbare Unrichtigkeiten eigenständig zu berichtigen, sobald sie diesen Fehler erkennen. Ein gesonderter Antrag ist hierfür nicht zwingend erforderlich.

Berichtigung auf Antrag

Betroffene Parteien können einen Antrag auf Berichtigung stellen, etwa wenn ihnen ein Fehler in einer Entscheidung auffällt. Das Gericht oder die Behörde hat dann zu prüfen, ob eine offenbare Unrichtigkeit vorliegt und wie diese zu korrigieren ist.

Rechtsmittel

Gegen die Entscheidung, eine Berichtigung vorzunehmen oder abzulehnen, sind in der Regel keine gesonderten Rechtsmittel gegeben. Im Rahmen von nachfolgenden Rechtsbehelfen kann jedoch die Berichtigung als fehlerhaft gerügt werden.

Beispiele für Offenbare Unrichtigkeiten

  • Schreibversehen wie Namens- oder Zahlendreher (etwa „Schmidt“ statt „Schmitt“)
  • Falsche Datumsangaben, die aus dem übrigen Kontext offensichtlich als Irrtum erkennbar sind
  • Betragsfehler durch Rechenversehen (etwa Addition der Streitwerte)
  • Verwechslung von Parteienbezeichnungen bei ansonsten klarem Inhalt der Entscheidung

Rechtsfolgen der Berichtigung

Wirkung der Berichtigung

Die Berichtigung bewirkt keine inhaltliche Änderung der Entscheidung. Das berichtigte Dokument tritt an die Stelle des ursprünglichen Dokuments, soweit der berichtigte Teil betroffen ist. Die Entscheidungsgründe sowie das Ergebnis bleiben unberührt.

Grenzen der Berichtigung

Eine Berichtigung darf nicht dazu genutzt werden, inhaltliche Korrekturen vorzunehmen. Sobald Zweifel bestehen, ob es sich um einen reinen Schreib- oder Rechenfehler handelt oder nicht, ist eine inhaltliche Überprüfung im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens geboten.

Bedeutung im Rechtsalltag

Die Vorschriften zur Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten tragen zur Verfahrensökonomie bei und stärken das Vertrauen in die Richtigkeit staatlicher und gerichtlicher Entscheidungen. Eine effektive und unkomplizierte Fehlerbeseitigung verhindert unnötige Rechtsmittelverfahren, die bereits durch einfache Korrekturen entbehrlich werden.

Literatur und weiterführende Hinweise

Für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema sind die entsprechenden Kommentierungen zu § 319 ZPO, § 267 Abs. 4 StPO und § 42 VwVfG zu empfehlen. Weitere Informationen bieten aktuelle Veröffentlichungen zur gerichtlichen Fehlerkorrektur sowie Entscheidungen der Obergerichte zur Abgrenzung zwischen offenbaren und inhaltlichen Fehlern.


Hinweis: Dieser Artikel behandelt die „offenbare Unrichtigkeit“ in ihren wesentlichen rechtlichen Facetten und berücksichtigt dabei die in Rechtsprechung und Verwaltungspraxis etablierten Anforderungen und Verfahren.

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen für die Berichtigung einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 129 AO vorliegen?

Eine Berichtigung nach § 129 der Abgabenordnung (AO) setzt voraus, dass in einem Verwaltungsakt ein Schreibfehler, Rechenfehler oder eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit enthalten ist. Dabei muss es sich um einen Fehler handeln, der einem unvoreingenommenen Dritten als Versehen und nicht als bewusste inhaltliche Entscheidung der Finanzbehörde erscheint. Die Unrichtigkeit muss bei objektiver Betrachtung klar erkennbar sein, und es darf kein Gestaltungsspielraum bei der Entscheidung vorliegen. Weiterhin muss der eigentliche Wille der Behörde zu erkennen sein, sodass sich eindeutig feststellen lässt, was die Behörde tatsächlich wollte. Die Berichtigung ist auch dann zulässig, wenn der Verwaltungsakt bereits unanfechtbar oder bestandskräftig geworden ist. Die Grenze der Berichtigung ist erreicht, wenn andere Verfahrensvorschriften Vorrang haben oder eine Korrekturvorschrift speziell für den Fall einschlägig ist.

Welche Arten von Fehlern gelten als offenbare Unrichtigkeiten im Sinne des Gesetzes?

Typische Fälle offenbarer Unrichtigkeiten erfassen vor allem Schreibfehler, Zahlendreher, Übertragungsfehler, Falschberechnungen, aber auch versehentlich nicht übertragene Zahlen oder klar belegbare Irrtümer bei der Herstellung des Verwaltungsakts. Keine offenbaren Unrichtigkeiten sind demgegenüber Fehler bei rechtlicher Würdigung, Bewertungsfehler, Ermessensentscheidungen oder Missverständnisse in der Auslegung von Normen, da diese nicht „offenbar“ und mechanisch erkennbar sind. Entscheidend ist, dass der Fehler mechanisch, also aufgrund eines bloßen Versehens und nicht infolge einer Willensbildung der Behörde geschehen ist.

Wie ist das Verfahren zur Berichtigung einer offenbaren Unrichtigkeit ausgestaltet?

Das Berichtigungsverfahren kann von Amts wegen oder auf Antrag Partei eingeleitet werden. Es handelt sich um ein eigenständiges Verwaltungsverfahren; ein förmlicher Antrag ist nicht zwingend erforderlich, jedoch möglich. Die Finanzbehörde prüft dabei, ob tatsächlich die Voraussetzungen einer offenbaren Unrichtigkeit gegeben sind, ob der neue Verwaltungsakt inhaltlich dem tatsächlich Gewollten entspricht und ob andere Korrekturvorschriften greifen. Vor Erlass des berichtigenden Verwaltungsakts ist dem Betroffenen grundsätzlich rechtliches Gehör zu gewähren. Die Berichtigung erfolgt durch einen entsprechenden Änderungsbescheid, der seinerseits neuen Rechtsbehelfen zugänglich ist.

Gibt es Fristen, innerhalb derer eine Berichtigung nach § 129 AO erfolgen muss?

Eine spezielle Frist für die Berichtigung einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 129 AO sieht das Gesetz nicht vor. Das bedeutet, die Berichtigung kann grundsätzlich zeitlich unbegrenzt vorgenommen werden, solange der Fehler besteht und keine abschließende Regelung (wie z.B. eine Bestandskraftsperre aufgrund einer anderen spezialgesetzlichen Vorschrift) dem entgegensteht. Gleichwohl endet – wie bei allen Verwaltungsakten – die Änderungsmöglichkeit mit Eintritt der materiellen Bestandskraft, sofern nicht eine Ausnahme wie § 129 AO Anwendung findet.

Wie verhält sich die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten zur allgemeinen Änderungsbefugnis nach § 172 AO?

§ 129 AO ist als spezielle Korrekturvorschrift lex specialis zu den allgemeinen Korrekturvorschriften der §§ 172 ff. AO zu betrachten. Das bedeutet, dass § 129 AO immer dann vorrangig anzuwenden ist, wenn es sich um eine offenbare Unrichtigkeit handelt. Erst wenn ein Fehler nicht unter § 129 AO subsumiert werden kann, kommen die allgemeinen Korrekturvorschriften in Betracht, wobei dann auch die dort normierten Fristen und Voraussetzungen gelten. Der Unterschied liegt insbesondere darin, dass § 129 AO eine zeitlich unbegrenzte Berichtigung zulässt, während die §§ 172 ff. AO häufig befristet und an bestimmte Voraussetzungen gebunden sind.

Kann die Berichtigung zu einer für den Steuerpflichtigen nachteiligeren Steuerfestsetzung führen?

Ja, die Berichtigung einer offenbaren Unrichtigkeit kann sowohl zugunsten als auch zuungunsten des Steuerpflichtigen vorgenommen werden. Das heißt, wenn durch die Berichtigung ein höherer Steuerbetrag festgesetzt werden muss, ist dies rechtlich zulässig, sofern alle weiteren Voraussetzungen erfüllt sind. Der Grund hierfür liegt darin, dass bei einem offenbaren Fehler die Steuerfestsetzung von Anfang an objektiv unrichtig war und mit der Berichtigung lediglich an den ursprünglich gewollten und rechtmäßigen Zustand angeschlossen wird. Gleichwohl bleibt dem Betroffenen das Rechtsmittelverfahren gegen den neuen Bescheid offen.