Offenbare Unrichtigkeit: Bedeutung, Reichweite und rechtliche Einordnung
Der Begriff der „Offenbaren Unrichtigkeit“ bezeichnet eine leicht erkennbare, zweifelsfreie Fehlleistung bei der Erstellung oder Bekanntgabe einer rechtlich relevanten Erklärung, Entscheidung oder Eintragung. Gemeint sind vor allem mechanische oder formale Versehen wie Schreib-, Rechen-, Übertragungs- oder Tippfehler. Das Merkmal der „Offenbarkeit“ verlangt, dass der Irrtum ohne vertiefte Prüfung und ohne Beweisaufnahme aus dem Dokument selbst oder aus den zugehörigen Unterlagen ersichtlich ist. Eine inhaltliche Neubewertung oder Korrektur einer Entscheidung ist damit nicht verbunden.
Wesenskern des Begriffs
Offenbare Unrichtigkeit liegt vor, wenn das Ergebnis erkennbar nicht dasjenige ist, was nach dem objektiv Nachvollziehbaren beabsichtigt war, weil ein rein mechanisches Missgeschick vorliegt. Das Gegenstück dazu ist die inhaltliche Fehlbeurteilung, die nicht über die Berichtigung offensichtlicher Fehler korrigiert werden kann, sondern anderen Rechtsbehelfswegen vorbehalten bleibt.
Abgrenzung: Was ist keine Offenbare Unrichtigkeit?
Keine offenbare Unrichtigkeit sind inhaltliche Irrtümer in der Bewertung von Sachverhalten, der Auslegung von Erklärungen oder der Anwendung von Rechtsgrundsätzen. Auch eine nachträgliche Änderung des Willens oder eine Korrektur aus Gründen zweckmäßigerer Entscheidung fällt nicht darunter. Sobald zur Klärung eines behaupteten Fehlers umfangreiche Auslegung, Beweisaufnahme oder eine erneute Würdigung erforderlich wäre, scheidet die Berichtigung wegen offenkundiger Unrichtigkeit aus.
Erscheinungsformen und typische Beispiele
Typisierte Fallgruppen
- Schreib- und Zahlendreher (z. B. vertauschte Ziffern in einem Datum oder einer Vertragsnummer)
- Rechenfehler (z. B. fehlerhafte Summenbildung trotz zutreffender Einzelpositionen)
- Übertragungsfehler (z. B. falsch kopierter Name oder Betrag aus einer Vorlage)
- Falsche Bezeichnung bei eindeutig erkennbarer Person oder Sache (z. B. Tippfehler im Namen bei sonst klarer Zuordnung)
- Offenkundig falsche Datums- oder Zeitangaben, die mit dem übrigen Inhalt unvereinbar sind
Voraussetzungen der Berichtigung
Erkennbarkeit und Eindeutigkeit
Der Fehler muss aus der Urkunde, dem Bescheid, der Entscheidung oder aus den zugehörigen Akten für unbeteiligte Dritte ohne weiteres erkennbar sein. Er darf keinen Raum für ernsthafte Zweifel lassen. Maßgeblich ist der objektive Eindruck, nicht das nachträgliche Vorbringen eines Beteiligten.
Mechanischer Charakter des Fehlers
Die Unrichtigkeit muss auf einem mechanischen oder formalen Missgeschick beruhen. Sobald die Beseitigung des Fehlers einer inhaltlichen Neubewertung gleichkäme, ist der Korrekturmechanismus gesperrt.
Verfahren der Berichtigung
Initiative
Die Berichtigung kann regelmäßig von Amts wegen oder auf Antrag erfolgen. Die zuständige Stelle prüft, ob die Voraussetzungen der Offenkundigkeit erfüllt sind.
Form der Korrektur
Die Korrektur erfolgt in der Regel durch Berichtigungsvermerk, neue Ausfertigung, Ergänzung oder Randvermerk. Üblich ist eine transparente Dokumentation, die den ursprünglichen Sachverhalt, den festgestellten Fehler und die berichtigte Fassung erkennen lässt. Beteiligte werden üblicherweise informiert.
Zeitlicher Rahmen
Häufig bestehen keine starren Fristen, solange die Korrektur keine inhaltliche Änderung bewirkt und schutzwürdige Interessen Dritter unberührt bleiben. In einzelnen Bereichen können zeitliche Grenzen oder qualifizierte Voraussetzungen gelten.
Rechtsfolgen und Grenzen
Wirkung der Berichtigung
Die Berichtigung dient dazu, die offensichtlich unrichtige Fassung an den tatsächlich gewollten und erkennbaren Inhalt anzupassen. In vielen Bereichen wird die Wirkung so verstanden, dass sie an die Stelle der ursprünglichen Fassung tritt, ohne den materiellen Gehalt zu verändern.
Bestandskraft, Rechtskraft und Vertrauensschutz
Auch bei bestands- oder rechtskräftigen Entscheidungen bleibt die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten möglich, weil sie den Inhalt nicht neu festlegt, sondern den offenkundigen Fehler beseitigt. Grenzen bestehen dort, wo der Vertrauensschutz Dritter entgegensteht oder wo die Korrektur faktisch zu einer inhaltlichen Änderung führen würde.
Schutz Dritter
In Bereichen mit Publizitäts- oder Registerwirkung ist zu beachten, ob und inwieweit der gute Glaube Dritter geschützt ist. Eine Vertiefung in Beweisfragen oder die Korrektur über die Schwelle offenkundiger Fehler hinaus ist nicht zulässig.
Beweislast und Darlegung
Wer die Berichtigung anstrebt, muss die Offenkundigkeit nachvollziehbar darlegen. Zuträglich sind eindeutige Anhaltspunkte aus dem Dokument selbst oder aus den zugehörigen Unterlagen. Sobald substanzieller Streit über den Inhalt oder die Bewertung entsteht, spricht dies gegen eine offenbare Unrichtigkeit.
Besonderheiten in einzelnen Rechtsgebieten
Verwaltungsrechtliche Entscheidungen
Bei behördlichen Bescheiden können offensichtliche Schreib- und Rechenfehler berichtigt werden. Eine Berichtigung darf nicht dazu verwendet werden, den Bescheid neu zu begründen oder inhaltlich zu verändern. Betroffene werden vom Berichtigungsvorgang grundsätzlich in Kenntnis gesetzt.
Gerichtliche Entscheidungen
Auch Urteile, Beschlüsse und Protokolle können wegen offenbarer Fehler berichtigt werden, etwa bei Namensverwechslungen, datumsbezogenen Versehen oder Rechenfehlern. Die Korrektur dient der Klarstellung und darf nicht zu einer inhaltlichen Umgestaltung der Entscheidung führen.
Register und Grundbuch
In Registern und dem Grundbuch ist der Anwendungsbereich besonders bedeutsam. Berichtigungen kommen in Betracht, wenn die Eintragung erkennbar nicht das wiedergibt, was aufgrund der zugrunde liegenden Unterlagen eingetragen werden sollte. Zu beachten sind Publizitätswirkung und Vertrauensschutz, die einer Berichtigung enge Grenzen setzen können.
Steuerliche Festsetzungen
Bei steuerlichen Festsetzungen können offenkundige Schreib- und Rechenfehler oder ähnliche Versehen korrigiert werden, sofern keine inhaltliche Neubewertung erforderlich ist. Die Korrektur dient der Anpassung an die erkennbar zutreffenden Zahlen oder Bezeichnungen.
Notarielle Urkunden
Bei notariellen Urkunden ist die Korrektur mechanischer Fehler möglich, wenn eindeutig feststeht, was erklärt oder beurkundet werden sollte. Auch hier gilt: Die Grenze verläuft dort, wo eine inhaltliche Umgestaltung der Erklärung beginnen würde.
Verhältnis zu Rechtsmitteln
Die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit ist kein Ersatz für Rechtsmittel. Sie beseitigt nur offenkundige, technische Fehler. Für inhaltliche Einwände sind gesonderte Rechtsbehelfsverfahren vorgesehen. Beides kann nebeneinander bestehen, solange die jeweilige Zielrichtung gewahrt bleibt.
Prägende Kriterien der Praxis
Offenkundigkeit
Der Fehler springt ins Auge und erklärt sich aus dem Dokument oder der Aktenlage selbst.
Mechanik statt Bewertung
Reine Form- oder Rechenpannen sind erfasst, nicht aber Meinungs- oder Auslegungsänderungen.
Transparenz
Die Korrektur wird nachvollziehbar dokumentiert, um Klarheit über ursprüngliche und berichtigte Fassung zu gewährleisten.
Häufig gestellte Fragen zur Offenbaren Unrichtigkeit
Wann ist eine Unrichtigkeit „offenbar“?
Offenbar ist eine Unrichtigkeit, wenn der Fehler ohne vertiefte Prüfung, allein aus dem Dokument oder den zugehörigen Unterlagen, zweifelsfrei erkennbar ist. Dazu zählen typischerweise Schreib-, Rechen- oder Übertragungsfehler, die sich aus dem Gesamtzusammenhang aufdrängen.
Kann eine bereits bestands- oder rechtskräftige Entscheidung berichtigt werden?
Ja, soweit es allein um die Beseitigung eines offenkundigen mechanischen Fehlers geht. Die Berichtigung ändert den inhaltlichen Entscheidungskern nicht, sondern passt die äußere Form an den erkennbar gemeinten Inhalt an.
Welche Fehler sind von der Berichtigung ausgeschlossen?
Ausgeschlossen sind inhaltliche Fehlbeurteilungen, Auslegungsfragen oder Änderungen der Bewertung von Tatsachen. Erforderte die Korrektur eine erneute Würdigung oder Beweisaufnahme, liegt keine offenbare Unrichtigkeit vor.
Wie wird eine offenbare Unrichtigkeit korrigiert?
Die Korrektur erfolgt durch einen Berichtigungsvermerk, eine berichtigte Fassung oder eine ergänzende Mitteilung, die den Fehler und die richtige Fassung erkennen lässt. Üblicherweise werden beteiligte Personen informiert.
Gibt es Fristen für die Berichtigung?
Häufig bestehen keine starren Fristen, solange nur mechanische Fehler behoben und keine schutzwürdigen Interessen Dritter beeinträchtigt werden. In einzelnen Bereichen können abweichende zeitliche Grenzen vorgesehen sein.
Welche Rolle spielt der Vertrauensschutz Dritter?
In Bereichen mit Publizitäts-, Register- oder Gutglaubenswirkung können die Interessen Dritter einer Berichtigung entgegenstehen. Die Korrektur darf nicht zu einer faktischen inhaltlichen Änderung mit nachteiligen Wirkungen für geschützte Personen führen.
Wer muss die Offenkundigkeit darlegen?
Wer die Berichtigung anstrebt, hat die Offenkundigkeit des Fehlers nachvollziehbar darzulegen. Bestehen ernsthafte Zweifel oder bedarf es einer vertieften Prüfung, spricht dies gegen das Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit.