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Örtliche Zuständigkeit des Gerichts


Begriff und Bedeutung der örtlichen Zuständigkeit des Gerichts

Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts (auch Gerichtsstand genannt) bezeichnet im deutschen Verfahrensrecht die Frage, welches Gericht eines bestimmten Ortes für eine rechtliche Streitigkeit oder ein gerichtliches Verfahren räumlich zuständig ist. Sie regelt, an welchem Standort ein Verfahren durchgeführt und eine Klage eingereicht werden muss. Die örtliche Zuständigkeit wird damit von anderen Zuständigkeitsarten, insbesondere der sachlichen Zuständigkeit, sowie der funktionellen Zuständigkeit unterschieden.

Rechtsgrundlagen

Die maßgeblichen Vorschriften zur örtlichen Zuständigkeit finden sich insbesondere in der Zivilprozessordnung (ZPO), im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), im Strafprozessrecht (StPO), im Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sowie in Spezialgesetzen. Die einzelnen Prozessordnungen enthalten jeweils eigenständige Regelungen, die sich nach dem jeweiligen Rechtsgebiet unterscheiden.

Zivilprozessordnung (ZPO)

Die ZPO regelt in den §§ 12 ff., insbesondere in den §§ 13 bis 21 ZPO, die örtliche Zuständigkeit in Zivilverfahren (z.B. Klagen aus Verträgen oder Schadensersatzansprüchen). Das Prinzip des sogenannten „allgemeinen Gerichtsstands“ (§ 12-13 ZPO) sieht vor, dass grundsätzlich das Gericht des Wohnsitzes der beklagten Partei örtlich zuständig ist. Daneben gibt es besondere und ausschließliche Gerichtsstände.

Strafprozessordnung (StPO)

Für das Strafverfahren regelt die StPO in den §§ 7 bis 21 StPO die örtliche Zuständigkeit. Maßgeblich ist regelmäßig der Ort der Tatbegehung (§ 7 StPO), daneben können auch der Wohnort des Beschuldigten, dessen Aufenthaltsort oder der Ergreifungsort den Gerichtsstand bestimmen.

Verwaltungs- und andere Gerichtsbarkeiten

Im Verwaltungsrecht, Sozialrecht, Finanzrecht und Arbeitsrecht existieren abweichende Regelungen, die jeweils den Besonderheiten des jeweiligen Verfahrensrechts Rechnung tragen. Beispielhaft nennt § 52 VwGO für das Verwaltungsverfahren verschiedene Anknüpfungspunkte, wie zum Beispiel den Sitz der Behörde oder den Ort des streitigen Verwaltungsaktes.

Systematik der örtlichen Zuständigkeit

Die örtliche Zuständigkeit wird in mehrere Gerichtsstände unterteilt:

Allgemeiner Gerichtsstand

Der allgemeine Gerichtsstand wird nach festen Kriterien bestimmt, insbesondere beim Wohnsitz einer natürlichen oder dem Sitz einer juristischen Person. Nach § 13 ZPO ist dies grundsätzlich der Wohnsitz der beklagten Partei.

Besonderer Gerichtsstand

Besondere Gerichtsstände treten neben den allgemeinen und ermöglichen Klagen an Orten, die durch bestimmte rechtliche Tatbestände gerechtfertigt sind, etwa:

  • Erfüllungsort (§ 29 ZPO, z.B. bei Vertragssachen)
  • Schadensort (§ 32 ZPO, bei unerlaubten Handlungen)
  • Gerichtsstand der Niederlassung (§ 21 ZPO)

Ausschließlicher Gerichtsstand

Bestimmte Streitigkeiten dürfen nur bei genau festgelegten Gerichten geführt werden. Typische Beispiele enthalten die §§ 24-26 ZPO, wie etwa Klagen über Eigentum an Grundstücken, die ausschließlich beim Gericht des Lageortes erhoben werden müssen.

Prorogation (Vereinbarung der örtlichen Zuständigkeit)

Im Zivilrecht besteht gemäß § 38 ZPO die Möglichkeit, durch Vereinbarung die örtliche Zuständigkeit zu bestimmen (Prorogation), soweit keine ausschließliche Zuständigkeit vorgesehen ist.

Verfahren und Bedeutung der örtlichen Zuständigkeitsprüfung

Die örtliche Zuständigkeit ist von Amts wegen zu prüfen, bevor das Gericht zur Sache verhandelt. Wird ein Verfahren bei einem unzuständigen Gericht eingeleitet, muss dieses den Rechtsstreit nach § 281 ZPO an das zuständige Gericht verweisen. Die Zuständigkeit hat insbesondere Auswirkungen auf den Zugang zum Recht, die zu erwartenden Verfahrenskosten und den Ablauf des weiteren Prozesses.

Rüge der örtlichen Unzuständigkeit

Die Einrede der Unzuständigkeit wegen örtlicher Zuständigkeit kann im Zivilprozess von der beklagten Partei bis zur mündlichen Verhandlung geltend gemacht werden (§ 39 ZPO). Danach ist eine präkludierte Rüge grundsätzlich ausgeschlossen, soweit nicht besonders geregelte Ausnahmen eingreifen.

Besondere Konstellationen der örtlichen Zuständigkeit

Verbindung und Trennung von Verfahren

In Fällen mehrerer Gerichtsstände kann das Gericht gem. §§ 36, 39 ZPO das Verfahren konzentrieren, Verbindungen schaffen oder Trennungen aussprechen, um Prozessökonomie zu fördern.

Örtliche Zuständigkeit in internationalen Sachverhalten

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten bestimmen neben deutschen Prozessgesetzen auch europäische und internationale Vorschriften, insbesondere die Brüssel Ia-Verordnung für Zivilsachen oder das Haager Übereinkommen im Bereich des Familienrechts, welche Gerichtsbarkeit örtlich zuständig ist.

Bedeutung und praktische Auswirkungen

Die örtliche Zuständigkeit garantiert eine sinnvolle Verteilung der Verfahren auf verschiedene Gerichte und sorgt für Rechtssicherheit und Prozessökonomie. Sie dient einerseits praktischen Erwägungen (erreichbare Gerichte, Zeugen, Tatortnähe), andererseits dem Schutz prozessualer Rechte der Beteiligten. Verstöße gegen die örtliche Zuständigkeit können zur Klageabweisung oder zur Kostenlast führen.

Literatur und weiterführende Quellen

  • Zöller, Kommentar zur ZPO
  • Thomas/Putzo, ZPO-Kommentar
  • Meyer-Goßner, StPO-Kommentar
  • Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung

Zusammenfassung

Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts ist ein zentrales Element des Prozessrechts und beeinflusst maßgeblich die Ablaufstruktur gerichtlicher Verfahren in allen Gerichtsbarkeiten. Die gesetzlichen Regelungen bieten unterschiedliche Anknüpfungspunkte für die Bestimmung des zuständigen Gerichts und stellen sicher, dass Gerichtsverfahren effizient, sachgerecht und rechtssicher durchgeführt werden.


Schlagworte: örtliche Zuständigkeit, Gericht, Gerichtsstand, ZPO, StPO, GVG, Prorogation, besonderer Gerichtsstand, ausschließlicher Gerichtsstand, allgemeiner Gerichtsstand, Klage, Verfahrensrecht

Häufig gestellte Fragen

Wie wird die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts bestimmt?

Die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts richtet sich grundsätzlich nach den gesetzlichen Vorschriften der jeweiligen Verfahrensordnung (z.B. Zivilprozessordnung, Strafprozessordnung, Verwaltungsgerichtsordnung). Im Zivilverfahren ist in erster Linie der so genannte „allgemeine Gerichtsstand“ maßgeblich, welcher sich in der Regel nach dem Wohnsitz oder Firmensitz der beklagten Partei richtet. Für juristische Personen ist dies der Sitz der Gesellschaft. Daneben existieren besondere und ausschließliche Gerichtsstände, beispielsweise am Ort der gelegenen Sache bei Immobiliensachen oder bei unerlaubten Handlungen am Tatort. Parteien können in bestimmten Fällen die örtliche Zuständigkeit durch eine Gerichtsstandsvereinbarung vertraglich festlegen, sofern dies gesetzlich nicht ausgeschlossen ist. Die örtliche Zuständigkeit ist von Amts wegen zu prüfen und stellt einen wichtigen Aspekt des ordnungsgemäßen Verfahrens dar. Im Streitfall entscheidet das im konkreten Fall angerufene Gericht gegebenenfalls über seine Zuständigkeit, notfalls im Rahmen eines sogenannten Verweisungsbeschlusses.

Welche Folgen hat die Erhebung einer Klage bei einem örtlich unzuständigen Gericht?

Wird eine Klage bei einem örtlich unzuständigen Gericht eingereicht, so prüft das Gericht die Zuständigkeit von Amts wegen und kann den Rechtsstreit an das zuständige Gericht verweisen. Diese Entscheidung ergeht in der Regel ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (§ 281 ZPO). Der Verweisungsbeschluss ist bindend, d.h., das als zuständig bezeichnete Gericht darf die Zuständigkeit nicht mehr in Frage stellen. Nach erfolgter Verweisung wird das Verfahren am zuständigen Gericht fortgesetzt. Im Zivilprozess ist eine solche Verweisung grundsätzlich nur dann möglich, wenn das zunächst angerufene Gericht tatsächlich unzuständig ist; andernfalls bleibt das Verfahren an diesem Gericht. Die Erhebung der Klage beim unzuständigen Gericht kann im Ausnahmefall Auswirkungen auf die Kostenentscheidung oder die Fristen (z.B. Anhängigkeit, Verjährungshemmung) haben.

Kann die örtliche Zuständigkeit durch die Parteien beeinflusst werden?

Die Parteien können in vielen Fällen die örtliche Zuständigkeit des Gerichts durch eine sogenannte Gerichtsstandsvereinbarung ausdrücklich oder konkludent abweichend von den gesetzlichen Vorgaben regeln, sofern keine ausschließliche Zuständigkeit vorgeschrieben ist. Die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung ist an bestimmte formelle Voraussetzungen gebunden, zum Beispiel die Schriftform bei Verbraucherverträgen (§ 38 ZPO). Die Vereinbarung kann sowohl vor Entstehung des Rechtsstreits (prorogatio fori) als auch nach Klageerhebung getroffen werden. Ausgenommen hiervon sind Fälle, in denen gesetzlich eine ausschließliche Zuständigkeit vorgesehen ist (z.B. Ehesachen, Kindschaftssachen), in denen keine Abweichung möglich ist.

Welche Rolle spielen besondere und ausschließliche Gerichtsstände bei der örtlichen Zuständigkeit?

Besondere Gerichtsstände ergänzen den allgemeinen Gerichtsstand und bieten zusätzliche Gerichtsstände an, zwischen denen der Kläger wählen kann, beispielsweise bei unerlaubten Handlungen, Ansprüchen aus Vertragsverhältnissen oder Mietstreitigkeiten. Ausschließliche Gerichtsstände gehen allen anderen Gerichtsständen vor und lassen keine Wahl. Beispiele hierfür sind Streitigkeiten über Eigentum oder Besitz an Grundstücken (ausschließlicher Gerichtsstand des Belegenheitsortes) oder familienrechtliche Streitigkeiten (Zuständigkeit des Wohnortes der Familie). Ob ein besonderer oder ausschließlicher Gerichtsstand vorliegt, bestimmt sich nach dem jeweiligen Einzelfall und muss anhand der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften überprüft werden.

Was ist zu tun, wenn die örtliche Zuständigkeit zwischen mehreren Gerichten streitig ist?

Im Fall von Streitigkeiten über die örtliche Zuständigkeit, insbesondere wenn sich mehrere Gerichte für unzuständig oder zuständig halten, sieht die jeweilige Verfahrensordnung besondere Regelungen vor. Im Zivilprozess entscheidet über die Zuständigkeit das im Instanzenzug nächst höhere Gericht (sogenanntes „Gerichtsstandsbestimmungsverfahren“ gemäß § 36 ZPO). Dieses bestimmt dann verbindlich, welches unter den beteiligten Gerichten zuständig ist. Das Verfahren kann auf Antrag einer Partei, eines Gerichts oder einer Justizverwaltung stattfinden. Der Beschluss ist für die Beteiligten bindend und verhindert, dass das Verfahren zwischen den Gerichten hin und her verwiesen wird („Gerichtsstandskollision“).

Welche Bedeutung hat die örtliche Zuständigkeit für die internationale Zuständigkeit?

Die örtliche Zuständigkeit ist strikt vom Begriff der internationalen Zuständigkeit zu trennen, die regelt, ob deutsche Gerichte überhaupt für einen Sachverhalt mit Auslandsberührung zuständig sind. Liegt internationale Zuständigkeit vor, stellt sich im zweiten Schritt wie im innerstaatlichen Rechtsverkehr die Frage der örtlichen Zuständigkeit, die sich dann nach den nationalen Vorschriften richtet, sofern keine vorrangigen internationalen Regelungen (z.B. EuGVVO, LugÜ) eingreifen. Die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit erfolgt also grundsätzlich erst, wenn festgestellt ist, dass überhaupt ein deutsches Gericht sachlich zuständig ist.

Wie kann die Unzuständigkeit des Gerichts von einer Partei geltend gemacht werden?

Die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts kann im Zivilprozess von der beklagten Partei mittels der sogenannten „Unzuständigkeitseinrede“ geltend gemacht werden, dies muss spätestens mit der ersten mündlichen Verhandlung geschehen (§ 39 ZPO). Wird die Einrede verspätet vorgebracht oder unterlassen, gilt das Gericht als zuständig („rügelose Einlassung“). Das Gericht prüft aber auch von Amts wegen, ob die ausschließliche örtliche Zuständigkeit gegeben ist. Im Strafprozess und anderen Verfahren gelten teils abweichende Regelungen hinsichtlich der Geltendmachung und Prüfung der Unzuständigkeit.