Legal Lexikon

Öffentliches Recht


Begriff und Gegenstand des Öffentlichen Rechts

Das Öffentliche Recht ist ein zentrales Teilgebiet der Rechtswissenschaft und befasst sich mit den Rechtsnormen, welche die Beziehungen zwischen Trägern öffentlicher Gewalt und Privatrechtssubjekten (Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen) sowie die Beziehungen verschiedener Hoheitsträger untereinander regeln. Es bildet das Pendant zum Privatrecht, das die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten auf Basis der Gleichordnung gestaltet. Die Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht ist in zahlreichen Staaten, insbesondere im deutschen Recht, grundlegend für die Systematik der Rechtsordnung.

Das öffentliche Recht verfolgt das Ziel, das Gemeinwohl zu sichern, hoheitliche Aufgaben zu regeln und das Verhältnis des Einzelnen zum Staat und weiteren öffentlichen Körperschaften strukturierend zu gestalten. Die Anwendungsbereiche des öffentlichen Rechts sind vielschichtig und umfassen insbesondere das Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Strafrecht, Steuerrecht, Sozialrecht, Völkerrecht und Teile des Europarechts.


Abgrenzung zum Privatrecht

Die Trennung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht wird typischerweise durch verschiedene Abgrenzungskriterien vorgenommen:

Subordinationstheorie

Nach der Subordinationstheorie ist öffentliches Recht immer dann einschlägig, wenn eine Über- bzw. Unterordnung zwischen den Beteiligten besteht. Handelt ein Hoheitsträger als Träger öffentlicher Gewalt, greift öffentliches Recht.

Subjektstheorie (Sonderrechtstheorie)

Die Subjektstheorie differenziert danach, ob eine Rechtsnorm einen Träger hoheitlicher Gewalt besonders berechtigt oder verpflichtet. Sind Normadressaten ausschließlich Hoheitsträger in Ausübung öffentlicher Funktionen, spricht dies für öffentliches Recht.

Interessentheorie

Nach der Interessentheorie dienen öffentlich-rechtliche Normen primär dem Schutz des öffentlichen Interesses, privat-rechtliche Regelungen hingegen dem Schutz privater Interessen.

Diese Theorien liefern Orientierungshilfen, wobei die Einordnung im Einzelfall komplex sein kann, insbesondere bei sogenannten „Doppelregelungen“ oder im Bereich des öffentlichen Wirtschaftsrechts.


Teilgebiete des Öffentlichen Rechts

Verfassungsrecht

Das Verfassungsrecht bildet das Fundament des öffentlichen Rechts und umfasst die Gesamtheit der Rechtsnormen, die Aufbau, Organisation, Funktionen und Verfahrensweisen von Staat und Hoheitsträgern regeln. Dazu zählen etwa Grundrechte, Staatsstrukturprinzipien, Kompetenzen und das Staatsorganisationsrecht.

Staatsorganisationsrecht

Das Staatsorganisationsrecht regelt die Beziehungen zwischen Verfassungsorganen (z. B. Bundestag, Bundesregierung, Bundespräsident) und legt die Grundstrukturen der Gewaltenteilung und staatlichen Willensbildung fest.

Grundrechte

Zu den Grundrechten zählen die subjektiven Rechte des Individuums gegenüber dem Staat, wie sie etwa im Grundgesetz (Art. 1-19 GG) garantiert werden. Sie schützen die Freiheitssphäre, Gleichheit und Menschenwürde.

Verwaltungsrecht

Das Verwaltungsrecht umfasst sämtliche Normen, die das Handeln der öffentlichen Verwaltung regeln. Es ist in das allgemeine Verwaltungsrecht und das besondere Verwaltungsrecht untergliedert.

Allgemeines Verwaltungsrecht

Das allgemeine Verwaltungsrecht legt die grundlegenden Regeln des Verwaltungshandelns fest, etwa im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) oder Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Besonderes Verwaltungsrecht

Hierzu gehören spezielle Materien wie das Polizei- und Ordnungsrecht, Baurecht, Umweltrecht, Gewerberecht, Ausländerrecht oder das Beamtenrecht.

Strafrecht

Das Strafrecht regelt, welches Verhalten als kriminell gilt (materielles Strafrecht) und wie strafrechtliche Prozesse ablaufen (formelles Strafrecht). Da das Strafrecht hoheitlich vom Staat durchgesetzt wird, zählt es zum öffentlichen Recht.

Steuerrecht und Abgabenrecht

Das Steuerrecht normiert die Erhebung und Erstattung öffentlicher Abgaben, darunter Steuern, Gebühren und Beiträge. Dies umfasst alle Vorschriften zur Verwaltung und Durchsetzung der staatlichen Finanzaufkommen.

Sozialrecht

Das Sozialrecht sichert soziale Gerechtigkeit und den Sozialstaat. Es normiert Leistungen in der Kranken-, Renten-, Pflege-, Unfall- sowie Arbeitslosenversicherung und regelt Ansprüche gegenüber Sozialleistungsträgern.

Völkerrecht und Europarecht

Das Völkerrecht regelt die Beziehungen zwischen Staaten und internationalen Organisationen. Das Europarecht ist das Recht der Europäischen Union und beeinflusst zunehmend das nationale öffentliche Recht.


Rechtsanwendung und Rechtsschutz im Öffentlichen Recht

Verwaltungsverfahren

Verwaltungsverfahren sind förmliche Prozesse, in denen Behörden ihre öffentlich-rechtlichen Aufgaben wahrnehmen. Das Verwaltungsverfahrensgesetz legt die maßgeblichen Regelungen hierfür fest, etwa zur Anhörung und zum Erlass von Verwaltungsakten.

Rechtsschutz und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Gegen Akte der öffentlichen Gewalt besteht gerichtlicher Rechtsschutz. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit prüft, ob Behörden gesetzeskonform gehandelt haben. Regelungen hierzu finden sich in der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Im Bereich des Strafrechts besteht staatlicher Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten und im Verfassungsrecht durch Verfassungsbeschwerde.

Besondere Rechtsprechungsorgane

Für spezielle Bereiche (bspw. Sozialrecht, Finanzrecht) existieren eigenständige Gerichtsbarkeiten, wie Sozialgerichte oder Finanzgerichte.


Typische Rechtsquellen des Öffentlichen Rechts

Die wichtigsten Rechtsquellen des öffentlichen Rechts sind:

  • Verfassung: Das Grundgesetz und Landesverfassungen
  • Gesetze: Bundes- und Landesgesetze (z. B. BGB, StGB, VwVfG)
  • Rechtsverordnungen und Satzungen: Von Exekutive oder Selbstverwaltungskörperschaften erlassene Bestimmungen
  • Verwaltungsakte: Einzelfallanordnungen durch Behörden
  • Internationale Verträge: Völkerrechtliche Verpflichtungen

Bedeutung und Funktion des Öffentlichen Rechts

Das öffentliche Recht gewährleistet die Rechtmäßigkeit staatlicher Machtausübung, schützt den Bürger vor staatlicher Willkür und strukturiert die Voraussetzungen für das demokratische, rechtstaatliche und soziale Gemeinwesen. Es schafft einen geordneten Rahmen für das Zusammenleben und die Wahrung der öffentlichen Sicherheit sowie Ordnung. Über Verfassungsbeschwerden und Klagebefugnisse macht es Grundrechte für den Einzelnen justiziabel.


Literaturhinweise und weiterführende Informationen

  • Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz
  • Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht
  • Ipsen, Staatsrecht
  • Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht

Das öffentliche Recht bildet somit einen der bedeutendsten und vielschichtigsten Bereiche der deutschen Rechtsordnung, mit weitreichender Bedeutung für den Staat, seine Organe sowie den Einzelnen.

Häufig gestellte Fragen

Wie gliedert sich das Öffentliche Recht und welche Teilrechtsgebiete umfasst es?

Das Öffentliche Recht unterteilt sich im Wesentlichen in verschiedene Teilrechtsgebiete, die jeweils spezifische Lebensbereiche regeln. Die zentralen Bereiche sind das Verfassungsrecht, das die Grundlagen der Staatsorganisation, die Grundrechte sowie die Gesetzgebungskompetenzen der verschiedenen Staatsebenen festlegt, und das Verwaltungsrecht, welches das Handeln der Verwaltung, die Aufgaben öffentlicher Behörden sowie deren Beziehungen zu den Bürgern bestimmt. Weitere bedeutende Teilgebiete sind das Staatskirchenrecht, das die Beziehungen zwischen Staat und Religionsgemeinschaften regelt, das Polizei- und Ordnungsrecht, das Gefahrenabwehr und öffentliche Sicherheit betrifft, und das öffentliche Wirtschaftsrecht, das die Einflussnahme des Staates auf die Wirtschaft steuert. Daneben gibt es spezielle Gebiete wie das Sozialrecht, das Umweltrecht und das öffentliche Baurecht, welche einzelne Aspekte des Gemeinwesens regeln. Ein weiteres, vom öffentlichen Recht mitumfasstes Gebiet ist das Prozessrecht, beispielsweise das Verwaltungsprozessrecht, das unter anderem die gerichtliche Kontrolle hoheitlicher Entscheidungen sicherstellt. Charakteristisch für alle Bereiche des öffentlichen Rechts ist, dass sie das Verhältnis zwischen Trägern öffentlicher Gewalt und Bürgern regeln und regelmäßig von einem Über- und Unterordnungsverhältnis geprägt sind.

Welche Bedeutung hat das „Über- und Unterordnungsverhältnis“ im Öffentlichen Recht?

Das Über- und Unterordnungsverhältnis (Subordinationsverhältnis) ist eines der wesentlichen Merkmale des Öffentlichen Rechts und grenzt dieses fundamental vom Privatrecht ab. Im öffentlichen Recht steht regelmäßig einer Hoheitsträger – also z.B. der Staat, eine Behörde oder eine Körperschaft des öffentlichen Rechts – einem Bürger oder anderen Rechtssubjekten gegenüber. Der Hoheitsträger tritt dabei mit Befehls- und Zwangsgewalt auf und ist berechtigt, einseitig verbindliche Regelungen zu erlassen, sogenannte Verwaltungsakte. Dem Bürger bleibt zur Durchsetzung seiner Rechte regelmäßig nur der Rechtsweg, etwa gegen Bescheide oder staatliche Maßnahmen. Hierdurch unterscheidet sich das öffentliche Recht klar vom Privatrecht, in dem die Beteiligten grundsätzlich auf Augenhöhe – im Gleichordnungsverhältnis – stehen und Rechtsbeziehungen durch Verträge und Einvernehmen gestalten. Das Über- und Unterordnungsverhältnis hat weitreichende Auswirkungen auf Rechtsschutzmöglichkeiten, Verfahrensarten und die Auslegung der Normen.

Welche Rolle spielt das Grundgesetz (GG) im Öffentlichen Recht?

Das Grundgesetz bildet das zentrale Fundament des öffentlichen Rechts in Deutschland. Es legt die staatsorganisatorischen Strukturen fest, regelt die Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative, und garantiert die Grundrechte, die als subjektive Rechte unmittelbare Wirkung gegenüber sämtlichen Akteuren der öffentlichen Gewalt entfalten. Es prägt die Rechtsanwendung durch den Grundsatz der Verfassungsmäßigkeit aller staatlichen Maßnahmen: Sämtliche behördlichen Entscheidungen und Gesetze müssen mit dem Grundgesetz vereinbar sein. Das Bundesverfassungsgericht kommt dabei eine zentrale Kontrollfunktion zu und kann sowohl Gesetze für nichtig erklären als auch individuelle Grundrechtsverletzungen feststellen. Das Grundgesetz ist zudem Maßstab für die Auslegung und Anwendung sämtlicher nachgeordneten Normen des öffentlichen Rechts. Seine Vorgaben wirken nicht nur horizontal auf Bundes- und Landesebene, sondern binden auch die kommunalen Körperschaften.

Inwiefern unterscheidet sich das öffentliche Recht vom Privatrecht in Bezug auf Rechtsschutz und Durchsetzung von Ansprüchen?

Im öffentlichen Recht wird der Rechtsschutz gegen staatliche Maßnahmen durch spezielle Verfahrensarten, insbesondere das Verwaltungsgerichtsverfahren, gewährleistet. Bürger können gegen belastende Akte (z.B. einen Verwaltungsakt wie einen Bauvorbescheid oder eine Ablehnung eines Antrags) im Verwaltungsprozess klagen – typischerweise mit der Anfechtungsklage oder Verpflichtungsklage. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns zu, d.h. jede Maßnahme der öffentlichen Gewalt muss auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen und die Rechte der Bürger wahren. Im Unterschied dazu wird Rechtsschutz im Privatrecht meist durch Zivilgerichte im Rahmen von Klagen unter Gleichordnung gewährt, etwa durch Leistungsklagen auf Vertragserfüllung oder Schadensersatz. Die gerichtlichen Verfahren, die Voraussetzungen und die Durchsetzung unterscheiden sich somit fundamental: Im öffentlichen Recht geht es oft um die Kontrolle von Akten hoheitlicher Gewalt, während im Privatrecht das sogenannte subjektive Recht und die Vertragsfreiheit im Vordergrund stehen.

Welche Arten von Gesetzen und Normen gibt es im öffentlichen Recht und wie wirken sie zusammen?

Das öffentliche Recht kennt eine vielschichtige Hierarchie von Rechtsquellen. An oberster Stelle steht das Verfassungsrecht, insbesondere das Grundgesetz, gefolgt von formellen Gesetzen (vom Parlament beschlossene Gesetze wie das Verwaltungsverfahrensgesetz oder das Sozialgesetzbuch). Unterhalb der Gesetze finden sich Rechtsverordnungen, die auf gesetzlicher Grundlage von Exekutivorganen erlassen werden, spezifizieren und konkretisieren; beispielsweise die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Weiterhin spielen Satzungen eine Rolle, insbesondere auf kommunaler Ebene (z.B. die Abwassersatzung der Kommune), welche von Körperschaften öffentlichen Rechts auf rechtlicher Grundlage erlassen werden. Außerdem bestehen Richtlinien, Verwaltungsvorschriften und Erlasse, die primär die Verwaltung binden, aber zum Teil auch Außenwirkung entfalten können. Die einzelnen Rechtsquellen stehen in einem Über- und Unterordnungsverhältnis: Höherrangiges Recht bricht niederrangiges, etwa hebt das Grundgesetz gegenläufige Landesgesetze auf, und Verordnungen müssen sich im Rahmen der Gesetze halten.

Wann sind Verwaltungsakte im Sinne des öffentlichen Rechts rechtmäßig und welche Voraussetzungen müssen sie erfüllen?

Ein Verwaltungsakt ist im öffentlichen Recht nur dann rechtmäßig, wenn er die Voraussetzungen der einschlägigen materiellen und formellen Gesetze einhält. Materiell-rechtlich muss der Verwaltungsakt auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage beruhen (Ermächtigungsgrundlage), darf nicht gegen höherrangiges Recht (insbesondere das Grundgesetz) verstoßen und muss verhältnismäßig, also geeignet, erforderlich und angemessen sein. Formell-rechtlich muss der Verwaltungsakt von der zuständigen Behörde unter Einhaltung der vorgeschriebenen Verfahrensregeln, wie Anhörung betroffener Personen (§ 28 VwVfG), ordnungsgemäß erlassen werden. Er muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein und eine Begründung enthalten, damit der Bürger die Tragweite und Gründe nachvollziehen kann. Werden diese Voraussetzungen nicht eingehalten, kann der Verwaltungsakt rechtswidrig sein und durch die Gerichte aufgehoben werden.

Welche verfassungsrechtlichen Grundsätze prägen das öffentliche Recht?

Das öffentliche Recht steht unter dem Einfluss fundamentaler verfassungsrechtlicher Prinzipien. Besonders hervorzuheben sind das Rechtsstaatsprinzip, das Gewaltenteilungsprinzip, der Demokratiegrundsatz und das Bundesstaatsprinzip. Das Rechtsstaatsprinzip verpflichtet alle staatlichen Institutionen auf die Einhaltung von Recht und Gesetz, garantiert Rechtsschutz gegen staatliches Handeln und bestimmt, dass Akte der öffentlichen Gewalt überprüfbar und transparent sein müssen. Das Gewaltenteilungsprinzip stellt sicher, dass Legislative, Exekutive und Judikative getrennt agieren und sich gegenseitig kontrollieren, während der Demokratiegrundsatz auf die Volkssouveränität und demokratische Legitimation sämtlicher Hoheitsgewalt abzielt. Das Bundesstaatsprinzip wiederum garantiert die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern und so die föderale Struktur. Darüber hinaus wirken die Grundrechte als Abwehr- und Leistungsrechte auf sämtliche staatliche Maßnahmen ein und sind von zentraler Bedeutung für die praktische Anwendung des öffentlichen Rechts.