Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Strafrecht»Öffentliche Klage

Öffentliche Klage


Begriff und rechtliche Einordnung der Öffentlichen Klage

Die Öffentliche Klage ist ein zentrales Instrument im Strafverfahrensrecht, das das förmliche Verfahren zur Strafverfolgung in Gang setzt. Der Begriff bezeichnet die Handlung einer Staatsanwaltschaft oder, in seltenen Ausnahmefällen, einer anderen dazu befugten Behörde, ein Strafverfahren durch Einreichung einer Anklageschrift oder einen Strafbefehlsantrag bei Gericht zu eröffnen. In der deutschen Strafprozessordnung (StPO) ist die Öffentliche Klage in §§ 151 ff. StPO geregelt und stellt die Voraussetzung für die gerichtliche Untersuchung und Entscheidung über eine Straftat dar.

Gesetzliche Grundlagen

Die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften zur Öffentlichen Klage sind in den §§ 151 bis 207 StPO enthalten. Nach § 151 StPO kann eine strafgerichtliche Untersuchung nur aufgrund einer Anklage, Strafbefehls oder eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung (z.B. im Sicherungsverfahren) stattfinden. Die Öffentliche Klage ist somit zwingende Voraussetzung für ein strafgerichtliches Hauptverfahren.

Zweck und Funktion der Öffentlichen Klage

Die Öffentliche Klage dient dazu, das öffentliche Interesse an der Strafrechtspflege zu wahren. Sie stellt sicher, dass die Strafverfolgung systematisch, nach rechtlichen Grundsätzen und auf Grundlage hinreichender Verdachtsmomente erfolgt. Ziel ist eine objektive und sachgerechte Strafrechtspflege, welche die Belange der Allgemeinheit und die Rechte der einzelnen Verfahrensbeteiligten berücksichtigt.

Voraussetzungen und Ablauf der Öffentlichen Klage

Ermittlungsverfahren

Vor Erhebung der Öffentlichen Klage steht in der Regel das Ermittlungsverfahren, das von der Staatsanwaltschaft geleitet wird. Dabei werden durch Polizei und andere Ermittlungsbehörden Sachverhalte aufgeklärt, Beweise erhoben und geprüft, ob ausreichend Verdachtsmomente für eine Anklage vorliegen.

Legalitäts- und Opportunitätsprinzip

Das Legalitätsprinzip (§ 152 Abs. 2 StPO) verpflichtet die Strafverfolgungsbehörden, bei Vorliegen eines Anfangsverdachts grundsätzlich Strafverfolgung zu betreiben. Hiervon abweichend erlaubt das Opportunitätsprinzip (z.B. §§ 153 ff. StPO) insbesondere bei Bagatellfällen eine Einstellung des Verfahrens ohne Anklageerhebung, wenn das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung fehlt.

Entscheidung und Erhebung der Öffentlichen Klage

Hat die Staatsanwaltschaft aufgrund ihrer Ermittlungen hinreichenden Tatverdacht (§ 170 Abs. 1 StPO), so erhebt sie die Öffentliche Klage. Dies geschieht in der Regel durch Vorlage einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. Als mildere Alternative kann in geeigneten Fällen auch ein Strafbefehlsantrag gem. § 407 StPO gestellt werden.

Formen der Öffentlichen Klage

  1. Anklageschrift: Der Regelfall bei mittleren und schweren Straftaten.
  2. Strafbefehl: Bei geringfügigeren Straftaten ohne Hauptverhandlung.
  3. Erweiterte Formen: Z.B. Sicherungsverfahren, wenn Schuldunfähigkeit besteht.

Gerichtliche Kontrolle der Öffentlichen Klage

Das Gericht prüft nach Eingang der Anklageschrift, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Eröffnung des Hauptverfahrens vorliegen (§§ 203-207 StPO). Bei hinreichendem Tatverdacht lässt das Gericht die Anklage zur Hauptverhandlung zu, ansonsten wird das Verfahren eingestellt.

Abgrenzung zu anderen Klagearten

Privatklage

Die Privatklage gem. §§ 374 ff. StPO ermöglicht es dem Verletzten, bei bestimmten Straftaten das Strafverfahren ohne Beteiligung der Staatsanwaltschaft zu betreiben. Die Öffentliche Klage unterscheidet sich dadurch, dass sie stets von der Staatsanwaltschaft erhoben wird, während die Privatklage dem direkten Antragsrecht des Geschädigten entspringt.

Nebenklage

Die Nebenklage (§§ 395 ff. StPO) ist eine Beteiligungsform des Geschädigten im Strafverfahren, ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Strafverfolgung weiterhin durch Öffentliche Klage der Staatsanwaltschaft erfolgt.

Besondere Regelungen und Ausnahmen

Klageerzwingungsverfahren

Kommt die Staatsanwaltschaft nach Abschluss der Ermittlungen zu dem Ergebnis, dass kein hinreichender Tatverdacht besteht und stellt das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein, hat der Verletzte die Möglichkeit, ein sogenanntes Klageerzwingungsverfahren (§ 172 StPO) beim Oberlandesgericht zu beantragen. Dieses prüft, ob die Anklage zu erheben war.

Einstellungsmöglichkeiten vor Öffentlicher Klage

Die Staatsanwaltschaft kann aus verschiedensten Gründen auf die Erhebung der Öffentlichen Klage verzichten, etwa bei Geringfügigkeit der Schuld (§§ 153, 153a StPO), mit Zustimmung des Gerichts und des Beschuldigten. Hierdurch wird eine Überlastung der Gerichte mit Bagatellfällen vermieden.

Rechtsstellung und Bedeutung der Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft nimmt im Zusammenhang mit der Öffentlichen Klage eine zentrale Rolle ein. Sie ist „Herrin des Ermittlungsverfahrens“, trifft die Entscheidung über die Anklageerhebung und agiert auch im weiteren Verlauf des Strafprozesses als Anklagebehörde. Dabei ist sie zur Objektivität und Unparteilichkeit verpflichtet (§ 160 Abs. 2 StPO).

Internationale Vergleiche

Auch in anderen Rechtsordnungen existieren vergleichbare Instrumente der öffentlichen Klageerhebung. Während im angloamerikanischen Rechtskreis häufig „indictments“ oder „informations“ durch Staatsanwaltschaften oder Geschworenengremien erhoben werden, bleibt die grundlegende Funktion vergleichbar: Die förmliche Einleitung strafgerichtlicher Ermittlungen und Entscheidungsverfahren durch ein staatliches Organ.

Bedeutung der Öffentlichen Klage im Rechtsstaat

Die Öffentliche Klage ist elementarer Bestandteil des rechtsstaatlichen Strafverfahrens. Sie gewährleistet die Bindung des Gerichtsverfahrens an gesetzliche Voraussetzungen, schützt vor willkürlicher oder sachfremder Strafverfolgung und ermöglicht die Kontrolle sowohl durch das Gericht als auch durch Rechtsmittel und Beschwerdemechanismen.

Literatur und weiterführende Quellen

  • Strafprozessordnung (StPO)
  • Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, Kommentar, aktuelle Auflage
  • Kudlich/Hilgendorf, Strafrecht und Strafprozessrecht, Grundlagen

Dieser Rechtslexikon-Artikel stellt eine umfassende rechtliche Erläuterung der Öffentlichen Klage dar und trägt zur Orientierung und zum besseren Verständnis der Strafverfahrenspraxis bei.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist berechtigt, eine öffentliche Klage zu erheben?

Die Berechtigung zur Erhebung einer öffentlichen Klage liegt in Deutschland grundsätzlich bei der Staatsanwaltschaft. Nach § 151 der Strafprozessordnung (StPO) beginnt das gerichtliche Verfahren im Strafprozess durch die Erhebung der öffentlichen Klage. Die Staatsanwaltschaft als „Herrin des Ermittlungsverfahrens“ prüft, ob aufgrund des Ermittlungsergebnisses ein hinreichender Tatverdacht besteht (§ 170 Abs. 1 StPO). Nur wenn dieser vorliegt, erhebt sie die öffentliche Klage beim zuständigen Gericht. In wenigen Ausnahmefällen können auch andere Behörden, wie z. B. Zollbehörden oder Finanzbehörden, diese Rolle im Rahmen ihrer speziellen Zuständigkeit übernehmen, etwa bei Steuerstrafsachen.

In welchen Fällen wird von der öffentlichen Klage abgesehen?

Gemäß § 153 ff. StPO kann die Staatsanwaltschaft von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen, wenn das Vergehen geringfügig ist und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. In Fällen von Opportunitätsdelikten hat die Staatsanwaltschaft somit ein Ermessen, ob sie eine Anklage erhebt. Darüber hinaus kann sie das Verfahren gegen Auflagen und Weisungen einstellen (§ 153a StPO). Davon unberührt bleiben jedoch schwere Straftaten, bei denen das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung vermutet wird. Das Absehen von der Klage ist stets in einem Einstellungsbescheid zu begründen und dem Beschuldigten sowie gegebenenfalls dem Anzeigeerstatter mitzuteilen.

Kann ein Privatkläger eine öffentliche Klage erzwingen?

Ein Privatkläger kann selbst keine öffentliche Klage erheben, da dies ausschließlich der Staatsanwaltschaft vorbehalten ist. Allerdings steht dem Verletzten eines Straftatbestands nach § 172 StPO das sogenannte Klageerzwingungsverfahren zur Verfügung. Wird die öffentliche Klage nicht erhoben und das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, kann der Antragsteller über das Oberlandesgericht überprüfen lassen, ob die Ablehnung der Anklageerhebung rechtmäßig war. Voraussetzung ist, dass vorab eine Beschwerde gegen die Einstellung erfolglos geblieben ist.

Wie läuft das Verfahren nach Erhebung der öffentlichen Klage ab?

Nach der Erhebung der öffentlichen Klage übermittelt die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift gemeinsam mit den Ermittlungsakten an das zuständige Gericht. Das Gericht prüft im sogenannten Zwischenverfahren die Zulassung der Anklage gemäß § 203 StPO. Im Rahmen dieser Prüfung stellt das Gericht fest, ob der angeklagte Sachverhalt einen strafbaren Tatbestand erfüllt und ein hinreichender Tatverdacht besteht. Kommt das Gericht zu einem positiven Ergebnis, lässt es die Anklage zur Hauptverhandlung zu und eröffnet das Hauptverfahren. Anderenfalls lehnt es die Eröffnung des Hauptverfahrens ab.

Welche Rechtsmittel stehen gegen die Erhebung einer öffentlichen Klage zur Verfügung?

Gegen die Erhebung der öffentlichen Klage selbst sind grundsätzlich keine direkten Rechtsmittel vorgesehen. Sofern das Gericht die Anklage zulässt, bleibt dem Beschuldigten die Möglichkeit, Einwände im Hauptverfahren vorzubringen, insbesondere durch entsprechende Verteidigung in der Hauptverhandlung. Gegen die Entscheidung des Gerichts, die Anklage zuzulassen bzw. das Hauptverfahren zu eröffnen (§ 203 StPO), ist lediglich eine Beschwerde statthaft, wenn das Hauptverfahren vor dem Landgericht eröffnet wird und die Entscheidung durch das Gericht in der Besetzung erfolgt, in der später das Urteil ergehen würde (§ 210 Abs. 1 StPO). Gegen Zulassungsentscheidungen der Amtsgerichte ist eine sofortige Beschwerde ausgeschossen.

Wie unterscheidet sich die öffentliche Klage von der Privatklage?

Die öffentliche Klage ist der Regelfall im deutschen Strafrecht und wird von der Staatsanwaltschaft im öffentlichen Interesse erhoben. Die Privatklage hingegen ist nur in wenigen ausdrücklich gesetzlich bestimmten Fällen möglich (§ 374 StPO), meist bei geringeren Straftaten wie Beleidigung, Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung, wenn die Staatsanwaltschaft kein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung sieht. Während die öffentliche Klage ein Anklagerecht der Staatsanwaltschaft ist, handelt es sich bei der Privatklage um eine Klagebefugnis des Verletzten.

Was bedeutet das Legalitätsprinzip im Zusammenhang mit der öffentlichen Klage?

Das Legalitätsprinzip (§ 152 Abs. 2 StPO) verpflichtet die Staatsanwaltschaft, beim Vorliegen eines Anfangsverdachts Ermittlungen einzuleiten und nach Abschluss dieser Ermittlungen bei hinreichendem Tatverdacht die öffentliche Klage zu erheben. Das Legalitätsprinzip steht im Gegensatz zum Opportunitätsprinzip, das in bestimmten Fällen (z. B. bei Bagatellstraftaten) das Ermessensspielraum erlaubt. Im Grundsatz soll durch das Legalitätsprinzip sichergestellt werden, dass alle Straftaten unabhängig von Person oder Stellung des Täters verfolgt werden und staatliches Strafverfolgungsinteresse gewahrt bleibt.