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Objektive Bedingungen der Strafbarkeit


Definition und grundlegende Bedeutung der objektiven Bedingungen der Strafbarkeit

Objektive Bedingungen der Strafbarkeit sind rechtliche Voraussetzungen, die unabhängig von der eigentlichen Tatbestandsverwirklichung und der Schuld gegeben sein müssen, damit eine bestimmte Strafnorm Anwendung findet. Sie stellen demnach zusätzliche Tatbestandsmerkmale dar, die neben dem gesetzlichen Grundtatbestand erfüllt sein müssen, damit die Strafbarkeit eintritt. Im Gegensatz zu subjektiven Voraussetzungen wie Absicht oder Kenntnis beziehen sich objektive Bedingungen der Strafbarkeit ausschließlich auf äußere, beobachtbare Umstände. Sie sind im Strafrecht insbesondere dort von Relevanz, wo deliktische Handlungen erst durch das Hinzutreten gesondert normierter äußerer Umstände strafbar werden.

Abgrenzung zu Tatbestandsmerkmalen und anderen strafrechtlichen Voraussetzungen

Objektive Bedingungen der Strafbarkeit sind von den allgemeinen Tatbestandsmerkmalen und den subjektiven Tatbestandsmerkmalen (wie Vorsatz oder Fahrlässigkeit) abzugrenzen. Während Tatbestandsmerkmale das Unrechts- und Schuldmerkmal selbst gestalten, stehen objektive Bedingungen der Strafbarkeit in einem besonderen Verhältnis zu diesen: Sie werden als ausnahmsweise zusätzliche Voraussetzungen betrachtet und sind nicht Bestandteil des eigentlichen Tatbestandes. Beispielsweise ist bei einer Reihe von Delikten der eigentliche Erfolg oder die Handlung zwar gegeben, die Strafbarkeit tritt jedoch nur ein, wenn die in der jeweiligen Norm enthaltene objektive Bedingung verwirklicht wird.

Typologische Einordnung

Typisch für objektive Bedingungen der Strafbarkeit ist, dass deren Fehlen zur Straffreiheit der Tat führt, obwohl ansonsten alle Voraussetzungen der Strafnorm einschließlich der notwendigen Schuld erfüllt sind. Umgekehrt begründet das bloße Vorliegen einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit keine Strafbarkeit, wenn die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen nicht gegeben sind.

Gesetzliche Ausgestaltung und Beispiele

Objektive Bedingungen der Strafbarkeit sind im deutschen Strafrecht selten und finden sich regelmäßig nur in einzelnen Spezialvorschriften, meist im Nebenstrafrecht. Häufige Anwendungsfälle betreffen beispielsweise die Straflosigkeit von Vorbereitungshandlungen, sofern kein besonderer Erfolg eintritt, oder bestimmte Straftatbestände, für deren Strafbarkeit ein weiteres äußeres Element erforderlich ist.

Beispiel: § 323c Abs. 2 StGB (Unterlassene Hilfeleistung bei Unglücksfällen)

Ein klassisches Beispiel bieten bestimmte Varianten des § 323c StGB. Während die unterlassene Hilfeleistung grundsätzlich strafbar ist, verlangt § 323c Abs. 2 StGB für eine erhöhte Strafandrohung, dass infolge der unterlassenen Hilfeleistung ein Mensch zu Tode kommt oder eine schwere Gesundheitsschädigung erleidet. Der eingetretene schwere Erfolg stellt hier eine objektive Bedingung der Strafbarkeit dar, weil sie nicht in den Willen des Täters eingebunden ist.

Weitere praxisrelevante Fallgruppen

  • § 129 Abs. 5 StGB (Kriminelle Vereinigungen): Das öffentliche Anbieten oder Zugänglichmachen von Schriften gemäß § 129 Abs. 5 StGB ist nur dann strafbar, wenn tatsächlich eine kriminelle Vereinigung besteht.
  • Wettbewerbsstrafrecht (§§ 16-19 UWG): In einigen Fällen setzt die Strafbarkeit voraus, dass eine geschäftliche Handlung tatsächlich zu einem Nachteil eines Mitbewerbers geführt hat.

Rechtliche Wirkung und prozessuale Behandlung

Das Vorliegen objektiver Bedingungen der Strafbarkeit wird von Amts wegen geprüft. Ihr Bestehen oder Nichtbestehen sind – ungeachtet des Vorliegens sämtlicher subjektiver Merkmale – Grundlage für das Eingreifen der jeweiligen Strafnorm. Eine Besonderheit liegt darin, dass objektive Bedingungen der Strafbarkeit auch dann eingehalten sein müssen, wenn eine Strafe gegen einen Teilnehmer (z. B. Anstifter oder Gehilfe) an einem Delikt verhängt werden soll.

Auswirkungen auf die Teilnahme

Da objektive Bedingungen der Strafbarkeit keine Zurechnung zum Vorsatz erfordern, genügt es für eine Strafbarkeit des Teilnehmers, dass die objektiven Bedingungen objektiv – also tatsächlich – vorliegen. Ein Irrtum über das Vorliegen oder Nichtvorliegen dieser Bedingungen führt in der Regel nicht zu einem vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum.

Behandlung im Strafverfahren

Im Strafprozess obliegt es dem Gericht zu prüfen, ob die objektiven Bedingungen der Strafbarkeit tatsächlich gegeben sind. Ihr Fehlen ist stets zu berücksichtigen und führt, unabhängig von anderen Feststellungen, zwingend zur Straflosigkeit.

Abgrenzung zu objektiven Strafbarkeitsvoraussetzungen

Häufig werden die Begriffe „objektive Bedingungen der Strafbarkeit“ und „objektive Strafbarkeitsvoraussetzungen“ synonym verwendet. Im engeren dogmatischen Sinne ist jedoch zu unterscheiden: Unter Bedingungen der Strafbarkeit werden jene Umstände gefasst, die nicht Bestandteil des eigentlichen Tatbestandes sind, deren Vorliegen die Strafbarkeit aber ausnahmsweise anordnet. Der Oberbegriff der objektiven Strafbarkeitsvoraussetzungen umfasst auch Elemente wie Strafantrags- oder Strafverfolgungsvorbehalte (beispielsweise nach § 194 StGB [Strafantragserfordernis]), die sich als prozessuale Hemmnisse der Strafverfolgung darstellen, aber nicht zu den im Sachverhalt selbst liegenden Bedingungen zählen.

Dogmatische Einordnung und Kritik

Objektive Bedingungen der Strafbarkeit werden in der Strafrechtswissenschaft teilweise kritisch beurteilt, da sie das Grundprinzip der Zurechnung zwischen Täter und Erfolg aufweichen. Bei klassischen Delikten besteht zwischen Handlung, Kausalverlauf und Erfolg eine unmittelbare Verknüpfung, die durch Bedingungen der Strafbarkeit durchbrochen werden kann. Ihre Existenz wird deshalb meist auf besondere gesetzgeberische Regelungen und Ausnahmefälle beschränkt. Die Lehrmeinung ist sich jedoch über die Notwendigkeit und die Systematik solcher Bedingungen uneins.

Zusammenfassung und praktische Bedeutung

Objektive Bedingungen der Strafbarkeit sind seltene, aber bedeutsame Erscheinungen im deutschen Strafrecht. Sie dienen als zusätzliche, von anderen Tatbestandsmerkmalen unabhängige Voraussetzungen der Strafbarkeit und bedürfen stets einer expliziten gesetzlichen Regelung. Ihre Beachtung ist für die Subsumtion und die rechtliche Würdigung von Straftaten insbesondere in Anwendungsgebieten mit großen Schutzinteressen unerlässlich.

Die genaue Kenntnis der Systematik, der Abgrenzung zu anderen Tatbestandsmerkmalen und der prozessualen Behandlung von objektiven Bedingungen der Strafbarkeit ist für die Anwendung des Strafrechts und die Rechtsprechung maßgeblich.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rolle spielen die objektiven Bedingungen der Strafbarkeit im Aufbau der Prüfung eines Straftatbestandes?

Objektive Bedingungen der Strafbarkeit nehmen im strafrechtlichen Prüfungsaufbau eine besondere Rolle ein, da sie im Gegensatz zu den Tatumstandsmerkmalen nicht Teil des gesetzlichen Tatbestandes sind, sondern eine zusätzliche Voraussetzung für die Strafbarkeit darstellen. Sie werden daher regelmäßig erst nach der Feststellung der tatbestandlichen, rechtswidrigen und schuldhaften Haupttat geprüft und betreffen spezifische, in der jeweiligen Norm ausdrücklich oder durch Auslegung genannte Voraussetzungen, wie etwa den Eintritt eines Erfolges oder das Vorliegen einer besonderen Situation (z. B. tatsächlicher Eintritt eines Schadens, Anzeigeerstattung bei § 247 StGB). Ohne das Vorliegen der objektiven Bedingung der Strafbarkeit kann selbst bei erfüllt erscheinendem Tatbestand keine Strafbarkeit begründet werden. Die objektiven Bedingungen sind auch von Amts wegen zu prüfen und stehen weder im Ermessen noch unterliegen sie dem Verfahrensrecht.

Können objektive Bedingungen der Strafbarkeit durch subjektive Elemente wie den Vorsatz oder Fahrlässigkeit ersetzt werden?

Objektive Bedingungen der Strafbarkeit sind inhaltlich strikt objektiv, das bedeutet, sie können durch subjektive Elemente wie den Vorsatz, die Kenntnis oder auch fahrlässiges Handeln des Täters nicht ersetzt oder beeinflusst werden. Sie stellen rein tatsächliche, äußere Geschehnisse oder Zustände dar, deren Realisierung unabhängig vom Willen, Wissen oder Wollen des Täters erfolgen muss. Selbst wenn der Täter von einer nicht gegebenen objektiven Bedingung ausgeht oder diese herbeizuführen beabsichtigt, bleibt die Strafbarkeit ausgeschlossen, solange das objektive Geschehen nicht eingetreten ist. Umgekehrt führt das unbeabsichtigte, reine Vorliegen der Bedingung zur Strafbarkeit, sofern alle weiteren Voraussetzungen erfüllt sind.

Müssen objektive Bedingungen der Strafbarkeit auch bei Versuchsdelikten vorliegen?

Die Frage, ob objektive Bedingungen der Strafbarkeit beim Versuch erforderlich sind, wird in der Literatur differenziert diskutiert. In der Regel gilt: Für die Versuchsstrafbarkeit muss die objektive Bedingung der Strafbarkeit noch nicht verwirklicht sein, da der Versuch das Vorfeld der Vollendung betrifft. Der Täter kann sich bereits strafbar machen, wenn er in der Absicht handelt, dass die Bedingung eintreten wird (z. B. Tötungsversuch eines Amtsträgers – § 121 Abs. 2 i. V. m. § 25 StGB). Andererseits kann im Einzelfall – etwa bei sogenannten konstruktiven Bedingungen – deren Fehlen den Versuch ausschließen. Entscheidend ist stets die Auslegung des jeweiligen Straftatbestandes und der Vorschrift zur Versuchsstrafbarkeit.

Wie wirken sich objektive Bedingungen der Strafbarkeit auf die Beteiligung mehrerer Täter (Mittäterschaft, Teilnahme) aus?

Im Rahmen der Mittäterschaft und Teilnahme ist für die Strafbarkeit aller Beteiligten erforderlich, dass die objektive Bedingung der Strafbarkeit objektiv eingetreten ist. Dies gilt unabhängig davon, ob der jeweilige Beteiligte Kenntnis von der Bedingung hat oder diese von ihm kausal verursacht wurde. Für die Teilnahme (Anstiftung und Beihilfe) ist besonders relevant, dass mangels Verwirklichung der Bedingung die Haupttat als strafbar einzustufen wäre; damit entfällt auch die Strafbarkeit des Teilnehmers, da seine Tat mangels vollendeter oder versuchter Haupttat nicht strafbar ist (§§ 26, 27 StGB setzen eine vorsätzlich rechtswidrige Haupttat voraus, die jedoch bei fehlender Bedingung entfällt).

Welche Rechtsfolgen ergeben sich bei fehlender objektiver Bedingung der Strafbarkeit, insbesondere im Hinblick auf Verfahrenseinstellung und Verfolgung?

Fehlt eine objektive Bedingung der Strafbarkeit, so ist die Strafbarkeit, unabhängig von Tatbestandserfüllung, Rechtswidrigkeit und Schuld, nicht gegeben und das Verfahren ist zwingend einzustellen (§ 170 Abs. 2 StPO), sofern nicht andere Strafvorschriften Anwendung finden können. Es besteht weder ein Strafanspruch des Staates noch die Möglichkeit, durch Strafverfolgung Rechtsfolgen für den Täter zu begründen. Auch die Anklageerhebung ist bei eindeutig fehlender Bedingung ausgeschlossen, um die Verfolgung Unschuldiger zu vermeiden und das Übermaßverbot zu wahren. In der Urteilsbegründung ist das Fehlen ausdrücklich festzustellen.

Können objektive Bedingungen der Strafbarkeit nachträglich eintreten und eine Strafbarkeit begründen?

Grundsätzlich kann eine objektive Bedingung der Strafbarkeit auch nach Tatbeendigung eintreten und nachträglich eine Strafbarkeit begründen, sofern die gesetzliche Regelung dies vorsieht oder zulässt. Beispielsweise kann bei Dauerdelikten oder Delikten mit nachschiebbaren Bedingungen die Strafbarkeit erst mit Eintritt der objektiven Bedingung ausgelöst werden. Jedoch endet die Strafbarkeit spätestens mit Ablauf der Tat (§ 8 StGB), sodass nachträglich ablaufende Bedingungen dem Täter nicht mehr zugerechnet werden können, wenn der Tatbestand zwischenzeitlich bereits verjährt ist oder der Deliktszeitpunkt abgelaufen ist.

In welchen Straftatbeständen des StGB kommen objektive Bedingungen der Strafbarkeit besonders häufig vor?

Objektive Bedingungen der Strafbarkeit finden sich insbesondere in Delikten des öffentlichen Interesses oder spezifischer Schutzrichtung. Beispiele sind: § 248a StGB (Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen) – bedarf der Strafantragstellung als objektiver Bedingung; § 247 StGB (Haus- und Familiendiebstahl) – ebenfalls Strafantrag; § 142 StGB (Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort) – Eintritt eines bedeutenden Sachschadens; sowie im Staatsschutzrecht, etwa bei bestimmten politisch motivierten Straftaten. Diese Regelungen sollen im Interesse der Rechtssicherheit und des Opferschutzes differenzierte Strafbarkeitsvoraussetzungen schaffen.