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numerus clausus


Begriff und Bedeutung des numerus clausus

Der Begriff numerus clausus (lateinisch für „geschlossene Anzahl“) beschreibt ein rechtliches Prinzip, das insbesondere in zwei unterschiedlichen Kontexten Anwendung findet: Zum einen im Hochschulrecht als Zulassungsbeschränkung zu Studiengängen, zum anderen im Privatrecht im Sinne einer geschlossenen Zahl zulässiger Rechtsformen oder Rechtsinstitute. Obwohl der Begriff in der Umgangssprache überwiegend mit der Zugangsbeschränkung zu universitären Studienplätzen assoziiert wird, besitzt er rechtlich eine umfassendere Bedeutung.

numerus clausus im Hochschulrecht

Historische Entwicklung

Im deutschen Hochschulrecht wurde der numerus clausus in den 1970er Jahren eingeführt, als die Nachfrage nach besonders begehrten Studiengängen (wie Medizin, Pharmazie, Psychologie) die Anzahl vorhandener Plätze vielfach überstieg. Die praktische Umsetzung erfolgte zunächst durch Vergabeverfahren einzelner Hochschulen, später durch zentrale Vergabeinstitutionen.

Rechtliche Grundlagen

Die rechtliche Verankerung des numerus clausus im Hochschulzulassungsrecht basiert auf folgenden Regelwerken:

  • Grundgesetz (GG):

– Art. 12 Abs. 1 GG garantiert die Berufsfreiheit und dementsprechend das Recht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte.
– Art. 3 GG (Gleichbehandlungsgrundsatz) ist unmittelbar relevant, insbesondere hinsichtlich der Auswahlkriterien.

  • Bundes- und Landesgesetze:

– Hochschulrahmengesetz (HRG) bis 2019, dann abgelöst durch hochschulrechtliche Landesgesetze.
– Staatsvertrag über die Hochschulzulassung (Staatsvertrag Hochschulzulassung).

  • Zentralvergabeverordnung/Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS), heute Stiftung für Hochschulzulassung.

Formen des numerus clausus

  • Örtlicher numerus clausus: Die Zahl der Plätze ist an einzelnen Hochschulen beschränkt; die Auswahl erfolgt durch die jeweilige Universität.
  • Bundesweiter numerus clausus: Studiengänge mit bundesweit beschränkter Kapazität, die zentral vergeben werden (z.B. Medizin, Zahnmedizin, Tiermedizin, Pharmazie).

Auswahlkriterien und deren rechtliche Prüfung

Zur Vergabe der Plätze werden unterschiedliche Auswahlkriterien herangezogen:

  • Durchschnittsnote der Hochschulzugangsberechtigung (Abitur)
  • Wartezeiten
  • Weitere Auswahlverfahren der Hochschulen (z. B. Tests, Auswahlgespräche)

Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt entschieden, dass diese Kriterien mit dem Grundrecht auf freien Hochschulzugang vereinbar sein müssen. Die Ausgestaltung der Verfahren muss den Gleichheitsgrundsatz wahren und willkürfreie Lösungen sicherstellen (BVerfGE 33, 303 – Numerus clausus I).

Kapazitätsrecht

Das sogenannte Kapazitätsrecht setzt die rechtlichen Rahmenbedingungen, die die maximal zulässige Anzahl einzuschreibender Studierender (Aufnahmekapazität) bestimmen. Zugrunde gelegt werden Personal- und Sachausstattung der Hochschulen, wobei der Staat einen Ermessensspielraum besitzt. Gerichte haben mehrfach klargelegt, dass Hochschulen zur vollen Ausschöpfung der Ausbildungskapazitäten verpflichtet sind.

Rechtsschutzmöglichkeiten

Studierende oder Bewerber können sich gegen Ablehnungsbescheide durch Widerspruchs- und Klageverfahren (insbesondere Eilverfahren zur vorläufigen Zulassung) wehren. Die Verwaltungsgerichte prüfen dabei die Verfassungsmäßigkeit der Auswahlverfahren sowie die Einhaltung des Kapazitätsrechts. Das Bundesverfassungsgericht prüfte mehrfach die Rechtmäßigkeit der Zulassungsbeschränkungen zu Studiengängen und stellte Leitlinien für deren Ausgestaltung auf.

numerus clausus im Privatrecht

Allgemeine Definition im Privatrecht

Im Privatrecht steht der numerus clausus für das Prinzip, dass der Gesetzgeber die zulässigen Typen bestimmter Rechtsverhältnisse abschließend regelt. Dies betrifft z. B. die Rechtsformen von Gesellschaften oder dingliche Rechte.

numerus clausus der Gesellschaftsformen

Der numerus clausus der Gesellschaftsformen (z. B. GbR, OHG, KG, GmbH, AG) bedeutet, dass keine völlig freien, ungesetzlichen Gesellschaftsformen geschaffen werden dürfen; vielmehr müssen sich Zusammenschlüsse an die vom Gesetz vorgesehenen Formen halten.

numerus clausus der Sachenrechte

Noch enger ist der numerus clausus im Sachenrecht, namentlich bei den dinglichen Rechten (z. B. Eigentum, Hypothek, Dienstbarkeit). Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) bestimmt abschließend, welche Sachenrechte bestehen und wie deren Inhalt ausgestaltet ist. Dieses Prinzip dient der Rechtssicherheit und dem Schutz des Rechtsverkehrs, da insbesondere Grundstücksrechte im öffentlichen Register eingetragen werden und für Dritte klar erkennbar sein müssen.

numerus clausus der Rechtsinstitute im Allgemeinen

Über das Sachenrecht hinaus gilt im deutschen Recht für verschiedene Rechtsinstitute (z. B. Grundpfandrechte, Sicherungsrechte, Treuhandmodell) das Prinzip des numerus clausus sowie der numerus apertus hinsichtlich deren Möglichkeiten der Ausgestaltung.

Bedeutung im internationalen Kontext

Auch in anderen Staaten existiert das Konzept des numerus clausus, sowohl im Hochschulbereich (z. B. Frankreich, Schweiz, Österreich) als auch im Sachen- und Gesellschaftsrecht. Die konkrete Ausgestaltung unterscheidet sich allerdings häufig, insbesondere bezüglich der Zulassungskriterien und der rechtlichen Überprüfbarkeit.

Kritik und aktuelle Entwicklungen

Der numerus clausus im Hochschulvergaberecht ist immer wieder Gegenstand politischer und gesellschaftlicher Diskussionen, insbesondere mit Blick auf Chancengerechtigkeit und regionale Unterschiede. Gerichtsentscheidungen, insbesondere solche des Bundesverfassungsgerichts, haben den Gesetzgeber wiederholt zu Anpassungen verpflichtet (z. B. bei der Auswahl für das Medizinstudium).

Im Privatrecht wird der numerus clausus überwiegend als Instrument zur Wahrung von Transparenz und Rechtssicherheit akzeptiert, wobei Einzelfragen – etwa bei neuen Sicherungsformen – regelmäßig fortentwickelt werden.

Zusammenfassung

Der numerus clausus ist ein bedeutendes Rechtsprinzip mit erheblicher praktischer Relevanz sowohl im Hochschulwesen als auch im Privatrecht. Im Hochschulbereich sichert er unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben die gerechte Zuteilung knapper Studienplätze, während im Privatrecht das Prinzip die Rechtssicherheit und den Schutz Dritter durch begrenzte und festgelegte Rechtsformen gewährleistet. Das Prinzip des numerus clausus unterliegt dabei einer ständigen Fortentwicklung durch Rechtsprechung und Gesetzgebung.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen regeln den Numerus Clausus in Deutschland?

Der Numerus Clausus (NC) wird in Deutschland auf der Grundlage verschiedener Gesetze und Gerichtsurteile geregelt. Zentral ist das Grundrecht auf freie Berufswahl gemäß Art. 12 Grundgesetz, welches durch Zulassungsbeschränkungen begrenzt werden darf, wenn es dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter wie zum Beispiel der Funktionsfähigkeit der Hochschule dient. Die rechtliche Ausgestaltung erfolgt insbesondere durch das Hochschulrahmengesetz (HRG) auf Bundesebene sowie durch die jeweiligen Landeshochschulgesetze, etwa das Bayerische Hochschulgesetz (BayHSchG) oder das Berliner Hochschulgesetz (BerlHG). Zudem regelt die Hochschulzulassungsverordnung (HZV) die Einzelheiten des Zulassungsverfahrens. Bei bundesweit zulassungsbeschränkten Studiengängen wie Medizin oder Zahnmedizin werden die Vergabekriterien zentral über die Stiftung für Hochschulzulassung (SfH, ehemals ZVS) durchgeführt. Die Zulassungsverfahren unterliegen zudem der fortlaufenden Kontrolle durch die Rechtsprechung, insbesondere des Bundesverfassungsgerichts, das in mehreren Entscheidungen (z.B. „Numerus-Clausus-Urteile“ von 1972 und 1977) detaillierte Vorgaben zur Verhältnis- und Angemessenheit sowie zur Transparenz und Nachvollziehbarkeit solcher Beschränkungen gemacht hat.

Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen gegen eine Ablehnung aufgrund des Numerus Clausus vorzugehen?

Im Falle einer Ablehnung aufgrund des Numerus Clausus steht Bewerberinnen in Deutschland grundsätzlich der Weg zum Verwaltungsgericht offen. Zunächst kann innerhalb der Universität ein Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid eingelegt werden. Wird diesem nicht abgeholfen, folgt die Klage vor dem Verwaltungsgericht. Im sogenannten Kapazitätsrechtsstreit wird überprüft, ob die Hochschule tatsächlich nur die vorgegebene Anzahl an Studienplätzen anbieten durfte, oder ob eventuell weitere Plätze zur Verfügung stehen („Überbuchung“). Klägerinnen können beanstanden, dass die Kapazitätsberechnung falsch war oder Auswahlkriterien nicht korrekt angewandt wurden. In manchen Bundesländern stellen Universität und Gericht nach dem Verfahren zusätzliche Kapazitäten zur Verfügung, was zur sogenannten „außerkapazitären Zulassung“ führen kann. Die Voraussetzungen, Fristen und Erfolgsaussichten sind juristisch komplex und variieren je nach Bundesland und Studiengang. Grundsätzlich gelten aber enge Fristen und formale Anforderungen, sodass rechtzeitig Rechtsmittel eingelegt werden müssen.

Wie ist das Auswahlverfahren bei zulassungsbeschränkten Studiengängen rechtlich geregelt?

Das Auswahlverfahren bei zulassungsbeschränkten Studiengängen ist rechtlich detailliert ausformuliert und muss transparent sowie diskriminierungsfrei ablaufen. Die Hochschule oder die zentrale Vergabestelle (bei bundesweit zulassungsbeschränkten Fächern) sind verpflichtet, ihre Auswahlkriterien, wie Notenschnitt (Abiturdurchschnittsnote), Wartesemester oder zusätzliche Eignungsprüfungen, klar offenzulegen. Die Kriterien müssen sachlich begründet und für alle Bewerberinnen gleich angewandt werden, um Grundrechte wie den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG) sicherzustellen. Zudem müssen sie dem Zweck der Eignungsfeststellung dienen, wie das Bundesverfassungsgericht auch betont hat. Insbesondere bei zusätzlichen Auswahlkriterien dürfen diese nicht zu einer faktischen Diskriminierung führen. Das Verfahren muss zudem rechtzeitig bekannt gegeben und die Entscheidungen nachvollziehbar dokumentiert werden. Geregelt ist dies in Landeshochschulgesetzen sowie, für bundesweit zentrale Vergabeverfahren, in der Vergabeverordnung Stiftung (VergabeVO Stiftung).

Welche Rolle spielen Gerichte im Rahmen des Numerus Clausus?

Gerichte in Deutschland nehmen beim Numerus Clausus eine bedeutende Kontrollfunktion ein. Sie prüfen im Rahmen verwaltungsgerichtlicher Verfahren, ob die Zulassung zum Studium rechtmäßig beschränkt wurde und ob die Vergabe der Studienplätze unter Beachtung der gesetzlichen Rahmenbedingungen und Grundrechte erfolgte. Bei Streitigkeiten über die Abweisung von Studienplatzbewerberinnen prüfen Gerichte insbesondere die ordnungsgemäße Kapazitätsberechnung der Hochschulen, die Rechtmäßigkeit der Auswahl- und Vergabekriterien sowie das Vorliegen eventueller Verfahrensfehler. Das Bundesverfassungsgericht hat in richtungsweisenden Urteilen die Anforderungen an Zugangsbeschränkungen, insbesondere deren Verhältnismäßigkeit und Transparenz, konkretisiert. Über Landes- und Oberverwaltungsgerichte sowie das Bundesverwaltungsgericht können gegebenenfalls rechtliche Grundsatzentscheidungen herbeigeführt werden. Die Gerichte können bei Rechtsverstößen die Vergabe von weiteren Studienplätzen anordnen und so faktisch Einfluss auf die Kapazitätsberechnung und das Zulassungsverfahren nehmen.

Gibt es rechtsverbindliche Vorgaben für die Berechnung der Anzahl der zu vergebenden Studienplätze?

Die Berechnung der verfügbaren Studienplätze unterliegt rechtlich verbindlichen Kapazitätsverordnungen und einschlägigen Berechnungsmethoden, die sich aus den Landeshochschulgesetzen und einschlägigen Verordnungen ergeben, zum Beispiel den Kapazitätsverordnungen der Länder. Hochschulen sind verpflichtet, nach objektiven, nachvollziehbaren und transparenten Kriterien zu berechnen, wie viele Studienplätze sie für einen bestimmten Studiengang anbieten können. Dabei müssen sie Faktoren wie die personelle und räumliche Ausstattung, Lehrverpflichtungen des Personals und die erforderliche Betreuung der Studierenden berücksichtigen. Die Berechnungsmethoden und zugrunde gelegten Annahmen müssen einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung standhalten. Fehler oder Unstimmigkeiten in der Kapazitätsberechnung können dazu führen, dass durch gerichtliche Entscheidung weitere Studienplätze vergeben werden müssen.

Welche Ausnahmen vom Numerus Clausus sind aus rechtlicher Sicht möglich?

Es gibt aus rechtlicher Sicht verschiedene Ausnahmetatbestände, etwa sogenannte Härtefallregelungen, für Bewerberinnen, denen aus bestimmten medizinischen, sozialen oder familiären Gründen ein sofortiges Studium zwingend erforderlich ist. Diese Ausnahmen sind in den Landeshochschulgesetzen und den einschlägigen Zulassungsordnungen normiert und müssen detailliert begründet sowie nachgewiesen werden. Überdies können besondere Quoten für ausländische Studierende, Zweitstudienbewerberinnen oder bestimmte Berufsgruppen (z.B. Lehramtsanwärter*innen) vorgesehen sein. Auch bei Schwerbehinderten gibt es Sonderregelungen, die unter bestimmten Voraussetzungen zur bevorzugten Berücksichtigung im Zulassungsverfahren führen. Die Anwendung dieser Ausnahmeregelungen unterliegt strengen Nachweispflichten und wird sowohl von der Hochschule als auch gegebenenfalls von Gerichten auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft.

Inwieweit ist der Numerus Clausus mit dem Grundgesetz vereinbar?

Die Zulassungsbeschränkung durch den Numerus Clausus greift in das im Art. 12 Absatz 1 Grundgesetz garantierte Recht auf freie Berufswahl ein und bedarf daher einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Urteilen anerkannt, dass eine solche Beschränkung zulässig ist, sofern gewichtige Gründe – wie begrenzte Kapazitäten der Hochschulen – bestehen und das Auswahlverfahren nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit, Gleichbehandlung und Transparenz ausgestaltet ist. Besonders betont wurde, dass das Verfahren transparent und nachvollziehbar sein muss und dass Härtefälle in angemessener Weise berücksichtigt werden müssen. Zulassungsbeschränkungen dürfen zudem nicht willkürlich oder diskriminierend sein, sondern müssen objektiven Kriterien folgen. Die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz ist daher stets an strenge rechtliche und praktische Voraussetzungen geknüpft, deren Einhaltung im Streitfall von den Gerichten überprüft werden kann.