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Notanwalt

Notanwalt: Bedeutung, Voraussetzungen und rechtliche Einordnung

Ein Notanwalt ist eine durch das Gericht angeordnete Vertretung in Verfahren, in denen eine Partei zwingend durch eine anwaltliche Vertretung auftreten muss, aber trotz ernsthafter und rechtzeitiger Bemühungen keine anwaltliche Vertretung finden konnte. Die Bestellung dient der Sicherung des Zugangs zum Gericht und der Wahrung von Fristen. Sie ist ein Ausnahmeinstrument und regelmäßig zeitlich sowie inhaltlich auf das zur Fristsicherung oder Verfahrensfortführung Erforderliche begrenzt.

Einordnung im Rechtssystem

Die Bestellung eines Notanwalts ist in verschiedenen Verfahrensordnungen vorgesehen und wird insbesondere dort relevant, wo ohne anwaltliche Vertretung keine wirksamen Anträge oder Rechtsmittel eingereicht werden können. Das betrifft vor allem höhere Instanzen in Zivilverfahren sowie bestimmte Verfahren vor Fachgerichtsbarkeiten. Die Institution des Notanwalts soll verhindern, dass eine Partei allein wegen fehlender Vertretung ihre Rechte nicht geltend machen kann.

Voraussetzungen der Bestellung

Vertretungszwang

Voraussetzung ist, dass im betreffenden Verfahren ein Auftreten nur mit anwaltlicher Vertretung zulässig ist. Ohne eine solche Pflicht zur Vertretung kommt eine Notanwaltsbestellung regelmäßig nicht in Betracht.

Ernsthafte, rechtzeitige Bemühungen

Die betroffene Partei muss in angemessener Zahl und rechtzeitig versucht haben, eine Vertretung zu finden. Dazu gehören substantielle, dokumentierte Anfragen bei mehreren Kanzleien in zumutbarer zeitlicher Nähe vor Fristablauf. Bloß vereinzelte oder sehr spät unternommene Anfragen genügen typischerweise nicht.

Dringlichkeit und Fristgebundenheit

Die Bestellung setzt regelmäßig voraus, dass unmittelbar eine Frist abzulaufen droht oder eine prozessuale Handlung unverzüglich vorzunehmen ist, die nur durch eine anwaltliche Vertretung wirksam vorgenommen werden kann.

Keine offensichtliche Aussichtslosigkeit

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung darf nicht von vornherein ohne jede Erfolgsaussicht oder unzulässig sein. Der Notanwalt soll den Zugang zum Gericht sichern, nicht aber aussichtslose oder unzulässige Vorhaben ermöglichen.

Verfahren der Bestellung

Zuständiges Gericht und Antrag

Die Entscheidung trifft das Gericht, bei dem die fristgebundene Handlung vorzunehmen ist oder bei dem der Vertretungszwang besteht. Die Partei beantragt die Bestellung und legt dar, welche Bemühungen unternommen wurden, weshalb diese scheiterten und welche Frist gewahrt werden muss. Das Gericht entscheidet in der Regel kurzfristig.

Entscheidung und Umfang

Wird die Bestellung ausgesprochen, legt das Gericht fest, für welche Handlung oder für welchen Abschnitt des Verfahrens die Bestellung gilt. Häufig ist sie auf die fristgebundene Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels beschränkt. In besonderen Konstellationen kann sich der Auftrag auf weitere notwendige Schritte erstrecken.

Dauer und Beendigung

Die Bestellung endet, sobald der konkrete Zweck erreicht ist, der Grund für die Bestellung entfällt oder eine gewählte Vertretung das Mandat übernimmt. Das Gericht kann die Bestellung aufheben, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.

Aufgaben und Befugnisse des Notanwalts

Sicherung von Fristen

Kernaufgabe ist die rechtzeitige Vornahme wirksamer prozessualer Handlungen, etwa die Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels sowie die Einhaltung formaler Anforderungen.

Prozessuale Vertretung

Der Notanwalt vertritt die Partei innerhalb des festgelegten Rahmens. Er ist berechtigt, Erklärungen abzugeben, Anträge zu stellen und Schriftsätze einzureichen, soweit dies zur Erreichung des Bestellungszwecks erforderlich ist.

Unabhängigkeit und Verschwiegenheit

Der Notanwalt handelt unabhängig und ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. Er prüft, ob die beabsichtigte Maßnahme nicht offensichtlich unzulässig oder aussichtslos ist, und kann bei Vorliegen triftiger Gründe eine Übernahme ablehnen.

Abgrenzungen

Abgrenzung zum Pflichtverteidiger

Der Pflichtverteidiger ist eine Einrichtung des Strafverfahrens. Der Notanwalt betrifft demgegenüber Verfahren mit Vertretungszwang außerhalb des Strafrechts und dient der Überbrückung einer Vertretungslücke zur Fristsicherung und Verfahrenswahrung.

Abgrenzung zur Beiordnung im Rahmen staatlicher Verfahrenskostenhilfe

Verfahrenskostenhilfe setzt wirtschaftliche Bedürftigkeit und hinreichende Erfolgsaussicht voraus und kann mit der Beiordnung einer anwaltlichen Vertretung verbunden sein. Die Notanwaltsbestellung knüpft primär an das Scheitern ernsthafter Bemühungen um Vertretung bei bestehendem Vertretungszwang an; wirtschaftliche Verhältnisse sind hierfür nicht ausschlaggebend.

Abgrenzung zum Notar

Ein Notar nimmt hoheitliche Beurkundungen und Beglaubigungen vor. Der Notanwalt ist demgegenüber eine prozessuale Vertretung vor Gericht in Ausnahmesituationen.

Kosten und Kostentragung

Gebühren

Für die Tätigkeit fallen gesetzlich geregelte Gebühren an. Die Höhe richtet sich grundsätzlich nach dem Gegenstandswert und der Art der übernommenen Handlung.

Kostenerstattung und staatliche Beteiligung

Wer die Kosten trägt, hängt vom Ausgang des Verfahrens und von allgemeinen Kostengrundsätzen ab. In bestimmten Konstellationen kann eine staatliche Beteiligung an den Vergütungsansprüchen in Betracht kommen. Gewinnt die vertretene Partei, können die Kosten unter Umständen von der Gegenseite zu erstatten sein.

Praktische Anwendungsfälle

Typische Konstellationen

Die Bestellung eines Notanwalts kommt häufig bei drohendem Fristablauf in höheren Instanzen in Betracht, etwa bei der Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels in Verfahren mit Vertretungszwang, wenn trotz rechtzeitiger und mehrfacher Anfragen keine Vertretung gefunden wurde. Auch in speziellen Gerichtsbarkeiten, in denen nur zugelassene Vertreter auftreten dürfen, kann die Bestellung relevant sein; in solchen Fällen muss die Auswahl an die dort geltenden Zulassungserfordernisse anknüpfen.

Häufig gestellte Fragen

Wann wird ein Notanwalt bestellt?

Eine Bestellung erfolgt in Verfahren mit Vertretungszwang, wenn trotz ernsthafter, rechtzeitiger und nachweisbarer Bemühungen keine anwaltliche Vertretung gefunden wurde und eine fristgebundene Handlung unmittelbar erforderlich ist. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung darf nicht offensichtlich unzulässig oder aussichtslos sein.

Deckt ein Notanwalt die gesamte Instanz ab?

In der Regel ist die Bestellung auf das zur Fristsicherung oder die unmittelbar notwendigen Verfahrensschritte beschränkt. Eine Ausdehnung auf weitere Abschnitte ist möglich, wenn dies zur Erreichung des Bestellungszwecks erforderlich ist und das Gericht dies festlegt.

Welche Nachweise sind für die Bestellung relevant?

Wesentlich sind dokumentierte Bemühungen, eine Vertretung zu finden, etwa mehrere konkrete Anfragen bei Kanzleien mit Angaben zu Zeitpunkt, Inhalt und Ergebnis. Zudem sind Informationen zur Dringlichkeit und zu laufenden Fristen bedeutsam.

Wer trägt die Kosten eines Notanwalts?

Die Vergütung richtet sich nach gesetzlichen Gebühren. Die Kostentragung folgt den allgemeinen Regeln der jeweiligen Verfahrensordnung und kann je nach Verfahrensausgang eine Erstattung durch die Gegenseite umfassen. Unter bestimmten Voraussetzungen kommt eine staatliche Beteiligung in Betracht.

Gibt es einen Unterschied zwischen Notanwalt und Pflichtverteidiger?

Ja. Der Pflichtverteidiger ist dem Strafverfahren zugeordnet. Der Notanwalt betrifft zivil- und verwaltungsrechtliche Kontexte sowie andere Verfahren mit Vertretungszwang und dient primär der Sicherung des Zugangs zum Gericht in Ausnahmesituationen.

Kann die Bestellung abgelehnt werden?

Das Gericht lehnt ab, wenn die Voraussetzungen nicht vorliegen, etwa bei fehlendem Vertretungszwang, unzureichenden Bemühungen, fehlender Dringlichkeit oder offensichtlicher Aussichtslosigkeit. Auch der benannte Anwalt kann aus gewichtigen Gründen, beispielsweise bei Interessenkonflikten, nicht bestellt werden.

Gilt der Notanwalt auch in Verwaltungs- oder Sozialgerichtsverfahren?

Die Bestellung kann in verschiedenen Gerichtsbarkeiten in Betracht kommen, wenn dort Vertretungszwang besteht und die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind. Die Einzelheiten richten sich nach den Regeln der jeweiligen Verfahrensordnung.

Was geschieht nach Ablauf der Frist?

Nach Vornahme der fristgebundenen Handlung endet die Bestellung regelmäßig. Für das weitere Verfahren kann eine frei gewählte Vertretung übernehmen; eine Fortführung durch den Notanwalt setzt eine entsprechende gerichtliche Festlegung oder Vereinbarung voraus.