Begriff und Definition: Nichteheliche Kinder
Nichteheliche Kinder sind nach deutschem Recht Kinder, deren Eltern zum Zeitpunkt ihrer Geburt nicht miteinander verheiratet sind. Ihre rechtliche Stellung wurde im Laufe der Geschichte mehrfach verändert und der Status nichtehelicher Kinder wurde im Zuge gesellschaftlicher Entwicklungen weitgehend an diejenige ehelicher Kinder angeglichen. Dennoch bestehen in einzelnen Bereichen nach wie vor spezifische rechtliche Regelungen und Abweichungen, die im Folgenden umfassend dargestellt werden.
Historische Entwicklung und rechtlicher Wandel
Ursprung und frühere Rechtslage
Historisch war die rechtliche Situation nichtehelicher Kinder von erheblichen Nachteilen und Diskriminierungen geprägt. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in der Ursprungsfassung von 1900 wurde ein nichteheliches Kind als „mit niemandem verwandt“ angesehen, was erhebliche Auswirkungen auf Unterhalts-, Erb- und Familienrecht hatte.
Reformen und heutige Rechtslage
Mit der Gesetzgebung zur Reform des Kindschaftsrechts insbesondere 1970 und 1998 wurde die Gleichstellung nichtehelicher und ehelicher Kinder weitgehend vollzogen. Seitdem gelten die meisten Regelungen im BGB, insbesondere im Kindschaftsrecht, für alle Kinder einheitlich, unabhängig davon, ob ihre Eltern zum Zeitpunkt der Geburt verheiratet waren oder nicht.
Abstammungsrecht
Feststellung der rechtlichen Elternschaft
Nach § 1592 BGB ist Vater eines Kindes der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt wurde. Im Fall eines nichtehelichen Kindes ist regelmäßig eine Anerkennung der Vaterschaft oder eine gerichtliche Feststellung erforderlich.
Vaterschaftsanerkennung
Die Vaterschaftsanerkennung nach § 1594 BGB erfolgt durch eine öffentliche Urkunde, beispielsweise beim Standesamt oder Jugendamt. Sie bedarf der Zustimmung der Mutter.
Anfechtung der Vaterschaft
Die Vaterschaft kann unter bestimmten Voraussetzungen gemäß §§ 1600 ff. BGB durch den Vater, das Kind, die Mutter oder einen anderen Mann, der an Eides statt versichert, der leibliche Vater zu sein, angefochten werden.
Mutterschaft
Nach § 1591 BGB ist rechtliche Mutter eines Kindes stets die Frau, die es geboren hat. Im Unterschied zur Vaterschaft bedarf es keiner Anerkennung der Mutterschaft.
Unterhaltsrecht
Unterhaltspflichten
Eltern sind verpflichtet, ihren Kindern Unterhalt zu gewähren (§ 1601 BGB), unabhängig vom Familienstand. Dieser Grundsatz gilt gleichermaßen für nichteheliche und eheliche Kinder.
Kindesunterhalt
Nichteheliche Kinder haben denselben Anspruch auf Kindesunterhalt wie eheliche Kinder. Die Höhe richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle, die auf das Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils abstellt.
Betreuungsunterhalt
Die Mutter eines nichtehelichen Kindes kann Unterhalt für sich vom Vater verlangen, solange und soweit sie wegen der Pflege oder Erziehung des Kindes an einer eigenen Erwerbstätigkeit gehindert ist (§ 1615l BGB). Diese Regelung erweitert den Schutz nichtehelicher Mütter und stellt diese im Ergebnis den ehelichen Müttern weitgehend gleich.
Sorgerecht
Grundsatz der Alleinsorge
Bei der Geburt eines nichtehelichen Kindes steht der Mutter allein das Sorgerecht zu (§ 1626a BGB). Der gemeinsame Sorgerechtserwerb ist jedoch möglich.
Gemeinsames Sorgerecht
Der Vater kann zusammen mit der Mutter das gemeinsame Sorgerecht erhalten, sofern beide eine entsprechende Sorgeerklärung abgeben. Diese Erklärung kann beim Jugendamt oder Notar abgegeben werden. Alternativ kann das gemeinsame Sorgerecht auf Antrag des Vaters durch das Familiengericht übertragen werden, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht.
Namensrecht
Geburtsname des Kindes
Ein nichteheliches Kind erhält grundsätzlich den Nachnamen der Mutter als Geburtsnamen (§ 1617a BGB). Eine abweichende Entscheidung ist möglich, wenn der Vater das Sorgerecht gemeinsam besitzt und eine entsprechende Erklärung abgeben wird.
Staatsangehörigkeit
Die Staatsangehörigkeit eines nichtehelichen Kindes bestimmt sich, wie bei ehelichen Kindern, nach den Vorschriften des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG). Relevanz kann hierbei die Anerkennung der Vaterschaft für Kinder mit ausländischen Vätern erlangen.
Erbrecht
Erb- und Pflichtteilsrecht
Seit dem Inkrafttreten des Nebengleichstellungsgesetzes (1998) sind nichteheliche Kinder ehelichen Kindern im Erbrecht gleichgestellt (§ 1924 BGB). Sie sind gesetzliche Erben ihrer Eltern und haben Anspruch auf das Pflichtteil, sofern sie enterbt wurden.
Sozialrechtliche Aspekte
Kindergeld und Sozialleistungen
Nichteheliche Kinder stehen beim Bezug von Kindergeld, Elterngeld oder anderen Sozialleistungen ehelichen Kindern gleich. Die familienstaatlichen Leistungen sind unabhängig vom Ehestatus der Eltern.
Internationale Aspekte
Anerkennung von nichtehelichen Kindern im internationalen Kontext
In vielen Ländern ist die Gleichstellung nichtehelicher und ehelicher Kinder ebenfalls fortgeschritten, jedoch existieren je nach Land weiterhin Unterschiede hinsichtlich Abstammungsrecht, Sorgerecht oder staatsangehörigkeitsrechtlichen Bestimmungen. Für nichteheliche Kinder binationaler Elternteile kann das Internationale Privatrecht maßgeblich sein.
Diskriminierungsverbot
Das Grundgesetz garantiert mit Art. 3 Abs. 3 GG, dass niemand wegen seiner Abstammung benachteiligt werden darf. Die frühere Benachteiligung nichtehelicher Kinder ist heute verfassungsrechtlich unzulässig.
Fazit
Das Recht nichtehelicher Kinder unterliegt in Deutschland heute dem Grundsatz der Gleichstellung mit ehelichen Kindern. Unterschiede bestehen nur noch in einzelnen Details, wie dem Verfahren der Sorgerechtserklärung oder der Vaterschaftsfeststellung. Die Rechtsentwicklung hebt hervor, dass die individuelle Schutzwürdigkeit und das Wohl des Kindes im Mittelpunkt stehen, unabhängig vom Familienstand der Eltern.
Siehe auch:
Rechtsquellen:
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
- Grundgesetz (GG)
- Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG)
- Düsseldorfer Tabelle
Häufig gestellte Fragen
Wer hat das Sorgerecht für ein nichteheliches Kind?
Beim Sorgerecht für ein nichteheliches Kind (auch „Kind nicht miteinander verheirateter Eltern“) gilt in Deutschland, dass zunächst allein die Mutter kraft Gesetzes das Sorgerecht innehat (§ 1626a BGB). Der Vater kann das gemeinsame Sorgerecht entweder durch eine gemeinsame Sorgeerklärung mit der Mutter oder durch Antrag beim Familiengericht erlangen. Eine gemeinsame Sorgeerklärung kann bereits vor der Geburt oder zu einem späteren Zeitpunkt beurkundet werden. Verweigert die Mutter die gemeinsame Sorge, kann der Vater beim Familiengericht die Mitsorge beantragen; das Gericht prüft dann, ob diese dem Kindeswohl entspricht und ob Gründe entgegenstehen. Im europäischen Ausland kann die Regelung abweichen, weshalb internationale Fälle besonders sorgfältig betrachtet werden müssen.
Welche rechtlichen Pflichten hat der Vater eines nichtehelichen Kindes?
Auch ohne Ehe besteht für den Vater eines nichtehelichen Kindes in Deutschland die Pflicht, für das Kind Unterhalt zu zahlen und es im Rahmen seiner elterlichen Verantwortung zu versorgen. Voraussetzung dafür ist, dass die Vaterschaft entweder anerkannt wurde oder gerichtlich festgestellt ist. Die Unterhaltspflicht besteht sowohl für den finanziellen Unterhalt als auch gegebenenfalls für den sog. Betreuungsunterhalt gegenüber der Mutter in den ersten Lebensjahren des Kindes (§ 1615l BGB). Der Umfang des Kindesunterhalts richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle. Darüber hinaus hat der Vater unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Umgang mit dem Kind, auch wenn kein gemeinsames Sorgerecht besteht.
Wie wird die Vaterschaft für ein nichteheliches Kind rechtlich festgestellt?
Die Vaterschaft kann durch eine freiwillige Anerkennung – beim Standesamt, Jugendamt oder Notar – rechtswirksam bestätigt werden. Ist die Mutter einverstanden, ist die Anerkennung in der Regel problemlos. Lehnt sie ab, kann eine gerichtliche Vaterschaftsfeststellung beantragt werden (§ 1600d BGB). Das Gericht ordnet ggf. ein Abstammungsgutachten (DNA-Test) an. Der festgestellte oder anerkannte Vater erhält daraufhin alle mit der Vaterschaft verbundenen Rechte und Pflichten, insbesondere das Recht auf Umgang und die Pflicht zum Unterhalt.
Welche Unterhaltsansprüche bestehen für nichteheliche Kinder?
Nichteheliche Kinder sind ehelichen Kindern rechtlich gleichgestellt und haben den gleichen Anspruch auf Kindesunterhalt (§ 1615a BGB). Der Unterhaltsanspruch richtet sich nach dem Einkommen des verpflichteten Elternteils und wird in Deutschland nach den Maßgaben der Düsseldorfer Tabelle bemessen. Der Anspruch umfasst den Barunterhalt, nicht aber grundsätzlich den Betreuungsunterhalt, sofern dieser anderweitig geleistet wird. Die Unterhaltspflicht besteht unabhängig vom Sorgerecht und bleibt auch bei fehlender oder abgelehnter gemeinsamer Sorge bestehen.
Haben nichteheliche Kinder ein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht?
Nichteheliche Kinder sind seit der Reform des Erbrechts 1970 ihren ehelichen Halbgeschwistern gleichgestellt. Sie haben ein gesetzliches Erbrecht (§ 1924 BGB) und einen Pflichtteilsanspruch (§ 2303 BGB) gegenüber ihren leiblichen Eltern. Stirbt der Vater, ohne seiner Vaterschaft rechtlich widersprochen oder diese angefochten zu haben, erbt das nichteheliche Kind wie jedes eheliche Kind. Gleiches gilt, wenn die Mutter stirbt.
Wie erfolgt die Namensgebung bei nichtehelichen Kindern?
Das Kind erhält bei Geburt grundsätzlich den Familiennamen der Mutter. Haben die Eltern das gemeinsame Sorgerecht und sind nicht verheiratet, können sie einvernehmlich entscheiden, ob das Kind den Namen der Mutter oder des Vaters tragen soll (§ 1617 BGB). Ohne gemeinsame Sorge bleibt es beim Namen der Mutter. Im Falle späterer Eheschließung kann das Kind unter bestimmten Voraussetzungen den Ehenamen der Eltern annehmen.
Welche Besonderheiten gibt es beim Aufenthaltsbestimmungsrecht?
Da grundsätzlich die Mutter eines nichtehelichen Kindes das alleinige Sorgerecht hat, liegt auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht bei ihr. Erst mit Begründung der gemeinsamen Sorge durch Sorgeerklärung oder gerichtlichen Beschluss ist der Vater auch an Entscheidungen über den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes beteiligt. Bis dahin kann die Mutter allein über Wohnort und Aufenthaltsort des Kindes entscheiden, was insbesondere bei Trennungen oder Umzügen relevant werden kann.
Welche Regelungen gelten bei der Adoption eines nichtehelichen Kindes durch einen neuen Partner der Mutter?
Liegt die elterliche Sorge allein bei der Mutter und ihr neuer Ehepartner möchte das Kind adoptieren (sog. Stiefkindadoption), bedarf es der Einwilligung des leiblichen Vaters, sofern seine Vaterschaft rechtlich anerkannt oder festgestellt wurde, es sei denn, das Gericht entzieht ihm die Einwilligungsbefugnis wegen grober Vernachlässigung (§ 1747 BGB). Nach erfolgreicher Adoption erlöschen alle rechtlichen Beziehungen (Sorgerecht, Unterhalt, Erbrecht) zwischen Kind und leiblichem Vater; das Kind wird rechtlich dem adoptierenden Partner gleichgestellt.