Begriff und Einführung
Das Neun-Euro-Ticket war ein zeitlich befristetes Sonderangebot für den öffentlichen Personennahverkehr in Deutschland. Es wurde im Jahr 2022 als Reaktion auf die gestiegenen Energiepreise und zur kurzfristigen finanziellen Entlastung von Bürgerinnen und Bürgern wegen der Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine eingeführt. Das Ticket ermöglichte es, im Zeitraum vom 1. Juni bis 31. August 2022 den Nah- und Regionalverkehr für einen einheitlichen Preis von neun Euro pro Kalendermonat bundesweit zu nutzen. Der nachfolgende Artikel beleuchtet umfassend die rechtlichen Grundlagen sowie die für das Neun-Euro-Ticket maßgeblichen Regelungen und Auswirkungen.
Rechtliche Grundlagen
Gesetzliche Regelung
Rechtsgrundlage der Einführung
Das Neun-Euro-Ticket wurde durch das Gesetz zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes und des Eisenbahnregulierungsgesetzes von der Bundesrepublik Deutschland rechtlich implementiert. Die wesentliche rechtliche Grundlage bildete eine befristete Änderung des Regionalisierungsgesetzes (RegG). Diese gab dem Bund die Möglichkeit, zusätzliche Finanzmittel zweckgebunden an die Länder auszuzahlen, damit diese die Einnahmeausfälle durch das rabattierte Angebot kompensieren konnten.
Verordnungsrechtliche Umsetzung
Die Einzelheiten zur Umsetzung regelten ergänzende Verordnungen und landesspezifische rechtliche Maßnahmen, mit denen Tarifstrukturen im ÖPNV angepasst wurden. Diese Maßnahmen wurden koordiniert vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr sowie den Verkehrsministerien der Länder.
Finanzierung und Zuschussregelungen
Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern
Durch die Änderungen im Regionalisierungsgesetz wurde der Finanzausgleich festgelegt. Die Länder erhielten insgesamt 2,5 Milliarden Euro zusätzliche Mittel als Kompensation für die reduzierten Fahrgeldeinnahmen. Die konkrete Mittelverteilung erfolgte auf Basis des bewährten Regionalisierungsschlüssels.
Haushaltsrechtliche Aspekte
Da Mittel aus dem Bundeshaushalt für das Ticket verwendet wurden, unterlagen die Zuwendungen den Bestimmungen der Bundeshaushaltsordnung (BHO). Die Länder mussten ihrerseits gewährleisten, dass die finanziellen Zuwendungen zweckgebunden und ordnungsgemäß für die vorgesehene Tarifabsenkung verwendet wurden.
Tarifliche und vertragliche Regelung
Anwendungsbereich und Vertragsverhältnis
Umfang des Ticketangebots
Das Neun-Euro-Ticket war bundesweit gültig für alle Verkehrsmittel des öffentlichen Personennahverkehrs, darunter Stadt- und U-Bahnen, Straßenbahnen, Busse und Regionalzüge der zweiten Klasse. Fahrten im Fernverkehr (z. B. ICE, IC, EC) sowie Sonderverkehrsmittel (z. B. FlixTrain) waren explizit ausgenommen.
Vertragsabschluss und Rechte der Fahrgäste
Mit dem Erwerb des Neun-Euro-Tickets kam ein Beförderungsvertrag gemäß § 631 BGB in Verbindung mit den jeweiligen Beförderungsbedingungen der Verkehrsunternehmen zustande. Die Rechte und Pflichten der Fahrgäste sowie der Verkehrsunternehmen richteten sich daher maßgeblich nach den jeweils anwendbaren Verkehrsbedingungen; darunter fallen insbesondere Leistungsumfang, Haftung und Erstattungsansprüche.
Tarifbestimmungen und Sonderkündigungsrecht
Für Inhaber bestehender Zeitkarten (Monats- oder Jahrestickets) bestand ein Anrecht auf anteilige Rückerstattung oder Verrechnung, sofern der Preis der regulären Karte über dem des Neun-Euro-Tickets lag. Die genaue Modalität der Rückerstattung variierte nach Verkehrsverbund und war ebenfalls Gegenstand regionaler Regelungen.
Verbraucherschutz und Haftung
Informationspflichten
Verkehrsunternehmen und Verkehrsverbünde waren verpflichtet, umfassend über die Gültigkeit, die Beschränkungen und die Anwendbarkeit des Tickets aufzuklären. Diese Informationspflicht resultiert aus § 5 Telemediengesetz (TMG) sowie den Grundsätzen der Informationspflichten nach BGB.
Haftungsrecht
Die Haftung der Verkehrsunternehmen bei Personen- oder Sachschäden während der Gültigkeitsdauer des Neun-Euro-Tickets richtete sich unverändert nach den üblichen haftungsrechtlichen Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) und des Eisenbahnverkehrsrechts (insbesondere Haftpflicht nach § 1a HaftPflG). Insbesondere bestand keine weitergehende, ticketabhängige Haftung.
Auswirkungen auf den Rechtsverkehr
Bedeutung für bestehende Verträge
Im Zusammenhang mit dem Neun-Euro-Ticket ergaben sich Auswirkungen auf bereits geschlossene Beförderungsverträge, etwa bei Zeitkartenbesitzern. Hier entstanden Ausgleichsansprüche, die die Verkehrsunternehmen und Verbünde administrativ umzusetzen hatten. Dies führte zu erhöhtem Verwaltungsaufwand und erforderte rechtskonforme Abwicklung.
Aufsicht und Kontrolle
Die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben wurde durch die Bundes- und Landesaufsicht, im Besonderen durch das Eisenbahn-Bundesamt sowie die jeweiligen Landesverkehrsministerien, überprüft. Etwaige Verstöße konnten zu Rückforderungen von Subventionen und weiteren Maßnahmen führen.
Datenschutzrechtliche Aspekte
Im Rahmen des Erwerbs und der Nutzung des Neun-Euro-Tickets gelten die Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Insbesondere waren Verkehrsunternehmen verpflichtet, personenbezogene Daten, sofern sie im Vertrieb erhoben wurden, ausschließlich im Rahmen der vertraglichen Zweckbindung zu verarbeiten und entsprechend zu sichern.
Diskussion und Kritik an der rechtlichen Ausgestaltung
Rechtspolitische Debatte
Die Einführung des Neun-Euro-Tickets führte zu umfangreichen Diskussionen über den ordnungspolitischen Rahmen des Öffentlichen Personennahverkehrs. Insbesondere wurden die Verteilung der Finanzierungsverantwortung zwischen Bund und Ländern sowie die Dauer staatlicher Subventionen kritisch hinterfragt.
Folgewirkungen und Nachfolgeregelungen
Das Neun-Euro-Ticket hatte als temporäre Sofortmaßnahme eine Vorbildwirkung für nachfolgende Tarifmodelle im ÖPNV, insbesondere für die Entwicklung des Deutschlandtickets (49-Euro-Ticket) und weiterer bundesweit gültiger Angebote. Auch diese unterliegen umfangreichen rechtlichen Prüfungen hinsichtlich der ausreichenden Finanzierung, der vertraglichen Ausgestaltung und der Wettbewerbskonformität.
Zusammenfassung
Das Neun-Euro-Ticket stellte eine befristete, bundesweite Tarifermäßigung für den öffentlichen Personennahverkehr auf gesetzlicher Grundlage dar. Die rechtliche Ausgestaltung umfasste insbesondere Fragen der Finanzierung, des Tarifrechts, der bestehenden Vertragsverhältnisse sowie der staatlichen Aufsicht und Kontrolle. Auch datenschutzrechtliche Aspekte spielten im Rahmen der Umsetzung eine Rolle. Die befristete Maßnahme kennzeichnet einen bedeutenden Abschnitt in der deutschen Verkehrspolitik und den rechtlichen Rahmenbedingungen für Tarifinnovationen im ÖPNV.
Häufig gestellte Fragen
Gilt das Neun-Euro-Ticket als personen- oder übertragbare Fahrkarte und welche juristischen Konsequenzen ergeben sich aus einer unzulässigen Weitergabe?
Das Neun-Euro-Ticket wurde als personengebundene Fahrkarte ausgestaltet und ist somit rechtlich nicht übertragbar. Dies ist regelmäßig in den jeweiligen Beförderungsbedingungen der am Angebot teilnehmenden Verkehrsunternehmen festgelegt worden. Eine unzulässige Weitergabe oder die Nutzung durch eine andere Person stellt einen Verstoß gegen diese Beförderungsbedingungen dar, was sowohl zu einer Vertragsstrafe als auch zu einem erhöhten Beförderungsentgelt (§ 9 Abs. 2 BefBedV) führen kann. Darüber hinaus sind im Einzelfall auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche denkbar, falls dem Verkehrsunternehmen durch die missbräuchliche Nutzung ein Schaden entstanden ist. In schwerwiegenden Einzelfällen könnte ferner der Straftatbestand des Beförderungserschleichens (§ 265a StGB) erfüllt werden, wenn der Missbrauch vorsätzlich erfolgt. Eine Namenseintragung war für das Ticket nicht verpflichtend, jedoch mussten sich Nutzer im Zweifel durch einen amtlichen Lichtbildausweis ausweisen können.
Welche rechtlichen Ansprüche hatte der Fahrgast im Falle von Zugausfällen oder Verspätungen im Zusammenhang mit dem Neun-Euro-Ticket?
Im Rahmen des Neun-Euro-Tickets galten die europäischen und nationalen Fahrgastrechte uneingeschränkt weiter, insbesondere die VO (EG) Nr. 1371/2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr und das Personenbeförderungsgesetz (PBefG). Fahrgäste hatten Anspruch auf Entschädigung bei Verspätungen von mehr als 60 Minuten am Zielort in Höhe von 25% des Fahrpreises und ab 120 Minuten in Höhe von 50%. Da der Fahrpreis für das Neun-Euro-Ticket sehr gering war, konnte die tatsächlich ausbezahlte Entschädigung relativ niedrig ausfallen, jedoch bestand rechtlich trotzdem der Anspruch. Zudem bestand Anspruch auf Ersatzbeförderung und, bei größeren Verspätungen in den Nachtstunden, auf eine Übernachtungsmöglichkeit auf Kosten des Verkehrsunternehmens. Das Verkehrsunternehmen durfte diese Rechte nicht wegen des günstigeren Fahrpreises einschränken.
Inwieweit war für die Nutzung des Neun-Euro-Tickets eine Mitnahme von Kindern, Fahrrädern oder Hunden rechtlich zulässig?
Hier war maßgeblich auf die jeweiligen Tarifbestimmungen der teilnehmenden Verkehrsunternehmen abzustellen. In der Regel galt, dass Kinder unter sechs Jahren nach deutschem Recht unabhängig vom Ticket kostenfrei mitreisen durften (§ 2 Abs. 2 der Eisenbahn-Verkehrsordnung). Für die Mitnahme von Fahrrädern und Hunden griffen die üblichen Regelungen der Tarifbestimmungen des Verkehrsverbunds oder Eisenbahnunternehmens; das Neun-Euro-Ticket schuf insoweit keine Sonderregelungen. Häufig war eine zusätzliche Fahrradkarte erforderlich. Die rechtliche Grundlage hierfür lag darin, dass das günstigere Ticket keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Mitnahmemöglichkeit von Tieren oder Sachen vermittelte, sondern dies den Beförderungsbedingungen überlassen blieb (§ 12 AGB Personenverkehr).
Gab es eine rechtliche Verpflichtung zur Rückerstattung oder Erstattung nicht genutzter Tickets?
Eine Rückgabe oder Erstattung eines nicht genutzten Neun-Euro-Tickets war rechtlich grundsätzlich ausgeschlossen, da es sich um eine zeitlich und personell befristete Rabattaktion handelte. Dies resultierte aus den Sonderaktionsbedingungen, die das Rückgaberecht ausdrücklich ausschlossen (§ 355 BGB wurde insoweit abbedungen). Nur in Ausnahmefällen wie Fehlern im Buchungsvorgang, doppelten Abbuchungen oder irrtümlichen Belastungen, die dem Verkehrsunternehmen zurechenbar waren, konnte ein zivilrechtlicher Rückzahlungsanspruch gem. § 812 BGB (ungerechtfertigte Bereicherung) geltend gemacht werden.
Welche datenschutzrechtlichen Aspekte mussten beim Erwerb und bei der Nutzung des Neun-Euro-Tickets beachtet werden?
Die im Zusammenhang mit der Ausgabe und Nutzung des Neun-Euro-Tickets erhobenen personenbezogenen Daten unterlagen vollumfänglich der DSGVO sowie dem BDSG-neu. Verkehrsunternehmen waren verpflichtet, die Daten ausschließlich zum Zweck der Ticketausstellung und Nutzung zu verarbeiten und mussten diese nach Ablauf der jeweiligen gesetzlichen Aufbewahrungsfristen löschen. Eine Weitergabe an unbeteiligte Dritte war unzulässig, es sei denn, eine gesetzliche Grundlage (z.B. Strafverfolgung) lag vor. Im Falle von Online-Käufen galt eine Informationspflicht nach Art. 13 DSGVO. Es bestand für Fahrgäste das Recht auf Auskunft, Korrektur und Löschung ihrer Daten.
Konnte das Neun-Euro-Ticket als Monatskarte für steuerliche Zwecke (z.B. als Werbekosten im Rahmen der Pendlerpauschale) geltend gemacht werden?
Das Neun-Euro-Ticket konnte steuerlich als Fahrtkostenaufwand angesetzt werden, etwa im Rahmen der Pendlerpauschale (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Da es sich um eine Monatsfahrkarte handelte, genügte der Zahlungsnachweis (Kaufbeleg) für eine steuerliche Anerkennung. Hinsichtlich der steuerlichen Absetzbarkeit galt der tatsächlich gezahlte Betrag (9 Euro pro Monat), unabhängig vom regulären Preis anderer Monatskarten. Für Dienstreisende handelte es sich um einen erheblichen Vorteil, da die niedrigeren Kosten ebenfalls abgerechnet werden konnten. Arbeitgeber waren befugt, den steuerfreien Zuschuss zum Ticket auch für das Neun-Euro-Ticket zu gewähren.
Gab es eine Pflicht zur Mitführung des Tickets und welche Sanktionen drohten bei Verstoß?
Es bestand eine ausdrückliche Mitführungspflicht für das Neun-Euro-Ticket während der gesamten Fahrt. Konnte der Fahrgast bei einer Kontrolle das Ticket nicht vorweisen, wurde er rechtlich so behandelt wie ein Fahrgast ohne gültigen Fahrschein und war gemäß § 9 der Beförderungsbedingungen zur Zahlung eines erhöhten Beförderungsentgelts verpflichtet. Eine nachträgliche Vorlage des Tickets war nur nach den jeweiligen Kulanzregelungen der Verkehrsunternehmen oder gegen Entrichtung einer Bearbeitungsgebühr möglich. Eine pauschale Entbindung von Sanktionen aufgrund des günstigen Preises erfolgte nicht.
War das Neun-Euro-Ticket innerhalb des gesamten Bundesgebietes rechtlich einheitlich gültig oder konnten Verkehrsunternehmen abweichende Regelungen treffen?
Das Neun-Euro-Ticket war kraft Gesetzes (Artikel 2 § 2 NaBeG) zur bundesweiten Nutzung im Nahverkehr bestimmt. Verkehrsunternehmen waren verpflichtet, das Ticket im Rahmen der jeweiligen Produktklasse (Nahverkehrszüge, S-Bahn, U-Bahn, Straßenbahn und Busse) deutschlandweit anzuerkennen. Abweichende Regelungen, die das Ticket beispielsweise auf bestimmte Linien oder Uhrzeiten beschränkt hätten, wären rechtswidrig gewesen und hätten gegen das Wettbewerbsrecht (§ 19, § 20 GWB) sowie den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 GG verstoßen. Unternehmen durften jedoch den Fernverkehr (IC, EC, ICE) ausnehmen, was auch explizit rechtlich geregelt war.