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Nebenstrafgesetze


Definition und Begriffserklärung: Nebenstrafgesetze

Nebenstrafgesetze sind Rechtsnormen außerhalb des Strafgesetzbuchs (StGB), die strafrechtliche Sanktionen für bestimmte rechtswidrige Verhaltensweisen vorsehen. Sie umfassen sämtliche Vorschriften außerhalb des StGB, welche Straftatbestände oder strafprozessuale Regelungen enthalten. Nebenstrafgesetze existieren in nahezu allen Bereichen des öffentlichen Rechtes und dienen dazu, strafrechtlichen Schutz auch jenseits des Kernstrafrechts zu gewähren. So wird beispielsweise im Umweltrecht, im Straßenverkehrsrecht und im Wirtschaftsrecht auf Nebenstrafgesetze zurückgegriffen, um spezifische Rechtsgüter des gesellschaftlichen Lebens besonders zu schützen.

Abgrenzung zum Strafgesetzbuch (StGB)

Das Strafgesetzbuch (StGB) bildet das sogenannte Kernstrafrecht und enthält die allgemeinen Grundsätze des Strafrechts sowie die klassischen Deliktskategorien, etwa Tötungs-, Körperverletzungs-, Eigentums- und Vermögensdelikte. Im Gegensatz dazu normieren Nebenstrafgesetze Straftatbestände in spezialgesetzlichen Materien außerhalb des StGB. Sie enthalten meist spezielle Schutzinteressen, die nicht unmittelbar vom allgemeinen Strafrecht erfasst werden.

Unterscheidung zu Ordnungswidrigkeiten

Nebenstrafgesetze sind von bloßen Ordnungswidrigkeiten abzugrenzen. Während Ordnungswidrigkeiten lediglich mit einer Geldbuße geahndet werden, ziehen Straftaten nach Nebenstrafgesetzen höhere Sanktionen wie Geld- und Freiheitsstrafen nach sich. Gerade in spezialgesetzlichen Bereichen ist die Unterscheidung zwischen strafbarer Handlung und Ordnungswidrigkeit maßgeblich für das anzuwendende Verfahren und den Sanktionsrahmen.

Erscheinungsformen und typische Anwendungsbereiche von Nebenstrafgesetzen

Nebenstrafgesetze sind in zahlreichen Gesetzen und Verordnungen zu finden. Die wichtigsten Anwendungsbereiche werden nachfolgend erläutert.

Umweltrecht und Nebenstrafgesetze

Im Umweltrecht dienen zahlreiche Gesetze mit strafrechtlichen Sanktionen dem Schutz von Umweltgütern. Beispiele sind:

  • Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG)
  • Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG)
  • Wasserhaushaltsgesetz (WHG)
  • Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG)

Verstöße wie das unerlaubte Einleiten von Stoffen in Gewässer oder das widerrechtliche Entsorgen von Abfällen werden häufig als Straftaten geahndet.

Wirtschafts- und Steuerstrafrecht

Im Wirtschaftsleben sichern Nebenstrafgesetze die Einhaltung zentraler Regeln in Handel und Finanzen. Hierzu zählen:

  • Handelsgesetzbuch (HGB)
  • Wertpapierhandelsgesetz (WpHG)
  • Kreditwesengesetz (KWG)
  • Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
  • Insolvenzordnung (InsO)
  • Abgabenordnung (AO; Steuerstrafrecht)

Besonders im Steuerrecht sind zahlreiche Straftatbestände wie Steuerhinterziehung normiert, die mit Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden können.

Verkehrsrecht

Im Straßenverkehrsgesetz (StVG), der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) und dem Pflichtversicherungsgesetz finden sich neben ordnungswidrigkeitenrechtlichen Bestimmungen auch strafrechtliche Normen. Beispielsweise stellen das unerlaubte Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB) und das Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG) zentrale Delikte dar.

Arzneimittel- und Betäubungsmittelrecht

Das Arzneimittelgesetz (AMG) und das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) enthalten zahlreiche Straftatbestände. Der unerlaubte Umgang mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln oder Betäubungsmitteln wird regelmäßig mit empfindlichen Strafen bedroht.

Arbeits- und Sozialrecht

Auch im Arbeitsrecht und Sozialrecht existieren Nebenstrafgesetze. Typische Vorschriften sind etwa:

  • Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz
  • Sozialgesetzbuch (hier insbesondere Betrugstatbestände im Zusammenhang mit Sozialleistungen)

Rechtssystematische Einordnung und Bedeutung der Nebenstrafgesetze

Um das Funktionieren hoheitlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Prozesse sicherzustellen, werden Nebenstrafgesetze bewusst außerhalb des Kernstrafrechts angesiedelt. Sie ermöglichen es dem Gesetzgeber, besonders schützenswerte Materien spezifisch zu kriminalisieren und den besonderen Anforderungen dieser Regelungsbereiche gerecht zu werden.

Normstruktur und Aufbau

Nebenstrafgesetze gliedern sich häufig in sogenannte Blankettvorschriften bzw. Verweisungsregelungen. Das bedeutet, dass strafrechtliche Normen in spezialgesetzlichen Vorschriften etwa auf Vorgaben anderer Paragraphen Bezug nehmen und dadurch an verschiedene gesetzliche Bestimmungen anknüpfen.

Strafrahmen und Sanktionen

Die Höhe der in Nebenstrafgesetzen angedrohten Strafen variiert erheblich. Während manche Delikte mit überschaubaren Geldstrafen belegt sind, bestehen für schwere Verstöße hohe Freiheitsstrafandrohungen, etwa im Bereich des Betäubungsmittelgesetzes. Im Regelfall gilt für Verfahrensführung, Strafzumessung und Vollstreckung das allgemeine Strafrecht, wobei einzelne Verfahrensregelungen abweichend ausgestaltet sein können.

Praktische Bedeutung im Strafrecht

Die Nebenstrafgesetzgebung ist in der Praxis von erheblicher Relevanz. Ein großer Teil der strafrechtlich relevanten Verurteilungen erfolgt aufgrund von Verstößen gegen Nebenstrafgesetze – beispielsweise im Bereich des Steuer- und Umweltstrafrechts. Mitunter sind die betreffenden Vorschriften komplex ausgestaltet und beinhalten zahlreiche Verweisungen, was die Rechtsanwendung und Auslegung anspruchsvoll macht.

Verhältnis zum Nebenstrafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht

Der Begriff „Nebenstrafgesetze“ wird synonym zum Begriff „Nebenstrafrecht“ verwendet. Während das Nebenstrafrecht den gesamten Bereich der außerhalb des StGB verorteten Strafvorschriften beschreibt, bezeichnet das Nebenstrafgesetz die jeweilige konkrete Norm oder Regelung. Demgegenüber ist das Ordnungswidrigkeitenrecht im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) geregelt und unterliegt einem eigenen Sanktionssystem.

Gesetzgebungsgeschichte und aktuelle Entwicklungen

Die Nebenstrafgesetzgebung unterliegt fortlaufend Veränderungen. Neue Regelungsbereiche, etwa durch technologischen oder gesellschaftlichen Wandel, werden regelmäßig durch Neufassung oder Schaffung von Nebenstrafgesetzen strafrechtlich normiert. Beispielsweise sind im Bereich des Datenschutzes nach Inkrafttreten der DSGVO spezifische Strafvorschriften implementiert worden. Auch im Bereich des Umwelt- und Lebensmittelrechts sind Verstärkte Gesetzesnovellen zur Bekämpfung von Verstößen zu beobachten.

Zusammenfassung

Nebenstrafgesetze sind ein integraler Bestandteil des deutschen Strafrechtssystems und dienen dem Schutz spezieller Rechtsgüter außerhalb des Kernstrafrechts des Strafgesetzbuchs. Sie finden sich in zahlreichen spezialgesetzlichen Regelungsbereichen und sind für die Sanktionierung komplexer und entwicklungsanfälliger Materien unverzichtbar. Nebenstrafgesetze zeichnen sich durch differenzierte tatbestandliche Voraussetzungen, besondere Sanktionsrahmen und zahlreiche Verweisungen aus. Ihre große praktische Bedeutung spiegelt sich in zahlreichen strafrechtlichen Verfahren und Urteilen wider. Die Entwicklung der Nebenstrafgesetze ist zudem geprägt durch gesellschaftliche und technische Veränderungen, sodass sie ein dynamisches Feld des Strafrechts bleiben.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rolle spielen Nebenstrafgesetze im deutschen Strafrechtssystem?

Nebenstrafgesetze sind außerhalb des Strafgesetzbuches (StGB) erlassene Rechtsnormen, die strafrechtliche Sanktionen für bestimmte, oft besonders gelagerte Lebenssachverhalte vorsehen. Anders als das Kernstrafrecht, das im StGB kodifiziert ist und grundlegende Straftatbestände wie Diebstahl, Betrug oder Körperverletzung regelt, finden sich in den Nebenstrafgesetzen Tatbestände, die in spezialisierten Rechtsbereichen wie dem Umweltrecht, Wirtschaftsrecht, Steuerrecht, Arzneimittelrecht oder Straßenverkehrsrecht angesiedelt sind. Ihre Rolle besteht vor allem darin, spezielle Schutzgüter – beispielsweise die Umwelt, die Integrität des Wettbewerbs, die Sicherheit im Straßenverkehr oder die Gesundheit der Bevölkerung – durch strafrechtliche Sanktionen besonders abzusichern. Die Anwendung dieser Gesetze erfolgt stets im Zusammenspiel mit den allgemeinen Regeln des Strafrechts (etwa zu Vorsatz, Fahrlässigkeit, Strafe und Versuch), sodass Nebenstrafgesetze das Strafrechtssystem funktional erweitern und an neue gesellschaftliche Herausforderungen anpassen.

Wie erfolgt die Verfolgung von Straftaten nach Nebenstrafgesetzen?

Die Verfolgung von Taten, die durch Nebenstrafgesetze sanktioniert sind, unterliegt grundsätzlich denselben prozessualen Regeln wie die Verfolgung von Taten nach dem StGB. Hierzu zählt das allgemeine Ermittlungs- und Strafverfahren nach der Strafprozessordnung (StPO). Allerdings ermitteln häufig spezialisierte Behörden wie Zoll, Umweltbehörden oder das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft – insbesondere, wenn es um Delikte im Steuerrecht, Umweltschutz oder Außenwirtschaftsrecht geht. Die Staatsanwaltschaft bleibt jedoch Herrin des Verfahrens und führt die Ermittlungen, leitet Anklagen ein und ist für die Strafverfolgung vor Gericht zuständig. Auch bei Nebenstrafgesetzen gilt das Legalitätsprinzip: Die Strafverfolgungsbehörden sind verpflichtet, einem Anfangsverdacht nachzugehen.

Gibt es Unterschiede bei der Strafandrohung zwischen StGB und Nebenstrafgesetzen?

Ja, die Strafandrohungen in Nebenstrafgesetzen weichen teils erheblich von denen des StGB ab – sowohl hinsichtlich der Bandbreite der möglichen Strafen als auch im Hinblick auf ihre Höhe. Während das StGB in vielen Delikten Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren vorsieht, sind viele Nebenstrafgesetze darauf beschränkt, Geldstrafen zu verhängen oder Freiheitsstrafen erst bei schweren Verstößen zuzulassen. Einige Nebenstrafgesetze sehen zudem Verwarnungen oder andere spezielle Rechtsfolgen wie Berufsverbote, Einziehung von Tatmitteln oder Unternehmensgeldbußen vor. Maßgeblich ist stets die im jeweiligen Nebenstrafgesetz geregelte Strafandrohung.

Inwiefern kommen bei Nebenstrafgesetzen Irrtumsregelungen zur Anwendung?

Die allgemeinen Irrtumsregelungen des Strafrechts – insbesondere Tatbestandsirrtum und Verbotsirrtum nach §§ 16 und 17 StGB – finden auch im Anwendungsbereich der Nebenstrafgesetze uneingeschränkt Anwendung. Gerade bei stark spezialisierten und komplex gefassten Nebenstrafgesetzen (etwa aus dem Steuer- oder Umweltrecht) kommt Verbotsirrtümern in der Praxis große Bedeutung zu. Fehlendes Unrechts- oder Verbotsbewusstsein kann, sofern unvermeidbar, zur Straflosigkeit führen; allerdings gelten hier hohe Anforderungen an die Sorgfalt, da Fachleute oder Unternehmer sich intensiver über die geltende Rechtslage informieren müssen.

Sind Versuch und Teilnahme an Nebenstraftatbeständen strafbar?

Ob der Versuch und die Teilnahme (Anstiftung und Beihilfe) an einer nach Nebenstrafgesetzen unter Strafe stehenden Handlung strafbar sind, richtet sich vornehmlich nach dem Willen des Gesetzgebers. Grundsätzlich gilt, dass die §§ 22 ff. StGB (Versuch) und §§ 26, 27 StGB (Teilnahme) auch auf Nebenstrafgesetze Anwendung finden, sofern das jeweilige Gesetz keine ausdrücklichen Sonderregelungen enthält. Es ist jedoch zu prüfen, ob das Nebenstrafgesetz den Versuch ausdrücklich unter Strafe stellt oder – wie etwa bei reinen Ordnungswidrigkeiten – nur Vollendungsdelikte erfasst.

Wie verhält sich das Nebenstrafrecht zu Ordnungswidrigkeiten?

Nebenstrafgesetze enthalten häufiger auch Vorschriften zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten. Während Straftatbestände auf schuldhaftes, besonders verwerfliches Verhalten zielen und mit den klassischen Sanktionen des Strafrechts (Geldstrafe, Freiheitsstrafe) bedroht sind, regeln die Paragraphen zu Ordnungswidrigkeiten in der Regel weniger schwerwiegende Verstöße, für die Bußgeld oder andere mildere Sanktionen vorgesehen sind. Die Abgrenzung ist dabei manchmal schwierig und bedarf einer genauen Gesetzesauslegung. Die jeweiligen Rechtsfolgen sind im Anwendungsbereich der §§ 1 ff. OWiG (Gesetz über Ordnungswidrigkeiten) geregelt. In bestimmten Fällen kann ein und dasselbe Verhalten sowohl als Ordnungswidrigkeit wie als Straftat nach einem Nebenstrafgesetz qualifiziert werden, sodass die genaue Zuordnung durch die Behörden und Gerichte von zentraler Bedeutung ist.