Nebenstrafen und Nebenfolgen im deutschen Strafrecht
Begriffserklärung und Abgrenzung
Unter Nebenstrafen und Nebenfolgen versteht man im deutschen Strafrecht zusätzliche Rechtsfolgen einer Straftat, die neben der eigentlichen Hauptstrafe (wie Freiheitsstrafe oder Geldstrafe) verhängt werden können. Sie ergänzen die Sanktionierung der Straftat durch weitere Maßnahmen, die den Täter treffen können. Nebenstrafen sind, ebenso wie Hauptstrafen, im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt, während Nebenfolgen teils im StGB, teils in anderen Gesetzen verankert sind.
Die Abgrenzung zwischen Nebenstrafen und Nebenfolgen erfolgt gesetzlich. Nebenstrafen sind weitere strafrechtliche Sanktionen, die zusätzlich zur Hauptstrafe ausgesprochen werden (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB). Nebenfolgen hingegen sind Rechtswirkungen, die sich kraft Gesetzes an bestimmte Tatbestände oder Verurteilungen anschließen oder durch das Gericht ausdrücklich angeordnet werden (§ 11 Abs. 1 Nr. 8a StGB).
Nebenstrafen: Gesetzliche Grundlagen und Arten
Allgemeines zur Nebenstrafe
Die Nebenstrafe ist neben der Hauptstrafe eine weitere Strafe, die vom Gericht verhängt werden kann. Ihr Vollzug richtet sich nach denselben Vollstreckungsbestimmungen wie die Hauptstrafe.
Arten der Nebenstrafen
Das deutsche Strafrecht kennt insbesondere zwei klassische Nebenstrafen:
- Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB):
– Hierbei wird dem Täter eine Strafe angedroht, gleichzeitig jedoch der Vollzug dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt.
- Geldbuße als Nebenstrafe:
– Geldbußen kommen insbesondere im Ordnungswidrigkeitenrecht vor, gelten jedoch nicht als Nebenstrafen im engeren Sinne des Strafrechts.
- Das Fahrverbot (§ 44 StGB):
– Eine der wichtigsten Nebenstrafen ist das Fahrverbot. Es kann neben einer Hauptstrafe verhängt werden, wenn die Straftat in Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs steht.
Fahrverbot (§ 44 StGB)
Das Fahrverbot ist neben der Freiheitsstrafe oder Geldstrafe anzuwenden und beträgt zwischen einem und sechs Monaten. Während dieser Zeit darf der Verurteilte kein Kraftfahrzeug führen. Das Fahrverbot ist als Denkzettelmaßnahme verstanden und zielt auf eine zusätzliche Warnung und Erziehung ab.
Nebenfolgen: Bedeutung und Arten
Allgemeines zu Nebenfolgen
Nebenfolgen sind Rechtswirkungen, die sich als automatische oder gerichtlich angeordnete Begleiterscheinungen einer strafrechtlichen Verurteilung ergeben. Nebenfolgen treten insbesondere dann ein, wenn das Gesetz ausdrücklich eine bestimmte Wirkung an eine Verurteilung knüpft.
Einteilung der Nebenfolgen
Nebenfolgen können unterteilt werden in:
- Automatische Nebenfolgen („gesetzliche Nebenfolgen“)
– Sie treten kraft Gesetzes ein, ohne dass das Gericht tätig werden muss.
- Gerichtlich angeordnete Nebenfolgen
– Das Gericht ordnet sie explizit als zusätzliche Maßnahme an.
Wichtige Nebenfolgen im Überblick
Zu den bedeutendsten Nebenfolgen einer Verurteilung zählen:
1. Verlust der Amtsfähigkeit, Wählbarkeit und des Stimmrechts (§ 45 StGB):
– Bei bestimmten Straftaten oder Strafhöhen führt die Verurteilung automatisch zum Verlust dieser Rechte.
2. Einziehung von Gegenständen (§ 73 ff. StGB):
– Gegenstände, die aus einer Straftat herrühren oder zur Begehung verwendet wurden, können eingezogen werden.
3. Berufsverbot (§ 70 StGB):
– Das Gericht kann dem Täter verbieten, eine bestimmte berufliche Tätigkeit auszuüben, wenn die Tat im Zusammenhang mit dem Beruf steht und eine Gefahr für die Allgemeinheit besteht.
4. Führungsaufsicht (§ 68 ff. StGB):
– Nach Verbüßung der Strafe kann eine Führungsaufsicht angeordnet werden, um weitere Straftaten zu verhindern.
5. Veröffentlichungsanordnung (§ 41 StGB):
– Das Gericht kann anordnen, das Urteil zu veröffentlichen, wenn ein besonderes öffentliches Interesse besteht.
6. Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 61 ff. StGB):
– Hierzu zählen beispielsweise Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, Entziehung der Fahrerlaubnis, Sicherungsverwahrung oder das Berufsverbot.
Ziel und Zweck von Nebenstrafen und Nebenfolgen
Nebenstrafen und Nebenfolgen dienen unterschiedlichen Zielsetzungen:
- Spezialprävention: Die Maßnahmen sollen auf den einzelnen Täter einwirken, um weitere Straftaten zu verhindern, beispielsweise durch Fahrverbot oder Berufsverbot.
- Generalprävention: Sie sollen andere von Straftaten abschrecken, indem für jedermann sichtbar ist, dass Verurteilungen schwerwiegende rechtliche Konsequenzen haben können.
- Schutz der Allgemeinheit: Insbesondere Nebenfolgen wie Führungsaufsicht oder Berufsverbot dienen dem Schutz der Gesellschaft vor weiteren Gefahren durch den Täter.
- Wiedergutmachung: Maßnahmen wie die Einziehung von Taterträgen sollen einen Ausgleich für das durch die Straftat entstandene Unrecht schaffen.
Rechtsmittel und Vollzug
Anfechtung von Nebenstrafen und Nebenfolgen
Nicht nur gegen die Hauptstrafe, auch gegen Nebenstrafen und Nebenfolgen kann das Rechtsmittel der Berufung oder Revision eingelegt werden. Das bedeutet, die Betroffenen können sich gegen die Anordnung oder den Eintritt bestimmter Nebenfolgen wehren, etwa wenn ein Berufsverbot als unverhältnismäßig angesehen wird.
Vollstreckung
Der Vollzug von Nebenstrafen und Nebenfolgen richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften der Strafvollstreckung. Bei einigen Nebenfolgen (wie dem Fahrverbot) ist eine aktive Frist zu beachten, während andere (wie der Verlust der Wählbarkeit) während eines festgelegten Zeitraums ab Verurteilung gelten.
Gesetzliche Regelungen und Verweise
Die wichtigsten gesetzlichen Grundlagen zu Nebenstrafen und Nebenfolgen finden sich in den nachfolgend aufgeführten Vorschriften:
- Strafgesetzbuch (StGB): §§ 11, 44, 45, 68, 70, 73 ff.
- Straßenverkehrsgesetz (StVG): Vorschriften zum Fahrverbot
- Nebengesetze: Etwa das Bundeswahlgesetz für den Verlust von Wahlrechten
Einzelne Nebenfolgen sind zudem in spezialgesetzlichen Regelungen enthalten, beispielsweise im Gewerbeordnung, die das Gewerbeverbot bei strafrechtlicher Verurteilung regelt.
Zusammenfassung
Nebenstrafen und Nebenfolgen ergänzen die Hauptstrafe im deutschen Strafrecht um zusätzliche Sanktionen und Rechtswirkungen. Während Nebenstrafen wie das Fahrverbot unmittelbare gerichtliche Anordnungen darstellen, können Nebenfolgen kraft Gesetzes eintreten oder vom Gericht ausgesprochen werden. Sie erfüllen wichtige präventive, schützende sowie ausgleichende Funktionen und sind ein zentraler Bestandteil eines effektiven Sanktionssystems im Strafrecht.
Weiterführende Informationen:
- Strafgesetzbuch (StGB), aktuelle Gesetzesfassung
- Bundesministerium der Justiz – Informationsportal Strafrecht
Häufig gestellte Fragen
In welchen Situationen werden Nebenstrafen zusätzlich zur Hauptstrafe verhängt?
Nebenstrafen werden im deutschen Strafrecht als ergänzende Sanktionen zur Hauptstrafe verhängt, wenn besondere gesetzliche Voraussetzungen vorliegen. Solche Situationen ergeben sich insbesondere bei Straftaten, die mit bestimmten Gefährdungen oder Missbrauchsmöglichkeiten verbunden sind. Typische Nebenstrafen sind das Fahrverbot (§ 44 StGB) und das Berufsverbot (§ 70 StGB). Ein Fahrverbot kann zum Beispiel zusätzlich zur Geld- oder Freiheitsstrafe verhängt werden, wenn der Täter ein Kraftfahrzeug bei der Tat benutzt oder die Tat im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr steht. Ein Berufsverbot wird ausgesprochen, sofern die Gefahr besteht, dass der Täter durch die weitere Ausübung seines Berufs ähnliche Straftaten begehen könnte. Die Entscheidung über eine Nebenstrafe liegt im Ermessen des Gerichts, das im Einzelfall prüft, inwieweit die Sanktion zur Einwirkung auf den Täter sowie zum Schutz der Allgemeinheit notwendig erscheint.
Was ist der Unterschied zwischen Nebenstrafe und Nebenfolge?
Während Nebenstrafen Ergänzungen zu einer Hauptstrafe darstellen, die unmittelbar vom Strafgericht im Urteil festgelegt werden (zum Beispiel Fahrverbot, Berufsverbot), treten Nebenfolgen kraft Gesetzes als automatische Folge einer Verurteilung ein oder werden richterlich angeordnet, ohne selbst eine Strafe im engeren Sinn zu sein. Ein klassisches Beispiel ist der Verlust der Amtsfähigkeit, des Wahlrechts und des Stimmrechts (§ 45 StGB), der als Nebenfolge bei Verurteilung zu bestimmten Freiheitsstrafen automatisch eintritt. Während Nebenstrafen konkret ausgesprochen werden müssen, sind Nebenfolgen zumeist zwingende gesetzliche Konsequenzen einer bestimmten Hauptstrafe.
Welche Rechtsmittel gibt es gegen die Verhängung von Nebenstrafen oder Nebenfolgen?
Betroffene können gegen die Verhängung von Nebenstrafen im Rahmen der allgemeinen Rechtsmittel gegen das Urteil vorgehen, zum Beispiel mit Berufung oder Revision. Die Anfechtung richtet sich dabei nicht nur gegen die Hauptstrafe, sondern ebenfalls gegen die Nebenstrafe, sofern diese im Tenor des Urteils enthalten ist. Im Fall von Nebenfolgen, die kraft Gesetzes eintreten, kann deren Anwendbarkeit – gegebenenfalls im Rahmen einer Rechtsmittelinstanz – überprüft werden. Ist eine Nebenfolge richterlich angeordnet, kann auch diese mit Rechtsmitteln angefochten werden.
Wie lange gelten Nebenstrafen und Nebenfolgen und gibt es Möglichkeiten der vorzeitigen Beendigung?
Die Dauer von Nebenstrafen wie dem Fahrverbot ist in der Regel ausdrücklich im Urteil festgelegt (zum Beispiel ein bis sechs Monate gemäß § 44 StGB), während Berufsverbote eine bestimmte, vom Gericht bestimmte Zeit (zwischen 1 und 5 Jahren, bei Wiederholungstätern auch lebenslang) dauern. Manche Nebenfolgen gelten so lange, wie das gesetzliche Merkmal der Verurteilung (zum Beispiel eine Mindestdauer der Freiheitsstrafe) fortbesteht, oder bis eine Wiederherstellung beantragt und bewilligt wurde. Es gibt die Möglichkeit, eine vorzeitige Beendigung zu beantragen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, etwa durch Tilgung aus dem Bundeszentralregister oder durch gerichtliche Entscheidung auf Wiedererteilung bestimmter Rechte.
Welche Bedeutung haben Nebenstrafen und Nebenfolgen für das Bundeszentralregister?
Nebenstrafen und Nebenfolgen werden, sofern sie im Strafurteil verhängt beziehungsweise ausgesprochen werden, im Bundeszentralregister eingetragen. Die Eintragung ist bedeutend für zukünftige Strafverfahren, Verwaltungsverfahren sowie bestimmte berufliche Tätigkeiten. Beispielsweise kann ein eingetragenes Fahrverbot bei Antrag auf eine Fahrerlaubnis oder ein Berufsverbot bei einer Bewerbung im betroffenen Beruf relevant sein. Nach Ablauf bestimmter Fristen können diese Einträge getilgt werden, sofern die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen dazu vorliegen.
Welche Rolle spielt das Gericht bei der Anordnung von Nebenstrafen und Nebenfolgen?
Das Gericht prüft im Rahmen seiner richterlichen Entscheidungsbefugnis die gesetzlichen Voraussetzungen für Nebenstrafen und Nebenfolgen und trifft die entsprechende Anordnung im Urteil. Dabei muss das Gericht die individuelle Schuld, die Gefahr der Wiederholung und das Bedürfnis zum Schutz der Allgemeinheit abwägen. Bei Nebenfolgen, die kraft Gesetzes eintreten, prüft das Gericht, ob die objektiven Voraussetzungen vorliegen und weist im Urteil regelmäßig auf deren Eintritt hin. Das Gericht kann in bestimmten Fällen von Nebenstrafen oder Nebenfolgen absehen, wenn diese wegen der Hauptstrafe oder anderer Gründe als unverhältnismäßig erscheinen.
Wie wirken sich Nebenstrafen und Nebenfolgen auf das weitere Leben des Verurteilten aus?
Nebenstrafen und Nebenfolgen haben vielfach erhebliche praktische Auswirkungen auf das Leben des Verurteilten. Ein Fahrverbot kann berufliche Einschränkungen nach sich ziehen, ein Berufsverbot kann zu einem vollständigen Tätigkeitsverbot im erlernten oder ausgeübten Beruf führen. Der Verlust von bürgerlichen Rechten wie Wahlrecht oder Amtsfähigkeit kann zudem die gesellschaftliche Teilhabe einschränken. Die Dauer dieser Folgen und die Möglichkeit der Wiedererlangung hängen von der jeweiligen gesetzlichen Ausgestaltung und dem Verlauf des Strafverfahrens ab. In vielen Fällen wirken sich diese Sanktionen noch lange nach Verbüßung der Hauptstrafe aus und können das soziale und berufliche Umfeld erheblich beeinflussen.