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Nebenklage


Begriff und Bedeutung der Nebenklage

Die Nebenklage ist ein in der Strafprozessordnung (StPO) der Bundesrepublik Deutschland geregeltes Rechtsinstitut, das es bestimmten Verletzten strafbarer Handlungen ermöglicht, sich dem öffentlichen Strafverfahren als eigenständige Prozessbeteiligte anzuschließen. Ziel der Nebenklage ist es, die Interessen und Rechte der Geschädigten im Strafprozess besser zu wahren und ihnen die aktive Mitwirkung am Verfahren zu ermöglichen.

Die Nebenklage ist insbesondere bei Straftaten gegen die körperliche oder sexuelle Unversehrtheit sowie gegen das Leben oder die persönliche Freiheit von Bedeutung. Sie stellt ein wichtiges Instrument des Opferschutzes im deutschen Strafprozess dar.


Voraussetzungen der Nebenklage

Zulässigkeit und Anwendungsbereich

Die Nebenklage ist gemäß §§ 395 ff. StPO grundsätzlich nur in bestimmten Fällen zulässig. Eine Teilnahme als Nebenkläger kommt insbesondere bei folgenden Delikten in Betracht:

  • Straftaten gegen das Leben (§§ 211, 212 StGB)
  • Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit (§§ 223-227 StGB)
  • Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174-184j StGB)
  • Straftaten gegen die persönliche Freiheit (§§ 232-239a StGB)
  • Weitere, ausdrücklich in § 395 StPO aufgeführte Delikte

Eine Nebenklage ist daneben auch bei vorsätzlicher Körperverletzung nach § 230 Abs. 1 StPO außerhalb eines öffentlichen Interesses zulässig, wenn eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft erfolgt.

Nebenklageberechtigte Personen

Nebenklageberechtigt sind vor allem die unmittelbar durch die Straftat Verletzten. In Todesfällen oder Fällen schwerer Gesundheitsschädigung können auch nahe Angehörige, wie Ehegatten, Lebenspartner, Kinder oder Eltern, nebenklageberechtigt sein (§ 395 Abs. 2 StPO).

Form und Frist

Die Erklärung, als Nebenkläger am Verfahren teilnehmen zu wollen, ist formlos möglich und kann grundsätzlich bis zum Beginn der Hauptverhandlung erfolgen. Die Nebenklage kann sowohl schriftlich als auch zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden. In bestimmten Fällen kann sie auch noch nachträglich erfolgen, etwa wenn neue Tatsachen bekannt werden.


Rechte und Befugnisse des Nebenklägers

Verfahrensbeteiligung und verfahrensrechtliche Stellung

Der Nebenkläger nimmt mit der Zulassung der Nebenklage eine eigenständige Rolle im Strafprozess ein. Er ist berechtigt, an allen Verfahrensabschnitten, einschließlich der Hauptverhandlung, teilzunehmen und wird in vielen Verfahrenshandlungen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung gleichgestellt. Nebenkläger dürfen unter anderem:

  • Anträge stellen, insbesondere Beweisanträge, Beweisanregungen oder Ablehnungsanträge gegen Sachverständige und Richter;
  • Fragen an Zeugen und Sachverständige richten (Fragerecht);
  • Gegen Urteile, Beschlüsse und einzelne Verfahrenshandlungen Rechtsmittel (Berufung, Revision, Beschwerde) einlegen, soweit sich die Entscheidung auf sie bezieht;
  • Akteneinsicht beantragen, soweit dies für die Wahrnehmung ihrer Rechte erforderlich ist (§ 406e StPO);
  • Anklageschrift, Beweismittel und Gutachten einsehen.

Opferrechte und Schutzmaßnahmen

Nebenklägern stehen zudem besondere Schutzrechte zu, wie beispielsweise:

  • Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit (§ 171b GVG)
  • Antrag auf Zeugenschutzmaßnahmen, wie Vermeidung direkter Konfrontationen mit dem Angeklagten
  • Geltendmachung von Ansprüchen nach dem Opferentschädigungsgesetz

Nebenklageverfahren und Kosten

Zulassung der Nebenklage

Die Entscheidung über die Zulassung der Nebenklage trifft das zuständige Gericht. In der Regel genügt eine einfache Nebenklageerklärung; lediglich bei offensichtlich unzulässigen oder unbegründeten Anträgen kann das Gericht eine Ablehnung aussprechen. Die Nebenklage wird mit Wirksamkeit der Erklärung Teil des Verfahrens, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.

Prozesskosten und Aufwendungsersatz

Die Kosten der Nebenklage inklusive etwaiger Anwaltskosten können dem Angeklagten im Fall einer Verurteilung auferlegt werden (§ 472 StPO). Ist der Nebenkläger wirtschaftlich nicht in der Lage, die Kosten des Verfahrens zu tragen, besteht die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe. In diesem Fall trägt die Staatskasse die dem Nebenkläger entstehenden notwendigen Auslagen, einschließlich der Kosten für eine rechtskundige Vertretung.


Besondere Formen und Abgrenzungen

Abgrenzung zur Adhäsionsklage

Die Nebenklage ist von der Adhäsionsklage zu unterscheiden. Während die Nebenklage eine Beteiligung des Geschädigten am Strafverfahren darstellt, dient die Adhäsionsklage der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche (Schadensersatz, Schmerzensgeld) im Strafverfahren (§§ 403 ff. StPO). Beide Instrumente können jedoch miteinander kombiniert werden.

Beendigung der Nebenklage

Die Nebenklage kann jederzeit ohne Angabe von Gründen zurückgenommen werden (§ 396 Abs. 3 StPO). Die Rücknahme hat zur Folge, dass der Nebenkläger seine Rechte im weiteren Verfahren verliert. Eine erneute Nebenklageerklärung ist unter Umständen nicht mehr möglich.


Literatur

  • Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Kommentar (jährlich)
  • Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht
  • StPO – Strafprozessordnung: Textausgabe mit Erläuterungen

Siehe auch

  • Opferschutz
  • Strafprozess
  • Adhäsionsverfahren

Hinweis: Die Nebenklage stellt ein zentrales Element für den Schutz und die Rechte von Geschädigten in bestimmten Strafverfahren dar. Sie ermöglicht aktiven Einfluss auf das Strafverfahren und sichert die Teilhabe des Opfers an wesentlichen Prozesshandlungen.

Häufig gestellte Fragen

Wer kann im Strafverfahren als Nebenkläger auftreten?

Im deutschen Strafverfahren steht die Nebenklage nicht jedem Verletzten einer Straftat offen. Zur Nebenklage berechtigt sind nach § 395 StPO insbesondere Personen, die durch bestimmte, besonders schwerwiegende Straftaten unmittelbar verletzt wurden. Hierzu zählen beispielsweise Opfer von Sexualdelikten, Körperverletzungsdelikten, versuchten Tötungsdelikten, Freiheitsberaubung, Menschenhandel, Stalking oder bestimmten Taten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung. Auch Hinterbliebene eines durch eine solche Straftat Getöteten können Nebenkläger werden. Die Betroffenen müssen einen gesonderten Antrag beim Gericht stellen, um sich dem Strafverfahren anschließen zu können. Die Nebenklage ist also keine allgemeine Beteiligungsform, sondern abhängig von der Art und Schwere der Straftat und der Unmittelbarkeit der eigenen Betroffenheit.

Welche Rechte hat ein Nebenkläger im Strafverfahren?

Der Nebenkläger erhält durch seinen Beitritt eine eigenständige Stellung im Verfahren neben Staatsanwaltschaft, Gericht und Angeklagtem. Er ist berechtigt, Anträge zu stellen (z.B. auf Beweiserhebung), Fragen an Zeugen und Sachverständige zu richten sowie Rechtsmittel, insbesondere Berufung und Revision, einzulegen. Damit unterscheidet sich seine Stellung deutlich von der eines bloßen Zeugen oder Geschädigten, der keine prozessualen Rechte hat. Die Nebenklage erlaubt es dem Betroffenen, aktiv das Verfahren mitzugestalten, etwa durch die Stellung von Ablehnungsanträgen gegen Richter oder durch eine eigene Vertretung durch einen Rechtsanwalt. Dem Nebenkläger stehen zudem Akteneinsichtsrechte zu, soweit die Belange des Angeklagten nicht überwiegen oder besondere Geheimhaltungsinteressen bestehen.

Wie wird der Nebenkläger im Verfahren vertreten?

Ein Nebenkläger kann sich grundsätzlich selbst vertreten, allerdings ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt üblich und in vielen Fällen dringend zu empfehlen. Bei besonders schweren Straftaten besteht sogar ein gesetzlicher Anspruch auf Bestellung eines sogenannten Opferanwalts (Nebenklagevertretung) auf Staatskosten (§ 397a StPO). Der Anwalt übernimmt die Vertretung der Interessen des Nebenklägers während des gesamten Verfahrens, stellt Anträge, nimmt Akteneinsicht, hält Schlussvorträge, legt Rechtsmittel ein und steht dem Nebenkläger beratend zur Seite. Die Kosten für den Anwalt können unter bestimmten Voraussetzungen von der Staatskasse übernommen werden, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen.

Wann muss der Antrag auf Nebenklage gestellt werden?

Der Antrag auf Zulassung zur Nebenklage kann grundsätzlich zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens gestellt werden, also sowohl in der Ermittlungsphase als auch noch während der Hauptverhandlung. Es ist jedoch ratsam, den Beitritt so früh wie möglich zu erklären, um von Beginn an sämtliche Nebenklagerechte wahrnehmen zu können. Das Gericht entscheidet über die Zulassung des Nebenklägers. Eine verspätete Zulassung ist jederzeit möglich, führt allerdings dazu, dass eventuelle bereits durchgeführte Verfahrensabschnitte nicht mehr erneut aufgerollt werden müssen. Dies kann unter Umständen nachteilig sein hinsichtlich späterer Beweisanträge oder Teilnahmen an bereits abgehaltenen Terminen.

Welche Kosten entstehen durch die Nebenklage?

Mit dem Beitritt zur Nebenklage können dem Nebenkläger grundsätzlich Kosten für die anwaltliche Vertretung entstehen. Allerdings sieht das Gesetz insbesondere bei besonders schwerwiegenden Straftaten (§ 397a StPO) eine Übernahme dieser Kosten durch die Staatskasse vor. Auch Prozesskostenhilfe kann beantragt werden, wenn die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen erfüllt sind. In bestimmten Fällen, etwa beim Freispruch des Angeklagten, können (Rest-)Kosten beim Nebenkläger verbleiben, etwa für nicht ersetzbare Auslagen. Grundsätzlich soll die Nebenklagegestaltung jedoch sicherstellen, dass Opfer ungeachtet ihrer finanziellen Situation ihre Rechte im Verfahren wahrnehmen können.

Welche Rolle spielt der Nebenkläger bei einem Rechtsmittelverfahren?

Im Falle eines Urteils steht dem Nebenkläger häufig das Rechtsmittel der Berufung oder Revision zur Verfügung, sofern er durch das Urteil in seinen Rechten betroffen ist. Der Nebenkläger kann insoweit eine Überprüfung des Urteils hinsichtlich des Schuldspruchs und des Strafausspruchs beantragen. Die Einlegung des Rechtsmittels unterliegt bestimmten Fristen und Formerfordernissen, die insbesondere durch einen Rechtsanwalt zu wahren sind. Die Teilnahme des Nebenklägers am Rechtsmittelverfahren ist ein wichtiger Aspekt, der es ihm gestattet, Einfluss auf die gerichtliche Beurteilung der Tat zu nehmen.

Kann der Nebenkläger im Verfahren eigene Beweisanträge stellen?

Ja, der Nebenkläger ist berechtigt, in der Hauptverhandlung eigene Beweisanträge zu stellen. Dies ist eines der zentralen eigenständigen Rechte der Nebenklage. Durch die Möglichkeit, eigene Beweise zu beantragen, kann der Nebenkläger dazu beitragen, den Sachverhalt aus seiner Sicht vollständig aufklären zu lassen. Die Beweisanträge können sich sowohl auf Zeugenvernehmungen, die Einholung von Sachverständigengutachten als auch auf die Vorlage von Urkunden oder anderen Beweisstücken beziehen. Das Gericht ist verpflichtet, diese Anträge ebenso sorgfältig wie die der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten zu behandeln; allerdings kann das Gericht einen Antrag ablehnen, wenn er aus seiner Sicht zur weiteren Aufklärung nicht erforderlich ist.