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Nationalsozialistische Kennzeichen


Begriff und Bedeutung von nationalsozialistischen Kennzeichen

Nationalsozialistische Kennzeichen bezeichnen Symbole, Zeichen, Abzeichen, Grußformeln, Uniformteile sowie bestimmte Parolen, die im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus und insbesondere mit der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland zwischen 1933 und 1945 stehen. Solche Kennzeichen sind insbesondere als Embleme der NSDAP, deren Unterorganisationen (z. B. SS, SA, Hitlerjugend) sowie anderer NS-bezogener Organisationen zu verstehen. Zu den bekanntesten gehören das Hakenkreuz, die SS-Runen und der Hitlergruß.

Der Umgang mit nationalsozialistischen Kennzeichen ist in Deutschland einem umfassenden rechtlichen Regelungsregime unterworfen, das vor allem dem Schutz des demokratischen Rechtsstaates sowie der Verhinderung der Verherrlichung oder Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts dient.


Rechtliche Grundlagen und Regelungsbereiche

Strafrechtliche Vorschriften (§ 86a StGB)

Tatbestand des § 86a StGB

Die zentrale strafrechtliche Norm zum Umgang mit nationalsozialistischen Kennzeichen ist § 86a des Strafgesetzbuches (StGB). Dieser sanktioniert das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Der Tatbestand umfasst insbesondere das öffentliche Verwenden von Kennzeichen in Schriftstücken, auf Abbildungen, im Ton (Parolen) sowie auf Gegenständen und in Gesten.

Definition der Kennzeichen

Zu den ausdrücklich erfassten Kennzeichen zählen insbesondere:

  • Hakenkreuze (§ 86a Abs. 2 StGB, Anlage 1)
  • SS-Runen
  • SA-Embleme
  • NS-Symbole mit nationalsozialistischem Bezug (wie Hoheitszeichen mit Hakenkreuz)

Der Tatbestand erfasst sowohl originalgetreue wie auch stilisierte oder abgewandelte Darstellungen, sofern für einen unvoreingenommenen Betrachter ein Bezug zur nationalsozialistischen Ideologie erkennbar bleibt.

Tathandlungen

Strafbar ist insbesondere:

  • Das öffentliche Verwenden, Verbreiten und Zugänglichmachen der Kennzeichen
  • Das Herstellen und Vorrätighalten zur Verbreitung oder Verwendung
  • Das Tragen als Abzeichen an der Kleidung oder an Gegenständen
  • Handlungen in Gestalt von Parolen oder dem Hitlergruß

Der Tatbestand ist bereits mit dem Verwenden oder Verbreiten erfüllt; auf eine etwaige Absicht politischer Betätigung kommt es grundsätzlich nicht an.


Ausnahmen vom Verwendungsverbot (§ 86a Abs. 3 StGB)

Das Gesetz sieht wichtige Ausnahmetatbestände vor. Demnach ist das Verwenden dann nicht strafbar, wenn dies

  • der staatsbürgerlichen Aufklärung,
  • der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen,
  • der Kunst oder der Wissenschaft,
  • der Forschung oder der Lehre,
  • der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens
  • oder ähnlichen Zwecken dient.

Hierbei ist stets die Abwägung im Einzelfall erforderlich, ob und in welchem Kontext das Verwenden der Kennzeichen von der Ausnahme erfasst ist. Prüfungsmaßstab ist regelmäßig, ob der Zweck erkennbar keine Billigung oder Verherrlichung des Nationalsozialismus darstellt.


Weitere Vorschriften und Besonderheiten

Medien- und Jugendschutzbestimmungen

Im Rundfunkstaatsvertrag, Telemediengesetz sowie insbesondere im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) sind entsprechende Vorgaben enthalten, die die Verbreitung und Zugänglichmachung nationalsozialistischer Kennzeichen über digitale Medien, das Internet oder in audiovisuellen Werken reglementieren. Die altersbezogene Indizierung sowie das Verbot der öffentlichen Vorführung gelten auch für solche Inhalte.

Zivilrechtliche Aspekte

Im Zivilrecht können Verstöße gegen die Regelungen zum Umgang mit nationalsozialistischen Kennzeichen Folgen für Miet- oder Arbeitsverhältnisse, Versammlungsverbote oder das Hausrecht nach sich ziehen. Trägt beispielsweise eine Person auf einer öffentlichen Versammlung NS-Kennzeichen, kann dies zu einem Platzverweis oder einem dauerhaften Hausverbot führen.

Ein Verstoß gegen das Verwendungsverbot kann außerdem Einfluss auf die Einschätzung des „wichtigen Grundes” beim Ausspruch einer Kündigung etwa im Arbeitsrecht haben.


Rechtsprechung und Auslegungsfragen

Die Auslegung des § 86a StGB ist durch eine umfangreiche Rechtsprechung konkretisiert. Unter anderem hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass bereits die Verwendung von Zeichen, die lediglich an NS-Kennzeichen erinnern (beispielsweise durch leichte Abwandlungen oder Stilisierungen), den Straftatbestand erfüllen kann, sofern die Erkennbarkeit des Bezugs zum Nationalsozialismus gegeben ist.

Zudem besteht Konsens darüber, dass ein rein privater Gebrauch (nicht-öffentlich, nicht zur Weitergabe bestimmt) nicht erfasst wird. Für die Strafbarkeit muss stets eine Außenwirkung, d. h. ein öffentliches Verwenden, gegeben sein.


Internationales Recht und Vergleich

Auch in anderen europäischen Staaten bestehen vergleichbare Regelungen. In Österreich regelt insbesondere das Verbotsgesetz 1947 den Umgang mit NS-Kennzeichen, in Frankreich das Loi Gayssot (1990). Die jeweiligen Regelungsinhalte unterscheiden sich jedoch in Detailfragen insbesondere im Hinblick auf den Umfang der Ausnahmen und die Beurteilung von Kunstfreiheit oder Wissenschaftsfreiheit.


Zusammenfassung und Bedeutung im Rechtsalltag

Nationalsozialistische Kennzeichen stehen in Deutschland und vielen anderen Staaten unter striktem rechtlichen Verbot. Die strafrechtlichen Bestimmungen zielen darauf ab, das öffentliche Zeigen, Verbreiten und Verwenden solcher Zeichen zu unterbinden und damit einer Wiederbelebung, Verherrlichung oder Verbreitung nationalsozialistischer Ideologie entgegenzuwirken.

Zahlreiche Ausnahmen ermöglichen jedoch eine sorgfältig abgewogene, zweckgebundene Nutzung im Rahmen von Aufklärung, Wissenschaft, Kunst, Forschung und Berichterstattung. Die komplexen Regelungen werden durch eine Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen gelenkt, die immer wieder die Bedeutung des Staatsschutzes und der freiheitlichen Grundrechte ausbalancieren.

Die genaue Kenntnis der gesetzlichen Regelungen und deren Auslegung ist für das Verständnis des Umgangs mit nationalsozialistischen Kennzeichen im Rechtswesen von zentraler Bedeutung.

Häufig gestellte Fragen

Sind nationalsozialistische Kennzeichen in Deutschland generell verboten?

Nationalsozialistische Kennzeichen wie etwa das Hakenkreuz, SS-Runen, der Hitlergruß oder andere spezifische Symbole und Zeichen des NS-Regimes sind in Deutschland durch das Strafgesetzbuch (§ 86a StGB) grundsätzlich verboten. Dies gilt sowohl für das öffentliche Zeigen als auch für das Verbreiten dieser Kennzeichen. Auch das Anfertigen, Nutzen und Weitergeben, etwa durch Druck, Aufkleber, Plakate, Fahnen, Kleidung oder digitalen Content, ist untersagt. Die Regelung erstreckt sich explizit auf Zeichen von Organisationen, die unter dem Nationalsozialismus verboten wurden, sofern sie in einem Kontext genutzt werden, der eine Propagierung oder Billigung dieser Ideologie erkennen lässt. Ausnahmen bestehen lediglich in besonderen Fällen, z. B. in Kunst, Wissenschaft, Forschung, Lehre, Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder in der staatsbürgerlichen Aufklärung. Dennoch bedarf auch die Nutzung in diesen Bereichen oftmals einer genauen rechtlichen Prüfung, ob die Ausnahme tatsächlich zutrifft. Der Gesetzgeber verfolgt mit diesem Verbot den Schutz der öffentlichen Ordnung und soll verhindern, dass nationalsozialistisches Gedankengut weitergetragen oder verherrlicht wird.

Wann liegt eine strafbare Verwendung von nationalsozialistischen Kennzeichen vor?

Eine strafbare Verwendung ist immer dann gegeben, wenn nationalsozialistische Kennzeichen öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Absatz 3 StGB) verwendet werden, und zwar in einer Weise, die geeignet ist, als Propagierung oder Unterstützung der verbotenen Ideologie verstanden zu werden. Die Strafbarkeit ist nicht allein auf das bewusste Zeigen im Original beschränkt, sondern umfasst auch Abwandlungen, die mit dem verbotenen Kennzeichen verwechselt werden können (z. B. grafisch abgewandelte Hakenkreuze, bestimmte Zahlencodes oder Runen), sofern die Verbindung zur NS-Ideologie für Dritte erkennbar ist. Auch auf privat zugänglichen, aber technisch öffentlichen Plattformen wie Social-Media oder Gaming-Plattformen kann eine Strafbarkeit gegeben sein.

Welche Ausnahmen vom Verbot gibt es bei der Nutzung nationalsozialistischer Kennzeichen?

Das Verbot gemäß § 86a StGB kennt einige Ausnahmen, die insbesondere für Kunst, Wissenschaft, Forschung, Lehre, staatsbürgerliche Aufklärung und Berichterstattung über zeitgeschichtliche Vorgänge gelten. Diese sogenannten “sozialadäquaten Zwecke” sollen ermöglichen, dass eine kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus weiterhin stattfinden kann. Die Gerichte legen diese Ausnahmen allerdings restriktiv aus: Die Darstellung darf keinen propagandistischen oder verharmlosenden Charakter haben, sondern muss eindeutig der kritischen oder wissenschaftlichen Reflexion dienen. Maßgeblich ist der Zweck der Nutzung sowie der begleitende Kontext. Bezüge auf künstlerische Freiheiten, etwa bei Theater, Film oder Ausstellungen, werden ebenfalls berücksichtigt, sofern das überwiegende Anliegen nicht die Verherrlichung, sondern die Aufklärung ist.

Welche Strafen drohen bei einer Zuwiderhandlung gegen das Verbot?

Bei einer vorsätzlichen oder auch nur leichtfertigen Zuwiderhandlung gegen das Verbot des Zeigens und Verbreitens nationalsozialistischer Kennzeichen drohen gemäß § 86a StGB Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren. Werden die Kennzeichen insbesondere für staatsfeindliche oder propagandistische Zwecke genutzt, kann das Strafmaß entsprechend hoch ausfallen. Neben strafrechtlichen Folgen können auch zivilrechtliche Konsequenzen entstehen, beispielsweise Schadensersatzansprüche oder Unterlassungsverfügungen. Besonders relevant ist auch die Möglichkeit wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen, etwa im gewerblichen Handel mit einschlägigen Produkten, sowie persönliche Nachteile wie ein Eintrag ins Führungszeugnis.

Wie werden nationalsozialistische Kennzeichen im digitalen Raum bewertet?

Im digitalen Raum – etwa auf Webseiten, in Foren, sozialen Netzwerken oder Onlinespielen – gilt das Verbot unter den gleichen rechtlichen Voraussetzungen wie im Analogen. Das bedeutet, dass auch das Zeigen, Versenden, Teilen oder sonstige Verbreiten von NS-Kennzeichen in digitalen Medien eine Straftat darstellen kann. Anbieter von Plattformen sind verpflichtet, rechtswidrige Inhalte nach Hinweis zu entfernen und werden bei systematischem Verstoß unter Umständen selbst belangt. Nutzer können sich bei bewusster Verbreitung ebenfalls strafbar machen. Die Problematik der globalen Verfügbarkeit wird durch Zusammenarbeit zwischen Strafverfolgungsbehörden und Plattformbetreibern adressiert, wobei deutsche Vorschriften für auf Deutschland zugängliche Inhalte maßgeblich sind.

Können auch historische Objekte mit NS-Kennzeichen legal besessen oder ausgestellt werden?

Der Besitz historischer Originalobjekte mit NS-Kennzeichen (z. B. Orden, Münzen, Flaggen) ist grundsätzlich nicht verboten, sofern keine Propagandazwecke verfolgt werden. Ihre Ausstellung ist allerdings nur dann zulässig, wenn sie einem geschichtlichen, wissenschaftlichen oder bildenden Zweck dient und nicht auf Verherrlichung oder Wiederbelebung der NS-Ideologie zielt. Museen, Gedenkstätten und wissenschaftliche Institutionen müssen hierfür spezifische Kontextualisierungen vornehmen, sodass Besucher erkennen, dass es sich um eine kritische Auseinandersetzung handelt. Private Ausstellungen oder das öffentliche Zeigen ohne klaren Aufklärungscharakter können strafbar sein.

Wie ist die Rechtslage im Vergleich zu anderen Ländern?

Deutschland hat weltweit eines der strengsten Gesetze zur Bekämpfung von NS-Propaganda und Kennzeichenverwendung. In vielen anderen europäischen Ländern bestehen ähnliche Verbote, vor allem in Staaten mit direkter historischer Betroffenheit, wie Österreich, Frankreich, Polen oder Tschechien. Allerdings variiert der Umgang, insbesondere was den Bereich der Kunstfreiheit und den historischen Kontext anbelangt. In einigen Ländern wie den USA schützt die Meinungsfreiheit das Zeigen solcher Kennzeichen, sofern keine direkte Volksverhetzung oder Gewaltandrohung vorliegt. Wer solche Kennzeichen aus oder nach Deutschland bringt, muss sich an die deutschen Gesetze halten, unabhängig von anderen internationalen Regelungen.