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Nachvermächtnis

Nachvermächtnis: Begriff, Funktion und rechtliche Einordnung

Ein Nachvermächtnis ist eine letztwillige Anordnung, bei der ein Vermächtnis in zwei zeitlich aufeinanderfolgende Stufen aufgeteilt wird. Zunächst wird ein Gegenstand oder ein Recht einer Person zugewendet (Vorvermächtnis), anschließend soll dieser Gegenstand oder dieses Recht zu einem späteren Zeitpunkt oder bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses an eine weitere Person fallen (Nachvermächtnis). Der Erblasser ordnet damit eine Weitergabe innerhalb des Nachlasses für die Zukunft an.

Beteiligte sind typischerweise der Erblasser, die belastete Person (häufig der Erbe oder der Vorvermächtnisnehmer) sowie der Nachvermächtnisnehmer, der den Gegenstand oder das Recht später erhalten soll. Wesenskern ist ein durchsetzbarer Anspruch des Nachvermächtnisnehmers auf Übertragung, sobald die angeordnete Zeit oder Bedingung eintritt.

Abgrenzung zu verwandten Anordnungen

Vermächtnis, Auflage und Nachvermächtnis

Beim Vermächtnis erhält eine bestimmte Person einen Anspruch auf Übereignung oder Einräumung eines Rechts. Eine Auflage verpflichtet jemanden zu einem Tun oder Unterlassen, ohne dass einer bestimmten Person ein Anspruch zusteht. Das Nachvermächtnis ist ein Vermächtnis in gestufter Form: Es begründet eine zweite Zuwendung an eine andere Person zu einem späteren Zeitpunkt oder unter einer Bedingung.

Nachvermächtnis vs. Nacherbfolge

Die Nacherbfolge betrifft die Stellung als Erbe insgesamt: Zunächst wird eine Person Erbe, später soll eine andere Person Erbe werden. Das Nachvermächtnis bezieht sich dagegen auf einzelne Vermögensgegenstände oder Rechte, nicht auf die gesamte Erbenstellung. Es ist damit flexibler und punktueller, ohne die Erbquote als solche umzuschichten.

Gestaltungsmöglichkeiten und Inhalt

Gegenstand des Nachvermächtnisses

Gegenstand können körperliche Sachen (zum Beispiel Immobilien, Kunstgegenstände), Rechte (zum Beispiel Forderungen, Anteile), Nutzungsrechte (etwa Wohn- oder Nießbrauchsrechte) sowie Geldbeträge sein. Der Erblasser kann genau bestimmen, ob der erste Begünstigte Nutzung, Besitz oder Eigentum erhält und wie die spätere Übertragung an den Nachvermächtnisnehmer auszugestalten ist.

Auslöser: Zeitpunkt, Ereignis, Bedingung

Das Nachvermächtnis kann an einen festen Zeitpunkt (zum Beispiel ein bestimmtes Datum), an ein Ereignis (zum Beispiel der Tod des Vorvermächtnisnehmers) oder an eine Bedingung (zum Beispiel das Bestehen einer Prüfung) geknüpft werden. Maßgeblich ist der erkennbare Wille des Erblassers, der Vorrang vor formalen Bezeichnungen hat.

Nutzungs- und Verfügungsbeschränkungen

Der Erblasser kann den Vorvermächtnisnehmer in der Nutzung und Verfügung beschränken, etwa durch ein Veräußerungsverbot, Erhaltungspflichten oder die Pflicht zur Verwahrung. Solche Beschränkungen entfalten regelmäßig zunächst schuldrechtliche Wirkung gegenüber den am Nachlass Beteiligten; ihre Absicherung gegenüber Dritten kann je nach Gegenstand unterschiedliche rechtliche Sicherungsmittel erfordern.

Rechte und Pflichten der Beteiligten

Belastete Person

Belastet ist derjenige, der den Gegenstand beim Eintritt des Nachvermächtnisses herauszugeben oder zu übertragen hat. Das kann der Erbe sein, der den Gegenstand noch nicht übereignet hat, oder der Vorvermächtnisnehmer, der zur späteren Übertragung verpflichtet ist. Typische Pflichten sind Erhaltung der Substanz, schonende Nutzung, Herausgabe von Unterlagen und Mitwirkung bei der Übertragung.

Vorvermächtnisnehmer

Der Vorvermächtnisnehmer erhält zunächst die Zuwendung. Je nach Anordnung kann er Besitzer, Nutzer oder Eigentümer sein. Seine Stellung ist häufig mit Erhaltungs- und Herausgabepflichten verbunden. Verfügungen über den Gegenstand können untersagt oder eingeschränkt sein; sie können, wenn sie entgegen der Anordnung erfolgen, zu Ausgleichs- oder Wertersatzansprüchen führen.

Nachvermächtnisnehmer

Dem Nachvermächtnisnehmer steht ein Anspruch zu, sobald der angeordnete Zeitpunkt oder die Bedingung eintritt. Er kann Übertragung der Sache oder des Rechts verlangen. Ab dem Anfall kann er regelmäßig auch Auskünfte verlangen, die zur Durchsetzung erforderlich sind. Geht der Gegenstand unter oder wird ersetzt, kann sich der Anspruch auf Surrogate oder Wertersatz richten, soweit der zugrunde liegende Wille dies erfasst.

Nutzungen, Früchte und Erträge

Wer Nutzungen (zum Beispiel Mieten, Dividenden) erhält, richtet sich in erster Linie nach der Anordnung des Erblassers. Ohne besondere Bestimmung liegen Nutzungen typischerweise bei der Person, die die Sache bis zum Anfall des Nachvermächtnisses innehat. Ab dem Anfall sollen Nutzungen grundsätzlich dem Nachvermächtnisnehmer zugutekommen.

Vollzug und Durchsetzung

Entstehung und Fälligkeit

Der Anspruch aus dem Vorvermächtnis entsteht mit dem Erbfall. Der Anspruch aus dem Nachvermächtnis entsteht erst, wenn der vom Erblasser bestimmte Zeitpunkt erreicht ist oder die Bedingung eintritt. Ab diesem Zeitpunkt besteht ein Anspruch auf Übertragung oder Herausgabe.

Form der Anordnung

Ein Nachvermächtnis wird in einer Verfügung von Todes wegen angeordnet, in der der Erblasser den zeitlichen Ablauf und die Beteiligten festlegt. Eindeutige Bezeichnungen, klare Reihenfolgen und präzise Beschreibung des Gegenstands erhöhen die Bestimmbarkeit der Anordnung.

Absicherung und Verwaltung

Zur Sicherung des späteren Anspruchs kommen je nach Gegenstand schuldrechtliche Vereinbarungen und dingliche Absicherungen in Betracht. Für die Zeit bis zum Anfall können Verwahr- und Verwaltungsregelungen vorgesehen werden, etwa die Bestellung eines Verwalters oder die Festlegung von Maßnahmen zur Werterhaltung.

Verjährung

Ansprüche aus Vermächtnissen unterliegen Verjährungsfristen. Der Lauf beginnt in der Regel mit der Fälligkeit und der Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände. Die Dauer und mögliche Hemmungs- oder Neubeginnstatbestände richten sich nach den allgemeinen Regeln.

Steuerliche Einordnung

Vermächtnisanfälle gelten als steuerlich relevante Erwerbe von Todes wegen. Beim Nachvermächtnis können zwei gesonderte Erwerbe vorliegen: der Erwerb des Vorvermächtnisnehmers und der spätere Erwerb des Nachvermächtnisnehmers. Maßgeblich sind der Zeitpunkt des jeweiligen Anfalls, der Wert des Gegenstands und das persönliche Näheverhältnis zum Erblasser. Freibeträge und Steuerklassen richten sich nach der Beziehung zum Erblasser, nicht nach der Beziehung zwischen Vor- und Nachvermächtnisnehmer.

Internationale Bezüge

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten stellt sich die Frage, welches Erbrecht auf die Anordnung und den Vollzug des Nachvermächtnisses anwendbar ist. Maßgeblich sind Kollisionsregeln, die regelmäßig an den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erblassers anknüpfen und in bestimmten Fällen eine Rechtswahl zulassen. Für die dingliche Übertragung einzelner Vermögensgegenstände können zusätzlich die Regeln des Belegenheitsstaates gelten.

Typische Anwendungsfälle

Mehrstufige Zuwendung eines Gegenstands

Ein Gegenstand wird zunächst einer Person überlassen und soll nach deren Ableben oder nach Ablauf einer bestimmten Zeit an eine weitere Person weitergegeben werden, etwa Familienschmuck oder Sammlungsstücke.

Nutzungsrechte mit späterem Eigentumsübergang

Die Nutzung eines Vermögenswerts (zum Beispiel Wohnrecht oder Nießbrauch) wird einer Person eingeräumt; das Eigentum oder die volle Verfügungsmacht soll später auf eine andere Person übergehen.

Werteerhaltung über Generationen

Vermögensgegenstände mit ideellem oder wirtschaftlichem Gewicht sollen in vorgezeichneter Reihenfolge innerhalb der Familie oder zwischen bestimmten Personen weitergegeben werden, ohne die Erbenstellung insgesamt zu verändern.

Risiken und Konfliktfelder

Unklare Anordnungen

Nicht eindeutig formulierte Bedingungen, unbestimmte Gegenstandsbezeichnungen oder fehlende Regelungen zu Nutzungen und Erhaltungspflichten führen häufig zu Auslegungsfragen.

Werterhalt und Untergang

Bei Verbrauchs- oder Verschleißgütern stellt sich die Frage, wer Erhaltungsmaßnahmen trägt und wie mit Untergang, Ersatzbeschaffung oder Versicherungsleistungen umzugehen ist.

Verfügungen des Vorvermächtnisnehmers

Veräußerungen oder Belastungen durch den Vorvermächtnisnehmer können die spätere Übertragung erschweren; je nach Anordnung kommen Ausgleichs-, Herausgabe- oder Wertersatzansprüche in Betracht.

Dritteinflüsse

Pfändungen, Insolvenz oder güterrechtliche Auseinandersetzungen können den Vollzug beeinflussen. Die Wirksamkeit schuldrechtlicher und dinglicher Sicherungen ist gegenläufigen Drittinteressen gegenüber zu prüfen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Worin liegt der Unterschied zwischen Nachvermächtnis und Nacherbfolge?

Die Nacherbfolge betrifft die gesamte Erbenstellung in zwei Stufen. Das Nachvermächtnis ordnet nur die Weitergabe einzelner Gegenstände oder Rechte an. Die Erbquoten bleiben unberührt; es geht um konkrete Vermögenswerte, die nacheinander verschiedenen Personen zufallen sollen.

Wer ist beim Nachvermächtnis zur Herausgabe verpflichtet?

Belastet ist entweder der Erbe, der den Gegenstand noch übertragen muss, oder der Vorvermächtnisnehmer, der ihn zunächst erhält und später an den Nachvermächtnisnehmer herauszugeben hat. Wer im Einzelfall verpflichtet ist, ergibt sich aus der Anordnung des Erblassers.

Wann fällt das Nachvermächtnis an?

Der Anfall tritt ein, sobald der vom Erblasser bestimmte Zeitpunkt erreicht ist oder die Bedingung eintritt, etwa der Tod des Vorvermächtnisnehmers oder ein kalendermäßig festgelegter Termin.

Darf der Vorvermächtnisnehmer über den Gegenstand verfügen?

Das hängt von der Anordnung ab. Verfügungsbeschränkungen können vorgesehen sein. Erfolgt eine Verfügung entgegen der Anordnung, kommen Ausgleichs- oder Wertersatzansprüche zugunsten des Nachvermächtnisnehmers in Betracht.

Was passiert, wenn der Gegenstand untergeht oder ersetzt wird?

Geht der Gegenstand vor dem Anfall unter oder wird durch einen Ersatzgegenstand oder eine Versicherungsleistung ersetzt, knüpft die Rechtsfolge an den erkennbaren Willen des Erblassers an. Häufig richtet sich der Anspruch dann auf den Ersatz oder auf Wertersatz.

Wer erhält die Nutzungen bis zum Anfall des Nachvermächtnisses?

Ohne besondere Bestimmung stehen Nutzungen in der Regel demjenigen zu, der den Gegenstand bis zum Anfall innehat. Ab dem Anfall sollen Nutzungen dem Nachvermächtnisnehmer zugutekommen, sofern nichts anderes angeordnet ist.

Welche steuerlichen Folgen hat ein Nachvermächtnis?

Beim Nachvermächtnis können zwei Erwerbsvorgänge vorliegen: der erste beim Vorvermächtnis und der zweite beim Nachvermächtnis. Maßgeblich sind jeweils der Zeitpunkt des Anfalls, der Wert und das persönliche Verhältnis zum Erblasser.

Gibt es Fristen für die Geltendmachung?

Ansprüche aus dem Nachvermächtnis verjähren. Die Frist beginnt grundsätzlich mit der Fälligkeit und der Kenntnis der maßgeblichen Umstände. Die konkrete Fristdauer richtet sich nach den allgemeinen Regeln.