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Nachtat, straflose


Begriff und rechtliche Einordnung der straflosen Nachtat

Die straflose Nachtat ist ein Begriff aus dem deutschen Strafrecht, der Handlungen nach Abschluss einer Straftat bezeichnet, welche selbst keinen eigenen Straftatbestand erfüllen und daher nicht strafrechtlich geahndet werden können. Sie unterscheidet sich von sogenannten strafbaren Nachtaten, die eigenständige Unrechtsgehalte aufweisen und daher ebenfalls unter Strafe stehen. Die straflose Nachtat ist insbesondere im Bereich der Teilnahme, der Beihilfe, der Begünstigung und der Strafvereitelung von Bedeutung.

Abgrenzung: Straftat, Mitwirkungshandlungen und Nachtat

Tatbegriff und zeitlicher Ablauf einer Straftat

Im deutschen Strafrecht wird zwischen der sogenannten Vortat, der Tatausführung und dem Nachtatgeschehen differenziert. Die Tat im engeren Sinne umfasst Vorbereitung, Versuch und Vollendung gemäß §§ 22 ff. StGB. Nach Abschluss der eigentlichen gesetzlichen Tatbestandsverwirklichung spricht man von der Nachtat.

Mitwirkungshandlungen

Mitwirkungshandlungen wie Anstiftung (§ 26 StGB) und Beihilfe (§ 27 StGB) sind nur strafbar, wenn sie zur Zeit der Haupttat geleistet werden. Vorgelagerte und parallele Unterstützung können strafbar sein. Werden Unterstützungsleistungen jedoch erst nach vollständigem Abschluss der Tat (in der Nachtatphase) erbracht, kommt eine Strafbarkeit nach den Grundtatbeständen der Teilnahme regelmäßig nicht mehr in Betracht.

Begriff der straflosen Nachtat

Als straflose Nachtat gelten alle Handlungen, die nach vollständiger Beendigung der Tat vorgenommen werden, ohne selbst einen weiteren Straftatbestand zu erfüllen. Klassische Beispiele sind reine Hilfeleistungen zur Beseitigung von Spuren oder zum Verbergen des Täters, sofern diese keinen eigenen Straftatbestand wie Begünstigung oder Strafvereitelung erfüllen.

Strafrechtliche Behandlung der Nachtat

Teleologische Reduktion und Schutzrichtung

Der Gesetzgeber möchte verhindern, dass Personen für Verhalten bestraft werden, welches erst nach Abschluss der Haupttat und ohne eigenständigen Unrechtsgehalt erfolgt. Die Strafbarkeit endet deshalb mit der rechtlichen Beendigung der Tat. So soll sich der Strafanspruch des Staates nicht unbegrenzt auf nachgelagerte Abläufe erstrecken, die nicht mehr unter die Schutzzwecke des jeweiligen Straftatbestands fallen.

Grundsatz der straflosen Nachtat

Eine Strafbarkeit für nachträgliche Handlungen scheidet immer dann aus, wenn:

  1. Die Haupttat in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht abgeschlossen ist,
  2. die betreffende Handlung erst danach vorgenommen wird und
  3. kein eigenständiger Straftatbestand erfüllt ist.

Ausnahmen: Typische Nachtatdelikte

Nicht selten erfüllen Nachtathandlungen aber eigenständige Delikte. Prominente Beispiele sind:

Begünstigung (§ 257 StGB): Wer einem anderen nach dessen begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet, kann selbstständig nach § 257 StGB bestraft werden.
Strafvereitelung (§ 258 StGB): Das vorsätzliche Vereiteln einer Strafverfolgung einschlägiger Straftaten bildet ebenfalls eine eigenständige Strafbarkeit.
* Hehlerei (§ 259 StGB): Der Erwerb oder die Verwertung von Sachen aus Straftaten ist ebenfalls eigenständig strafbar.

Handelt es sich stattdessen um Verhaltensweisen, die keinen dieser Tatbestände erfüllen (etwa bloßes Schweigen oder nichtstrafbares Beräumen von Tatspuren), liegt eine straflose Nachtat vor.

Praktische Bedeutung der straflosen Nachtat

Abgrenzung in der Praxis

Die Unterscheidung zwischen Teilnahme (Anstiftung, Beihilfe) und Nachtathandlung ist in der Praxis häufig schwierig. Beispielhaft kann das Verbergen eines Diebes durch einen Freund nach der Tat als straflose Nachtat gelten, sofern dies keine Strafvereitelung oder Begünstigung begründet. Werden jedoch Handlungen bereits während der Tatausführung oder im Zuge der unmittelbaren Vollendung unternommen, ist regelmäßig von einer (auch strafbaren) Beihilfe auszugehen.

Bedeutung für Mittäter und Gehilfen

Für Mittäter und Gehilfen ist für den Zeitpunkt der Tatbeendigung entscheidend, wann ihre Mitwirkungshandlung endet. Findet die Beihilfehandlung nach der Beendigung der Haupttat statt, entfällt in der Regel eine Teilnahme am Hauptdelikt.

Relevanz für das Strafprozessrecht

Die straflose Nachtat hat Bedeutung etwa bei der Abgrenzung zwischen Strafprozesshandlung und eigenständigem Delikt. So ist beispielsweise das Zurückhalten von Informationen im Rahmen eines Zeugenvernehmung nach Beendigung der ursprünglichen Straftat grundsätzlich straffrei, sofern keine Strafvereitelung oder Falschaussage vorliegt.

Verhältnis zu anderen Rechtsbegriffen

Abgrenzung zur Beihilfe zur Nachtat

Eine Beihilfe zur Nachtat ist mangels Teilnahme am Hauptdelikt regelmäßig nicht strafbar. Das deutsche Strafrecht sieht keinen gesonderten Straftatbestand für Beihilfehandlungen nach Vollendung oder Beendigung der Tat vor.

Nachtat im Bereich der Vermögensdelikte

Bei Vermögensdelikten, etwa dem Diebstahl, kommt es besonders auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Zueignung und das Absetzen der Beute an. Nachtatverhalten wie das Verwahren oder Weitergeben gestohlener Sachen ist mitunter eigenständig als Hehlerei (§ 259 StGB) oder Begünstigung (§ 257 StGB) strafbar.

Streitstände und Kritik

In der Strafrechtswissenschaft existieren unterschiedliche Auffassungen zur genauen zeitlichen Abgrenzung zwischen Tat und Nachtat. Teilweise wird rechtlich zwischen Vollendung und Beendigung differenziert. Der maßgebliche Zeitpunkt ist grundsätzlich die sogenannte Beendigung der Tat, d.h. der Zeitpunkt, in dem der Täter keine weiteren Tathandlungen mehr vornimmt und die Tatbestandsverwirklichung endgültig abgeschlossen ist.

Literaturhinweise und weiterführende Informationen

Für die weitergehende Beschäftigung mit dem Thema straflose Nachtat bieten sich die Kommentierungen im Strafgesetzbuch sowie Standardwerke zum Allgemeinen und Besonderen Teil des Strafrechts an, beispielsweise:

  • Joecks, Strafgesetzbuch, AT, Kommentar
  • Fischer, StGB, Kommentar
  • Lackner/Kühl, StGB, Kommentar

Zusätzlich stellen wissenschaftliche Aufsätze und monografische Bearbeitungen zur Teilnahme, zum Nachtatgeschehen und zur dogmatischen Systematik der Nachtathandlungen eine vertiefende Lektüre dar.


Zusammenfassend beschreibt die straflose Nachtat im deutschen Strafrecht nachgelagerte Handlungen, die keinen eigenständigen Straftatbestand erfüllen und von der Strafbarkeit ausgenommen bleiben. Die genaue Abgrenzung zwischen noch tatbezogenen Handlungen, strafbarer Teilnahme sowie grundsätzlich straflosen Nachtathandlungen ist für eine rechtskonforme Bewertung im Einzelfall von großer Bedeutung.

Häufig gestellte Fragen

Wann liegt eine straflose Nachtat im strafrechtlichen Sinn vor?

Eine straflose Nachtat liegt vor, wenn nach einer bereits abgeschlossenen Haupttat weitere Handlungen vorgenommen werden, die zwar mit der Vortat in einem Zusammenhang stehen, aber nicht mehr unter den Straftatbestand der Haupttat fallen und für sich genommen nicht strafbar sind. Solche Handlungen können beispielsweise das Beiseiteschaffen oder Verbergen von Tatwerkzeugen oder die Vernichtung von Spuren sein, sofern dies nicht im Rahmen eines eigenständigen Deliktstatbestands, wie etwa der Strafvereitelung (§ 258 StGB) oder Begünstigung (§ 257 StGB), erfasst ist. Entscheidend ist, dass diese Nachtathandlungen nach der vollständigen rechtlichen Beendigung der Haupttat erfolgen und weder als Beihilfe noch als Täterschaft oder Teilnahme zu qualifizieren sind. Das Strafrecht zieht hier eine Grenze, um eine unangemessene Ausweitung der Strafbarkeit zu verhindern; Nebentaten sollen nicht pauschal zur strafrechtlichen Verantwortung für die Haupttat führen.

Inwiefern unterscheidet sich eine straflose Nachtat von einer strafbaren Nachtat?

Die Abgrenzung zwischen strafloser und strafbarer Nachtat ist von großer Bedeutung im Strafrecht. Während straflose Nachtaten Tätigkeiten sind, die zwar im Zusammenhang mit einer Straftat stehen, aber keinen eigenen Straftatbestand erfüllen, handelt es sich bei strafbaren Nachtaten regelmäßig um Handlungen, die den Tatbestand eines neuen Delikts begründen. Beispielhaft ist das Verwahren der Beute nach einem Diebstahl zunächst eine straflose Nachtat; transportiert der Täter die Beute jedoch weiter, um sie zu veräußern, kann dies eine Hehlerei nach § 259 StGB darstellen. Ebenso kann das Vernichten von Beweismitteln nicht nur eine straflose Nachtat sein, sondern im Einzelfall eine Strafvereitelung oder Urkundenunterdrückung (§ 274 StGB). Die Beurteilung hängt stets vom Vorliegen eines spezifischen Straftatbestands ab, und die Rechtsprechung verlangt eine präzise Prüfung des mutmaßlichen Unrechtsgehalts der jeweiligen Handlung.

Welche rechtlichen Folgen hat eine straflose Nachtat für die Beteiligten?

Straflose Nachtaten haben für die Beteiligten grundsätzlich keine unmittelbaren strafrechtlichen Konsequenzen. Wer beispielsweise nach Abschluss eines Diebstahls die Beute an einem anderen Ort versteckt, ohne dabei einen neuen Straftatbestand zu verwirklichen, bleibt mangels einschlägigen Tatbestands straflos. Dies gilt jedoch nur, solange keine anderen Vorschriften verletzt werden, wie etwa das Strafgesetzbuch (StGB) in Bezug auf strafbare Nachtathandlungen. Zivilrechtliche oder verwaltungsrechtliche Konsequenzen können allerdings davon unberührt bleiben. Im Rahmen der Strafzumessung kann eine straflose Nachtat unter Umständen als Indiz für die kriminelle Energie des Täters eine Rolle spielen, ohne jedoch eigenständig strafbar zu sein.

Wann ist die Grenze zwischen Tatbeendigung und strafloser Nachtat erreicht?

Die Unterscheidung zwischen Beendigung der Haupttat und Beginn der straflosen Nachtat ist aus rechtsdogmatischer Sicht wesentlich. Die Tat ist dann beendet, wenn das angestrebte Ziel des Täters aus seiner Sicht erreicht ist – etwa, wenn beim Diebstahl die Sache dauerhaft in den Gewahrsam des Täters gelangt ist. Handlungen nach der Tatbeendigung, die nicht mehr auf den Erfolg der Vortat gerichtet sind, sondern etwa der Sicherung oder Nutzbarmachung des Erlangten dienen, sind nur dann strafbar, wenn ein spezieller Straftatbestand dies vorsieht. Die Rechtsprechung differenziert hier genau, um den materiellen Unrechtsgehalt und die Gefahr für Rechtsgüter richtig einzuordnen.

Welche Beispiele für straflose Nachtaten gibt es in der Praxis?

In der Praxis begegnet man straflosen Nachtaten insbesondere bei Diebstahls-, Betrugs- oder Untreuetaten. Beispiele sind das Vergraben gestohlener Gegenstände, das Verzehren oder Verbrauchen der Beute nach dem Diebstahl, das spätere Wegwerfen von Tatwerkzeugen, nachdem die Tat beendet wurde, oder das bloße Vorzeigen der Beute Freunden gegenüber, solange keine Hehlerei oder Begünstigung vorliegt. Ebenso ist das Umschmieden des Diebesguts zu einem Schmuckstück grundsätzlich straflos, wenn damit nicht der Straftatbestand der Hehlerei oder Verwertung widerrechtlich erlangter Vorteile erfüllt wird. Wichtig ist, dass sich diese Handlungen auf eine abgeschlossene und damit erledigte Straftat beziehen und keine weitere eigenständige Straftat begründet wird.

Unter welchen Umständen kann aus einer straflosen Nachtat doch eine Strafbarkeit entstehen?

Eine zunächst straflose Nachtat kann dann strafbar werden, wenn die Handlung einen eigenständigen Straftatbestand erfüllt. Beispielsweise wird das Verhindern der Auffindung von Diebesgut durch die Polizei dann strafbar, wenn es als Strafvereitelung nach § 258 StGB oder als Begünstigung nach § 257 StGB eingestuft wird. Ebenso kann die Zerstörung von Beweismitteln zu einer Urkundenunterdrückung führen. Besonders zu beachten ist, dass dies von den jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen abhängt. Wird die Handlung von Dritten oder vom Täter selbst begangen, ist zusätzlich zu prüfen, ob der Anwendungsbereich der jeweiligen Norm auf den Täter der Vortat erweitert werden kann, da gewisse Delikte – wie die Begünstigung – grundsätzlich keine Anwendung auf den Haupttäter finden („Täter-voraus“-Problem).

Welche Rolle spielen straflose Nachtaten bei der strafrechtlichen Bewertung von Mittätern oder Gehilfen?

Bei Mittätern und Gehilfen ist besonders zu differenzieren, ob deren Beteiligung bis zur Tatbeendigung reicht oder ob sie sich erst nachträglich an der Tat „beteiligen“. Handlungen, die erst nach Abschluss der Haupttat erfolgen, gelten grundsätzlich als straflose Nachtaten und können nicht rückwirkend als Beihilfe oder Mittäterschaft bewertet werden. Allerdings können Mitwirkende gegebenenfalls wegen eigenständiger Delikte wie Begünstigung oder Hehlerei belangt werden, soweit deren Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Grundsätzlich gilt jedoch, dass die Beihilfe oder Teilnahme vor oder während der Tatbegehung erfolgen muss; läuft sie erst nach Tatbeendigung, wird sie – mit Ausnahme ausdrücklich geregelter Fälle – grundsätzlich als straflose Nachtat behandelt.