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Nachschusspflicht


Begriff und rechtliche Grundlagen der Nachschusspflicht

Die Nachschusspflicht ist ein zentrales Konzept im deutschen Gesellschafts-, Genossenschafts- und Kapitalmarktrecht. Sie beschreibt die Verpflichtung von Gesellschaftern, Mitgliedern oder Anteilseignern, über die ursprünglich übernommenen Einlagen hinaus zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Ziel der Nachschusspflicht ist es, die Kapitalausstattung einer Gesellschaft oder Genossenschaft bei finanziellen Engpässen zu sichern. Rechtlich ist sie präzise geregelt und unterliegt spezifischen Voraussetzungen, Schranken und Ausgestaltungen, die je nach Rechtsform und vertraglicher Vereinbarung variieren.


Nachschusspflicht im Gesellschaftsrecht

Nachschusspflicht bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)

Nach dem GmbH-Gesetz (GmbHG) ist die Haftung der Gesellschafter grundsätzlich auf die Höhe ihrer Stammeinlagen beschränkt (§ 13 Abs. 2 GmbHG). Eine Nachschusspflicht besteht bei der GmbH nur, wenn sie im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich vorgesehen ist (§ 26 GmbHG). Dabei müssen die Bedingungen der Nachschusspflicht hinsichtlich Umfang, Voraussetzungen und Fälligkeit klar im Gesellschaftsvertrag geregelt sein. Fehlt eine solche Regelung, sind die Gesellschafter nicht verpflichtet, weitere Einlagen zu leisten.

Grenzen und Modifikationen

Die Nachschusspflicht in der GmbH ist weder gesetzlich zwingend vorgeschrieben noch darf sie unbegrenzt auferlegt werden. Vielmehr muss der Gesellschaftsvertrag die Höhe oder zumindest die Berechnungsgrundlage der Nachschüsse klar definieren. Eine völlig unbegrenzte Nachschusspflicht wäre aus Gründen des Gläubigerschutzes und der Kalkulierbarkeit für den Gesellschafter unwirksam.

Nachschusspflicht bei der offenen Handelsgesellschaft (OHG) und Kommanditgesellschaft (KG)

Bei Personengesellschaften wie der OHG besteht bereits nach gesetzlicher Konzeption eine unbeschränkte Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (§§ 128 ff. HGB). Eine explizite Nachschusspflicht ist insoweit nicht erforderlich, da Gesellschafter ohnehin mit ihrem gesamten Vermögen haften.

In der KG trifft den Komplementär eine ähnliche unbeschränkte Haftung. Der Kommanditist haftet hingegen lediglich bis zur Höhe seiner Einlage (§ 171 HGB). Der Gesellschaftsvertrag kann jedoch für die Kommanditisten eine darüberhinausgehende Nachschusspflicht vorsehen, sofern dies transparent und eindeutig geregelt wird.

Nachschusspflicht bei der Aktiengesellschaft (AG)

Das Aktiengesetz (AktG) schließt die Möglichkeit einer Nachschusspflicht ausdrücklich aus. Aktionäre sind mit der Übernahme der Aktienzahlungspflicht von weiteren Nachforderungen befreit (§ 54 Abs. 1 AktG). Damit dient das Verbot der Nachschusspflicht dem Schutz der Aktionäre und der Attraktivität der Aktiengesellschaft als Investmentform.


Nachschusspflicht im Genossenschaftsrecht

Rechtliche Ausgestaltung

Nach der gesetzlichen Regelung des Genossenschaftsgesetzes (GenG) kann für Genossenschaftsmitglieder eine Nachschusspflicht vereinbart werden (§ 22 GenG). Die konkrete Ausgestaltung muss in der Satzung niedergelegt sein. Wesentliche Angaben hierzu sind die Berechnungsbasis, der Höchstbetrag und die Fälligkeitsregelungen.

Grenzen und Ausnahmen

Die Satzung kann eine unbegrenzte oder auf einen Höchstbetrag limitierte Nachschusspflicht anordnen. Eine Erhöhung der Nachschusspflicht erfordert die Zustimmung der Mitglieder und wirkt sich regelmäßig auf die Mitgliedschaftsbedingungen aus. Mitglieder, die vor der Erhöhung eintraten, werden durch Übergangsvorschriften oder durch Sonderkündigungsrechte geschützt.


Nachschusspflicht in der Praxis

Fälle der Inanspruchnahme

Nachschusspflichten werden typischerweise aktiviert, wenn das Eigenkapital zur Deckung der laufenden oder bevorstehenden Verbindlichkeiten nicht ausreicht, etwa bei Insolvenzreife oder bei unerwarteten Verlusten. Die Gesellschaft oder Genossenschaft fordert die Nachschüsse formell bei den Verpflichteten ein. Kommen diese ihrer Verpflichtung nicht nach, drohen ihnen rechtliche Konsequenzen wie Schadensersatzforderungen oder der Ausschluss aus der Gesellschaft bzw. Genossenschaft.

Wirtschaftliche und rechtliche Konsequenzen

Die Einforderung und Erbringung von Nachschüssen haben erhebliche Auswirkungen auf die Liquidität der Verpflichteten und können deren finanzielle Situation maßgeblich beeinflussen. Ob und in welchem Maße eine Nachschusspflicht besteht, ist vor allem für potenzielle Gesellschafter, Investoren oder Mitglieder bei der Beitrittsentscheidung von entscheidender Bedeutung.


Nachschusspflicht im Insolvenzrecht

Bedeutung im Insolvenzverfahren

Kommt es zur Insolvenz einer Gesellschaft oder Genossenschaft, können bestehende Nachschusspflichten der Mitglieder aktivierte Forderungen der Insolvenzmasse werden. Nachschüsse, die vor Insolvenzeröffnung gezahlt wurden, sind nach dem Insolvenzanfechtungsrecht nur in wenigen Ausnahmefällen rückforderbar. Der Insolvenzverwalter ist berechtigt, die offenen Nachschüsse zur Masse einzuziehen, sofern und soweit eine Nachschusspflicht besteht und nicht bereits erfüllt ist.

Gläubigerschutz

Die Nachschusspflicht dient aus insolvenzrechtlicher Sicht zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger. Sie stärkt die Eigenkapitalbasis im Krisenfall und erhöht die Befriedigungsaussichten der Gläubiger.


Nachschusspflicht – Grenzen und Ausschluss

Gesetzliche und vertragliche Schranken

Nachschusspflichten dürfen die Dispositionsfreiheit der Gesellschafter und Mitglieder nicht unverhältnismäßig beeinträchtigen. Soweit das Gesetz eine Nachschusspflicht nicht vorsieht (wie bei der AG oder der UG), kann eine vertragliche Vereinbarung keine Wirksamkeit entfalten. Auch für Gesellschaften, bei denen die Nachschusspflicht vertraglich zulässig ist, gilt, dass sie nicht gegen zwingende gesetzliche Regelungen oder die guten Sitten (§ 138 BGB) verstoßen darf.

Ausschluss und Begrenzung

Ein wirksam vereinbarter Ausschluss der Nachschusspflicht hat Vorrang. Gesellschafter oder Mitglieder haften dann ausschließlich mit den vereinbarten Einlagen oder Anteilen. In der Praxis ist der Ausschluss insbesondere bei Investoren von Bedeutung, die ihre Haftung nicht über das eingebrachte Kapital hinaus ausdehnen möchten.


Nachschusspflicht – Überblick und Zusammenfassung

Die Nachschusspflicht stellt ein bedeutendes Werkzeug zur Sicherung der Kapitalbasis von Gesellschaften und Genossenschaften dar und adressiert das Bedürfnis nach finanzieller Stabilität im Krisenfall. Ihre rechtliche Ausgestaltung ist komplex und variiert je nach Gesellschaftsform, individueller Satzung oder Gesellschaftsvertrag. Für potenzielle Gesellschafter, Investoren oder Mitglieder ist eine genaue Prüfung der jeweiligen Regelungen essenziell, um das Haftungsrisiko und die finanziellen Konsequenzen vollumfänglich zu erfassen. Die Nachschusspflicht verbindet damit wirtschaftliche Interessen der Gesellschaftsgläubiger mit den Haftungsgrenzen der Mitglieder und Gesellschafter und erfordert eine sorgfältige vertragliche und gesetzliche Handhabung.

Häufig gestellte Fragen

In welchen Gesellschaftsformen kann eine Nachschusspflicht grundsätzlich bestehen?

Die Nachschusspflicht ist vor allem im Gesellschaftsrecht relevant und kann insbesondere bei Personengesellschaften wie der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), der offenen Handelsgesellschaft (OHG) und der Kommanditgesellschaft (KG) auftreten. Auch bei juristischen Personen wie der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) kann eine Nachschusspflicht in den Gesellschaftsverträgen vorgesehen werden. Im Aktienrecht hingegen ist die Nachschusspflicht ausgeschlossen. Die genaue Ausgestaltung sowie das Entstehen einer Nachschusspflicht hängen maßgeblich vom jeweiligen Gesellschaftsvertrag ab, der diese ausdrücklich anordnen muss, sofern sie nicht bereits gesetzlich vorgesehen ist. Besteht keine Regelung im Gesellschaftsvertrag, ist eine Nachschusspflicht in der Regel ausgeschlossen. Bei der GmbH etwa sieht § 26 GmbHG vor, dass Nachschüsse nur verlangt werden können, wenn der Gesellschaftsvertrag dies bestimmt. Im Unterschied dazu ergibt sich die persönliche Haftung der Gesellschafter in der OHG bereits aus dem Gesetz.

Wer kann die Nachschusspflicht im Falle einer Gesellschaft einfordern?

Einforderungsberechtigt ist in aller Regel die Gesellschaft selbst, vertreten durch ihre jeweiligen Organe – in der GmbH beispielsweise die Geschäftsführung, in der OHG oder GbR die geschäftsführenden Gesellschafter. Die Einforderung erfolgt regelmäßig durch einen entsprechenden Beschluss der Gesellschafterversammlung, sofern dies nicht anders im Gesellschaftsvertrag geregelt ist. Gläubiger der Gesellschaft können Nachschüsse demgegenüber nicht direkt verlangen, sondern lediglich die Gesellschaft auf Leistung aus dem Nachschuss auffordern, wenn und soweit diese sich hierzu verpflichtet hat. In der Insolvenz kann jedoch der Insolvenzverwalter Nachschüsse gegenüber den Gesellschaftern geltend machen, soweit dies nach Vertrag und Gesetz zulässig ist.

In welchem Umfang und unter welchen Bedingungen kann eine Nachschusspflicht entstehen?

Der Umfang der Nachschusspflicht ist grundsätzlich durch den Gesellschaftsvertrag bestimmt. Hierin können Höchstbeträge (Deckelung), wiederholte Nachschusspflichten oder auch unbegrenzte Nachschusspflichten geregelt sein. Bei der GmbH etwa darf die Höhe der Nachschüsse gemäß § 26 Absatz 1 GmbHG entweder durch eine absolute Summe oder eine bestimmte Berechnungsmethode bestimmt werden. Ist dies im Vertrag nicht konkret geregelt, sind Nachschüsse unbegrenzt zulässig – sie können aber durch Mehrheitsbeschluss nur in dem Rahmen verlangt werden, wie im Gesellschaftsvertrag festgelegt. Bedingungen für das Entstehen einer Nachschusspflicht können etwa eine drohende Zahlungsunfähigkeit oder die Deckung außerordentlicher Verluste sein. Es sind stets die gesellschaftsvertraglichen Formalien und Mehrheiten zu berücksichtigen.

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen, wenn ein Gesellschafter seiner Nachschusspflicht nicht nachkommt?

Kommt ein Gesellschafter einer wirksam eingeforderten Nachschusspflicht nicht nach, kann dies unterschiedliche rechtliche Folgen haben. Zum einen kann die Gesellschaft den säumigen Gesellschafter auf Zahlung verklagen. Zum anderen kann der Gesellschaftsvertrag Sanktionen vorsehen, etwa Ausschluss des Gesellschafters, Zwangseinziehung dessen Anteils oder Ausschluss von der Stimmrechtsausübung. Bei der GmbH ist zudem eine Verzugszinsenpflicht ausdrücklich in § 27 GmbHG geregelt. Im Insolvenzfall kann der Insolvenzverwalter die offenen Nachschüsse einklagen, um die Forderungen der Gläubiger zu decken. Rechtlich ist hierbei stets auf die Einhaltung von Fristen und etwaigen Formvorschriften zu achten.

Besteht eine Nachschusspflicht auch nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters?

Die Nachschusspflicht kann unter bestimmten Voraussetzungen auch nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters fortwirken, insbesondere für Verbindlichkeiten, die bis zum Zeitpunkt seines Ausscheidens begründet wurden. Dies ist vor allem in Personengesellschaften von Bedeutung, wo der ausscheidende Gesellschafter gemäß § 160 HGB für Altschulden haftet. Im Gesellschaftsvertrag kann eine nachträgliche Nachschusspflicht im Regelfall ausgeschlossen werden; ansonsten ist sie möglich, sofern sie vertraglich geregelt ist. Die individuellen Regelungen sind im Einzelfall maßgeblich zu prüfen.

Kann eine Nachschusspflicht durch Gesellschafterbeschluss herbeigeführt werden?

Eine Nachschusspflicht kann grundsätzlich nur dann durch Gesellschafterbeschluss eingeführt werden, wenn der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht. Fehlt eine entsprechende Regelung, bedarf es einer Änderung des Gesellschaftsvertrags, was regelmäßig einer qualifizierten Mehrheit, oder – je nach Gesellschaftsform – sogar der Einstimmigkeit bedarf. Lediglich in Ausnahmefällen kann eine gesetzliche Nachschusspflicht zur Anwendung kommen, etwa bei Verlustdeckungspflichten in bestimmten Gesellschaftsformen. Eine Neueinführung oder Erweiterung der Nachschusspflicht ist stets an den Willen und die Zustimmung der Gesellschafter gebunden und kann nicht einseitig beschlossen werden.