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Nachlassschulden


Nachlassschulden – Definition, rechtliche Einordnung und Bedeutung im Erbrecht

Begriff und rechtliche Definition der Nachlassschulden

Nachlassschulden sind im deutschen Erbrecht ein zentraler Begriff und bezeichnen sämtliche Verbindlichkeiten, für die der Erbe mit dem gesamten Nachlass und gegebenenfalls auch mit seinem eigenen Vermögen haftet. Der Begriff ist in § 1967 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt. Nachlassschulden sind ein maßgebliches Kriterium bei der Berechnung und Auseinandersetzung des Nachlasses sowie bei Erbauseinandersetzungen. Sie beeinflussen die Höhe des zu vererbenden Nachlassvermögens und spielen eine entscheidende Rolle bei der Haftungsfrage des oder der Erben.

Abgrenzung und Arten der Nachlassschulden

Erblasserschulden

Zu den Nachlassschulden gehören zunächst die sogenannten Erblasserschulden. Dies sind solche Verpflichtungen, die der Erblasser zu Lebzeiten eingegangen ist. Hierzu zählen beispielsweise:

  • Offene Forderungen aus Verträgen (z.B. Kaufverträge, Mietverträge)
  • Hypothekenschulden und Grundpfandrechte
  • Steuerschulden (z.B. Einkommenssteuer, Grundsteuer)
  • Nicht erfüllte Unterhaltspflichten

Diese Schulden gehen nach dem Todesfall direkt auf den Erben über, der sie zusammen mit dem Nachlassvermögen zu begleichen hat.

Erbfallschulden

Daneben existieren die sogenannten Erbfallschulden. Hierbei handelt es sich um Verbindlichkeiten, die erst durch den Tod des Erblassers und den Eintritt des Erbfalls begründet werden. Zu den Erbfallschulden zählen insbesondere:

  • Pflichtteilsansprüche (§§ 2303 ff. BGB)
  • Vermächtnisse (§§ 2147 ff. BGB)
  • Auflagen und sonstige testamentarisch oder gesetzlich angeordnete Leistungen
  • Beerdigungskosten (§ 1968 BGB)

Diese Verpflichtungen entstehen unmittelbar durch das Erbrecht oder durch letztwillige Verfügungen des Erblassers.

Sonstige Nachlassverbindlichkeiten

Zu den Nachlassschulden zählt auch der Anspruch auf Erbschaftsherausgabe gemäß § 2018 BGB, sofern ein Erbe unrechtmäßig im Besitz von Nachlassgegenständen ist und diese herauszugeben hat. Auch unter bestimmten Umständen können Pflegekosten oder weitere Verbindlichkeiten als Nachlassschulden eingeordnet werden, wenn sie im Zusammenhang mit dem Nachlass stehen.

Haftung des Erben für Nachlassschulden

Grundsatz der unbeschränkten Erbenhaftung

Mit Annahme der Erbschaft tritt der Erbe in sämtliche Rechte und Pflichten des Erblassers ein (§ 1922 BGB). Grundsätzlich haftet er für Nachlassschulden unbeschränkt, d.h. sowohl mit dem Nachlass als auch mit seinem eigenen Vermögen. Es bestehen jedoch verschiedene Möglichkeiten, die Haftung auf den Nachlass zu beschränken.

Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten

Erben können ihre Haftung beschränken, um eine Inanspruchnahme des eigenen Vermögens zu vermeiden. Die wichtigsten Haftungsbeschränkungsinstrumente sind:

  • Nachlassverwaltung (§§ 1975 ff. BGB): Ein vom Nachlassgericht bestellter Nachlassverwalter reguliert alle Nachlassschulden innerhalb der Nachlassmasse; eine Inanspruchnahme des Erbenvermögens ist ausgeschlossen.
  • Nachlassinsolvenzverfahren (§§ 1980 ff. BGB): Reicht der Nachlass zur Begleichung der Schulden nicht aus, kann ein Insolvenzverfahren beantragt werden. Nach dessen Abschluss erlischt die persönliche Haftung des Erben.
  • Dürftigkeitseinrede (§ 1990 BGB): Ist der Nachlass unzureichend, um die Schulden zu decken, kann der Erbe die Befriedigung der Gläubiger verweigern, soweit der Nachlass nicht ausreicht.
  • Ausschlagung der Erbschaft (§§ 1942 ff. BGB): Innerhalb einer gesetzlichen Frist kann der Erbe die Erbschaft gänzlich ausschlagen und entgeht damit auch sämtlichen Nachlassverbindlichkeiten.

Nachlassschulden im Rahmen der Erbauseinandersetzung

Bedeutung für die Erbengemeinschaft

Bei einer Erbengemeinschaft haften alle Erben grundsätzlich gemeinschaftlich für die Nachlassverbindlichkeiten. Gläubiger können nach § 2058 BGB jeden Miterben für die vollständige Forderung in Anspruch nehmen. Im Innenverhältnis bestehen Ausgleichsansprüche unter den Miterben.

Auswirkung auf die Berechnung der Erbschaftssteuer

Nachlassschulden sind bei der Berechnung der Erbschaftssteuer abzugsfähig. Gemäß § 10 Abs. 5 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) mindern Nachlassverbindlichkeiten das steuerpflichtige Erwerbsvermögen.

Verjährung der Ansprüche im Zusammenhang mit Nachlassschulden

Ansprüche aus Nachlassschulden unterliegen grundsätzlich der regelmäßigen Verjährung nach den §§ 195 ff. BGB. Für einzelne Forderungen können abweichende Sonderfristen gelten. Die Verjährung beginnt mit dem Tod des Erblassers oder – im Fall der Erbfallschulden – mit der Entstehung des jeweiligen Anspruchs.

Fazit

Nachlassschulden sind ein integraler Bestandteil des deutschen Erbrechts. Sie umfassen sämtliche zum Zeitpunkt des Erbfalls bestehende Verbindlichkeiten des Erblassers sowie durch den Erbfall begründete Verpflichtungen. Die Haftung für Nachlassschulden kann für Erben weitreichende Konsequenzen haben; insbesondere besteht das Risiko, mit eigenem Vermögen für fremde Schulden einzustehen. Durch verschiedene Rechtsinstrumente kann die Haftung jedoch auf die sogenannte Erbmasse begrenzt werden. Eine genaue Kenntnis der rechtlichen Regelungen zu Nachlassschulden ist für eine sachgerechte Abwicklung und Auseinandersetzung von Erbfällen dabei unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Verpflichtungen haben Erben im Hinblick auf Nachlassschulden?

Erben treten nach deutschem Recht gemäß § 1922 BGB automatisch in sämtliche Rechte und Pflichten des Erblassers ein. Das bedeutet, dass sie für alle Nachlassschulden haften, die zum Zeitpunkt des Erbfalls bestehen oder sich daraus ergeben. Die Haftung der Erben für Nachlassverbindlichkeiten ist grundsätzlich unbeschränkt, das heißt, sie sind sowohl mit dem Nachlass als auch mit ihrem eigenen Vermögen verpflichtet, die Schulden zu begleichen. Allerdings besteht die Möglichkeit, die Haftung auf den Nachlass zu beschränken, etwa durch die Beantragung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens gemäß §§ 1975 ff. BGB. Der Erbe kann die Erbschaft gemäß § 1942 BGB auch ausschlagen, um eine Haftung für Nachlassschulden zu vermeiden. Versäumt er jedoch die Ausschlagungsfrist von sechs Wochen, wird die Erbschaft verbindlich angenommen, mitsamt aller damit verbundenen Verbindlichkeiten.

Wie können Erben prüfen, welche Nachlassschulden bestehen?

Erben haben ein berechtigtes Interesse daran, sich einen Überblick über die Nachlassverbindlichkeiten zu verschaffen. Sie sind berechtigt, bei Kreditinstituten, Gläubigern und öffentlichen Stellen Auskünfte über offene Forderungen des Erblassers einzuholen. In vielen Fällen empfiehlt es sich, ein Nachlassverzeichnis gemäß § 1993 BGB anzufertigen, in dem sämtliche Aktiv- und Passivwerte des Nachlasses aufgeführt werden. Teilweise besteht sogar eine Verpflichtung zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses, insbesondere gegenüber Pflichtteilsberechtigten oder Testamentsvollstreckern. Bestehen Unsicherheiten bezüglich verborgener oder unbekannter Schulden, kann beim Nachlassgericht eine Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz beantragt werden, wodurch der Nachlass gesichert und die Haftung auf den Nachlass beschränkt werden kann.

Was passiert, wenn während der Nachlassabwicklung weitere Schulden bekanntwerden?

Werden nach Annahme der Erbschaft bislang unbekannte Nachlassschulden bekannt, haften die Erben grundsätzlich weiterhin dafür. Sie müssen auch diese Forderungen begleichen, es sei denn, sie haben bereits Maßnahmen zur Haftungsbeschränkung ergriffen, beispielsweise die Nachlassverwaltung oder das Nachlassinsolvenzverfahren beantragt. Die Antragsfrist für das Nachlassinsolvenzverfahren ergibt sich aus § 1980 BGB und sollte unverzüglich gestellt werden, sobald die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Nachlasses absehbar ist. Unterlassen es die Erben schuldhaft, das Verfahren rechtzeitig einzuleiten, haften sie selbst für die daraus entstehenden Schäden, auch mit ihrem Privatvermögen.

Wie kann die persönliche Haftung der Erben für Nachlassschulden ausgeschlossen oder beschränkt werden?

Um die persönliche Haftung für Nachlassschulden zu vermeiden oder einzuschränken, stehen Erben verschiedene rechtliche Möglichkeiten offen. Die umfassendste Option ist die Ausschlagung der Erbschaft innerhalb der gesetzlichen Frist (§§ 1942 ff. BGB), wodurch die Erbschaft insgesamt entfällt. Alternativ kann der Erbe die Haftung durch sog. Nachlassverwaltung (§§ 1975 ff. BGB) auf den Wert des Nachlasses beschränken. Dabei übernimmt ein vom Nachlassgericht eingesetzter Nachlassverwalter die Verwaltung und Begleichung der Verbindlichkeiten. Ist der Nachlass überschuldet oder zahlungsunfähig, kann die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens gemäß § 1980 BGB beantragt werden. In beiden Fällen haften die Erben dann nicht mehr mit ihrem Privatvermögen, sondern ausschließlich der Nachlass dient zur Befriedigung der Gläubiger.

Welche Besonderheiten bestehen bei Nachlassschulden aus Steuerschulden?

Steuerschulden des Erblassers gelten rechtlich als Nachlassverbindlichkeiten und fallen ebenso wie andere Verbindlichkeiten in die Haftung der Erben. Das Finanzamt kann offene Steuerforderungen – etwa aus Einkommen-, Umsatz- oder Erbschaftsteuer – beim Erben geltend machen (§ 45 AO). Besonders problematisch ist, dass Steuerforderungen auch rückwirkend noch festgesetzt oder erhöht werden können, beispielsweise im Rahmen einer Steuerprüfung oder durch das Bekanntwerden neuer Tatsachen. Erben haben daher eine besondere Pflicht zur sorgfältigen Aufklärung steuerlicher Angelegenheiten des Erblassers und ggf. zur Abgabe von Steuererklärungen. Auch hier kann die Haftung auf den Nachlass begrenzt werden, sofern rechtzeitig Maßnahmen wie Nachlassverwaltung oder Insolvenz beantragt werden.

Was geschieht bei überschuldetem Nachlass?

Ist der Nachlass überschuldet, also übersteigen die Verbindlichkeiten den Wert der Nachlassaktiva, sollten Erben umgehend überlegen, ob sie die Erbschaft ausschlagen (§§ 1942 ff. BGB), da sie sonst mit ihrem eigenen Vermögen für die Schulden des Erblassers haften. Versäumen sie die Ausschlagung und nehmen die Erbschaft an, besteht die Möglichkeit, die Haftung durch Nachlassverwaltung (§ 1975 BGB) oder Nachlassinsolvenz (§ 1980 BGB) auf den Nachlass zu begrenzen. Versäumen die Erben die rechtzeitige Beantragung, können sie persönlich haftbar gemacht werden. Außerdem sind sie verpflichtet, die Gläubiger gleichmäßig zu befriedigen; eine Bevorzugung einzelner Gläubiger kann zu einer persönlichen Haftung führen.

Welche Fristen müssen im Zusammenhang mit Nachlassschulden beachtet werden?

Die zentrale Frist im Zusammenhang mit Nachlassschulden ist die für die Ausschlagung der Erbschaft: Diese beträgt gemäß § 1944 BGB sechs Wochen ab Kenntnis des Erbfalls und des Berufungsgrunds, bei Auslandsbezug sechs Monate. Versäumt der Erbe diese Frist, gilt die Erbschaft als angenommen. Für die Beantragung der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens sieht das Gesetz keine starren Fristen vor, jedoch muss der Antrag „unverzüglich“ gestellt werden, sobald Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung erkennbar wird (§ 1980 BGB). Die Nichteinhaltung kann sonst zu einer persönlichen Haftung führen. Darüber hinaus gelten allgemeine Verjährungsregeln für Forderungen der Nachlassgläubiger, meist drei Jahre nach § 195 BGB; im Einzelfall können aber abweichende Regelungen bestehen.