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Nachlasssachen


Begriff und rechtliche Einordnung der Nachlasssachen

Nachlasssachen sind ein zentraler Begriff im deutschen Erbrecht und bezeichnen alle gerichtlichen Angelegenheiten, die im Zusammenhang mit dem Nachlass einer verstorbenen Person stehen. Die maßgeblichen Regelungen ergeben sich insbesondere aus dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), dort im Siebten Buch (§§ 342-492 FamFG). Nachlasssachen umfassen sämtliche rechtlichen Fragestellungen und Verfahren, welche die Feststellung des Nachlasses, dessen Verwaltung, Auseinandersetzung, Erbfolge sowie die Erteilung von Nachlasszeugnissen betreffen.

Gesetzliche Grundlagen

Die Nachlasssachen sind im deutschen Recht umfangreich durch das FamFG geregelt. Konkret finden sich die relevanten Vorschriften in den §§ 342 ff. FamFG. Die Gerichte entscheiden in Nachlasssachen als Nachlassgerichte, deren Zuständigkeit sich nach § 343 FamFG primär am letzten gewöhnlichen Aufenthalt der verstorbenen Person richtet.

Inhaltliche Abgrenzung und Umfang der Nachlasssachen

Nachlasssachen im Sinne des FamFG sind Verfahren, deren Gegenstand die Feststellung und Abwicklung von Rechten und Pflichten im Zusammenhang mit dem Nachlass einer verstorbenen Person darstellen. Hierzu zählen unter anderem:

  • Die Feststellung der Erben (Erbenfeststellung)
  • Die Erteilung von Erbscheinen und Testamentsvollstreckerzeugnissen
  • Sicherungsmaßnahmen für den Nachlass
  • Die Anordnung der Nachlassverwaltung oder Testamentsvollstreckung
  • Entgegennahme und Prüfung von Erbausschlagungen
  • Die Eröffnung von letztwilligen Verfügungen
  • Anordnungen zur Nachlasspflegschaft
  • Maßnahmen zur Auseinandersetzung des Nachlasses

Nachlassgericht und seine Aufgaben

Das Nachlassgericht ist das zuständige Amtsgericht, das in Nachlasssachen Entscheidungen trifft. Zentrale Aufgabenbereiche des Nachlassgerichts sind unter anderem:

  • Aufbewahrung und Eröffnung von Testamenten und Erbverträgen
  • Ausstellung von Erbscheinen, Testamentsvollstreckerzeugnissen und Europäischem Nachlasszeugnis
  • Anordnung von Sicherungsmaßnahmen, z. B. Nachlasssiegel, Nachlasspflegschaft
  • Prüfung und Entgegennahme von Erbausschlagungen

Das Nachlassgericht entscheidet im Rahmen des sogenannten Freiwilligen Gerichtsbarkeit (FAMFG), bei der es nicht um streitige gerichtliche Verfahren, sondern um Feststellungs- und Verwaltungsverfahren geht.

Abgrenzung zu anderen Verfahren

Nachlasssachen sind abzugrenzen von den streitigen erbrechtlichen Verfahren, beispielsweise Erbenstreitigkeiten (etwa über die Wirksamkeit eines Testaments) oder Klagen auf Erbenfeststellung, die vor den ordentlichen Zivilgerichten (Zivilprozessordnung, ZPO) geführt werden.

Verfahrensarten in Nachlasssachen

Das Erbscheinsverfahren

Das Verfahren zur Erteilung eines Erbscheins ist der häufigste Anwendungsfall in Nachlasssachen. Der Erbschein dient als amtlicher Nachweis der Erbenstellung und wird vom Nachlassgericht nach Prüfung der Erbenstellung erteilt (§ 2353 BGB, §§ 352-353 FamFG). Hierzu prüft das Gericht, wer Erbe oder mögliche Miterben sind, ob Testamente oder Erbverträge existieren und ob Erbausschlagungen vorliegen.

Nachlasspflegschaft

Eine Nachlasspflegschaft wird vom Nachlassgericht angeordnet, wenn kein Erbe vorhanden oder auffindbar ist bzw. wenn ein Sicherungsinteresse besteht (§ 1960 BGB, § 342 FamFG). Der Nachlasspfleger übernimmt die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses bis zur Feststellung der Erben.

Nachlassverwaltung

Die Nachlassverwaltung kann auf Antrag eines Nachlassgläubigers oder Erben angeordnet werden (§§ 1975-1982 BGB; §§ 353-359 FamFG). Durch die Bestellung eines Nachlassverwalters wird der Nachlass separat von dem sonstigen Vermögen des Erben verwaltet und der Zugriff der Nachlassgläubiger auf den Nachlass gewährleistet.

Sicherungsmaßnahmen

Das Nachlassgericht kann zur Sicherung des Nachlasses verschiedene Maßnahmen treffen, wie die Anordnung eines Siegelvermerks, Inventaraufnahme oder die Bestellung eines Nachlasspflegers (§§ 1960-1962 BGB, §§ 342-345 FamFG).

Beteiligte im Nachlassverfahren

Erben und Miterben

Erben werden vom Nachlassgericht im Zuge des Nachlassverfahrens festgestellt. Miterben können ihre Rechte in Nachlasssachen gemeinsam oder einzeln wahrnehmen.

Nachlasspfleger und Nachlassverwalter

Nachlasspfleger und Nachlassverwalter werden vom Gericht bestellt und übernehmen spezifische Aufgaben bei der Sicherung bzw. Verwaltung des Nachlasses.

Gläubiger

Nachlassgläubiger können Ansprüche gegenüber dem Nachlass geltend machen und bestimmte Schritte (wie die Nachlassverwaltung) beantragen.

Weitere Beteiligte

Auch Pflichtteilsberechtigte, Vermächtnisnehmer und andere Berechtigte können im Nachlassverfahren eine Rolle spielen.

Internationale Aspekte der Nachlasssachen

Mit der europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) gelten in grenzüberschreitenden Erbfällen besondere Regelungen. Das Nachlassgericht prüft auch, ob internationale Zuständigkeiten und das anzuwendende Erbrecht zutreffen. In solchen Fällen kann das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ) ausgestellt werden.

Kosten und Gebühren in Nachlasssachen

Für die Verfahren in Nachlasssachen fallen gerichtliche Gebühren und Auslagen an, die sich primär nach dem Nachlasswert richten. Die entsprechenden Gebührentatbestände sind im Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) geregelt.

Rechtsschutz und Beschwerdemöglichkeiten

Beschlüsse des Nachlassgerichts in Nachlasssachen können durch die betroffenen Beteiligten mittels Beschwerde angefochten werden (§§ 58 ff. FamFG). Das Beschwerdegericht prüft die Entscheidung auf Rechtmäßigkeit.

Fazit

Nachlasssachen stellen eine zentrale Säule des deutschen Erbrechts dar. Sie erfassen alle gerichtlichen Maßnahmen zur Feststellung, Sicherung, Verwaltung und Auseinandersetzung des Nachlasses sowie zur Regelung der Erbnachfolge nach deutschem Recht. Die Verfahren sind im FamFG geregelt und von zentraler Bedeutung für die Umsetzung des letzten Willens, die Sicherung der Rechte aller Beteiligten und die tatsächliche Abwicklung des Nachlasses.

Die rechtlichen und verfahrensrechtlichen Anforderungen an Nachlasssachen sind komplex und dienen sowohl dem geordneten Vermögensübergang als auch dem Schutz der Nachlassbeteiligten und Dritter.

Häufig gestellte Fragen

Was versteht man unter der Eröffnung eines Testaments im Nachlassverfahren?

Nach dem deutschen Erbrecht ist die Testamentseröffnung ein förmlicher Akt, der die amtliche Bekanntgabe des Inhalts des Testaments oder sonstiger erbfolgerelevanter Urkunden nach dem Tod des Erblassers zum Gegenstand hat. Wenn ein Testament oder eine andere letztwillige Verfügung beim Nachlassgericht eingereicht oder vorgefunden wird, führt das Nachlassgericht gemäß § 348 FamFG die Eröffnung durch. Dies geschieht regelmäßig ohne Anwesenheit der Beteiligten. Das Nachlassgericht nimmt eine ausführliche Niederschrift des Urkundeninhalts auf, die sogenannten Eröffnungsniederschrift, und benachrichtigt sämtliche Beteiligte – das sind insbesondere die im Testament Bedachten sowie gesetzliche Erben und Pflichtteilsberechtigte – durch die Übersendung einer Abschrift dieses Schriftstücks. Ziel ist es sicherzustellen, dass alle potentiell betroffenen Personen, die Rechte aus der letztwilligen Verfügung beanspruchen können, zuverlässig über deren Inhalt informiert werden und ihre Rechte wahren können. Dies ist insbesondere auch deshalb bedeutsam, weil mit der wirksamen Eröffnung in vielen Fällen die für bestimmte erbrechtliche Ansprüche laufenden Fristen zu laufen beginnen.

Welche Aufgaben hat das Nachlassgericht im Rahmen des Nachlassverfahrens?

Das Nachlassgericht hat vielfältige Aufgaben, die sich im Wesentlichen aus der rechtlichen Sicherung und Verwaltung des Nachlasses ergeben. Es prüft, ob eine Verfügung von Todes wegen vorhanden ist und sorgt für deren amtliche Verwahrung sowie gegebenenfalls deren Eröffnung. Nach eingehender Prüfung erlässt es außerdem Nachlasszeugnisse wie Erbschein, Testamentsvollstreckerzeugnis oder europäisches Nachlasszeugnis, sofern der entsprechende Antrag vorliegt. Zu den Aufgaben gehört weiterhin die Aufnahme des Nachlassverzeichnisses sowie gegebenenfalls die Anordnung einer Nachlasspflegschaft, wenn keine offensichtlich berechtigten Erben vorhanden sind oder der Nachlass unklar ist und gesichert werden muss (§§ 1960, 1961 BGB). Das Gericht entscheidet auch über Anträge auf Nachlassverwaltung, Nachlassinsolvenz sowie über Beschwerden im Rahmen des Erbscheinsverfahrens. Das Nachlassgericht selbst betreibt keine eigenständigen Ermittlungen zur Erbfolge, sondern stützt sich auf die geltend gemachten Anträge und vorgelegten Unterlagen.

Wann und wie kann man einen Erbschein beim Nachlassgericht beantragen?

Der Erbschein dient dem Nachweis der Erbenstellung gegenüber Dritten und kann von jedem Erben beim zuständigen Nachlassgericht beantragt werden (§ 2353 BGB). Der Antrag kann persönlich oder schriftlich gestellt werden, erfordert jedoch in der Regel die öffentliche Beglaubigung der Unterschrift bzw. eine eidesstattliche Versicherung zur Richtigkeit der Angaben (§ 352 FamFG). Im Rahmen des Antrags sind unter anderem das Verwandtschaftsverhältnis, etwaige Ehe- oder Partnerschaften des Erblassers, der Sterbefall und die Kenntnis über vorhandene Testamente oder Ausschlagungen mitzuteilen. Dem Antrag sind relevante Urkunden, wie Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden, sowie die letztwilligen Verfügungen in Urschrift beizufügen. Das Nachlassgericht prüft die vorgelegten Unterlagen und gibt dem Antrag bei Vorliegen aller Voraussetzungen statt; es besteht kein Automatismsus zur Ausstellung des Erbscheins. Die Ausstellung kann insbesondere dann verweigert werden, wenn Zweifel an der Erbenstellung bestehen oder konkurrierende Anträge oder Streitigkeiten anhängig sind.

Welche Fristen gelten für die Ausschlagung einer Erbschaft?

Eine Erbschaft kann gemäß § 1944 Absatz 1 BGB innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis des Erbfalls und des Berufungsgrundes ausgeschlagen werden. Diese Frist beginnt für gesetzliche Erben ab dem Zeitpunkt, an dem sie von dem Anfall der Erbschaft und dem Grund ihrer Berufung erfahren (üblicherweise durch die Testamentseröffnung). Für Erben, die sich bei Fristbeginn im Ausland aufhalten oder wenn der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatte, verlängert sich die Ausschlagungsfrist auf sechs Monate. Die Ausschlagung muss gegenüber dem Nachlassgericht zur Niederschrift erklärt oder in öffentlich beglaubigter Form (notarielle Beurkundung) eingereicht werden (§ 1945 BGB). Nach Fristablauf gilt die Erbschaft als angenommen. Eine Fristverlängerung ist nur in Ausnahmefällen in Betracht zu ziehen, insbesondere wenn der Erbe trotz sorgfältiger Bemühungen keinen Zugang zu relevanten Informationen hatte.

Was ist eine Nachlasspflegschaft und wann wird sie angeordnet?

Eine Nachlasspflegschaft ist eine vom Nachlassgericht angeordnete vorläufige Sicherung und Verwaltung des Nachlasses, wenn die Erben unbekannt oder unbestimmt sind oder unklar ist, ob sie die Erbschaft angenommen haben (§ 1960 BGB). Ziel ist es, den Nachlass zu bewahren und Schäden zu verhindern, bis die Erben ermittelt oder über ihre Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft entschieden haben. Die Pflegschaft wird ebenfalls angeordnet, wenn unklar ist, wie umfangreich die Erbengemeinschaft ist oder bei Interessengegensätzen zwischen Nachlassbeteiligten und eventuellen Erben. Der Nachlasspfleger vertritt bis zur endgültigen Klärung der Erbfolge alle Rechte und Pflichten des unbekannten Erben; seine Aufgaben können etwa in der Sicherung von Vermögenswerten, der Verwaltung von Immobilien oder der Durchsetzung von Forderungen bestehen. Die Anordnung erfolgt stets durch das Nachlassgericht, das den Umfang der Pflegschaft konkret bestimmt.

Welche rechtlichen Folgen hat die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft?

Die Annahme der Erbschaft führt dazu, dass der Erbe im vollen Umfang in die Rechtsstellung des Erblassers eintritt. Er wird Gesamtrechtsnachfolger (§ 1922 BGB) mit allen Rechten und Pflichten, wozu insbesondere auch die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten gehört (§ 1967 BGB). Die Annahme erfolgt entweder ausdrücklich (durch formlose Willenserklärung) oder konkludent (etwa durch Aneignung des Nachlasses), spätestens aber mit Ablauf der Ausschlagungsfrist. Die Ausschlagung hingegen hat zur Folge, dass der ausgeschlagene Erbe mit Rückwirkung auf den Todeszeitpunkt als nicht berufen gilt. Die Erbschaft fällt auf den nächsten gesetzlichen oder testamentarischen Erben über (sog. Anwachsung). Ist die Ausschlagung einmal wirksam erklärt und zugestellt, kann sie nur noch unter bestimmten Voraussetzungen, etwa im Falle einer Anfechtung wegen Irrtums oder Drohung (§ 1954 BGB), rückgängig gemacht werden.

Wie erfolgt die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft rechtlich?

Die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft ist der abschließende Schritt im Rahmen des Nachlassverfahrens, bei dem der vorhandene Nachlass entsprechend den Erbanteilen verteilt wird (§ 2042 BGB). Bis zur vollständigen Teilung des Nachlasses verwalten alle Miterben den Nachlass gemeinsam (Gesamthandsgemeinschaft). Maßnahmen zur Erhaltung des Nachlasses dürfen von jedem Miterben allein getroffen werden, während Verfügungen über Nachlassgegenstände der Zustimmung aller bedürfen. Die Auseinandersetzung kann durch formlose oder notariell beurkundete Vereinbarung zwischen den Erben erfolgen. Können sich die Erben nicht einigen, ist eine Teilungsversteigerung möglich. Im Falle unteilbarer oder streitiger Gegenstände kann das Nachlassgericht auf Antrag Vermittlungs- oder Vermittlungsverfahren durchführen. Die Auseinandersetzung ist abgeschlossen, wenn jeder Erbe seinen Anteil erhalten hat und gemeinschaftliches Eigentum vollständig auf Einzelanteile übertragen wurde.