Begriff und Definition des Mundraubs
Der Begriff Mundraub bezeichnet den Diebstahl oder die Wegnahme geringwertiger Mengen von Lebensmitteln oder Genussmitteln zum unmittelbaren Verzehr. Historisch wie rechtlich wurde und wird darunter insbesondere das Stehlen von Nahrungsmitteln verstanden, wobei Motiv und Bagatellcharakter den Tatbestand auszeichnen. Im heutigen deutschen Rechtssystem ist der Begriff jedoch nicht mehr ausdrücklich geregelt, besitzt aber nach wie vor eine hohe praktische und rechtshistorische Relevanz.
Historische Entwicklung und rechtlicher Hintergrund
Mundraub im Strafgesetzbuch (StGB) des Deutschen Reichs
Der Mundraub wurde 1871 mit Einführung des Reichsstrafgesetzbuches als eigener Straftatbestand in § 370 StGB kodifiziert. Damals hieß es:
„Die Entwendung von geringer Quantität von Feld-, Garten-, Weinberg- oder Baumfrüchten, von Waldfrüchten oder wild wachsenden Pflanzen oder von geringen Mengen von landwirtschaftlichen oder gärtnerischen Erzeugnissen…“
wurde mit geringeren Strafen als gewöhnlicher Diebstahl bedroht. Der Gesetzgeber wollte damit dem Bagatellcharakter solcher Delikte Rechnung tragen.
Abschaffung im Jahr 1975
Im Zuge der Strafrechtsreform wurde der Straftatbestand des Mundraubs am 1. Januar 1975 mit dem Ersten Gesetz zur Reform des Strafrechts (§370 StGB a.F.) vollständig aufgehoben. Seitdem unterfällt das Entwenden von Lebensmitteln oder landwirtschaftlichen Erzeugnissen den allgemeinen Vorschriften des Diebstahls (§ 242 StGB), wobei heute die Möglichkeit zur Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit (§ 153 StPO) oder geringer Schuld (§ 248a StGB) besteht.
Mundraub im geltenden Strafrecht
Anwendung des § 242 StGB (Diebstahl)
Nach aktueller Rechtslage ist jeder Diebstahl – also das vorsätzliche Wegnehmen einer fremden, beweglichen Sache – strafbar. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich bei dem gestohlenen Gegenstand um einen Gegenstand des täglichen Bedarfs, hochwertige Elektronik oder Lebensmittel handelt. Somit fällt auch der klassische Mundraub, wie das Pflücken von Obst auf fremden Grundstücken oder das Entnehmen von Lebensmitteln aus Supermärkten, unter die Vorschrift des § 242 StGB.
Geringwertigkeit der Sache (§ 248a StGB)
Wird der Diebstahl einer geringwertigen Sache begangen, kann nach § 248a StGB grundsätzlich nur auf Antrag der Geschädigten oder von Amts wegen nur bei besonderem öffentlichen Interesse verfolgt werden. Geringwertig sind Sachen mit einem Wert von bis zu etwa 50 Euro. Diese Regel dient der Entlastung der Strafjustiz bei Bagatelldelikten und greift häufig bei klassischen Fällen des Mundraubs.
Verfahrenseinstellung bei Bagatellfällen (§ 153 StPO)
In Bagatellfällen, etwa bei Diebstählen von geringfügigen Mengen an Lebensmitteln in Höhe weniger Euro, stellt die Staatsanwaltschaft Verfahren oft gemäß § 153 StPO (Geringfügigkeit) ein, wenn keine besonderen öffentlichen Interessen an der Strafverfolgung bestehen und keine einschlägigen Vorstrafen vorliegen.
Rechtliche Einordnung von (pflück-)Aktionen auf öffentlichen Flächen
Containern und Urban Gardening
Das sogenannte „Containern“, also das Entnehmen von Lebensmitteln aus Mülleimern privater Supermärkte, stellt formal einen Diebstahl dar, da auch weggeworfene Waren in der Regel weiterhin als Eigentum des Geschäftsführers gelten. In der Praxis enden solche Verfahren jedoch oft mit einer Einstellung.
Das Ernten von Obst auf öffentlichen Bäumen („Urban Gardening“), zum Beispiel am Straßenrand oder in Parks, ist rechtlich unterschiedlich zu beurteilen. Gehören die Früchte der Kommune oder dem Land (öffentliche Hand), so liegt zivilrechtlich eine unerlaubte Handlung und auch eine Ordnungswidrigkeit vor, aus strafrechtlicher Sicht ggf. ein Diebstahl. Viele Städte erlassen hierzu aber spezielle Regelungen oder dulden das Ernten in geringen Mengen.
Tafeln und Foodsharing
Auch Tafel-Initiativen oder Foodsharing-Organisationen, die überschüssige Lebensmittel gegen Spenden oder kostenlos weitergeben, bewegen sich innerhalb eines rechtlichen Rahmens, der auf zivilrechtlichen Eigentumsübertragungen beruht und meistens den Segen der ursprünglichen Eigentümer (z.B. Supermärkte) genießt.
Zivilrechtliche Aspekte
Auch zivilrechtlich bleibt der Diebstahl von Lebensmitteln nicht folgenlos. Über das Strafrecht hinaus besteht ein Anspruch des Eigentümers auf Herausgabe, Unterlassung und ggf. Schadensersatz (§§ 823 ff. BGB). Bei Mundraub-Fällen in geringer Quantität wird jedoch in der Praxis selten ein Zivilverfahren angestrengt.
Aktuelle Diskussion und gesellschaftliche Bewertung
Der Mundraub ist nach wie vor Gegenstand gesellschaftlicher wie politischer Debatten, insbesondere im Zusammenhang mit Armut, Lebensmittelverschwendung und nachhaltigem Umgang mit Essbarem. Die aktuellen rechtlichen Vorschriften werden teils als zu hart, teils als ausreichend betrachtet. Initiativen setzen sich für eine Änderung des Umgangs mit Lebensmitteln und eine Entkriminalisierung des Containerings ein.
Zusammenfassung
Zusammenfassend ist „Mundraub“ heute kein eigenständiger Straftatbestand mehr, sondern wird als Diebstahl rechtlich behandelt. Für geringwertige Lebens- oder Genussmittel gibt es jedoch Regelungen wie § 248a StGB und die Möglichkeit, Verfahren einzustellen (§ 153 StPO). Die zivilrechtlichen Ansprüche bestehen weiterhin. Die gesellschaftliche Bewertung dieser Delikte ist im Wandel, auch im Rahmen der Debatte um Lebensmittelverschwendung und soziale Gerechtigkeit.
Siehe auch
- Diebstahl nach § 242 StGB
- Geringwertige Sachen nach § 248a StGB
- Verfahrenseinstellung bei Geringfügigkeit nach § 153 StPO
- Containern und Lebensmittelrettung
Hinweis: Die hier dargestellten Informationen ersetzen keine individuelle Rechtsberatung und dienen der allgemeinen Information für ein Rechtslexikon.
Häufig gestellte Fragen
Ist Mundraub in Deutschland nach aktuellem Recht noch eine eigene Straftat?
Mundraub war nach deutschem Recht ursprünglich eine eigene Straftat (§ 370 StGB a.F.), wurde jedoch im Jahr 1975 im Zuge der Strafrechtsreform aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Seitdem existiert der Mundraub als eigenständiger Straftatbestand nicht mehr. Handlungen, die früher als Mundraub galten, werden heute rechtlich als Diebstahl (§ 242 StGB) geahndet, unabhängig von der Menge oder dem Wert der entwendeten Lebensmittel. Der besondere Umstand, dass die gestohlene Sache ausschließlich zum alsbaldigen Verbrauch bestimmt war, wie beim traditionellen Mundraub, wird im Strafmaß nicht mehr ausdrücklich berücksichtigt. Allerdings kann der geringe Wert und das soziale Motiv bei der Strafzumessung beziehungsweise einer etwaigen Verfahrenseinstellung (§ 153 StPO, Geringfügigkeit) wohlwollend einfließen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass das Ernten oder Entnehmen fremden Obstes, Gemüses oder anderer essbarer Gegenstände ohne Einwilligung des Eigentümers grundsätzlich den Straftatbestand des Diebstahls erfüllt, selbst wenn es sich nur um Kleinstmengen handelt.
Wie unterscheidet sich Mundraub rechtlich von gewöhnlichem Diebstahl?
Mundraub galt in der Vergangenheit als eine privilegierte Form des Diebstahls, da er ausschließlich auf Nahrungsmittel zum unmittelbaren Verbrauch beschränkt war. Mit der Streichung des § 370 StGB a.F. wurde diese Privilegierung aufgehoben. Heute besteht keine rechtliche Unterscheidung mehr zwischen dem Entwenden von Lebensmitteln zum sofortigen Verzehr und dem Diebstahl von anderen Gegenständen. Juristisch wird jeder Fall, bei dem fremde Lebensmittel ohne Zustimmung genommen werden, als einfacher Diebstahl bewertet. Faktoren wie Motiv (z.B. Hunger oder Not) können sich im Strafrahmen mildernd auswirken, mindern jedoch weder die Tatbestandsmäßigkeit noch die Rechtswidrigkeit der Handlung.
Welche rechtlichen Konsequenzen drohen beim sogenannten Mundraub heute?
Wenn jemand beispielsweise Obst von einem fremden Baum pflückt oder Gemüse vom Feld eines Landwirts für den Eigenverzehr entwendet, macht er sich in der Regel des Diebstahls gemäß § 242 StGB strafbar. Der Strafrahmen reicht hier von einer Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. In der Praxis führen geringwertige Fälle – etwa das Naschen einzelner Kirschen – häufig zu einer Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit gemäß § 153 StPO, insbesondere wenn kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht. Dies obliegt jedoch dem Ermessen der Staatsanwaltschaft, weshalb es im Einzelfall durchaus zu Ermittlungen und ggf. zu Strafbefehlen kommen kann. Zusätzlich können zivilrechtliche Ansprüche auf Schadensersatz geltend gemacht werden.
Ist das Pflücken von Obst von herrenlosen oder wildwachsenden Bäumen erlaubt?
Das Ernten von Obst oder Pflanzen ist nur dann legal, wenn entweder kein Eigentümer oder Berechtigter existiert oder eine ausdrückliche Erlaubnis vorliegt. Der juristische Begriff des „herrenlosen Gegenstands“ ist strikt gefasst: Bäume oder Sträucher in Parkanlagen, am Straßenrand, auf Feldern oder in Wäldern gehören in der Regel kommunalen oder privaten Eigentümern und sind nicht herrenlos. Selbst heruntergefallenes Obst bleibt Eigentum des Baumbesitzers. Nur in sehr seltenen Fällen, beispielsweise bei eindeutig aufgegebenem Eigentum oder auf gewidmeten öffentlichen Pflückflächen (oftmals mit entsprechender Kennzeichnung), ist das Sammeln rechtlich zulässig. Ansonsten handelt es sich aus juristischer Sicht um Diebstahl.
Welche Rolle spielt der Wert der entwendeten Sache bei der strafrechtlichen Bewertung von Mundraub?
Im Strafverfahren wird der Wert der entwendeten Sache vor allem im Rahmen der Strafzumessung und in Bezug auf Verfahrenseinstellungen berücksichtigt. Nach § 248a StGB („Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen“) kann das Entwenden von Sachen von geringem Wert (als Richtlinie: etwa 50 Euro) nur mit Ermächtigung des Verletzten verfolgt werden, sofern es sich nicht um einen besonders schweren Fall handelt. In diesen Fällen wird das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung besonders geprüft, häufig kommt es zu Einstellungen nach §§ 153 oder 153a StPO. Dennoch bleibt der Diebstahl formal strafbar; insbesondere Wiederholungstäter oder besonders dreiste Handlungen können auch bei geringem Wert strafrechtlich verfolgt werden.
Kann sich ein Täter auf eine Notlage berufen, wenn er Lebensmittel entwendet?
Das deutsche Strafrecht kennt den sogenannten rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB). Dieser könnte unter sehr engen Voraussetzungen greifen, etwa wenn eine konkrete Gefahr für Leib und Leben besteht und keine andere zumutbare Abhilfe möglich ist. Allerdings wird in der Rechtsprechung die Schwelle für einen solchen Notstand äußerst hoch angesetzt. Bloßer Hunger oder Bedürftigkeit genügen in der Regel nicht, um Diebstahl an Lebensmitteln straflos zu stellen. Es wäre erforderlich, dass sich der Täter etwa in einer existenzbedrohenden Ausnahmesituation befindet und unmittelbar Gefahr droht, ein solcher Fall ist in der Praxis selten. Sozial- und Hilfesysteme wie Tafeln oder Notunterkünfte werden als zumutbarer Ausweg gewertet. Dementsprechend können sich die meisten Täter nicht erfolgreich auf den Notstand berufen.
Gibt es Besonderheiten bei Kindern oder Jugendlichen im Zusammenhang mit Mundraub?
Straftaten im Zusammenhang mit Mundraub, die von Kindern (unter 14 Jahren) begangen werden, sind nach deutschem Recht strafunmündig und bleiben somit ohne strafrechtliche Konsequenzen. Jugendliche (14-17 Jahre) und Heranwachsende (18-20 Jahre) unterliegen gesonderten Vorschriften des Jugendstrafrechts (JGG), das vorrangig auf Erziehung statt Strafe abzielt. Die Gerichte berücksichtigen hier besonders die Motive, das soziale Umfeld und den erzieherischen Bedarf. Gerade im Fall geringwertiger Taten wie beim Mundraub führen die Verfahren bei Ersttätern und nachvollziehbaren Beweggründen häufig zu Einstellungen oder milden Maßnahmen (z.B. soziale Trainingskurse, Arbeitsleistungen). Auch hier bleibt aber die grundsätzliche Rechtswidrigkeit der Handlung bestehen.