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Multiples


Begriff und Definition: Multiples im rechtlichen Kontext

Der Begriff Multiples bezeichnet im rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang eine Bewertungsmethode, die insbesondere zur Einschätzung des Unternehmenswerts oder einzelner Vermögenswerte herangezogen wird. Multiples basieren auf dem Vergleich bestimmter Kennzahlen, die das Verhältnis zwischen dem Wert eines Unternehmens (zum Beispiel Unternehmenswert, Eigenkapitalwert) und einer Performance-bezogenen Größe (zum Beispiel Umsatz, Gewinn, EBITDA) abbilden. In Recht, Steuern und Rechnungslegung sind Multiples ein zentrales Hilfsmittel zur Plausibilisierung von Bewertungsansätzen sowie zur Ableitung von Marktpreisen für Anteile, Unternehmenstransaktionen und immaterielle Wirtschaftsgüter.

Bedeutung und Einsatzbereiche von Multiples im Recht

Unternehmensbewertung und Multiples

Multiples sind ein zentrales Instrument der Unternehmensbewertung. Die Anwendung spielt insbesondere bei folgenden Anlässen eine Rolle:

  • Unternehmenskauf und -verkauf: Im Rahmen von Share- oder Asset-Deals werden Unternehmen oder Geschäftsbereiche auf Basis marktorientierter Multiples bewertet.
  • Gesellschaftsrecht: Multiples werden bei Abfindungs- und Einziehungsfragen sowie bei der Bewertung von Anteilen bei Anteilsübertragungen herangezogen.
  • Steuerrecht: Zur Ermittlung des gemeinen Werts eines Unternehmens oder Unternehmensanteils, insbesondere für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer, werden Multiples als Marktwertindikatoren eingesetzt.
  • Bilanzrecht: Im Rahmen von Werthaltigkeitsprüfungen, beispielsweise bei der Bewertung von Beteiligungen oder immateriellen Vermögenswerten, liefern Multiples einen Vergleichsmaßstab.

Arten von Multiples

In der Praxis werden verschiedene Arten von Multiples unterschieden:

  • Equity Multiples (Eigenkapitalmultiplikatoren): Verhältnis vom Eigenkapitalwert zum Jahresüberschuss (Price-Earnings-Ratio, KGV) oder zu anderen Kennzahlen.
  • Enterprise Value Multiples (Unternehmenswertmultiplikatoren): Verhältnis vom Unternehmenswert (Enterprise Value) zu EBIT, EBITDA, Umsatz oder Cashflow.

Rechtliche Einordnung und Bedeutung der Multiples

Gesetzliche Grundlagen und Bezugspunkte

Das Gesetz kennt den Begriff „Multiples“ nicht ausdrücklich. Dennoch findet die Methode in verschiedenen Rechtsbereichen mittelbare und unmittelbare Anwendung:

  • Bewertungsrecht (§§ 199 ff. BewG): Das Bewertungsgesetz regelt die Bewertung von Vermögensgegenständen und insbesondere Unternehmen für steuerliche Zwecke. Hier werden Multiples zur Schätzung des gemeinen Werts unter Heranziehung von Vergleichswerten eingesetzt.
  • Handelsbilanzrecht (HGB): Im Rahmen der Unternehmensbewertung nach HGB kann die Anwendung marktorientierter Multiples zur Werthaltigkeitsprüfung bzw. Impairment-Tests als zulässig erachtet werden, sofern keine individualisierbaren Werte vorliegen.
  • Gesellschaftsrecht (AktG, GmbHG): Bei Streitigkeiten rund um Abfindung und Anteilsbewertung (z. B. Squeeze-out, Ausscheiden aus der Gesellschaft) finden marktorientierte Bewertungsmethoden einschließlich der Multiples Berücksichtigung.
  • Finanzverwaltung und gerichtliche Praxis: Verwaltungsanweisungen und Gerichtsentscheidungen befürworten vielfach eine Plausibilisierung von Bewertungsansätzen anhand verfügbarer Multiples.

Rechtliche Anforderungen an die Anwendung von Multiples

Auswahl und Anwendbarkeit von Vergleichswerten

Die Anwendung von Multiples im rechtlichen Kontext setzt die Auswahl geeigneter Vergleichsunternehmen oder Transaktionen voraus. Rechtlich relevant sind hierbei insbesondere folgende Anforderungen:

  • Branchen- und Größenvergleichbarkeit: Multiples sollten sich auf Unternehmen beziehen, die nach Branche, Größe, Wachstumsperspektiven und Risikostruktur vergleichbar sind.
  • Datenqualität: Es müssen belastbare, nachvollziehbare Vergleichszahlen verwendet werden, um die Nachvollziehbarkeit und Transparenz der Bewertung sicherzustellen.
  • Aktualität: Die Datenbasis der herangezogenen Multiples sollte möglichst nah am Bewertungsstichtag liegen.

Beweiswürdigung und nachvollziehbare Herleitung

Gerichte, Finanzämter und Behörden prüfen regelmäßig die Nachvollziehbarkeit und Begründung der gewählten Multiples. Bewertungsberichte und Gutachten sollten die Methodik, die Auswahl der Vergleichsunternehmen und die Berechnung der Multiples transparent darstellen und dokumentieren.

Kombination mit anderen Bewertungsverfahren

Multiples sind häufig ein Element in der sogenannten Marktdatenmethode oder werden zur Plausibilisierung von Ergebnissen aus anderen Bewertungsverfahren wie dem Ertragswertverfahren herangezogen. Rechtlich anerkannt ist die Berücksichtigung mehrerer Bewertungsverfahren, sofern sie zu abweichenden Ergebnissen führen.

Rechtsprechung zu Multiples

Die Rechtsprechung befasst sich häufig mit der Anwendung von Multiples bei der Unternehmensbewertung insbesondere im Kontext des Gesellschafts- und Steuerrechts. Wichtige Eckpunkte sind:

  • Anerkennung als Vergleichswertmethode: Gerichte erkennen Multiples als vergleichsorientierte Bewertungsmethode an, verlangen jedoch eine strenge Überprüfung der Vergleichbarkeit und Plausibilität.
  • Grenzen der Anwendung: Insbesondere bei kleinen oder wenig transparenten Märkten können Multiples ungeeignete oder irreführende Vergleichswerte liefern.
  • Dokumentationspflicht: Ausführliche Begründung und Dokumentation der Auswahl und Gewichtung der verwendeten Multiples ist für die Akzeptanz im Streitfall entscheidend.

Steuerliche Aspekte von Multiples

Multiples dienen im Steuerrecht der Schätzung von Unternehmenswerten, etwa bei der unentgeltlichen Übertragung von Gesellschaftsanteilen oder Unternehmensvermögen. Insbesondere bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer müssen Bewertungsansätze oft durch externe Vergleichswerte gestützt werden, wozu Multiples herangezogen werden können. Die Finanzverwaltung gibt Hinweise zur Anwendung und Akzeptanz von Multiples in den jeweiligen Bewertungsrichtlinien.

Multiples und internationale Rechnungslegung

Nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften wie IFRS oder US-GAAP dürfen Multiples zur Bestimmung von Fair Values im Rahmen der Bewertung verwendet werden. Auch hier gelten Grundsätze der Sorgfaltspflicht bezüglich Auswahl, Vergleichbarkeit und Dokumentation der verwendeten Multiples und ihrer Bezugsgrößen.

Kritik und Grenzen von Multiples im Rechtswesen

Multiples sind als Bewertungs- und Vergleichsmethode verbreitet, jedoch nicht frei von Kritik. Zu beachten sind unter anderem:

  • Beschränkte Aussagekraft: Multiples spiegeln Marktdaten wider, die von aktuellen Marktbedingungen, Erwartungen und zum Teil irrationalen Faktoren beeinflusst sein können.
  • Mangelnde Vergleichbarkeit: Insbesondere bei Unternehmen mit abweichender Geschäftsstruktur, unterschiedlicher Kapitalausstattung oder Sondersituationen können Multiples in die Irre führen.
  • Keine Berücksichtigung individueller Besonderheiten: Multiples sind auf Durchschnittswerte bezogen und berücksichtigen individuelle Werttreiber nur eingeschränkt.
  • Rechtliche Angreifbarkeit: Unzureichende Dokumentation oder Auswahl von Vergleichsunternehmen kann zu Anfechtungen im Rechtsstreit führen.

Zusammenfassung

Multiples nehmen im rechtlichen Bereich eine bedeutende Stellung als Bewertungs- und Plausibilisierungsinstrument ein. Sie werden insbesondere bei der Unternehmensbewertung, Werthaltigkeitsprüfungen und im Steuerrecht als markt- und vergleichsorientierte Kennzahl genutzt. Die Anwendung von Multiples unterliegt dabei rechtlichen Anforderungen hinsichtlich Auswahl, Vergleichbarkeit, Nachvollziehbarkeit und Dokumentation. Gleichwohl sind die Grenzen und Risiken der Bewertungsmethode zu beachten, um eine rechtssichere und anerkannte Anwendung zu gewährleisten.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind bei der Bildung von Multiples zu beachten?

Multiples, die häufig zur Bewertung von Unternehmen im Kontext von Kauf, Verkauf oder Fusionen herangezogen werden, unterliegen im rechtlichen Kontext verschiedenen Rahmenbedingungen. Zu berücksichtigen sind insbesondere Vorschriften aus dem Handels- und Gesellschaftsrecht, etwa die Vorschriften im Aktiengesetz (AktG) bezüglich der Bewertung von Unternehmensanteilen bei Übertragungen, Verschmelzungen oder Spaltungen. Auch steuerrechtliche Vorgaben spielen eine wesentliche Rolle, da Multiples als Grundlage für steuerliche Bewertungen dienen können, beispielsweise im Rahmen von Unternehmensbewertungen nach dem Umwandlungssteuergesetz oder bei der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage im Rahmen von Erbschaft und Schenkung. Vertragsrechtliche Aspekte sind ebenfalls zu berücksichtigen, insbesondere im Hinblick auf die Vereinbarung und Durchsetzung von Kaufpreisregelungen auf Basis von Multiples. Abschließend ist auf regulatorische Vorgaben wie etwa Insiderrecht, Ad-hoc-Publizitätspflichten (§ 15 WpHG) sowie aufsichtsrechtliche Anforderungen (BaFin, ESMA) hinzuweisen, die eine transparente und nachvollziehbare Anwendung von Multiples im Rahmen von Unternehmensbewertungen verlangen.

Welche Haftungsrisiken bestehen bei der Anwendung von Multiples in der Unternehmensbewertung?

Die Anwendung von Multiples birgt aus rechtlicher Sicht erhebliche Haftungsrisiken, insbesondere für beteiligte Gutachter, Wirtschaftsprüfer und Berater. Verzerrte oder fehlerhafte Multiplikatoren, die beispielsweise auf unvollständigen oder veralteten Daten basieren, können zu einer fehlerhaften Unternehmensbewertung führen und haftungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. In Fällen eines Unternehmenskaufs könnten falsche Bewertungen Schadensersatzansprüche auslösen, insbesondere wenn dem Erwerber aufgrund einer unzutreffenden Bewertung finanzielle Nachteile entstehen. Zudem kann bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Falschbewertung strafrechtliche Relevanz bestehen, etwa im Rahmen von Betrug, Untreue oder Marktmissbrauch (§§ 263, 266 StGB; EU-Marktmissbrauchsverordnung). Für Organmitglieder von Kapitalgesellschaften kann eine fehlerhafte Bewertung ebenfalls haftungsrelevant werden (§§ 93 AktG, 43 GmbHG, Business Judgment Rule), wenn ihnen vorgeworfen wird, Multiples nicht ordnungsgemäß angewandt oder kritisch hinterfragt zu haben.

Welche Dokumentationspflichten sind im Zusammenhang mit Multiples relevant?

Dokumentationspflichten spielen eine zentrale Rolle beim Einsatz von Multiples, insbesondere um Transparenz und Nachvollziehbarkeit der getroffenen Bewertungsentscheidungen sicherzustellen. Nach handels- und steuerrechtlichen Vorschriften (§ 238 HGB, § 140 AO) sind sämtliche entscheidungsrelevanten Bewertungsannahmen, Datenquellen und die Herleitung der Multiplikatoren ordnungsgemäß, nachvollziehbar und überprüfbar zu dokumentieren. Im Kapitalmarktumfeld gelten zusätzliche Sorgfalts- und Offenlegungspflichten, etwa im Rahmen von Angebotsunterlagen bei öffentlichen Übernahmeangeboten (§ 10 ff. WpÜG) oder bei der Erstellung von Unternehmensbewertungen im Zuge von Börsengängen (Prospektpflichten nach EU-Prospektverordnung). Bei Due Diligence-Prüfungen kann eine unzureichende Dokumentation zu Haftung führen und die Durchsetzung von Rechten im Rahmen von M&A-Transaktionen erschweren.

Inwiefern sind Multiples im Rahmen von gerichtlichen Auseinandersetzungen anerkannt?

Gerichte akzeptieren Multiples als valides Instrument der Unternehmensbewertung grundsätzlich, verlangen jedoch eine besonders sorgfältige Herleitung sowie eine kritische Auseinandersetzung mit den verwendeten Bezugsgrößen. Insbesondere in Spruchverfahren nach § 1 SpruchG, bei denen die Angemessenheit von Abfindungen oder Ausgleichszahlungen überprüft wird, verlangen Gerichte regelmäßig eine ausführliche Begründung der Bewertungsmethode sowie eine Darlegung, weshalb und in welchem Umfang Multiples im konkreten Fall als angemessen betrachtet werden. Zudem werden sie meist nur als ein Element einer umfassenden Plausibilitätsprüfung (sog. Cross-Check) neben anderen Methoden, etwa dem Ertragswertverfahren, akzeptiert. Fehlt eine hinreichende rechtliche und fachliche Fundierung, können Bewertungsansätze auf Basis von Multiples gerichtlich verworfen werden.

Welche aufsichtsrechtlichen Anforderungen gelten bei der Verwendung von Multiples?

Aufsichtsrechtliche Anforderungen im Zusammenhang mit der Verwendung von Multiples ergeben sich insbesondere im Finanzdienstleistungssektor. Institutionen, die Bewertungen auf dieser Basis vornehmen und in einem regulierten Umfeld, etwa als Finanzdienstleister, Vermittler oder Investmentberichte ersteller, müssen Sicherstellen, dass sie die Vorschriften aus dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), der MAR (Market Abuse Regulation) sowie weitere BaFin- oder ESMA-Richtlinien einhalten. Dies umfasst insbesondere die Anforderungen zur Vermeidung von Marktmanipulation und Insiderhandel sowie die Pflicht zur sorgfältigen und objektiven Analyse (MiFID II). Die dokumentierte Bewertungslogik muss gegenüber Aufsichtsbehörden im Prüfungsfall offengelegt und begründet werden können.

Müssen Multiples bei der steuerlichen Bewertung eines Unternehmens beachtet werden?

Multiples sind im Rahmen steuerlicher Bewertungen als ergänzendes Instrument grundsätzlich anerkannt, finden jedoch in der Regel nur in Verbindung mit anderen Methoden Anwendung. Die Finanzverwaltung fordert nach dem Bewertungsgesetz grundsätzlich, dass bei Unternehmensbewertungen zur Festsetzung von Steuerwerten (Erbschaft, Schenkung, Umwandlung) der gemeine Wert heranzuziehen ist; Multiples können hierbei als Plausibilitätskontrolle dienen, jedoch nicht ausschließlich maßgeblich sein. Bei der Prüfung durch das Finanzamt müssen Bewertungsannahmen, insbesondere hinsichtlich des verwendeten Multiple-Typs und der Peer Group, nachvollziehbar dokumentiert werden. Im internationalen Kontext, etwa bei Verrechnungspreisen nach OECD-Transferpreisrichtlinien, ist eine Multiples-Analyse jedoch teils weit verbreitet; auch hier gelten strenge Anforderungen an Dokumentation und Nachvollziehbarkeit.

Welche Rolle spielen Multiples im Rahmen von Squeeze-out- oder Übernahmeverfahren?

Im Rahmen von Squeeze-Out-Verfahren (§§ 327a ff. AktG) und öffentlichen Übernahmen (§ 31 WpÜG) werden Multiples als ein zulässiges Bewertungsinstrument anerkannt, insbesondere zur Plausibilitätskontrolle und zur Marktwertbestimmung. Allerdings ist die alleinige Heranziehung von Multiples rechtlich umstritten und wird regelmäßig nur in Verbindung mit weiteren, insbesondere IDW S1-konformen Methoden akzeptiert. Die Rechtsprechung verlangt zudem, dass die Auswahl und Gewichtung der verwendeten Multiples explizit begründet und mit dem individuellen Geschäftsmodell des Unternehmens abgeglichen werden muss. In Spruchverfahren ist immer die Gesamtabwägung aller maßgeblichen Bewertungsmethoden erforderlich, wobei Multiples häufig zur Überprüfung der Ergebnisse anderer Verfahren herangezogen werden.

Wie wirken sich nationale und internationale Standards auf die Verwendung von Multiples aus?

Die Anwendung von Multiples wird durch verschiedene nationale und internationale Bewertungsstandards beeinflusst. In Deutschland gibt der IDW Standard S1 verbindliche Leitlinien für Unternehmensbewertungen vor, nach denen Multiples als ergänzendes Verfahren genutzt werden können, jedoch keine eigenständige Hauptmethode darstellen sollen. International, etwa nach den International Valuation Standards (IVS) oder durch Vorgaben der IFRS, werden Multiples als Marktwertverfahren anerkannt, sofern sie sachgerecht gemäß Marktdaten ausgewertet und dokumentiert werden. In grenzüberschreitenden Transaktionen ist daher stets zu prüfen, welche Bewertungskonventionen, gesetzlichen Vorgaben und Rechnungslegungsvorschriften zu beachten sind, um eine rechtliche Anerkennung der gewählten Methode sicherzustellen.