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Mittelbarer Täter


Begriff und Einordnung des Mittelbaren Täters

Der Begriff des mittelbaren Täters spielt im deutschen Strafrecht eine zentrale Rolle bei der Bestimmung von Täter- und Beteiligungsformen. Ein mittelbarer Täter ist eine Person, die eine Straftat nicht selbst ausführt, sondern sie durch einen anderen begeht. Die rechtliche Grundlage für die mittelbare Täterschaft findet sich in § 25 Absatz 1 Alternative 2 Strafgesetzbuch (StGB). Der mittelbare Täter steht häufig im Mittelpunkt strafrechtlicher Betrachtungen, insbesondere wenn es um die Verantwortlichkeit für über Dritte gesteuerte Straftaten geht.

Voraussetzungen der Mittelbaren Täterschaft

Objektive Voraussetzungen

Die mittelbare Täterschaft setzt voraus, dass der mittelbare Täter die Tat durch einen „anderen“ begeht. Damit ist gemeint, dass der mittelbare Täter das strafbare Verhalten nicht eigenhändig vornimmt, sondern einen Dritten als „Tatmittler“ einsetzt. Zwischen dem mittelbaren Täter und dem Tatmittler besteht ein sogenanntes Tatherrschaftsverhältnis: Der mittelbare Täter hält die maßgebliche Kontrolle über das Tatgeschehen und steuert den Geschehensablauf, während der Tatmittler in der Regel lediglich als „Werkzeug“ handelt.

Wesentliche objektive Kriterien sind:

  • Der Tatmittler muss tatbestandlich eine rechtswidrige Handlung vornehmen.
  • Die Tat erfolgt auf Veranlassung des mittelbaren Täters.
  • Dem mittelbaren Täter muss die „Herrschaft über das Tatgeschehen“ zukommen (Tatherrschaftslehre).

Subjektive Voraussetzungen

Der mittelbare Täter muss mit Vorsatz handeln, also mit Wissen und Wollen im Hinblick auf das Tatgeschehen, insbesondere darüber, dass die Tat durch einen anderen als Werkzeug ausgeführt wird. Darüber hinaus sind bei bestimmten Delikten zusätzliche subjektive Merkmale (besonders bei den sogenannten „echten Sonderdelikten“) zu beachten.

Tatmittler und Verantwortungsdurchgriff

Fehlende oder reduzierte Verantwortlichkeit des Tatmittlers

Charakteristisch für die mittelbare Täterschaft ist, dass der Tatmittler aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht oder nur eingeschränkt für seine Handlung verantwortlich ist. Typische Konstellationen sind:

  • I**rrtum des Tatmittlers (z.B. handelt der Tatmittler im Tatbestandsirrtum, Sachverhaltsirrtum oder Erlaubnistatumstandsirrtum).
  • Straflosigkeit des Tatmittlers (z.B. bei Kind, Geisteskrankem, schuldunfähiger Person).
  • Willens- oder Wissensmängel auf Seiten des Tatmittlers (z.B. Zwang, Drohung, Täuschung).
  • Handeln auf Anordnung oder aus Befehlsnotstand.

Strafbarkeit des mittelbaren Täters

Der mittelbare Täter wird nach § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB wie ein unmittelbarer Täter bestraft, während der Tatmittler unter Umständen straflos bleibt oder nur wegen einer Fahrlässigkeitsstraftat haftet, sofern sein Irrtum vermeidbar gewesen wäre.

Abgrenzung zu anderen Beteiligungsformen

Unmittelbarer Täter

Im Gegensatz zum mittelbaren Täter begeht der unmittelbare Täter die Tat eigenhändig und ohne Zwischenschaltung eines Werkzeugs.

Anstifter

Die Anstiftung (§ 26 StGB) unterscheidet sich insofern von der mittelbaren Täterschaft, als der Anstifter den Haupttäter als vollverantwortlichen Akteur veranlasst. Beim mittelbaren Täter hingegen fehlt dem Tatmittler zumeist die Tatherrschaft aufgrund eingeschränkter Verantwortlichkeit.

Mittäterschaft

In der Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) steuern mehrere Beteiligte das Tatgeschehen gemeinschaftlich und verfügen über gleichwertige Tatherrschaft. Der mittelbare Täter hat hingegen die alleinige Tatherrschaft, während der Tatmittler als Werkzeug fungiert.

Erscheinungsformen der mittelbaren Täterschaft

Tatmittler als „schuldloses Werkzeug“

Eine klassische Konstellation ist die Verwendung eines schuldunfähigen Dritten. So kann eine Person einen Geisteskranken, der schuldunfähig im Sinne von § 20 StGB ist, zu einer Straftat verleiten.

Irrglauben beim Tatmittler

Der Tatmittler kann sich in einem Erlaubnistatbestandsirrtum oder anderen Irrtümern befinden. Der mittelbare Täter nutzt diese Irrtümer aus und wird strafrechtlich als Täter behandelt.

Defizite im normativen Bereich

Auch Missbrauch von Amtsgewalt, Handeln durch organisatorische Machtapparate oder strukturelle Machtverhältnisse können geeignet sein, die Tatherrschaft im Sinne der mittelbaren Täterschaft zu begründen.

Strafrechtstheoretische Einordnung und Bedeutung

Die Tatherrschaftslehre

Die Tatherrschaftslehre ist das vorherrschende Kriterium zur Abgrenzung der mittelbaren Täterschaft von den übrigen Beteiligungsformen. Sie besagt, dass derjenige Täter ist, der das „Ob und Wie“ des Tathergangs weitgehend bestimmt. Der mittelbare Täter steuert das Geschehen durch überlegene Sachkenntnis, Organisationsmacht oder dem gezielten Ausnutzen von Irrtümern.

Sonderfälle: Organisationsherrschaft

Insbesondere bei bandenmäßig oder in hierarchisch strukturierten Organisationen begangenen Straftaten findet die Figur der mittelbaren Täterschaft Anwendung, wenn der Tatmittler aufgrund des organisatorischen Gefüges die Tat als „Austauschbares Werkzeug“ begeht.

Mittelbare Täterschaft im internationalen Recht

Auch außerhalb des deutschen Strafrechts wird die mittelbare Täterschaft diskutiert, etwa im Völkerstrafrecht (z. B. Internationale Strafgerichtshöfe) und in anderen europäischen Rechtsordnungen. Die Figur dient dort der Erfassung von Verantwortlichkeit für Taten, die mittelbar über andere Personen begangen werden. Eine international einheitliche Regelung existiert jedoch nicht.

Rechtsprechung und praktische Bedeutung

Die Gerichte legen die Anforderungen an die mittelbare Täterschaft regelmäßig restriktiv aus, um den Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit zu wahren. Die Rechtsprechung differenziert streng zwischen mittelbarer Täterschaft, Mittäterschaft und anderen Beteiligungsformen. Die Konstruktion der mittelbaren Täterschaft ist insbesondere bei Konstellationen mit Irrtümern und fehlender Schuldfähigkeit von Bedeutung.

Literaturhinweise und weiterführende Quellen

  • Strafgesetzbuch (StGB), insbesondere § 25 Abs. 1 Alt. 2
  • Fischer, Strafgesetzbuch, Kommentar
  • Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil
  • BGHSt-Rechtsprechung zur mittelbaren Täterschaft
  • BeckOK StGB, Kommentierung zu § 25

Die mittelbare Täterschaft bildet einen zentralen Bestandteil des deutschen Strafrechts. Ihre genaue Abgrenzung zu anderen Beteiligungsformen und ihre praktische Bedeutung im Fallkontext stellen einen wichtigen Teil der aktuellen Diskussion und Gesetzesanwendung im Strafrecht dar.

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen für die Annahme eines mittelbaren Täters gemäß § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB vorliegen?

Für die Annahme eines mittelbaren Täters nach § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB ist entscheidend, dass eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige Handlung von einem anderen Menschen als „Tatmittler“ begangen wird, wobei der mittelbare Täter das Geschehen kraft überlegenen Wissens oder Wollens lenkt und beherrscht („Tatherrschaft“). Voraussetzungen sind: Erstens, der mittelbare Täter muss einen „Werkzeugmenschen“ als unmittelbaren Täter vorschieben, der die Tat aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht voll verantwortlich begeht, etwa weil bei ihm ein Schuldausschluss oder Strafbarkeitsausschluss wegen eines Erlaubnistatbestandsirrtums, eines Verbotsirrtums, einer Schuldunfähigkeit oder wegen fehlenden Tatentschlusses (beispielsweise bei Täuschung oder Zwang) vorliegt. Zweitens, der mittelbare Täter muss die Haupttat in Händen halten und die maßgeblichen Entscheidungen treffen, was eine übergeordnete Tatherrschaft beinhaltet. Drittens benötigt es einen Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des mittelbaren Täters und der Ausführung der Tat durch den Tatmittler. Diese Konstellation ist besonders detailliert zu prüfen, da die Zurechnung der Tat vom Tatmittler auf den mittelbaren Täter übertragen wird.

Welche Bedeutung hat die „Tatherrschaft“ im Rahmen des mittelbaren Täters?

Die Tatherrschaft ist ein zentrales Abgrenzungskriterium bei der mittelbaren Täterschaft. Sie beschreibt die faktische Steuerung des Tatgeschehens durch den Hintermann. Der mittelbare Täter muss die Hauptverantwortung und Kontrolle über die Tatausführung besitzen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der unmittelbar Handelnde lediglich als „verlängerter Arm“ des Hintermannes agiert und seine Handlungen fremdbestimmt ausführt. Die Intensität der Tatherrschaft unterscheidet die mittelbare Täterschaft von der Anstiftung oder Beihilfe und ist insbesondere im Hinblick auf minder verantwortliche, willensschwache oder im Irrtum befindliche Tatmittler relevant. Das Maß der Tatherrschaft ist stets anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu bestimmen.

Welche Formen der mittelbaren Täterschaft werden in der Praxis unterschieden?

In der Praxis lassen sich verschiedene Erscheinungsformen der mittelbaren Täterschaft beobachten. Dazu zählen insbesondere: Die mittelbare Täterschaft kraft überlegenen Wissens (etwa wenn der Tatmittler einem Irrtum unterliegt), die mittelbare Täterschaft kraft überlegenen Wollens (etwa bei Schuldunfähigen, die eingesetzt werden), die mittelbare Täterschaft unter Ausnutzung von Ausbleiben von Vorsatz oder mangelndem Unrechtsbewusstsein sowie die so genannte Organisationsherrschaft, wie sie etwa in Fällen der „Tatherrschaft kraft Organisation“ etwa im Bereich strukturierter Machtapparate oder Großorganisationen diskutiert wird. In sämtlichen Fällen ist Grundvoraussetzung, dass der mittelbare Täter das Geschehen maßgeblich lenkt und der Tatmittler ein Defizit aufweist, welches die Eigenverantwortlichkeit der tatbestandsmäßigen Handlung aufhebt oder vermindert.

Wie verhält sich die mittelbare Täterschaft zur Mittäterschaft und zur Teilnahme (Anstiftung, Beihilfe)?

Die Abgrenzung zwischen mittelbarer Täterschaft und Teilnahme ist für die rechtliche Bewertung maßgeblich. Während der mittelbare Täter die Tat eigenverantwortlich durch das Handeln eines anderen begeht und folglich als Täter bestraft wird, wird der Teilnehmer lediglich für seine Teilnahmehandlung sanktioniert. Bei der Mittäterschaft nach § 25 Abs. 2 StGB handeln mehrere Personen gemeinschaftlich als Täter, wobei keiner über den anderen verfügt, sondern gleichberechtigt die Tat beherrscht. Im Gegensatz dazu charakterisiert die mittelbare Täterschaft die hierarchische Rollenverteilung, bei der einer (der mittelbare Täter) über den Tatmittler steht. Die Unterscheidung erfolgt anhand der Kriterien der Tatherrschaft und der Eigenverantwortlichkeit des Ausführenden.

Welche Irrtümer können beim Tatmittler zur Annahme eines mittelbaren Täters führen?

Typische Irrtumsformen auf Seiten des Tatmittlers, die die Zurechnung auf den mittelbaren Täter ermöglichen, sind insbesondere der Erlaubnistatbestandsirrtum, der Verbotsirrtum und der Tatbestandsirrtum, sofern sie auf Informationsvorsprung oder gezielter Manipulation durch den Hintermann beruhen. Führt ein solcher Irrtum dazu, dass der Tatmittler vorsatz- oder schuldlos handelt, ist er rechtlich nicht oder nur eingeschränkt für die Tat verantwortlich, sodass die Verantwortlichkeit auf den mittelbaren Täter übergeht, der den Irrtum bewusst herbeigeführt oder instrumentalisiert hat. Ganz wesentlich ist, dass der mittelbare Täter sich die Tatausführung durch die Willenslenkung des getäuschten Tatmittlers zurechnen lassen muss.

Welche Beispiele gelten als klassische Konstellationen der mittelbaren Täterschaft?

Zu den klassischen Fallgruppen der mittelbaren Täterschaft gehören: Das Ausnutzen von Kindern, Geisteskranken oder Schuldunfähigen zur Tatbegehung, die Instrumentalisierung eines zum Irrtum gebrachten Dritten (z.B. die Verleitung eines anderen zum Diebstahl durch Vorspiegelung vermeintlicher Eigentumsrechte), sowie Konstellationen, in denen der Tatmittler unter Zwang handelt (sog. Nötigungsfälle). Auch die Verwendung von unwissenden oder arglosen Personen, die gar kein Unrechtsempfinden für die Tat haben, gehört hierzu. Der mittelbare Täter macht sich in diesen Fällen zumeist die Defizite in der Strafbarkeit, Schuld oder Verantwortung des Tatmittlers zunutze.

Welche Bedeutung hat die mittelbare Täterschaft im Rahmen von Organisationsstrukturen oder bei „Befehlsstrukturen“?

Im Zusammenhang mit organisierten Macht- und Befehlsstrukturen, wie sie etwa bei kriminellen Vereinigungen, Unternehmen oder staatlichen Unrechtssystemen auftreten, wird der Begriff der „mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft“ diskutiert. In solchen Fällen lenkt der Hintermann das Tatgeschehen durch die Kontrolle über eine Organisation bzw. eine Vielzahl verfügt über die Tatmittler, die in einer vertikalen Befehlskette stehend auf Anweisung handeln, jedoch häufig selbst keine Tatherrschaft besitzen. Die Rechtsprechung und Literatur fordern in diesen Fällen zusätzlich, dass der mittelbare Täter den Tatmittler beliebig austauschbar einsetzen und das Tatgeschehen durch Strukturen dirigieren kann – eine besondere Erscheinungsform der mittelbaren Täterschaft, die sich maßgeblich von der klassischen Konstellation unterscheidet.