Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Strafrecht»Mittäterschaft

Mittäterschaft


Begriff und Grundlagen der Mittäterschaft

Die Mittäterschaft ist ein zentraler Begriff des Strafrechts und beschreibt eine Form der Beteiligung an einer Straftat, bei der mehrere Personen in gemeinsamer Verantwortung ein Delikt begehen. Die normative Grundlage ist regelmäßig in § 25 Absatz 2 Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Nach diesem Grundsatz gilt, dass jeder Mittäter für die Tat in vollem Umfang einzustehen hat, als ob er sie allein begangen hätte. Die Unterscheidung zur Täterschaft bei Alleintätern, zur Anstiftung sowie zur Beihilfe ist für die strafrechtliche Einordnung von erheblicher Bedeutung.

Historische Entwicklung

Die Konzeption der Mittäterschaft entwickelte sich im Laufe der Rechtsgeschichte, um den kollektiven Beitrag mehrerer Personen zu einer strafbaren Handlung adäquat zu erfassen. Frühe Rechtsordnungen kannten häufig nur die Unterscheidung von Täter und Gehilfe, während das Instititut der Mittäterschaft erst mit der Freiheits- und Verantwortungslehre moderne Konturen erhielt.

Rechtliche Voraussetzungen der Mittäterschaft

Gemeinsamer Tatplan

Zentrale Voraussetzung der Mittäterschaft ist das Vorliegen eines gemeinsamen Tatplans. Die Beteiligten müssen sich willentlich zur Verwirklichung des strafbaren Erfolgs verbunden haben. Ein „bewusstes und gewolltes Zusammenwirken“ (sog. „gemeinschaftliche Tatbegehung“) muss dabei gegeben sein. Das bloße Zusammenhandeln auf demselben Tatort, ohne gegenseitiges Einvernehmen, begründet noch keine Mittäterschaft.

Abgrenzung zur Nebentäterschaft und zur sukzessiven Mittäterschaft

Eine Nebentäterschaft liegt vor, wenn mehrere unabhängig voneinander, aber parallel den Tatbestand verwirklichen, ohne gemeinsame Planung. Von sukzessiver Mittäterschaft spricht man, wenn ein ursprünglich unbeteiligter Dritter in das laufende Tatgeschehen eintritt und sich dem Tatplan anschließt, wodurch ihm bereits begangene Tatbestandsteile unter Umständen zugerechnet werden können.

Arbeitsteilung und Tatausführung

Bei der Mittäterschaft ist regelmäßig eine arbeitsteilige Begehung der Tat festzustellen. Es genügt, dass jeder Mittäter irgendeinen wesentlichen Tatbeitrag leistet, der für die Herbeiführung des Erfolges von Bedeutung ist. Nicht erforderlich ist, dass jeder Mittäter alle Tatbestandsmerkmale eigenhändig verwirklicht. Vielmehr genügt das arbeitsteilige Zusammenwirken im Bewusstsein und mit Willen, als „Mit-Täter“ zu handeln (sog. „Tatherrschaftslehre“).

Formen des Tatbeitrags

Tatbeiträge können unterschiedlich ausgestaltet sein, etwa durch logistische Vorbereitung, Auskundschaften des Tatorts, Beschaffen von Tatmitteln oder Übernahme spezifischer Aufgaben während der Tatausführung. Entscheidend ist, ob der Beitrag nach objektiven Maßstäben als wesentlich für das Gelingen des Gesamtplans erscheint.

Subjektive Elemente: Vorsatz und Zurechnung

Die Beteiligten müssen mit Vorsatz hinsichtlich aller wesentlichen Tatumstände handeln. Der Wissens- und Willensgehalt des Vorsatzes bezieht sich dabei nicht nur auf die eigene Handlung, sondern auch auf die Beiträge der weiteren Mittäter. Jeder Beteiligte muss die Gesamttat als eigene wollen und den gemeinsamen Tatplan mittragen.

Zurechnung fremder Handlungen

Gemäß § 25 Absatz 2 StGB wird jedem Mittäter die gesamte Tat zugerechnet, unabhängig davon, welche einzelnen Beitrag er im Einzelnen erbracht hat. Entscheidend ist die „Mitverursachung“ und das „Mitverantworten“ des Geschehens.

Abgrenzung der Mittäterschaft von anderen Beteiligungsformen

Täterschaft und Teilnahme

Die Mittäterschaft ist von der Allein- oder unmittelbaren Täterschaft abzugrenzen, bei der eine Person selbst sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht. Im Unterschied dazu handelt der Teilnehmer in Form der Anstiftung oder Beihilfe, ohne eigenen Tatherrschaftsanspruch.

Funktionale und normative Zurechnungskriterien

Für die Bestimmung, ob Mittäterschaft oder Teilnahme vorliegt, werden funktionale Gesichtspunkte (z. B. Planung, Steuerung, Organisation) sowie normative Kriterien (Grad der Tatbeteiligung und Einfluss auf das Gesamtgeschehen) herangezogen. Die Tatherrschaftslehre ist dabei das maßgebliche dogmatische Unterscheidungsmerkmal.

Abgrenzung zur mittelbaren Täterschaft

Von der Mittäterschaft ist die mittelbare Täterschaft zu unterscheiden. In diesem Fall handelt eine Person aufgrund überlegenen Wissens oder Willens durch einen anderen, den sie als „Werkzeug“ steuert. Es liegt somit eine Täter-Hintermann- bzw. Werkzeug-Konstellation vor und kein gleichwertiges Zusammenwirken.

Rechtsfolgen der Mittäterschaft

Strafbarkeit und Strafzumessung

Jeder Mittäter wird hinsichtlich der gesamten Tat so behandelt, als hätte er diese persönlich in vollem Umfang begangen. Es besteht keine Begrenzung der Strafbarkeit auf den eigenen Tatbeitrag.

Unterschiedliche Schuldgrade

Bei der Strafzumessung kann dennoch berücksichtigt werden, in welchem Umfang und mit welcher Intensität sich die Mittäter an Planung, Vorbereitung und Ausführung beteiligt haben.

Rücktritt vom Versuch bei Mittäterschaft

Bei einem geplanten, aber nicht vollendeten Delikt kommt ein Rücktritt vom Versuch unter bestimmten Bedingungen in Betracht. Nach § 24 Absatz 2 StGB genügt es, dass ein Mittäter die weitere Ausführung verhindert oder ihren Erfolg abwendet. Maßgeblich ist, ob das Rücktrittsverhalten freiwillig und wirksam zur Vereitelung der Tat geführt hat.

Sonderfragen und Problemfelder

Mittäterschaft bei Unterlassungsdelikten

Mittäterschaft ist grundsätzlich auch bei Unterlassungsdelikten möglich. Hier müssen alle Mittäter eine rechtliche Pflicht zum Handeln besitzen und sich durch ihr gemeinsames Unterlassen den Eintritt des Erfolges zurechnen lassen.

Mittäterschaft bei Fahrlässigkeitsdelikten

Die Mittäterschaft kommt grundsätzlich auch bei fahrlässigen Straftaten in Betracht, sofern ein gemeinsamer Fahrlässigkeitsakt vorliegt und die Handlungen oder Unterlassungen objektiv und subjektiv zurechenbar sind.

Mittäterschaft im Ausland und internationales Strafrecht

In Konstellationen mit Ländern, die verschiedene Voraussetzungen für Mittäterschaft bereithalten, ist jeweils das maßgebende nationale Recht heranzuziehen. Im internationalen Strafrecht, etwa im Völkerstrafrecht, wird das Prinzip der gemeinsamen Tatbegehung (Joint Criminal Enterprise) ebenfalls angewendet und kann zur Zurechnung umfangreicher Straftaten führen.

Literaturhinweise

  • Strafgesetzbuch (StGB), § 25
  • Fischer, Strafgesetzbuch, Kommentar
  • Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft
  • Wessels/Beulke, Strafrecht Allgemeiner Teil

Fazit

Die Mittäterschaft stellt ein bedeutsames Instrument der strafrechtlichen Verantwortungszurechnung dar, um die gemeinsame Begehung von Straftaten durch mehrere Personen angemessen zu erfassen. Mit ihrem komplexen dogmatischen Unterbau und differenzierten Voraussetzungen ist sie ein zentraler Anknüpfungspunkt bei der strafrechtlichen Behandlung arbeitsteiliger Delinquenz. Durch ihre weite Auslegung und ihre praktische Bedeutung bleibt die Mittäterschaft ein zentraler Begriff im deutschen Strafrechtssystem.

Häufig gestellte Fragen

Wann liegt eine Mittäterschaft im rechtlichen Sinne vor?

Mittäterschaft liegt im rechtlichen Sinne vor, wenn mehrere Personen bewusst und gewollt im Rahmen eines gemeinsamen Tatplans bei der Verwirklichung eines Straftatbestandes zusammenwirken. Voraussetzung ist, dass jeder Beteiligte einen für das Gesamtgeschehen wesentlichen Beitrag leistet und die anderen am Gelingen der Tat ebenso mitwirken. Maßgeblich ist eine gemeinschaftliche, auf die Ausführung der Straftat gerichtete Willensübereinstimmung („Tatherrschaft“), das heißt, dass jeder einzelne Mittäter das Tatgeschehen nach seinem Willen mitgestalten und lenken kann. Rechtlich ist Mittäterschaft in § 25 Abs. 2 StGB geregelt und stellt sicher, dass alle Mittäter wie eigenhändige Täter behandelt und bestraft werden, auch wenn sie nicht jeden Teilakt der Tat persönlich ausführen.

Wie wird die Mittäterschaft strafrechtlich von Teilnahmeformen wie Anstiftung oder Beihilfe abgegrenzt?

Die Abgrenzung der Mittäterschaft von anderen Teilnahmeformen wie Anstiftung (§ 26 StGB) und Beihilfe (§ 27 StGB) erfolgt anhand der Tatherrschaft sowie der Bedeutung des Tatbeitrags. Während Mittäter durch eigenes tatbezogenes Handeln maßgeblich zum Geschehensablauf beitragen und dabei eine die Tat steuernde Kontrollmöglichkeit besitzen, beschränken sich Anstifter auf das bloße Hervorrufen des Tatentschlusses beim Haupttäter, ohne selbst an der Tatausführung mitzuwirken. Bei der Beihilfe steht die Unterstützung der Haupttat im Vordergrund, wobei Gehilfen keine Tatherrschaft zukommt und ihre Beiträge typischerweise von untergeordneter Bedeutung für das Tatgeschehen sind. Die genaue Einordnung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und erfordert eine wertende Gesamtbetrachtung aller Tatbeiträge.

Welche rechtlichen Folgen hat die Annahme von Mittäterschaft für die Strafzumessung?

Die Annahme von Mittäterschaft führt dazu, dass alle Mittäter für die vollständige Tat verantwortlich gemacht werden, unabhängig davon, welcher Anteil ihnen konkret zukommt. Dies bedeutet, dass jeder Mittäter objektiv und subjektiv für die gesamte Straftat haftet, als hätte er diese allein begangen („Zurechnungsdurchgriff“). Für die Strafzumessung berücksichtigt das Gericht jedoch die individuellen Tatbeiträge, die Beweggründe und das Maß der Beteiligung jedes einzelnen Mittäters. Auch strafmildernde oder strafschärfende Aspekte, wie zum Beispiel besondere Brutalität oder die Übernahme einer Schlüsselrolle, finden Beachtung. Im Ergebnis können die Strafen für Mittäter unterschiedlich ausfallen, obwohl sie alle als Täter im juristischen Sinne gelten.

Ist ein Rücktritt vom Versuch bei Mittäterschaft möglich und wie wird dieser juristisch beurteilt?

Ein Rücktritt vom Versuch ist bei Mittäterschaft grundsätzlich möglich und wird nach den allgemeinen Regeln des § 24 StGB beurteilt. Im Falle mehrerer Mittäter kann ein einzelner Beteiligter vom Versuch zurücktreten, indem er seinen Tatbeitrag eigenständig und freiwillig aufgibt und, falls möglich, die Vollendung der Tat verhindert. Juristisch komplex ist die Frage, ob der Rücktritt ausreicht, wenn andere Mittäter den Tatplan dennoch fortsetzen. Hier kommt es darauf an, ob der Zurücktretende alles Erforderliche und Zumutbare getan hat, um die Tatvollendung zu verhindern. Gelingt dies, kann dem Mittäter strafmindernder oder sogar strafbefreiender Rücktritt gewährt werden, andernfalls bleibt er in vollem Umfang strafbar.

Wie erfolgt im Rahmen der Mittäterschaft die Zurechnung fremden Tatverhaltens?

Im Rahmen der Mittäterschaft werden auch die Tatbeiträge der Mitwirkenden einander zugerechnet. Das bedeutet, dass jeder Mittäter für die von den anderen Mittätern begehbaren Tatbestandsteile mitverantwortlich gemacht wird, sofern diese im Rahmen des gemeinsamen Tatplans und mit gegenseitigem Einverständnis erfolgen. Diese sogenannte „Zurechnung von Mittäterhandeln“ erstreckt sich jedoch nur auf solche Beiträge, die von der gemeinsamen Willensrichtung erfasst und von der Tatherrschaft gedeckt sind. Unerwartete, eigenmächtige Handlungen eines Mittäters, die außerhalb des abgestimmten Tatplans liegen (Exzesse), werden der Mittäterschaft nicht zugerechnet und führen zu einer individuellen Verantwortlichkeit allein des handelnden Mittäters.

Kann eine Mittäterschaft auch bei unterschiedlichen Tatbeiträgen und Rollen vorliegen?

Ja, eine Mittäterschaft kann auch dann vorliegen, wenn die einzelnen Beteiligten unterschiedliche Tatbeiträge leisten oder verschiedene Rollen im Tatgeschehen übernehmen. Entscheidend ist nicht die Gleichwertigkeit oder Identität der Beiträge, sondern ob sie für das Gelingen der Tat wesentlich sind und im Rahmen des gemeinsamen Tatplans erbracht werden. Es reicht aus, dass alle Beteiligten die Tatherrschaft besitzen oder zumindest in gemeinsamer Abstimmung am Tatgeschehen mitwirken. Beispiele sind klassische „Arbeitsteilung“ bei Straftaten etwa durch Planung, Durchführung und Absicherung der Tat.

Welche Bedeutung kommt dem gemeinsamen Tatentschluss bei der Mittäterschaft zu?

Der gemeinsame Tatentschluss ist das zentrale Element der Mittäterschaft und bildet die Grundlage für die Zurechnung der Tatbeiträge untereinander. Er setzt eine zumindest konkludente Übereinkunft aller Beteiligten voraus, gemeinsam zur Verwirklichung des Straftatbestandes beizutragen. Der Tatentschluss kann spontan, durch ausdrückliche Absprache oder durch stillschweigendes Einvernehmen während des Tatgeschehens entstehen. Ohne einen solchen gemeinsamen Tatentschluss fehlt es an der für die Mittäterschaft erforderlichen subjektiven Grundlage, sodass eine bloße gleichzeitige Anwesenheit oder zufällige Unterstützung nicht zur Annahme von Mittäterschaft führt. Der Nachweis des gemeinsamen Tatentschlusses erfolgt in der Praxis anhand der äußeren Umstände und des Gesamtverhaltens der Beteiligten.