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Mitgläubigerschaft


Begriff und rechtlicher Rahmen der Mitgläubigerschaft

Definition der Mitgläubigerschaft

Die Mitgläubigerschaft ist ein Begriff des deutschen Schuldrechts und bezeichnet ein Schuldverhältnis, bei dem mehrere Personen gemeinschaftlich Gläubiger einer teilbaren Forderung gegenüber einem oder mehreren Schuldnern sind. Die Mitgläubigerschaft unterscheidet sich in ihrer rechtlichen Ausgestaltung deutlich von anderen Mehrpersonenverhältnissen wie der Gesamthand- oder der Gesamtgläubigerschaft. Ihr Hauptmerkmal ist, dass die Forderung der Gläubiger gegen den Schuldner in einzelne Anteile zerfällt, wobei jeder Gläubiger befugt ist, nur seinen Anteil einzeln zu verlangen.

Gesetzliche Regelung

Die gesetzlichen Grundlagen der Mitgläubigerschaft ergeben sich primär aus § 420 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Nach dessen Regelung sind, soweit aus dem Schuldverhältnis oder den Umständen sich nichts anderes ergibt, mehrere Gläubiger einer Forderung im Zweifel nur zu gleichen Teilen berechtigt. Durch spezifische schuldrechtliche Vereinbarungen, testamentarische Anordnungen (z. B. im Rahmen einer Erbengemeinschaft) oder gesetzliche Sonderregelungen kann dieser Grundsatz jedoch modifiziert werden.

Abgrenzung zu anderen Mehrpersonenverhältnissen

Unterschied zur Gesamtgläubigerschaft

Die Gesamtgläubigerschaft (§ 428 BGB) kennzeichnet sich dadurch, dass jedem Gläubiger die gesamte Forderung zusteht, der Schuldner jedoch an jeden mit schuldbefreiender Wirkung leisten darf. Mit Erfüllung gegenüber einem Gläubiger erlöschen die Ansprüche der übrigen Gläubiger. Im Gegensatz dazu ist bei der Mitgläubigerschaft jeder Gläubiger nur auf seinen Anteil limitiert.

Abgrenzung zur Gesamthandsgemeinschaft

Die Gesamthandsgemeinschaft (z. B. bei Erbengemeinschaften oder Gesellschaften bürgerlichen Rechts) bedeutet eine ungeteilte Gläubigerstellung aller Beteiligten, wobei die Forderung gemeinschaftlich verwaltet und eingezogen wird. Die Mitgläubigerschaft ist hiervon insofern verschieden, als der Zuweisungsanspruch konkret jedem Gläubiger zugeordnet ist.

Rechtsnatur und Entstehungsgründe

Entstehung der Mitgläubigerschaft

Mitgläubigerschaften entstehen im Regelfall durch vertragliche Vereinbarung (z. B. gemeinsame Darlehensgeber), durch Gesetz (z. B. im Rahmen der Gesamtforderung von Gesellschaftern) oder auch durch Verwaltungsakte (z. B. bei gemeinschaftlichen Bewilligungsbescheiden). Typische Fälle sind ferner Aufteilungen einer Forderung etwa im Rahmen der Forderungsabtretung oder infolge einer Teilauseinandersetzung.

Arten der Mitgläubigerschaft

Es wird unterschieden zwischen gesetzlicher und vertraglicher Mitgläubigerschaft. Während die gesetzliche Mitgläubigerschaft auf bestimmten Tatbeständen basiert, kann die vertragliche entweder ausdrücklich oder konkludent vereinbart werden. Immer ist entscheidend, dass die Forderung teilbar ist und jedem Gläubiger ein selbständiger Anspruch auf den seinen Anteil an der Gesamtforderung zusteht.

Rechtsfolgen der Mitgläubigerschaft

Rechte der einzelnen Gläubiger

Jeder Mitgläubiger kann nur seinen eigenen Anteil an der Forderung gegenüber dem Schuldner geltend machen (§ 420 BGB). Es besteht keine Berechtigung, die Anteile der übrigen Mitgläubiger heraus zu verlangen oder über diese zu verfügen.

Leistung durch den Schuldner

Der Schuldner ist verpflichtet, die Forderung anteilig zu erfüllen. Eine Leistung an einen Mitgläubiger wirkt nur in Höhe des Anspruchs dieses Gläubigers schuldbefreiend. Eine Gesamtleistung an einen einzelnen Mitgläubiger ist grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn, die übrigen Mitgläubiger bevollmächtigen ihn zur Empfangnahme.

Übertragung und Vererblichkeit

Die einzelnen Forderungsanteile der Mitgläubiger sind grundsätzlich abtretbar (§§ 398 ff. BGB) und vererblich. Jeder Gläubiger kann über seinen Anteil unabhängig von den Mitgläubigern verfügen, sofern vertraglich nichts anderes bestimmt wurde.

Aufrechnung und Gegenrechte des Schuldners

Ein Schuldner kann gegenüber einem Mitgläubiger nur mit Gegenforderungen aufrechnen, die gegen diesen bestehen. Eine Aufrechnung gegenüber der gesamten Gläubigergruppe ist nicht möglich, es sei denn, ein Aufrechnungsrecht ergibt sich aus einer Gesamthandsforderungsbeziehung.

Praktische Beispiele und Anwendungsbereiche

Beispiel aus der Praxis

Geben mehrere Privatpersonen einem Dritten gemeinsam ein Darlehen, ohne explizite Vereinbarungen über die Handhabung der Gläubigerstellung zu treffen, liegt mangels einer Gesamtgläubigerschaft in der Regel eine Mitgläubigerschaft vor: Jeder Gläubiger kann seinen Teilbetrag vom Schuldner verlangen.

Anwendungsfälle

Zu den klassischen Anwendungsfeldern zählen neben gemeinschaftlichen Geldforderungen, virulente Forderungen aus Werkverträgen, Mietverhältnissen mit mehreren Vermietern (z. B. Miteigentumsgemeinschaften ohne gemeinsames Konto) oder auch gemeinschaftliche Schadensersatzansprüche mehrerer Geschädigter gegen einen Schädiger in voller Höhe jeweils entsprechend ihres Ausfalles.

Unterschiede zwischen Mitgläubigerschaft, Gesamtgläubigerschaft und Gesamthandsgemeinschaft im Überblick

Kriterium Mitgläubigerschaft Gesamtgläubigerschaft Gesamthandsgemeinschaft
Regelung im BGB § 420 BGB § 428 BGB §§ 2032 ff., 718 ff. BGB
Leistungsberechtigung Anteilsmäßig Gesamtsumme an jeden Gläubiger Gesamthand: gemeinschaftlich
Forderungsinhaber Einzelne Gläubiger Jeder Gläubiger Gesamthandsgemeinschaft
Verfügung über Ansprüche Nur über eigenen Anteil Nur gesamthänderisch möglich Gemeinsame Verfügung
Aufrechnung Nur gegen Anteil Gegen gesamten Betrag möglich Nur gegen Gesamtforderung

Gesetzliche Sonderregelungen und Modifikationen

Je nach Rechtsgebiet können spezialgesetzliche Regelungen die allgemeinen Grundsätze der Mitgläubigerschaft modifizieren, insbesondere im Gesellschaftsrecht, Erbrecht, Familienrecht oder im Kontext öffentlich-rechtlicher Leistungsbeziehungen. Vertragsparteien steht es zudem frei, in Einzelverträgen andere Reglungen zu treffen, sofern keine gesetzlichen Verbote entgegenstehen und die Forderung teilbar ist.

Zusammenfassung

Die Mitgläubigerschaft ist ein zentrales Institut des deutschen Schuldrechts zur Bewältigung von Mehrpersonenverhältnissen auf Gläubigerseite bei teilbaren Forderungen. Charakteristisch ist, dass jedem Gläubiger ein eigener Anspruch auf einen Anteil an der gesamten Forderung zusteht. Der Schuldner ist demnach nur verpflichtet, gegenüber den einzelnen Gläubigern jeweils ihren Anteil zu erfüllen. Die rechtlichen Gestaltungs- und Abgrenzungsmöglichkeiten im Vergleich zu anderen Gläubigermehrheiten, wie Gesamtgläubigerschaft oder Gesamthandsgemeinschaft, erfordern stets eine sorgfältige Analyse der Vertrags- und Gesetzeslage. Die Kenntnis der Ausgestaltungsmöglichkeiten und Rechtsfolgen ist von wesentlicher Bedeutung für die Gestaltung und Abwicklung von Schuldverhältnissen mit mehreren Gläubigern.

Häufig gestellte Fragen

Wie können Forderungen unter mehreren Mitgläubigern geltend gemacht werden?

Im Rahmen der Mitgläubigerschaft steht mehreren Personen eine Forderung gemeinschaftlich gegenüber einem Schuldner zu. Die Mitgläubiger, auch als Gesamtgläubiger bezeichnet, können die Forderung grundsätzlich nur gemeinschaftlich geltend machen, sofern im Gesetz oder durch Vereinbarung keine andere Regelung vorgesehen ist. Dies bedeutet, dass der Schuldner die geschuldete Leistung grundsätzlich nur mit Wirkung gegenüber allen Mitgläubigern erbringen kann. Jeder Mitgläubiger ist dabei berechtigt, die gesamte Forderung für alle geltend zu machen, aber die Leistung kann der Schuldner nur an sämtliche Mitgläubiger gemeinsam oder an einen von ihnen mit entsprechender Vollmacht leisten. Eine abweichende Handhabung, insbesondere die Befugnis eines einzelnen Mitgläubigers, über seinen Anteil an der Forderung allein zu verfügen oder den Schuldner unabhängig zu verpflichten, besteht in der Regel nicht.

Was passiert, wenn einer der Mitgläubiger auf die Forderung verzichtet?

Verzichtet einer der Mitgläubiger auf seinen Anteil an der Forderung, so berührt das grundsätzlich nicht die Ansprüche der übrigen Mitgläubiger, sofern keine Gesamthandsgemeinschaft im Sinne spezifischer Vorschriften (z. B. Erbengemeinschaft, BGB-Gesellschaft) vorliegt. Der Verzicht eines einzelnen Mitgläubigers bewirkt also in der Regel keinen Erlass der gesamten Forderung, sondern nur eine Reduzierung im Innenverhältnis. Der Schuldner muss demnach weiterhin an die verbleibenden Mitgläubiger leisten, es sei denn, etwas anderes ist vereinbart. In besonderen Konstellationen des Gesamthandsprinzips (wie bei Erbengemeinschaften) kann ein Verzicht gegebenenfalls insgesamt Wirkung entfalten, sodass hierbei stets auf die genaue rechtliche Ausgestaltung der Mitgläubigerschaft abzustellen ist.

Können Mitgläubiger den Schuldner getrennt in Anspruch nehmen?

Grundsätzlich können Mitgläubiger den Schuldner nicht getrennt in Anspruch nehmen, weil die Forderung ihnen nur gemeinsam zusteht und nur gemeinschaftlich ausgeübt werden darf. Eine isolierte Klage einzelner Mitgläubiger ist in der Regel unzulässig und führt zu einer Klageabweisung wegen fehlender Aktivlegitimation. Ausnahmen bestehen nur, wenn das Gesetz oder eine vertragliche Abrede eine gesonderte Geltendmachung gestattet. Im Regelfall ist jedoch ein gemeinschaftliches Vorgehen notwendig, wobei alle Mitgläubiger zumindest im eigenen Namen klagen oder von einem gemeinschaftlichen Vertreter vertreten werden müssen.

Wie wirkt eine Verjährung innerhalb der Mitgläubigerschaft?

Die Verjährung der Forderung im Rahmen der Mitgläubigerschaft wirkt gegenüber allen Mitgläubigern einheitlich. Das bedeutet, wenn der Anspruch verjährt, erlischt er im Verhältnis zu allen Mitgläubigern gleichzeitig. Da die Forderung allen Mitgläubigern gemeinschaftlich zusteht, eröffnet sich keine Möglichkeit für einzelne Mitgläubiger, die Verjährung über Maßnahmen wie Verjährungsunterbrechung individuell zu hemmen oder zu verhindern. Nur ein rechtzeitiger Hemmungs- oder Unterbrechungstatbestand, der sich auf die Gesamtheit der Forderung bezieht, wirkt zugunsten aller Mitgläubiger.

Was geschieht bei Streit unter den Mitgläubigern im Hinblick auf die Forderungsausübung?

Kommt es unter den Mitgläubigern zu Streit über die Ausübung der Forderung oder die Art und Weise der Einziehung, ist in erster Linie das Mehrheitsprinzip maßgeblich, sofern nichts anderes vereinbart ist. In fehlender einheitlicher Regelung kann die Willensbildung zum Beispiel nach Anteilen erfolgen. In besonderen Fällen (z. B. Erbengemeinschaft) sind abweichende gesetzliche Regelungen maßgeblich (z. B. § 2038 BGB). Ist eine Einigung nicht möglich, bleibt dem einzelnen Mitgläubiger grundsätzlich die Klage auf Zustimmung zur gemeinschaftlichen Rechtsverfolgung oder ggf. die gerichtliche Geltendmachung im Wege einer gewillkürten Prozessstandschaft.

Kann ein Mitgläubiger seinen Anteil an der Forderung abtreten?

Die Abtretung des Anteils an einer gemeinschaftlichen Forderung ist grundsätzlich möglich, setzt jedoch häufig die Zustimmung der übrigen Mitgläubiger voraus oder bedarf zumindest einer Anzeige gegenüber dem Schuldner, da sich durch die Abtretung das Forderungsgliederungsverhältnis verändert. Bei einer echten Gesamtgläubigerschaft i.S.d. § 428 BGB kann jeder Gläubiger seinen Teil abtreten, ohne dass es der Zustimmung der anderen bedarf. Handelt es sich hingegen um eine Mitgläubigerschaft aus Gesamthand (z. B. Erbengemeinschaft), ist die Abtretung von einzelnen Anteilen in der Regel ausgeschlossen, da das Recht unteilbar ist.

Wie erfolgt die Leistung durch den Schuldner bei mehreren Mitgläubigern?

Der Schuldner hat bei mehreren Mitgläubigern zu beachten, dass er die geschuldete Leistung nur mit Wirkung gegenüber allen Mitgläubigern erbringen kann, sofern nicht abweichend einzelvertraglich geregelt. Leistet der Schuldner ohne Zustimmung aller Mitgläubiger lediglich an einen von ihnen, so wird er nur insoweit befreit, wie dieser Mitgläubiger empfangsberechtigt ist; andernfalls besteht die Gefahr der doppelten Inanspruchnahme. Zur vollständigen Erfüllung muss der Schuldner die Leistung an alle Mitgläubiger gemeinschaftlich oder an einen gemeinschaftlichen Vertreter übergeben. Besondere Regelungen (z. B. bei der Teilgläubigerschaft gemäß § 420 BGB) können hiervon abweichen.