Definition und grundsätzliche Einordnung des Mitbesitzes
Mitbesitz ist ein zentraler Begriff des deutschen Sachenrechts. Er bezeichnet das gleichzeitige Innehaben der tatsächlichen Sachherrschaft an einer Sache durch mehrere Personen, ohne dass diesen jeweils die Gesamtgewalt, sondern jedem nur ein Teil der Sachherrschaft zusteht. Der Mitbesitz ist insbesondere im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt und stellt eine besondere Form des Besitzes dar, welche insbesondere im Rahmen von Eigentümergemeinschaften, Miet-, Pacht- und Arbeitsverhältnissen eine Rolle spielt.
Gesetzliche Grundlagen
Besitz und Mitbesitz nach dem BGB
Die grundlegenden Regelungen zum Besitz finden sich in den §§ 854 ff. BGB. § 854 BGB definiert den Besitz als die tatsächliche Herrschaft einer Person über eine Sache. Der Mitbesitz wird in § 866 BGB geregelt. Dort wird bestimmt, dass mehrere Personen eine Sache gemeinschaftlich besitzen können. Der Mitbesitz unterscheidet sich dabei vom Gesamthandbesitz und Teilbesitz.
Abgrenzung: Mitbesitz, Teilbesitz und Alleinbesitz
- Alleinbesitz: Eine Person übt die tatsächliche Sachherrschaft vollständig und eigenständig aus.
- Mitbesitz: Mehrere Personen besitzen eine Sache gemeinschaftlich, ohne dass ihnen jeweils die gesamte Sachherrschaft zusteht.
- Teilsbesitz: Jeder Teilbesitzer übt die tatsächliche Sachherrschaft über einen abgegrenzten Teil der Sache aus, z. B. jeweils eine Wohnung innerhalb eines Mehrparteienhauses.
Arten des Mitbesitzes
Gemeinschaftlicher Besitz (Mitbesitz zur gesamten Hand)
Hierbei üben alle Mitbesitzer in gleichem Maße und ohne Abgrenzung Sachherrschaft über die gesamte Sache aus. Ein typisches Beispiel ist der Besitz einer ungeteilten Ferienimmobilie, bei der mehrere Personen die gesamte Sache gemeinsam nutzen.
Bruchteilbesitz
Beim Bruchteilbesitz ist jeder Mitbesitzer lediglich in Bezug auf einen ideellen Bruchteil an einer Sache beteiligt. Dies ist häufig im Rahmen von Erbengemeinschaften der Fall.
Mitbesitz nach Stufen
Mitbesitz kann sich auf unterschiedliche Stufen beziehen, zum Beispiel bei Dachboden und Keller eines Mehrfamilienhauses, obwohl nicht zwingend eine räumliche Trennung besteht.
Rechte und Pflichten der Mitbesitzer
Besitzschutz
Mitbesitzer genießen den gleichen gesetzlichen Besitzschutz wie Einzelbesitzer. Dies umfasst insbesondere den Anspruch auf Besitzschutz gemäß § 861 BGB bei verbotener Eigenmacht, d. h. unbefugter Entziehung oder Störung des Mitbesitzes durch Dritte.
Verfügungsbefugnis
Ein einzelner Mitbesitzer kann über seinen Bruchteil am gemeinschaftlichen Besitz nur im Rahmen seiner Rechte verfügen. Eine Verfügung über die ganze Sache ist nur gemeinschaftlich oder durch einen ermächtigten Vertreter möglich.
Herausgabe- und Duldungspflichten
Ein Mitbesitzer kann grundsätzlich keine Herausgabe der Sache an sich allein verlangen, solange der Mitbesitz besteht. Bei Beendigung des Mitbesitzes etwa durch Kündigung, Ausschluss oder Aufhebung der Gemeinschaft kann die Herausgabe gemäß den allgemeinen Vorschriften verlangt werden.
Beendigung des Mitbesitzes
Mitbesitz kann durch verschiedene Umstände beendet werden, z. B. durch Aufgabe der tatsächlichen Herrschaft, durch Vereinbarung, durch Übertragung des Besitzes oder durch gerichtliche Entscheidung. Die Rückgabe der Sache erfolgt dabei in der Regel an die übrigen Mitbesitzer oder an einen Dritten, sofern die Mitbesitzgemeinschaft aufgelöst wird.
Mitbesitz in der Praxis
Anwendungsbeispiele
- Erbengemeinschaften: Die gemeinschaftliche Nutzung und Verwaltung des Nachlasses stellt typischen Mitbesitz dar.
- Ehe- und Lebensgemeinschaften: Bei gemeinsam genutzten Haushaltsgegenständen oder Immobilien ist regelmäßig von Mitbesitz auszugehen.
- Mietverhältnisse: Auch Mieter, die eine Wohnung gemeinsam nutzen, stehen in einem Mitbesitzverhältnis.
Streitigkeiten im Mitbesitz
Die meisten Streitigkeiten resultieren aus den unterschiedlichen Interessen der Mitbesitzer hinsichtlich Nutzung, Verwaltung und Verfügung über die Sache. Hier greifen vielfach die gesetzlichen Regelungen des Besitzschutzes sowie des Gemeinschaftsrechts.
Rechtliche Besonderheiten
Ersitzung und Mitbesitz
Ein Mitbesitzer kann auch Eigentum durch Ersitzung (§ 937 BGB) erlangen, allerdings nur soweit, wie er eine eigenständige tatsächliche Herrschaft ausübt und nicht nur im Rahmen des Mitbesitzes.
Verjährung von Ansprüchen
Auch im Mitbesitz gelten die allgemeinen Verjährungsregeln, insbesondere bezüglich Ansprüchen auf Herausgabe, Besitzschutz oder Schadensersatz.
Vormerkung und Mitbesitz
Eine für Mitbesitzer zugunsten aller Beteiligten eingetragene Vormerkung kann ihnen gemeinsam Ansprüche auf Eigentumsübertragung sichern.
Zusammenfassung
Der Mitbesitz ist eine komplexe, praxisrelevante Erscheinungsform des Besitzes, die insbesondere im deutschen Sachenrecht eine bedeutende Rolle einnimmt. Der rechtliche Rahmen sichert jedem Mitbesitzer umfassende Schutz- und Nutzungsrechte zu, gewährt aber auch den übrigen Mitbesitzern ihren Anteil an der gemeinschaftlichen Sachherrschaft. Die gesetzlichen Bestimmungen bieten eine flexible Grundlage zur Bewältigung der vielfältigen Anwendungsfälle in der Rechtswirklichkeit.
Häufig gestellte Fragen
Welche Rechte hat der Mitbesitzer an der gemeinsamen Sache?
Der Mitbesitzer hat das Recht, die gemeinsame Sache im Rahmen des gesetzlichen oder vertraglichen Besitzmittlungsverhältnisses zu gebrauchen, solange die Rechte der anderen Mitbesitzer nicht beeinträchtigt werden. Die Ausübung des Besitzrechts steht grundsätzlich allen Mitbesitzern gemeinschaftlich zu. In der Praxis bedeutet das, dass jeder Mitbesitzer die tatsächliche Sachherrschaft – etwa Nutzung oder Verwaltung – nur in einer Weise ausüben darf, die den Interessen der übrigen Mitbesitzer Rechnung trägt. Im BGB (§ 743) ist geregelt, dass über die Verwaltung und Benutzung der gemeinsamen Sache grundsätzlich gemeinschaftlich und einvernehmlich entschieden werden muss. Einzelhandlungen eines Mitbesitzers, die über den ordnungsgemäßen Gebrauch hinausgehen oder die Sache wesentlich verändern, bedürfen der Zustimmung der anderen Mitbesitzer.
Wie kann ein Mitbesitzer die Sache vor Eingriffen Dritter schützen?
Jeder Mitbesitzer ist berechtigt und verpflichtet, die Sache gegen Eingriffe Dritter zu schützen. Das bedeutet, dass einem Mitbesitzer die sogenannte Besitzwehr und Besitzkehr (§§ 859, 861 BGB) zur Verfügung stehen, also das Recht, sich gegen verbotene Eigenmacht zu wehren oder den Besitz zurückzuerlangen. Gegenüber Dritten kann jeder Mitbesitzer Ansprüche wie Herausgabe- oder Unterlassungsklagen geltend machen. Allerdings muss sich der Mitbesitzer dabei bewusst sein, dass hinsichtlich der Ansprüche, die im Namen der gesamten Mitbesitzerschaft verfolgt werden, das rechtliche Vorgehen meist gemeinschaftlich erfolgen muss oder zumindest im Interesse aller Mitbesitzer liegen muss. Besonders relevant ist, dass der Mitbesitzer gegen einen Mitbesitzer keine Besitzschutzansprüche nach außen geltend machen kann, da diese nur gegenüber außenstehenden Dritten wirken.
Welche Ansprüche bestehen zwischen den Mitbesitzern bei Störungen?
Kommt es zwischen Mitbesitzern zu Streitigkeiten oder Störungen hinsichtlich der Benutzung oder Verwaltung der Sache, bestehen unter bestimmten Voraussetzungen interne Ansprüche. Hierzu gehört etwa der Anspruch auf Unterlassung unbefugten Gebrauchs (§ 745 BGB) oder auf Zustimmung zu notwendigen und ordentlichen Maßnahmen der Verwaltung und Erhaltung (§§ 744 ff. BGB). Weiterhin können nach § 748 BGB Aufwendungsersatzansprüche bestehen, wenn ein Mitbesitzer für die Sache notwendige Ausgaben getätigt hat. Auch Schadensersatzansprüche sind unter Umständen möglich, falls ein Mitbesitzer schuldhaft die Sache beschädigt oder die Rechte der anderen Mitbesitzer verletzt.
Wie kann ein Mitbesitzer über seinen Anteil verfügen?
Ein Mitbesitzer kann über seinen eigenen ideellen Anteil an der Sache grundsätzlich frei verfügen, also diesen verkaufen, verschenken oder vererben. Eine Verfügung über die gesamte Sache ist ihm jedoch nicht allein möglich, da hierfür das Einverständnis der übrigen Mitbesitzer erforderlich ist. Bei Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten ist zudem häufig die notarielle Form einzuhalten, sofern es sich um eine Verfügung im Sinne des Sachenrechts handelt. Der Erwerber eines Anteils tritt mit dem Erwerb rechtlich in die Stellung des veräußernden Mitbesitzers ein und übernimmt die damit verbundenen Rechte und Pflichten.
Ist eine Teilung der gemeinsamen Sache möglich?
Eine Teilung der gemeinschaftlichen Sache ist grundsätzlich möglich, jedoch häufig mit rechtlichen und tatsächlichen Hürden verbunden. Gesetzlich geregelt ist das Auseinandersetzungsverlangen nach § 749 BGB: Jeder Mitbesitzer kann grundsätzlich jederzeit die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen, sofern nicht ein Ausschluss- oder Beschränkungsgrund vorliegt (z.B. Verbot durch Vertrag oder Gesetz). Die Teilung erfolgt entweder real (Teilung der körperlichen Sache, sofern möglich) oder durch Verkauf und Teilung des Erlöses (sogenannte Zwangsversteigerung oder -verwaltung, insbesondere bei unteilbaren Sachen wie Grundstücken). Die Teilung muss unter Wahrung der Rechte aller Beteiligten erfolgen und erfordert gegebenenfalls eine gerichtliche Auseinandersetzung.
Welche Pflichten hat der Mitbesitzer gegenüber den anderen Mitbesitzern?
Mitbesitzer haben gegenüber den anderen Mitbesitzern allgemeine Treue- und Rücksichtnahmepflichten. Sie müssen sich nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Verwaltung richten (§ 743 BGB) und alles unterlassen, was das gemeinschaftliche Besitzrecht der anderen beeinträchtigen könnte. Zu diesen Pflichten zählt insbesondere die ordnungsmäßige Instandhaltung, die Beteiligung an notwendigen Kosten und auf Wunsch auch die Information und Abstimmung im Rahmen der gemeinschaftlichen Verwaltung. Darüber hinaus ist jeder Mitbesitzer verpflichtet, die Nutzung der Sache so zu gestalten, dass dem Interesse der übrigen Mitbesitzer Rechnung getragen wird; Verstöße können zu Unterlassungs- oder sogar Schadensersatzansprüchen führen.