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Missbrauch von Wegstreckenzählern und Geschwindigkeitsbegrenzern


Missbrauch von Wegstreckenzählern und Geschwindigkeitsbegrenzern im Überblick

Der Missbrauch von Wegstreckenzählern und Geschwindigkeitsbegrenzern stellt einen Straftatbestand im deutschen Recht dar, der insbesondere im Bereich des Straßenverkehrs und der Manipulation von Fahrzeugen relevant ist. Die nachfolgenden Abschnitte bieten eine detaillierte, rechtliche Analyse der Vorschriften, die Manipulation, Umgehung oder den sonstigen Missbrauch dieser technisch-elektronischen Einrichtungen betreffen.


Technische Grundlagen: Wegstreckenzähler und Geschwindigkeitsbegrenzer

Wegstreckenzähler

Ein Wegstreckenzähler, meist als Kilometerzähler oder Tachometer bezeichnet, ist eine technische Vorrichtung in Kraftfahrzeugen, die die insgesamt zurückgelegte Strecke in Kilometern erfasst und anzeigt. Der regelmäßige Stand des Wegstreckenzählers ist insbesondere für die Wertermittlung von Kraftfahrzeugen und die Einhaltung von Service- und Wartungsintervallen von Relevanz.

Geschwindigkeitsbegrenzer

Der Geschwindigkeitsbegrenzer (Speed Limiter) ist eine Vorrichtung, die technisch sicherstellt, dass ein Fahrzeug eine vorgegebene Höchstgeschwindigkeit nicht überschreiten kann. Diese Systeme sind bei bestimmten Fahrzeugarten, beispielsweise Bussen und Lkw, gesetzlich vorgeschrieben und sollen Verkehrssicherheit, Umweltschutz sowie die Einhaltung arbeitszeitrechtlicher Regelungen unterstützen.


Rechtliche Einordnung des Missbrauchs

Gesetzliche Grundlagen

Strafrechtliche Regelungen

Der Missbrauch von Wegstreckenzählern und Geschwindigkeitsbegrenzern ist in § 22b Straßenverkehrsgesetz (StVG) geregelt. Danach ist es untersagt, den Wegstreckenzähler oder den Geschwindigkeitsbegrenzer eines Fahrzeugs zu manipulieren, zu entfernen, zu verändern oder andere technische Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer nicht ordnungsgemäßen Anzeige oder Funktion führen.

§ 22b StVG verbietet ausdrücklich:

  • das Verändern der angezeigten Kilometerleistung,
  • das Eingreifen in die Funktionsweise des Geschwindigkeitsbegrenzers,
  • das Einsetzen technischer Hilfsmittel zur Umgehung dieser Einrichtungen.

Ordnungswidrigkeitenrechtliche Aspekte

Neben strafrechtlichen Konsequenzen können zusätzlich verwaltungsrechtliche Sanktionen nach der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO), insbesondere § 57d StVZO (Tachometerpflicht und Wegstreckenzähler), oder der Fahrpersonalgesetzgebung eintreten. Zuwiderhandlungen können als Ordnungswidrigkeiten mit einem Bußgeld geahndet werden.


Strafrechtliche Konsequenzen des Missbrauchs

Tatmodalitäten

Der Straftatbestand wird durch aktives Tun oder Unterlassen erfüllt, wenn

  • der Wegstreckenzähler manipuliert wird,
  • der Geschwindigkeitsbegrenzer außer Betrieb gesetzt oder dessen Funktion verhindert wird,
  • technische Geräte oder Software angewandt werden, die das Ergebnis verfälschen,
  • ein Fahrzeug mit manipuliertem Gerät in Verkehr gebracht wird.

Täterkreis

Adressat der Regelung sind alle natürlichen Personen, insbesondere Fahrzeughalter, Fahrer, Werkstattmitarbeiter oder Verkäufer, die eine Manipulation vornehmen oder in Auftrag geben.

Strafrahmen

§ 22b StVG sieht für den Missbrauch von Wegstreckenzählern oder Geschwindigkeitsbegrenzern eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe vor. Im Falle gewerblicher Anwendung (etwa durch Verkauf manipulierten Fahrzeugs) kann sich der Strafrahmen erhöhen. Tritt durch die Manipulation eine weitere Straftat hinzu (z.B. Betrug gemäß § 263 StGB), erfolgt eine zusätzliche strafrechtliche Ahndung.


Zivilrechtliche und haftungsrechtliche Auswirkungen

Kaufrechtliche Folgen

Wird ein Fahrzeug mit manipuliertem Kilometerstand verkauft, liegt grundsätzlich ein Sachmangel nach den §§ 434, 437 BGB vor, der den Käufer zu Rücktritt, Minderung oder Schadensersatz berechtigt. Die arglistige Täuschung durch Verschweigen der Manipulation kann Gewährleistungsrechte verlängern und zu weiteren Ansprüchen führen.

Haftung im Straßenverkehr

Erfolgt aufgrund eines manipulierten Geschwindigkeitsbegrenzers ein Verkehrsunfall, können zivilrechtliche Haftungsfragen aufkommen, etwa im Hinblick auf die Betriebserlaubnis sowie die Kfz-Haftpflichtversicherung. Versicherungsschutz kann aufgrund von Obliegenheitsverletzungen ganz oder teilweise entfallen.


Beweislast und Sanktionen in der Praxis

Die Aufdeckung von Manipulationen erfolgt häufig durch technische Untersuchungen, Werkstattrechnungen, Fahrzeughistorien oder Softwareauslesung. Gerichte werten im Rahmen von Zivil- und Strafprozessen die technischen Erkenntnisse samt Zeugenaussagen, Sachverständigengutachten und Dokumentationen aus.

Strafverfahren und zivilrechtliche Streitigkeiten können langwierig und mit erheblichen Folgekosten einhergehen: Strafregistereinträge, Schadenersatzpflichten, Rückabwicklung von Kaufverträgen oder der Entzug der Fahrerlaubnis können im Einzelfall die Folge sein.


Mitwirkung von Dritten und Versuchsstrafbarkeit

Beteiligung Dritter

Personen, die an der Manipulation oder deren Verschleierung mitwirken, machen sich ebenfalls strafbar. Dies gilt auch für Werkstätten oder Dritte, die technische Hilfsmittel für Manipulationen bereitstellen.

Versuch und Vollendung

Der Versuch einer Manipulation (§ 22 StGB) ist strafbar, wenn bereits eine Handlung vorgenommen wird, die eindeutig auf eine Manipulation abzielt.


Europarechtliche Aspekte und internationale Bezüge

Die Europäische Union hat im Rahmen der Richtlinie 2014/45/EU Mindestanforderungen für technische Kontrollen von Fahrzeugen und die Integrität von Wegstreckenzählern festgelegt. EU-Mitgliedstaaten sind zur Umsetzung dieser Standards verpflichtet. International bestehen teils vergleichbare Vorschriften, allerdings variiert der Umfang strafrechtlicher Verfolgung.


Prävention, Kontrolle und technische Sicherungsmaßnahmen

Technische Prävention

Moderne Fahrzeuge verfügen über elektronische Wegstreckenzähler und verschlüsselte Kontrollsysteme, die Manipulationen erschweren. Zentral gespeicherte Fahrzeuginformationen (z.B. Servicedaten bei Herstellerdatenbanken) helfen bei der Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten.

Kontrollen durch Behörden

Regelmäßige Hauptuntersuchungen, Kontrollen durch die Polizei und spezielle Prüfdienste (z.B. bei Lkw) dienen der Feststellung von Manipulationen. Sanktionen werden, je nach Schwere und Umfang, von Bußgeldern bis zur Einziehung des Fahrzeugs durch Behörden verhängt.


Zusammenfassung und Relevanz

Der Missbrauch von Wegstreckenzählern und Geschwindigkeitsbegrenzern ist ein relevanter Tatbestand mit gravierenden straf- und zivilrechtlichen Folgen. Der Gesetzgeber stellt Manipulationen und deren Ermöglichung aus Gründen der Verkehrssicherheit, des Verbraucherschutzes sowie zum Schutz der Marktintegrität unter Strafe. Wer sich im Rechtsverkehr mit Kraftfahrzeugen bewegt, sollte die Vorschriften zu Wegstreckenzählern und Geschwindigkeitsbegrenzern kennen und beachten, um strafrechtliche, zivilrechtliche und haftungsrechtliche Folgen zu vermeiden.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Folgen drohen bei Manipulation eines Wegstreckenzählers?

Eine Manipulation eines Wegstreckenzählers („Tachomanipulation“) stellt in Deutschland eine Straftat dar. Nach § 22b Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) ist es verboten, den tatsächlichen Stand des Wegstreckenzählers eines Kraftfahrzeugs vorsätzlich unrichtig anzuzeigen oder das dafür bestimmte Gerät auszutauschen, zu manipulieren oder zu entfernen, ohne dass das angezeigt wird. Wer gegen diese Vorschrift verstößt, begeht nicht nur eine Ordnungswidrigkeit, sondern kann gemäß § 268 StGB (Fälschung technischer Aufzeichnungen) strafrechtlich belangt werden. Das Strafmaß reicht von Geldstrafe bis zu Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Darüber hinaus kann auch Betrug gemäß § 263 StGB vorliegen, wenn ein manipuliertes Fahrzeug verkauft wird, da dem Käufer durch die Vorspiegelung eines geringeren Kilometerstandes ein Vermögensschaden entsteht. Neben strafrechtlichen Folgen drohen Schadensersatzforderungen und Rückabwicklungsansprüche im Zivilrecht.

Wann macht sich ein Käufer strafbar, wenn er von einer Manipulation weiß?

Ist dem Käufer eines Fahrzeugs bekannt, dass der Wegstreckenzähler manipuliert wurde, und verschweigt er dies später beim Weiterverkauf, erfüllt er den Tatbestand des Betrugs (§ 263 StGB). Selbst wenn der Käufer die Manipulation nicht selbst durchgeführt hat, macht ihn die bewusste Nichtaufklärung beim Verkauf strafbar. Zudem kann er gegebenenfalls als Mittäter oder Gehilfe bei der vorangegangenen Manipulation belangt werden, insbesondere dann, wenn er absichtlich die Manipulation veranlasst oder unterstützt hat. In zivilrechtlicher Hinsicht muss der Käufer etwaige Schadensersatzforderungen des Verkäufers oder späterer Käufer befürchten.

Welche rechtlichen Konsequenzen bestehen für Werkstätten, die Manipulationen durchführen?

Werkstätten, die wissentlich und willentlich Manipulationen an Wegstreckenzählern oder Geschwindigkeitsbegrenzern durchführen, machen sich strafbar. In Betracht kommen insbesondere eine Strafbarkeit wegen Fälschung technischer Aufzeichnungen (§ 268 StGB) sowie Beihilfe zum Betrug (§ 27 StGB). Die Werkstatt kann sowohl mit Geld- als auch mit Freiheitsstrafe belangt werden. Neben strafrechtlichen Sanktionen kann die Gewerbeerlaubnis nach § 35 GewO entzogen werden. Zudem drohen zivilrechtliche Schadensersatzforderungen von geschädigten Kunden oder Dritten.

Welche Beweispflichten bestehen im Streitfall bezüglich einer Manipulation?

Im Streitfall liegt die Beweislast zunächst bei demjenigen, der Ansprüche wegen Manipulation geltend macht, etwa beim Käufer des Fahrzeugs. Es müssen objektive Anhaltspunkte für eine Manipulation des Wegstreckenzählers oder des Geschwindigkeitsbegrenzers vorliegen, beispielsweise durch Gutachten, Prüfprotokolle oder Zeugenaussagen. Wird eine Strafanzeige gestellt, ermitteln die Strafverfolgungsbehörden von Amts wegen und können Sachverständige hinzuziehen. Das Gericht entscheidet auf Grundlage des sogenannten „Freibeweisprinzips“; es können alle Mittel herangezogen werden, die zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen (z. B. Werkstattrechnungen, Wartungsunterlagen, elektronische Auslesedaten).

Welche Zivilansprüche stehen dem geschädigten Käufer im Falle einer Manipulation zu?

Wird im Nachhinein eine Manipulation am Wegstreckenzähler oder Geschwindigkeitsbegrenzer festgestellt, stehen dem Käufer verschiedene zivilrechtliche Ansprüche zu. Am häufigsten werden Ansprüche auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gemäß §§ 437 Nr. 2, 323 BGB (Rücktritt wegen Sachmangel) und Anspruch auf Schadenersatz (§ 437 Nr. 3, 280 BGB) geltend gemacht. Alternativ kann eine Vertragsanpassung oder Minderung des Kaufpreises beantragt werden (§ 441 BGB). Besteht ein arglistiges Verschweigen, beginnen die Verjährungsfristen für Mängelansprüche erst mit Entdeckung der Manipulation (§ 438 Abs. 3 BGB).

Sind Manipulationen an Geschwindigkeitsbegrenzern ebenfalls strafbar?

Auch die Manipulation an Geschwindigkeitsbegrenzern – etwa bei Lkw oder Bussen – stellt eine Ordnungswidrigkeit oder gar eine Straftat nach § 22a Abs. 2 StVZO und § 268 StGB dar. Wer vorsätzlich oder fahrlässig einen Geschwindigkeitsbegrenzer außer Kraft setzt oder manipuliert, kann mit Bußgeld und Fahrverbot belegt werden. Wird der Begrenzer manipuliert, um etwa eine höhere Geschwindigkeit zu erzielen und so wirtschaftliche Vorteile zu erlangen, kann dies als Betrug gewertet werden, insbesondere bei Transportdienstleistern oder Spediteuren. Die Konsequenzen reichen von der Einziehung des Fahrzeugs, Stilllegung, Bußgeldern bis hin zu strafrechtlicher Ahndung, etwa bei einer Gefährdung von Leib und Leben Dritter.

Wie lange können Manipulationen nachträglich rechtlich verfolgt werden?

Die strafrechtliche Verfolgung von Manipulationen unterliegt der normalen Verjährung für Straftaten gemäß dem StGB. Bei Fälschung technischer Aufzeichnungen (§ 268 StGB) beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist fünf Jahre (§ 78 StGB). Für zivilrechtliche Ansprüche wie Rücktritt und Schadenersatz gelten in der Regel zwei Jahre Gewährleistungsfrist ab Übergabe des Fahrzeugs (§ 438 BGB), verlängert sich bei arglistigem Verschweigen auf drei Jahre ab Kenntnis (§ 195, 199 BGB). Entdeckt der Käufer also erst Jahre nach dem Kauf eine Manipulation, kann er unter Umständen noch erfolgreich Ansprüche geltend machen, sofern Arglist nachgewiesen werden kann.