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Missbrauch von Notrufen


Begriff und rechtliche Einordnung des Missbrauchs von Notrufen

Der Missbrauch von Notrufen bezeichnet das missbräuchliche oder vorsätzliche Fehlverhalten bei der Inanspruchnahme von Notrufeinrichtungen, etwa für Polizei, Feuerwehr oder Rettungsdienste. Die Handlung ist in Deutschland nach § 145 Strafgesetzbuch (StGB) ausdrücklich unter Strafe gestellt. Die gesetzliche Regelung verfolgt das Ziel, die Funktionsfähigkeit und Verlässlichkeit der öffentlichen Notrufeinrichtungen zu gewährleisten und missbräuchliche Blockierungen oder Falschalarmierungen zu verhindern.


Gesetzliche Regelung in Deutschland

§ 145 StGB – Missbrauch von Notrufen

Nach § 145 Absatz 1 StGB wird bestraft, wer missbräuchlich Notrufeinrichtungen benutzt, insbesondere Notrufe absetzt, obwohl keine tatsächliche Notlage vorliegt, oder wer absichtlich vortäuscht, dass Hilfe erforderlich ist. Der Tatbestand umfasst folgende Kernelemente:

  • Missbräuchliches Benutzen von Notrufeinrichtungen, wie beispielsweise Notruftelefone, Notrufnummern oder Signalvorrichtungen zur Alarmierung von Polizei, Feuerwehr oder Rettungsdiensten.
  • Vorsätzliches Vortäuschen einer Not- oder Gefahrensituation, obwohl diese in Wirklichkeit nicht besteht.
  • Veranlassung von Einsätzen, die ohne realen Hintergrund ausgelöst werden, etwa durch falsche Angaben über Unglücke, Brände, Straftaten oder andere Notfälle.

Strafrahmen und Rechtsfolgen

Der Gesetzgeber sieht für den Missbrauch von Notrufen eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe vor. In besonders schweren Fällen können weitere Strafverschärfungen eintreten, etwa wenn durch den Missbrauch erheblicher Personen- oder Sachschaden entsteht oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung konkret gefährdet wird.


Rechtsgüter und Schutzrichtung

Der Missbrauch von Notrufen stellt eine Gefahr für verschiedene Rechtsgüter dar:

  • Funktionsfähigkeit der Gefahrenabwehr: Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste können durch missbräuchliche Inanspruchnahme fehlgeleitet oder blockiert werden, wodurch bei echten Notfällen Hilfeleistung verzögert wird.
  • öffentliche Sicherheit: Die Integrität und Verlässlichkeit des Notrufsystems sind Grundvoraussetzung für eine funktionierende Gefahrenabwehr.
  • Individualinteressen: Die Gesundheit und das Eigentum Dritter können indirekt gefährdet werden, wenn Einsatzkräfte infolge eines Missbrauchs an Einsätzen bei realen Notlagen gehindert werden.

Tatbestandsmerkmale im Einzelnen

Missbräuchliches Benutzen von Notrufeinrichtungen

Als Notrufeinrichtungen gelten sämtliche technische oder kommunikative Vorrichtungen, die zur Alarmierung von Hilfsdiensten dienen. Dazu zählen insbesondere:

  • Notruftelefone (z. B. an Bahnhöfen oder in Aufzügen)
  • Notrufnummern (z. B. 110, 112)
  • Signalvorrichtungen oder Notrufknöpfe in öffentlichen Bereichen oder Verkehrsmitteln

Die Handlung ist dann missbräuchlich, wenn entweder keine Notlage besteht oder der Anruf bzw. Alarm absichtlich falsch ausgelöst wird.

Vortäuschen einer Notlage

Unter das strafbare Verhalten fällt ausdrücklich das vorsätzliche Vorspiegeln eines Unglücksfalls, Brandes, einer Straftat oder sonstigen Gefahr. Bei Prüfungen der Strafbarkeit ist dabei zu unterscheiden zwischen einem bewussten Täuschungsverhalten und unbeabsichtigten Irrtümern ohne Vorsatz.

Auslösen von Einsätzen

Auch indirektes Handeln, etwa das Veranlassen Dritter, Hilfe zu rufen, um die Einsatzkräfte ohne Grund zu alarmieren, kann den Tatbestand erfüllen.


Abgrenzung zum fahrlässigen Verhalten und zu Ordnungswidrigkeiten

Nicht strafbar im Sinne des § 145 StGB ist versehentliches oder fahrlässiges Verhalten, bei dem jemand in der Annahme einer wirklichen Gefahr oder Notlage den Notruf betätigt, sich jedoch im Nachhinein die Situation als ungefährlich herausstellt. Hier kann jedoch unter bestimmten Umständen eine Kostenübernahme für den Fehleinsatz angeordnet werden.

Liegt keine Strafbarkeit vor, kann das Verhalten gleichwohl als Ordnungswidrigkeit nach landesrechtlichen Vorschriften geahndet werden, insbesondere wenn es zu einer vermeidbaren Fehlalarmierung geführt hat.


Missbrauch von Notrufen im internationalen Kontext

Auch in anderen Ländern ist der Missbrauch von Notrufen zumeist gesetzlich untersagt, z. B. nach § 148 Austrian Penal Code in Österreich oder § 46(1) des britischen Communications Act 2003. Der strafrechtliche Schutz der funktionsfähigen Notrufeinrichtungen ist international anerkannt und wird in unterschiedlichen nationalen Ausprägungen umgesetzt.


Praktische Folgen und Sanktionen

Auswirkungen für die Einsatzdienste

Jeder missbräuchliche Notruf bindet Einsatzkräfte, Ressourcen und kann im Ernstfall sogar Menschenleben gefährden, wenn Hilfe verzögert oder gar nicht zur Verfügung steht.

Zivilrechtliche und Kostenfolgen

Neben der Strafbarkeit können auf den Täter zivilrechtliche Ansprüche zukommen. Insbesondere können die Kosten des unnötigen Einsatzes, etwa der Feuerwehr oder des Rettungsdienstes, gegen den Verantwortlichen geltend gemacht werden.


Prävention und Aufklärung

Zur Verhinderung des Missbrauchs werden regelmäßig Aufklärungskampagnen durchgeführt, um insbesondere Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene über die Bedeutung und richtigen Nutzung von Notrufen zu informieren. In vielen Fällen werden auch technische Maßnahmen, wie die Kennzeichnungspflicht bei Einsatzfahrzeugen oder Rückverfolgungssysteme für Notrufe, eingesetzt.


Fazit

Der Missbrauch von Notrufen ist eine ernstzunehmende strafbare Handlung, welche die Sicherheit und Funktionsfähigkeit der öffentlichen Gefahrenabwehr gefährdet. Die gesetzlichen Vorschriften in § 145 StGB und vergleichbaren internationalen Regelungen dienen dem Ziel, den Notruf als lebenswichtigen Kommunikationsweg im Ernstfall zu schützen. Neben den strafrechtlichen Konsequenzen können erhebliche Kostenforderungen und zivilrechtliche Ansprüche auf den Verursacher zukommen. Die sorgfältige und verantwortungsbewusste Nutzung von Notrufeinrichtungen ist daher ein wesentliches Element der öffentlichen Sicherheit.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei Missbrauch von Notrufen?

Der Missbrauch von Notrufen ist in Deutschland gemäß § 145 StGB (Strafgesetzbuch) strafbar. Wer absichtlich oder wissentlich eine Notrufeinrichtung oder eine für Notfälle bestimmte Funkanlage missbraucht oder vortäuscht, dass wegen eines Unglücks- oder Katastrophenfalls oder wegen einer gemeinen Gefahr oder Not Hilfe benötigt wird, kann mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden. Insbesondere strafbar ist also nicht nur das Tätigen eines grundlos falschen Notrufs, sondern auch schon der Versuch, die Notrufnummer (wie 110 oder 112) in betrügerischer Absicht zu missbrauchen. Zusätzlich können Kostenbescheide für den Einsatz der Rettungsdienste und Polizei verhängt werden, die vom Verursacher zu tragen sind. In besonders schweren Fällen, beispielsweise wenn durch den Missbrauch Menschen zu Schaden kommen oder erhebliche Einsatzmittel gebunden werden, kann das Gericht eine höhere Strafe verhängen oder zusätzliche Auflagen beschließen. Die Strafmündigkeit beginnt grundsätzlich ab dem 14. Lebensjahr; bei Jugendlichen wird das Jugendgerichtsgesetz angewandt.

Ist es auch strafbar, aus Unwissenheit einen Notruf abzusetzen?

Wird ein Notruf aus echter Unwissenheit oder irriger Annahme einer Notsituation abgesetzt, liegt in der Regel kein strafbarer Missbrauch im Sinne des § 145 StGB vor. Die Strafvorschrift setzt Vorsatz voraus, das heißt, der Anrufer muss bewusst wahrheitswidrige Angaben machen oder absichtlich eine Notfallsituation vorgetäuscht haben. Wer im guten Glauben handelt und tatsächlich davon ausgeht, dass eine Gefahr vorliegt, kann sich in der Regel nicht strafbar machen. Allerdings kann in Einzelfällen eine fahrlässige Verursachung von Kosten zu zivilrechtlichen Forderungen führen, wenn grobe Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit nachgewiesen werden kann.

Welche weiteren zivilrechtlichen Folgen können sich neben der strafrechtlichen Verfolgung ergeben?

Neben der Verfolgung durch Strafgerichte können zivilrechtliche Konsequenzen entstehen. Diese betreffen insbesondere die Erstattung der Kosten für unnötige oder grundlos ausgelöste Einsätze von Polizei, Feuerwehr oder Rettungsdiensten. Die Leitstellen und Behörden sind berechtigt, für den entstandenen AufwandRechnungen auszustellen und die Kostenersatzansprüche zivilrechtlich durchzusetzen. In einigen Fällen können auch Schadensersatzansprüche Dritter auf den Verursacher zukommen, etwa wenn durch den Einsatz unnötig andere Menschen zu Schaden kommen oder Rettungskräfte an anderer Stelle fehlen.

Gelten für Kinder und Jugendliche beim Missbrauch von Notrufen andere Regeln?

Kinder unter 14 Jahren sind gemäß § 19 StGB strafunmündig und können strafrechtlich nicht belangt werden. Maßnahmen, wie etwa erzieherische Gespräche oder Aufklärung durch Polizei und Schule, können jedoch erfolgen. Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren unterliegen den Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes (JGG). Hier steht eher der Erziehungsgedanke im Vordergrund. Es können Erziehungsmaßregeln, Arbeitsauflagen oder Weisungen ausgesprochen werden, die von Sozialstunden bis hin zur Wiedergutmachung des verursachten Schadens reichen. Dennoch können auch sie zur Kostenerstattung herangezogen werden, wobei diese Forderungen häufig an die Eltern adressiert werden.

Welche Rolle spielt der Vorsatz beim Missbrauch eines Notrufs?

Für eine strafrechtliche Verurteilung wegen Missbrauchs von Notrufen ist der Vorsatz entscheidend. Das bedeutet, der Täter muss mit Wissen und Wollen handeln, also gezielt falsche Informationen geben oder bewusst vortäuschen, dass eine Gefahr besteht. Ein fahrlässiges Handeln – also z.B. das Verwechseln einer Nummer oder ein Irrtum in Bezug auf die Gefahrenlage – reicht für die Strafbarkeit i.d.R. nicht aus. Die Ermittlungsbehörden prüfen daher stets die subjektive Tatseite, also die Motivation und das Wissen des Anrufers, um festzustellen, ob ein vorsätzlicher Missbrauch vorliegt.

Gibt es Besonderheiten für den Notrufmissbrauch in digitalen Medien und über Apps?

Mit der Zunahme von Notruf-Apps und digitalen Kommunikationswegen, etwa eCall im Auto oder Gesundheits-Apps, gilt das Missbrauchsverbot auch für digital abgesetzte Notrufe. Die rechtliche Bewertung ist wie bei Anrufen über die klassische Notrufnummer identisch, da entscheidend der Zweck des Kontakts ist: Wer mit einer App wissentlich einen falschen Notfall meldet oder Funktionen missbräuchlich aktiviert, macht sich ebenfalls strafbar. Ermittlungen können in solchen Fällen anhand von Lokalisierungsdaten und Kommunikationsprotokollen erfolgen. Betreiber von Apps haben teilweise zudem eigene Nutzungsbedingungen und Sperrmechanismen bei Missbrauch vorgesehen.

Wie wird Missbrauch von Notrufen nachgewiesen und verfolgt?

Die Aufklärung erfolgt in der Regel durch die Auswertung von Gesprächsaufzeichnungen, technischen Rufnummernprotokollen und Rückfragen durch die Leitstellen. Häufig nehmen Polizei oder Rettungsdienste Kontakt zum Anrufer oder dessen Umfeld auf, um den Wahrheitsgehalt der Notfallmeldung zu überprüfen. Falsche Behauptungen können anhand von Einsatzberichten und Zeugenaussagen entlarvt werden. Wird ein Missbrauch festgestellt, erfolgt eine Anzeige bei der Polizei, die das Ermittlungsverfahren führt. Ein Strafverfahren schließt sich an, dessen Ausgang von den ermittelten Tatsachen und der Schwere des Falls abhängt. Bei Jugendlichen werden auch Schulen und Erziehungsberechtigte informiert.