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Mindest-Ist-Besteuerung


Begriff und Definition der Mindest-Ist-Besteuerung

Die Mindest-Ist-Besteuerung ist ein steuerrechtliches Prinzip, das eine Begrenzung der Mindestbesteuerung im Rahmen des Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerrechts darstellt. Sie regelt, in welchem Umfang Verluste aus Vorjahren mit positiven Einkünften eines Folgejahres verrechnet werden dürfen (sogenannter Verlustvortrag). Die Mindest-Ist-Besteuerung sichert dem Fiskus unabhängig von der Höhe der Verlustvorträge eine Mindestbesteuerung des jeweiligen Steuerpflichtigen zu und trägt damit dem Prinzip der steuerlichen Gleichmäßigkeit Rechnung.

Rechtliche Grundlagen der Mindest-Ist-Besteuerung

Gesetzliche Verankerung

Die Regelungen zur Mindest-Ist-Besteuerung finden sich in § 10d Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG), der auch für Körperschaften über § 8 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) zur Anwendung kommt. Darin wird das Verfahren zur Verrechnung von Verlustvorträgen mit dem zu versteuernden Einkommen geregelt.

Zielsetzung und Systematik

Die Zielsetzung der Mindest-Ist-Besteuerung besteht darin, die Möglichkeit der Verlustverrechnung, die zur steuerlichen Entlastung beiträgt, einzuschränken, um eine vollständige Reduktion der Steuerlast auf Null zu verhindern. Damit soll fortlaufend eine Besteuerung auch ertragreicher Jahre sichergestellt werden, selbst wenn aus Vorjahren hohe Verluste vorhanden sind.

Anwendungsbereich und Funktionsweise

Grundlagen der Verlustverrechnung

Im deutschen Steuerrecht können Verluste, die in einem Veranlagungszeitraum erwirtschaftet werden, grundsätzlich mit positiven Einkünften desselben oder anderer Jahre verrechnet werden (Verlustabzug). Dabei wird zwischen dem Verlustrücktrag (§ 10d Abs. 1 EStG) und dem Verlustvortrag (§ 10d Abs. 2 EStG) unterschieden.

Mindest-Ist-Besteuerung bei Verlustvortrag

Die Mindest-Ist-Besteuerung greift bei der Verrechnung von Verlustvorträgen. Für den Verlustvortrag gilt eine sogenannte Sockelbetragregelung: Im jeweiligen Veranlagungszeitraum dürfen vom Gesamtbetrag der Einkünfte, der den Betrag von einer Million Euro (bei Einzelveranlagung) bzw. zwei Millionen Euro (bei Zusammenveranlagung) übersteigt, lediglich 60 % mit Verlusten aus Vorjahren verrechnet werden. Bis zur Höhe der genannten Sockelbeträge ist die vollständige Verrechnung zulässig (unbegrenzter Verlustausgleich).

Beispiele:

  • Liegt der Gesamtbetrag der Einkünfte unterhalb des Sockelbetrags (1 Mio. bzw. 2 Mio. Euro), ist eine vollständige Verlustverrechnung möglich.
  • Übersteigt der Gesamtbetrag der Einkünfte die Grenze, kann der Übersteigende Teil nur zu 60 % verrechnet werden.

Begrenzung und Mindestbesteuerung

Die Regelung bewirkt, dass immer mindestens 40 % des übersteigenden Teils des Gesamtbetrags der Einkünfte der Besteuerung unterliegen. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass der Steuerpflichtige trotz hoher Verlustvorträge eine Mindeststeuerlast trägt.

Steuerliche Auswirkungen

Ziel der Fiskalgerechtigkeit

Die Einführung der Mindest-Ist-Besteuerung verfolgt fiskalische Ziele, insbesondere die Sicherung laufender Steuereinnahmen und die Vermeidung eines vollständigen Aufzehrens der Steuerbemessungsgrundlage durch Verluste aus Vorjahren. Dies soll eine kontinuierliche Gleichmäßigkeit der Besteuerung und einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben sichern.

Wirtschaftliche Bedeutung

Für Unternehmen und natürliche Personen mit längerfristigen oder erheblichen Verlusten beschränkt die Mindest-Ist-Besteuerung die Möglichkeit, in gewinnträchtigen Jahren eine vollständige Steuerentlastung zu erreichen. Gerade bei Turnaround-Situationen und nach Sanierungsmaßnahmen ist daher besondere Aufmerksamkeit geboten.

Auswirkungen auf die Steuerplanung

Die Mindest-Ist-Besteuerung führt zu einer Verzögerung der Verlustverrechnung auf künftige Veranlagungszeiträume. Unternehmen müssen daher ihre Liquiditätsplanung und Steuerprognose unter Berücksichtigung der eingeschränkten Verrechnungsmöglichkeiten gestalten.

Ausnahmen und Sonderregelungen

Sonderregelungen für Körperschaften

Die Mindest-Ist-Besteuerung gilt uneingeschränkt auch für Körperschaften, insbesondere Kapitalgesellschaften, über die Verweisung des Körperschaftsteuergesetzes in § 8 Abs. 1 KStG. Sonderregelungen gelten jedoch beispielsweise im Insolvenzsteuerrecht und im Umwandlungssteuerrecht, wenn bestimmte Sanierungssachverhalte vorliegen.

Rücktragsfähigkeit von Verlusten

Anders als beim Verlustvortrag existiert für den Verlustrücktrag bis zur Höhe von einer Million Euro (bei Zusammenveranlagung zwei Millionen Euro) keine Begrenzung durch die Mindest-Ist-Besteuerung, da der Verlustrücktrag vollständig mit dem zu versteuernden Einkommen des Vorjahres verrechnet werden kann.

Verfassungsrechtliche Einordnung

Die Mindest-Ist-Besteuerung wurde mehrfach höchstrichterlich auf ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft. Das Bundesverfassungsgericht und der Bundesfinanzhof haben bestätigt, dass die Regelung mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz vereinbar ist. Die Begrenzung der Verlustverrechnung wird als zulässige Ausgestaltung des Einkommensteuerrechts bewertet, die fiskalischen Interessen des Staates und das Ziel der nachhaltigen Steuerbelastung im Blick hat.

Entwicklungs- und Reformgeschichte

Mit dem Steuersenkungsgesetz 1999/2000/2002 wurde die Mindest-Ist-Besteuerung als Instrument zur Begrenzung der Verlustverrechnung eingeführt. Seitdem wurde sie mehrfach modifiziert, insbesondere im Hinblick auf die Höhe der Sockelbeträge und Prozentsätze, um aktuellen wirtschaftlichen Gegebenheiten und den Anforderungen der Steuergerechtigkeit zu entsprechen.

Internationale Rechtslage

Im internationalen Vergleich existieren in vielen Ländern ähnliche Instrumente zur Begrenzung der Verlustverrechnung und zur Sicherstellung einer Mindestbesteuerung. Die genaue Ausgestaltung kann jedoch erheblich variieren, beispielsweise hinsichtlich der Höhe der Sockelbeträge oder des anrechenbaren Prozentsatzes.

Literaturhinweise und Weblinks

§ 10d EStG – Verlustabzug
§ 8 KStG – Körperschaftsteuerliche Verweisung
Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.08.2012 – I R 9/11
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 04.12.2002 – 2 BvL 44/99


Die Mindest-Ist-Besteuerung ist somit ein essenzieller Bestandteil des deutschen Steuerrechts und stellt in zahlreichen steuerlichen Gestaltungs- und Planungsfragen ein zentrales Steuerungsinstrument dar, um eine kontinuierliche Beteiligung aller Steuerpflichtigen an der Finanzierung staatlicher Aufgaben zu sichern.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Voraussetzungen müssen für die Anwendung der Mindest-Ist-Besteuerung erfüllt sein?

Damit die Mindest-Ist-Besteuerung rechtlich angewendet werden kann, müssen bestimmte Voraussetzungen nach der jeweiligen nationalen Gesetzgebung – etwa § 254 UGB in Österreich oder § 4 Abs. 3 EStG in Deutschland – erfüllt sein. Wesentlich ist, dass der Steuerpflichtige bilanzierungspflichtig ist bzw. nach den Vorschriften des Handels- oder Steuerrechts eine Bilanz erstellt. Die Mindest-Ist-Besteuerung setzt außerdem voraus, dass in einem Wirtschaftsjahr erhebliche Verluste erzielt wurden, die durch spätere Gewinne nur sukzessive ausgeglichen werden können. Dies dient dazu, eine Mindestbesteuerung auch in Fällen sicherzustellen, in denen Verluste aus den Vorjahren mit Gewinnen der Folgejahre verrechnet werden. Daneben müssen die Verluste ordnungsgemäß festgestellt und in der Steuererklärung nachgewiesen werden; insbesondere dürfen keine gesetzlichen Verlustverrechnungsbeschränkungen (z. B. Mantelkaufregelungen) oder andere steuerliche Abzugsverbote greifen. Für Körperschaften oder Personengesellschaften gelten zum Teil unterschiedliche Regelungen und Grenzen hinsichtlich des Verlustrücktrages und -vortrages, die strikt einzuhalten sind.

Nach welchem rechtlichen Prinzip erfolgt die Verlustverrechnung in Zusammenhang mit der Mindest-Ist-Besteuerung?

Rein rechtlich basiert die Verlustverrechnung im Rahmen der Mindest-Ist-Besteuerung auf dem Grundsatz, dass ein Ausgleich zwischen den Überschüssen der einzelnen Veranlagungszeiträume ermöglicht werden soll – jedoch in limitiertem Umfang. Während Verluste grundsätzlich vorgetragen und mit künftigen Gewinnen verrechnet werden können, schreiben die einschlägigen Steuergesetze (z. B. § 10 KStG, § 4 Abs. 2 EStG) eine Mindestbesteuerung vor, wonach nur ein Teil der Verluste zur Gänze im Folgejahr ausgeglichen werden darf. Der verbleibende Teil kann nur in festgesetzten Prozentsätzen oder festen Grenzen (z. B. in Österreich 75% des Gewinns) mit künftigen Gewinnen verrechnet werden. Dadurch wird sichergestellt, dass eine Körperschaft oder ein Unternehmer trotz hoher Verlustvorträge zumindest eine Mindeststeuer auf ihre zukünftigen Gewinne entrichtet.

Welche Rechtsfolgen entstehen bei einem unberechtigten Antrag auf Mindest-Ist-Besteuerung?

Wenn ein unbegründeter oder falscher Antrag auf Anwendung der Mindest-Ist-Besteuerung gestellt wird – etwa weil die formalen oder materiellen Voraussetzungen nicht erfüllt sind -, treten verschiedene rechtliche Konsequenzen ein. Im Rahmen der steuerlichen Betriebsprüfung kann die Finanzbehörde den Verlustvortrag aberkennen oder korrigieren. Daraus resultieren oft Nachversteuerungen, und es können Zinsen oder Säumniszuschläge erhoben werden. Im Wiederholungsfall oder bei vorsätzlicher Falschangabe können auch finanzstrafrechtliche Konsequenzen, einschließlich Geldstrafen oder in schweren Fällen Freiheitsstrafen nach dem Finanzstrafgesetz, drohen. Daneben ist eine nachträgliche Korrektur durch berichtigte Steuerbescheide nach den Vorschriften der Abgabenordnungen möglich.

Welche Nachweispflichten bestehen für die Inanspruchnahme der Mindest-Ist-Besteuerung?

Rechtlich ist der Steuerpflichtige verpflichtet, die geltend gemachten Verluste lückenlos und prüfbar nachzuweisen. Hierfür müssen die entsprechenden Verluste in den jeweiligen Steuererklärungen und im steuerlichen Jahresabschluss offengelegt werden. Es sind sämtliche Unterlagen, wie Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Verlustfeststellungsbescheide, ordnungsgemäß aufzubewahren und bei Nachfrage der Finanzbehörde vorzulegen. Die Finanzverwaltung prüft insbesondere, ob keine Abzugsbeschränkungen greifen und wie hoch die vorzugsweise verrechenbaren Verluste tatsächlich sind. Verstöße gegen die Nachweispflichten können zur Aberkennung der steuerlichen Vorteile führen und möglicherweise steuerstrafrechtliche Sanktionen auslösen.

Gibt es gesetzlich festgelegte Höchstgrenzen bei der Verlustverrechnung im Rahmen der Mindest-Ist-Besteuerung?

Ja, die einschlägigen Steuergesetze sehen exakte Höchstgrenzen für die Verrechnung von Verlusten bei der Mindest-Ist-Besteuerung vor. Beispielsweise dürfen in Österreich ab 2016 pro Veranlagungsjahr nur 75% des Gesamtgewinns mit Verlustvorträgen ausgeglichen werden; in Deutschland beträgt diese Grenze 1 Million Euro bei Einzelveranlagung bzw. 2 Millionen Euro bei Zusammenveranlagung, darüber hinaus können Verluste nur bis zu 60% des übersteigenden Betrags verrechnet werden. Diese Höchstgrenzen dienen dem Fiskus dazu, eine Mindestbesteuerung auch bei hohen Verlustvorträgen zu gewährleisten und die Steuerpflichtigen nicht vollständig steuerfrei zu stellen.

Inwieweit besteht ein Rechtsanspruch auf die Anwendung der Mindest-Ist-Besteuerung?

Ein Rechtsanspruch auf die Anwendung der Mindest-Ist-Besteuerung besteht grundsätzlich insoweit, als die gesetzlichen Voraussetzungen dafür zweifelsfrei erfüllt sind. Der Steuerpflichtige kann durch das Vorliegen bestimmter Tatbestandsmerkmale (ordentlich festgestellte Verluste, Erfüllung der Nachweispflichten, keine Beschränkungen durch sonstige Vorschriften) die Verlustverrechnung im gesetzlich vorgesehenen Umfang beanspruchen. Die Finanzverwaltung ist an diese gesetzlichen Vorgaben gebunden und darf nicht nach eigenem Ermessen abweichen, solange alle formalen und materiellen Voraussetzungen vorliegen. Ein abweichender Steuerbescheid kann mit den gesetzlichen Rechtsbehelfen (z.B. Einspruch oder Beschwerde) angefochten werden.

Welche (steuer-)rechtlichen Unterschiede bestehen in Bezug auf die Mindest-Ist-Besteuerung bei Kapitalgesellschaften und Einzelunternehmen?

Während Einzelunternehmen und Personengesellschaften ihre Verluste regelmäßig mit Einkünften aus selbständiger Tätigkeit und anderen Einkunftsarten nach Maßgabe des Einkommensteuergesetzes verrechnen dürfen, unterliegen Kapitalgesellschaften den eigenständigen Regelungen des Körperschaftsteuergesetzes. Insbesondere gelten für sie besondere Verlustverrechnungsbeschränkungen, beispielsweise Mantelkaufregelungen (§ 8c KStG), die den Verlustvortrag und die Nutzung der Mindest-Ist-Besteuerung begrenzen können. Zudem sind bei Kapitalgesellschaften sogenannte „schädliche Beteiligungserwerbe“ relevant, die ebenfalls zum gänzlichen oder teilweisen Untergang von Verlustvorträgen führen können. Einzelunternehmen profitieren hingegen von einer etwas flexibleren Verlustverrechnung, solange sie nach den gesetzlichen Vorschriften verfahren und keine gesonderten Verrechnungshindernisse bestehen.