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Mietwucher


Begriff und rechtliche Einordnung von Mietwucher

Mietwucher ist ein Begriff aus dem deutschen Mietrecht und bezeichnet die unangemessen überhöhte Vereinbarung eines Mietpreises, die im Regelfall auf einer Ausnutzung der Zwangslage, Unerfahrenheit, mangelnden Urteilsvermögen oder erheblichen Willensschwäche einer Partei – in der Praxis meist der mietenden Partei – beruht. Mietwucher ist sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich relevant und eng mit dem allgemeinen Wucherbegriff nach § 138 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sowie dem Straftatbestand des § 291 Strafgesetzbuch (StGB) verbunden.


Zivilrechtliche Regelungen zum Mietwucher

§ 138 Absatz 2 BGB: Sittenwidrigkeit und Wucher

Zentral für die Beurteilung von Mietwucher ist § 138 Absatz 2 BGB, der folgende Voraussetzungen aufstellt: „Ein Rechtsgeschäft, das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen mit übermäßigen Vorteilen schließt, ist nichtig.“ Im Kontext des Mietrechts bedeutet dies, dass ein Mietvertrag, der auf diesen Grundlagen beruht und Festsetzungen von Mietpreisen weit oberhalb des ortsüblichen Niveaus enthält, nichtig sein kann.

Voraussetzungen für Mietwucher im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB

  1. Objektive Komponente: Das Hauptmerkmal ist die auffällige Mietpreisüberhöhung. Nach gefestigter Rechtsprechung liegt diese vor, wenn der vereinbarte Mietzins mindestens 50 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt.
  2. Subjektive Komponente: Hinzukommen muss die Ausbeutung der Zwangslage, Unerfahrenheit, mangelnden Urteilsvermögens oder erheblichen Willensschwäche des Mieters. Es reicht nicht aus, dass die Miete unangemessen hoch ist; die besondere Ausnutzung der Situation ist erforderlich.

Rechtsfolgen

Rechtshandlungen, die unter Wucher zustande kommen, sind grundsätzlich nichtig. Dies hat zur Folge, dass der Mietvertrag in der ursprünglich vereinbarten Form unwirksam ist. Der gezahlte überhöhte Betrag kann gemäß § 812 BGB (Bereicherungsrecht) zurückgefordert werden. Eine Anpassung des Vertrages auf das ortsübliche Maß kann unter Umständen erfolgen.


Strafrechtliche Aspekte des Mietwuchers

§ 291 StGB: Wucher als Straftatbestand

Neben der zivilrechtlichen Unwirksamkeit können auch strafrechtliche Konsequenzen folgen. Nach § 291 StGB stellt Wucher eine Straftat dar, die Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe androht. Auch der Versuch ist strafbar.

Tatbestandsvoraussetzungen

  • Objektiver Tatbestand: Eine auffällige Leistungsmissverhältnis, typischerweise bei Mietverhältnissen eine erhebliche Mietüberhöhung (mindestens 50 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete).
  • Subjektiver Tatbestand: Ausnutzung der Zwangslage, erheblichen Willensschwäche oder der Unerfahrenheit der benachteiligten Person.

Strafrahmen und Verfolgung

Der Strafrahmen umfasst Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Die Strafverfolgung erfolgt meist nur auf Antrag, insbesondere im Bereich des Wohnraummietrechts.


Unterschiede zu anderen mietrechtlichen Begriffen

Abgrenzung zur Mietpreisbremse (§§ 556d ff. BGB)

Mietwucher ist von der sogenannten Mietpreisbremse abzugrenzen. Während die Mietpreisbremse einen zivilrechtlichen Anspruch auf Herabsetzung der Miete auf das zulässige Maß (§ 556g BGB) bei Überschreitungen von mehr als 10 Prozent vorsieht, greift Mietwucher erst bei einer Überschreitung von 50 Prozent und zusätzlichen subjektiven Voraussetzungen.

Unterschied zu Sittenwidrigkeit nach § 138 Absatz 1 BGB

Nicht jeder sittenwidrige Mietvertrag ist zugleich wucherisch im Sinne von § 138 Absatz 2 BGB. Erst das Zusammenwirken von überhöhtem Mietpreis und Ausnutzung einer Notlage rechtfertigt die Einordnung als Mietwucher.


Rechtsprechung und Praxisbeispiele

Orientierung an der ortsüblichen Vergleichsmiete

Gerichte ziehen zur Feststellung eines auffälligen Missverhältnisses regelmäßig den örtlichen Mietspiegel oder vergleichbare statistische Erhebungen heran. Maßgeblich ist dabei die jeweilige Wohnlage, Größe, Ausstattung und das Baujahr der Wohnung.

Beispielhafte Urteile

Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 17.05.2017 – VIII ZR 291/15: Der BGH betont, dass zur Feststellung von Mietwucher eine objektive Mietpreisüberhöhung und das Hinzutreten subjektiver Ausbeutungselemente erforderlich sind.
Landgericht Berlin, Urteil vom 09.02.2018 – 63 S 203/17: Das Gericht erklärte eine Miete für nichtig, die rund 100 Prozent über dem örtlichen Mietspiegel lag und bestätigte Rückzahlungsansprüche des Mieters.


Bedeutung in der Praxis und Rechtsfolgen bei Mietwucher

Ansprüche des Mieters

Mieter können bei Vorliegen von Mietwucher Ansprüche auf Rückzahlung des zu viel gezahlten Mietbetrags gemäß § 812 BGB geltend machen. Voraussetzung ist, dass die objektiven und subjektiven Merkmale erfüllt sind und ein Gericht die Nichtigkeit des Vertrags feststellt.

Sanktionen für Vermietende

Neben möglichen Rückzahlungsforderungen können Vermietende bei Vorliegen der strafrechtlichen Voraussetzungen auch strafrechtlich belangt werden und müssen gegebenenfalls mit Eintragungen in das Gewerbezentralregister rechnen.


Mietwucher im internationalen Vergleich

In vielen anderen Rechtsordnungen kennt das Mietrecht ebenfalls Regelungen zur Begrenzung von Mietwucher, allerdings sind die konkreten Schwellen und Voraussetzungen unterschiedlich ausgestaltet. In Österreich etwa ist Mietwucher nach § 879 ABGB verboten; in der Schweiz greifen Art. 269 ff. OR, die Mietzinsanfechtung regeln.


Prävention und Durchsetzung von Ansprüchen

Beweislast

Die Beweislast hinsichtlich des Vorliegens eines auffälligen Missverhältnisses und der Ausnutzung einer Zwangslage trägt in der Regel der betroffene Mieter. Es empfiehlt sich, vor Abschluss eines Mietvertrags Mietpreise und Marktsituation zu prüfen.

Gerichtliche Durchsetzung

Ansprüche wegen Mietwucher werden zumeist vor dem Amtsgericht im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens geltend gemacht. Zuständige Behörde für die strafrechtliche Verfolgung ist die Staatsanwaltschaft.


Zusammenfassung

Mietwucher ist die zivil- und strafrechtlich relevante Überhöhung der Miete in Verbindung mit einer unzulässigen Ausnutzung einer Lage des Mieters. Neben der zivilrechtlichen Nichtigkeit kann Mietwucher auch eine Straftat darstellen. Mietwucher grenzt sich wesentlich von der einfachen Mietpreisüberhöhung (Mietpreisbremse) ab. In der Praxis ist die erfolgreiche Durchsetzung von Ansprüchen und die rechtliche Bewertung komplex und setzt das Vorliegen strenger Voraussetzungen voraus. Die Rechtsfolgen können weitreichend sein – von der Rückforderung überhöhter Beträge bis hin zu strafrechtlichen Sanktionen gegen Vermietende.

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen vorliegen, damit Mietwucher rechtlich angenommen werden kann?

Für die rechtliche Annahme von Mietwucher müssen bestimmte Voraussetzungen gemäß § 291 Strafgesetzbuch (StGB) erfüllt sein. Zunächst ist erforderlich, dass ein auffälliges Missverhältnis zwischen der vereinbarten Miete und der ortsüblichen Vergleichsmiete besteht. Als Maßstab gilt hierbei in der Regel, dass die verlangte Miete die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 20 % übersteigt; ab einer Überschreitung von mehr als 50 % spricht man im Zivilrecht von Mietwucher. Neben diesem objektiven Kriterium muss auch ein subjektives Element vorliegen: Der Vermieter muss in der Absicht gehandelt haben, einen „erheblichen Vermögensvorteil“ zu erlangen. Zudem muss der Vermieter die Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche des Mieters ausgenutzt haben. Diese Ausnutzung kann beispielsweise vorliegen, wenn Wohnraumknappheit herrscht und der Mieter keine zumutbare Alternative findet. Nur wenn diese Voraussetzungen kumulativ gegeben sind, kann rechtlich von Mietwucher gesprochen werden.

Welche rechtlichen Schritte können Mieter gegen Mietwucher einleiten?

Mieter haben verschiedene rechtliche Möglichkeiten, sich gegen Mietwucher zur Wehr zu setzen. Zivilrechtlich können sie gemäß § 138 Abs. 1 BGB (Sittenwidrigkeit von Rechtsgeschäften) und § 291 StGB (Wucher) die Nichtigkeit des Mietvertrages oder einzelner Vertragsklauseln geltend machen. Insbesondere kann der Mieter eine Rückforderung der überzahlten Miete verlangen, sofern die Miete sittenwidrig überhöht war. Hierbei gilt eine regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB). Neben einer zivilrechtlichen Klage ist auch eine Anzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft oder Polizei wegen Mietwuchers möglich. Das Strafverfahren läuft unabhängig vom Zivilverfahren; im Falle einer Verurteilung drohen dem Vermieter strafrechtliche Sanktionen wie Geld- oder Freiheitsstrafe. Für beide Vorgehensweisen empfiehlt es sich, Nachweise zur ortsüblichen Vergleichsmiete zu sammeln, beispielsweise durch einen Mietspiegel, Gutachten oder Vergleichsangebote.

Wie wird die ortsübliche Vergleichsmiete bestimmt und welche Rolle spielt sie bei der Bewertung von Mietwucher?

Die ortsübliche Vergleichsmiete ist ein zentrales Kriterium für die rechtliche Bewertung von Mietwucher. Gemäß § 558 Abs. 2 BGB ergibt sich diese aus dem Durchschnitt der Mieten, die in den letzten sechs Jahren für vergleichbare Wohnungen in derselben Gemeinde verlangt wurden. Zu den Vergleichsfaktoren zählen Größe, Ausstattung, Lage und Zustand der Wohnung. Die Vergleichsmiete kann durch den örtlichen Mietspiegel, Gutachten von Sachverständigen, Auskünfte aus einer Mietdatenbank oder durch Vergleichsobjekte ermittelt werden. Der Mietspiegel ist dabei häufig die erste und wichtigste Referenz. Eine Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete um mehr als 20 % lässt die sogenannte Mietpreisüberhöhung vermuten, während eine Überschreitung um mehr als 50 % typischerweise zur Annahme von Mietwucher ausreicht. Die korrekte Feststellung der Vergleichsmiete ist für eine erfolgreiche mietrechtliche oder strafrechtliche Geltendmachung von entscheidender Bedeutung.

Welche Konsequenzen drohen Vermietern bei Feststellung von Mietwucher?

Wer als Vermieter Mietwucher begeht, muss mit erheblichen rechtlichen Konsequenzen rechnen. Im Zivilrecht kann der Mieter gemäß § 138 BGB verlangen, dass der überhöhte Mietanteil zurückgezahlt oder die Miete auf die ortsübliche Vergleichsmiete reduziert wird. Im Strafrecht drohen nach § 291 StGB Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren, in schweren Fällen sogar bis zu zehn Jahren. Ebenso kann ein Eintrag im Führungszeugnis erfolgen, der berufsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann – etwa für Immobilienmakler oder -verwalter. Im Wiederholungsfall oder bei systematischem Vorgehen können auch gewerberechtliche Maßnahmen bis hin zum Entzug der Vermietungserlaubnis drohen. Neben diesen Sanktionen ist das Mietverhältnis meist erheblich belastet, was zu weiteren zivilrechtlichen Auseinandersetzungen führen kann.

Wie unterscheiden sich die Begriffe Mietpreisüberhöhung und Mietwucher aus rechtlicher Sicht?

Rechtlich ist zwischen Mietpreisüberhöhung (§ 5 Wirtschaftsstrafgesetz – WiStG) und Mietwucher (§ 291 StGB, § 138 BGB) zu differenzieren. Mietpreisüberhöhung liegt bereits dann vor, wenn die Miete mehr als 20 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt und der Wohnungsmarkt „angespannt“ ist, das heißt, es gibt eine objektive Mangellage an Mietwohnungen. Mietwucher hingegen erfordert ein noch stärkeres Missverhältnis (über 50 %) sowie zusätzlich die gezielte Ausnutzung einer Zwangslage oder Schwächesituation des Mieters. Während Mietpreisüberhöhung eine Ordnungswidrigkeit ist und mit einer Geldbuße geahndet werden kann, stellt Mietwucher eine Straftat mit weitergehenden Sanktionen dar. Die Unterscheidung ist insbesondere für die Wahl der rechtlichen Vorgehensweise und die möglichen Folgen für den Vermieter von Bedeutung.

Welche Fristen sind bei der Geltendmachung von Ansprüchen wegen Mietwucher zu beachten?

Ansprüche wegen Mietwucher unterliegen den allgemeinen zivilrechtlichen Verjährungsvorschriften. Die Rückforderung zu viel gezahlter Miete kann innerhalb von drei Jahren ab dem Ende des Jahres geltend gemacht werden, in dem der Mieter von der überhöhten Forderung und der Identität des Vermieters Kenntnis erlangt hat (§§ 195, 199 BGB). Strafrechtliche Verfolgung unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist für Straftaten, die bei Wucher fünf Jahre beträgt (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Es ist daher ratsam, bei Verdacht auf Mietwucher zeitnah qualifizierte Rechtsberatung einzuholen und erforderliche Beweise zu sichern, um den Ablauf von Fristen zu vermeiden und die eigenen Ansprüche erfolgreich durchzusetzen.

Sind auch Gewerberaummieten vom Tatbestand des Mietwuchers erfasst?

Ja, der Tatbestand des Mietwuchers gemäß § 291 StGB erfasst nicht nur Wohnraummietverhältnisse, sondern kann grundsätzlich auch auf Gewerberaummieten Anwendung finden. Auch hier muss ein auffälliges Missverhältnis zwischen der vereinbarten Gewerberaummiete und der ortsüblichen Miete bestehen, und es muss eine Ausnutzung einer Zwangslage, Unerfahrenheit oder Schwächesituation des Mieters vorliegen. Die Vergleichbarkeit von Gewerberaummieten gestaltet sich häufig schwieriger als bei Wohnraummietverhältnissen, da es weniger standardisierte Mietspiegel gibt und die Einzelfallumstände eine größere Rolle spielen. Dennoch ist bei gewerblichen Mietverträgen ebenfalls eine rechtliche Überprüfung und gegebenenfalls eine Geltendmachung von Ansprüchen möglich, wenn klare Anhaltspunkte für Mietwucher gegeben sind.