Begriff und Definition des Mietendeckels
Der Begriff Mietendeckel bezeichnet eine gesetzliche Regelung, die die Höhe der zulässigen Wohnungsmieten in einem bestimmten Gebiet vorübergehend oder dauerhaft begrenzt. Ziel ist es, übermäßige Mietsteigerungen zu verhindern und bestehenden Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten bezahlbar zu halten. Der Mietendeckel fungiert als mietrechtliche Eingriffsnorm und ist von der klassischen Mietpreisbremse abzugrenzen, die lediglich für Neuvertragsmieten gilt.
Rechtsgrundlagen des Mietendeckels
Gesetzgebungskompetenz
Die Einführung eines Mietendeckels bedarf einer gesetzlichen Grundlage. In Deutschland wird die Gesetzgebungskompetenz grundsätzlich zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Grundgesetz (GG) ist das Mietrecht Teil der konkurrierenden Gesetzgebung. Das bedeutet, der Bund hat die Möglichkeit, umfassende Vorschriften zu erlassen, kann diese Kompetenz jedoch auch den Ländern durch Öffnungsklauseln oder spezifische Gesetzgebungsbefugnisse überlassen.
MietenWoG Bln (Berliner Mietendeckel)
Eines der bekanntesten Beispiele ist das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln) vom 11. Februar 2020. Es sah die Begrenzung und das Einfrieren der Mieten für rund fünf Jahre vor. Die Regelungen umfassten:
Einfrieren der Mieten
Die Nettokaltmieten wurden auf Bestandsniveau zum 18. Juni 2019 eingefroren (§ 3 MietenWoG Bln).
Mietobergrenzen
Für bestehende Mietverhältnisse galten ab dem 23. November 2020 klare Mietobergrenzen bezogen auf Baualter, Wohnstandard und Lage des Mietobjekts (§ 6 MietenWoG Bln).
Ausnahmen
Ausgenommen waren unter anderem Neubauten, die nach dem 1. Januar 2014 erstmals genutzt oder vermietet wurden (§ 1 Abs. 2 MietenWoG Bln), sowie bestimmte öffentlich geförderte Wohnungen.
Verfassungsrechtliche Bewertung
Zuständigkeit und Bundesrecht
Am 15. April 2021 erklärte das Bundesverfassungsgericht den Berliner Mietendeckel für nichtig (Az. 2 BvF 1/20 u.a.). Die Entscheidung stützte sich darauf, dass die Länder für Regelungen zur Miethöhe keine Gesetzgebungskompetenz mehr besitzen, seit der Bund die Materie abschließend geregelt hat, insbesondere durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB).
Verhältnis zum BGB
Der Mietendeckel trat in Konkurrenz zu bestehenden bundesrechtlichen Vorschriften, insbesondere den §§ 556d ff. BGB (Mietpreisbremse) und den Regelungen zu zulässigen Mietanpassungen. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass das Land Berlin mit dem MietenWoG Bln gegen das Vorrangprinzip des Bundesrechts (Art. 31 GG) verstoßen habe.
Inhalt und Regelungsmechanismen des Mietendeckels
Mietbegrenzung
Der Mietendeckel reguliert bestehende Mietverhältnisse, indem er die Miethöhe auf einen bestimmten Wert festschreibt oder eine jährliche Steigerung beschränkt. Die Festsetzung erfolgt in der Regel durch Verordnung oder Gesetz und kann sich an Faktoren wie Baujahr, Größe, Ausstattung oder Lage der Wohnung orientieren.
Sanktionen und Vollstreckung
Mietforderungen, die die gesetzlich festgelegte Höchstgrenze überschreiten, sind in ihrer Wirksamkeit beschränkt. In Berlin galt der überschreitende Betrag als nicht geschuldet. Verstöße konnten mit Bußgeldern belegt werden, die im Einzelfall bis zu 500.000 Euro betragen konnten (§ 11 MietenWoG Bln).
Schutz legitimierter Interessen
Ausnahmeregelungen schützen Investitionen in energetische Modernisierungen oder in altersgerechten Umbau, soweit diese für den Erhalt oder die Modernisierung des Mietobjekts erforderlich sind. Die Genehmigung einzelner Erhöhungen lag im Ermessen der Behörden.
Abgrenzung zu anderen mietrechtlichen Instrumenten
Mietpreisbremse
Bei der Mietpreisbremse (§§ 556d bis 556g BGB) handelt es sich um eine Beschränkung für Neuvertragsmieten in bestimmten Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten. Die Mietpreisbremse untersagt, dass bei Neuvermietungen die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 10 % überschritten wird. Der Mietendeckel hingegen regelt – sofern geltend – sowohl Neu- als auch Bestandsmieten und setzt absolute Obergrenzen.
Kappungsgrenze und Mietspiegel
Weitere Instrumente im Mietrecht sind die Kappungsgrenze (§ 558 Abs. 3 BGB) für Mieterhöhungen im laufenden Vertrag und die Vorgabe zur Erstellung von Mietspiegeln (§§ 558c, 558d BGB). Diese dienen der Bemessung ortsüblicher Mieten, ohne eine absolute Obergrenze festzuschreiben.
Diskussion und Auswirkungen
Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt
Die Einführung eines Mietendeckels wird kontrovers diskutiert. Befürworter sehen darin ein wirksames Instrument zum Schutz von Mieterinnen und Mietern vor Verdrängung und zur Sicherung sozialer Durchmischung. Kritiker warnen vor negativen Folgen wie einem Rückgang von Instandsetzungen, Modernisierungen und einem generellen Investitionsrückgang auf dem Wohnungsmarkt. Empirische Untersuchungen zum Berliner Modell verweisen auf einen Rückgang des Angebots von Mietwohnungen und einen Anstieg von Inseraten im Selbsteigentumsbereich.
Rechtsschutz, Rückabwicklung und Folgen der Nichtigkeit
Mit Feststellung der Nichtigkeit des Berliner Mietendeckels stellte sich insbesondere für Vermietende und Mietende die Frage der Rückforderung zu viel oder zu wenig gezahlter Mieten. Nach allgemeiner Rechtslage (§ 812 BGB) konnten betroffene Parteien entsprechende Ansprüche geltend machen, sofern die Zahlungen ohne wirksamen rechtlichen Grund geleistet wurden.
Fazit und Ausblick
Der Mietendeckel bleibt ein zentraler Begriff im deutschen Mietrecht und steht exemplarisch für den Versuch, durch interventionistische Maßnahmen Einfluss auf den Wohnungsmarkt zu nehmen. Seine verfassungsrechtlichen und praktischen Auswirkungen machen deutlich, dass der gesetzgeberische Spielraum im Bereich der Mietregulierung engen verfassungsrechtlichen Grenzen unterliegt. Während eine bundesrechtliche Lösung bislang nicht umgesetzt wurde, bleibt die Diskussion um sozialverträgliche Mietregulierung und deren rechtsstaatliche Ausgestaltung weiter aktuell.
Verwandte Rechtsbegriffe
- Mietpreisbremse
- Kappungsgrenze
- Mietspiegel
- Sozialbindung von Wohnraum
Literatur
- Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 15. April 2021 – 2 BvF 1/20 u.a.
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), §§ 556d ff., § 558 ff.
- Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln)
Häufig gestellte Fragen
Wird der Mietendeckel bundesweit oder nur in bestimmten Bundesländern angewendet?
Der Mietendeckel ist keine bundesweit einheitliche Regelung, sondern wurde von einzelnen Bundesländern mit eigener Gesetzgebungskompetenz verabschiedet. Besonders bekannt wurde das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin („Berliner Mietendeckel“), das von Januar 2020 bis April 2021 in Kraft war. Auf Bundesebene existiert kein allgemeiner Mietendeckel, sondern lediglich Regelungen zur sogenannten Mietpreisbremse im Bürgerlichen Gesetzbuch. Die rechtlichen Unterschiede bestehen darin, dass Landesgesetze, wie der Berliner Mietendeckel, in ihren jeweiligen Geltungsbereichen bindend waren und eigene Mechanismen zur Mietbegrenzung einführten, während die Mietpreisbremse als Rahmenregelung im BGB für betroffene Regionen Anwendung findet. Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im April 2021 wurde der Berliner Mietendeckel mit Wirkung ex tunc für nichtig erklärt, da dem Land Berlin hierzu die Gesetzgebungskompetenz fehlte. Andere Bundesländer haben ähnliche Gesetze bislang nicht verabschiedet.
Welche rechtlichen Pflichten treffen Vermieter im Rahmen eines Mietendeckels?
Vermieter, in deren Zuständigkeitsbereich ein Mietendeckel rechtswirksam in Kraft tritt, sind zur Einhaltung der gesetzlich festgelegten Höchstmieten verpflichtet. Sie dürfen bestehende Mieten nicht über die jeweilige Obergrenze hinaus anpassen und müssen auch bei Neuvermietungen die vorgegebenen Mietobergrenzen einhalten. Außerdem sind sie verpflichtet, Mieter über die maßgeblichen Stichtage, die jeweilige Obergrenze und die Zusammensetzung der Miete schriftlich zu informieren. Bei Verstoß gegen diese Informationspflichten drohen Verwaltungsstrafen und Rückerstattungsansprüche der Mieter. Eine ebenfalls relevante Pflicht ist die Rückführung von Mieten, die nach Inkrafttreten des Mietendeckels über die gesetzlich zulässige Grenze hinaus eingenommen wurden.
Wie wirken sich gerichtliche Entscheidungen auf bereits geschlossene Mietverträge aus?
Gerichtliche Entscheidungen, insbesondere Verfassungsgerichtsurteile, haben unmittelbare Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Mietendeckels. Im Falle der Nichtigkeit des Gesetzes, wie es bei der Berliner Regelung geschah, sind Zahlungen, die aufgrund der Mietendeckelregelung gemindert wurden, vom Mieter nachzuzahlen, sofern keine individuelle Vereinbarung getroffen wurde. Die Rechtsprechung sieht hier grundsätzlich Nachzahlungsansprüche der Vermieter gegenüber den Mietern vor, da die gesetzliche Grundlage mit der Verfassungsgerichtsentscheidung rückwirkend entfällt. Umgekehrt stellt sich die Situation dar, wenn der Mietendeckel für rechtmäßig erklärt wird: Dann bleiben die Pflichten aus dem Mietendeckel weiter bestehen.
Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen den Mietendeckel?
Verstoßen Vermieter gegen die Bestimmungen eines geltenden Mietendeckels, drohen unterschiedlich ausgestaltete Sanktionen. Dies reicht von der Anordnung zur Rückzahlung unzulässig erhobener Mieten bis hin zu empfindlichen Bußgeldern, die nach jeweils landesrechtlichen Bußgeldtatbeständen bemessen werden. Je nach Schwere des Verstoßes – beispielsweise bei bewusster Umgehung der Mietendeckel-Vorgaben oder wiederholter Pflichtverletzung – können Bußgelder bis zu mehreren zehntausend Euro verhängt werden. Zudem können Mieter ihre Rechte auch gerichtlich durchsetzen und auf Rückerstattung zu viel gezahlter Miete klagen.
Wie ist der rechtliche Zusammenhang zwischen Mietendeckel und Mietpreisbremse?
Der Mietendeckel steht rechtlich eigenständig neben der Mietpreisbremse. Während die Mietpreisbremse auf bundesgesetzlicher Ebene nach § 556d ff. BGB geregelt ist und nur für Neuvermietungen sowie in von den Ländern bestimmten Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt gilt, knüpft der Mietendeckel zumeist ergänzende und strengere Vorgaben – unter anderem auf landesrechtlicher Ebene. Für die Praxis bedeutet dies: Sind beide Regelungen parallel anwendbar, gilt stets die für den Mieter günstigere Vorschrift. Allerdings kann ein Landesgesetz wie der Mietendeckel nur dann greifen, wenn hierfür auch die landesrechtliche Gesetzgebungskompetenz besteht.
Können Mieter aufgrund eines Mietendeckels rückwirkend Mietzahlungen zurückfordern?
Besteht ein wirksamer Mietendeckel, haben Mieter für überzahlte Mieten einen Anspruch auf Rückzahlung des über die gedeckelte Höchstmiete hinausgehenden Betrags, sofern die Zahlung nach Inkrafttreten des Gesetzes erfolgt ist. Dies beruht auf öffentlich-rechtlichen Anspruchsgrundlagen sowie ergänzend auf Bereicherungsrecht nach §§ 812ff. BGB. Mieter sollten jedoch beachten, wer in der Beweislast steht und welche Fristen für die Geltendmachung einer Rückforderung einzuhalten sind. Nach nachträglicher Aufhebung eines Mietendeckels – wie durch das Bundesverfassungsgericht im Fall Berlins – entfällt dieser Rückzahlungsanspruch.
Gibt es Ausnahmen oder besondere Regelungen im Rahmen des Mietendeckels?
Ja, gesetzliche Ausnahmen sind in Mietendeckel-Gesetzen regelmäßig geregelt. Typische Ausnahmetatbestände betreffen neu errichtete Wohnungen, also Neubauten, die nach einem bestimmten Stichtag erstmals bezugsfertig geworden sind. Ebenso sind oft Wohnungen ausgenommen, die umfassend modernisiert wurden oder dem sozialen Wohnungsbau unterliegen. Die genauen Voraussetzungen sowie die Anforderungen an eine umfassende Modernisierung oder die Anerkennung als Neubau ergeben sich immer aus dem Wortlaut des jeweiligen Landesgesetzes. Vielfach müssen Eigentümer entsprechende Nachweise führen oder Anträge bei den zuständigen Behörden einreichen, um Ausnahmetatbestände geltend machen zu können.