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Mehrfachtäter


Definition und Begriffsentwicklung von Mehrfachtäter

Der Begriff Mehrfachtäter bezeichnet im deutschen Strafrecht eine Person, die mehrere Straftaten begangen hat. Die Mehrfachtäterschaft ist nicht identisch mit anderen Tätertypen wie den Rückfalltätern oder Serienstraftätern, sondern bildet eine eigene Kategorie, die wesentliche rechtliche Relevanz im Strafverfahren sowie bei der Strafzumessung hat. In der kriminalistischen Literatur wird der Mehrfachtäter oft auch als Wiederholungstäter bezeichnet, wobei die genaue Definition und Abgrenzung gesetzlich sowie durch die Rechtsprechung differenziert behandelt wird.

Historische Entwicklung

Schon im frühen Strafrecht wurde der Täter mit mehr als einer Straftat besonders betrachtet. Die historische Rechtsentwicklung führte dazu, dass heute sowohl mehrfach begangene gleichartige als auch verschiedenartige Straftaten eines Täters unter dem Begriff der Mehrfachtäterschaft zusammengefasst werden können. Die Vorschriften hierzu ergeben sich unter anderem aus dem Strafgesetzbuch (StGB) und weiteren Verfahrensvorschriften.

Abgrenzung zu ähnlichen Tätertypen

Rückfalltäter

Ein Rückfalltäter ist ein Täter, der nach bereits erfolgter Verurteilung erneut straffällig wird. Die Mehrfachtäterschaft umfasst zusätzlich auch Konstellationen, in denen mehrere Taten verübt werden, ohne dass schon eine Verurteilung wegen einer der Taten erfolgt ist.

Serientäter/Serienstraftäter

Der Serientäter begeht mehrere gleichartige Straftaten in engem zeitlichen oder sachlichen Zusammenhang. Im Unterschied dazu ist der Mehrfachtäter ein Sammelbegriff für jede Person, die mehrfach strafbare Handlungen begeht, wobei Art, Zusammenhang und Zeitraum der Taten weniger stark eingeschränkt werden.

Gewohnheitsverbrecher

Als Gewohnheitsverbrecher wurde früher ein Täter bezeichnet, der aus einer dauerhaften Neigung Straftaten begeht. Die Definition des Gewohnheitsverbrechens wurde gesetzlich abgeschafft, der Begriff des Mehrfachtäters ist aber weiterhin relevant.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Gesetzliche Grundlagen

Im deutschen Strafrecht wird die Mehrfachtäterschaft nicht abschließend in einem Paragrafen definiert, findet jedoch in zahlreichen Vorschriften Berücksichtigung. Dazu gehören insbesondere:

  • § 46 StGB (Grundsätze der Strafzumessung): Das Gericht berücksichtigt bei der Zumessung der Strafe auch das Vorliegen von Mehrfachtäterschaft.
  • § 53 StGB (Gesamtlösung bei mehreren Straftaten): Regelt die Bildung einer Gesamtstrafe bei mehreren von derselben Person begangenen Taten.
  • § 56 StGB (Strafaussetzung zur Bewährung): Mehrfachtäterschaft kann gegen eine Strafaussetzung sprechen.
  • § 66 StGB (Sicherungsverwahrung): Ist unter anderem auf Mehrfachtäter anwendbar, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind.
  • Strafprozessuale Regelungen, insbesondere bei der Frage der Untersuchungshaft und Wiederholungsgefahr.

Strafzumessung bei Mehrfachtätern

Die wiederholte Begehung von Straftaten hat erheblichen Einfluss auf das Strafmaß. Im Rahmen der Strafzumessung nach § 46 StGB lautet ein wichtiger Grundsatz: Wer bereits mehrfach Straftaten begangen hat, dem wird in der Regel eine höhere Strafe auferlegt, insbesondere, wenn Wiederholungstäterschaft auf eine erhöhte Gefährlichkeit oder eine kriminelle Neigung hindeutet.

Gesamtstrafenbildung

Nach § 53 StGB wird bei mehreren Taten, die vor einer ersten Verurteilung begangen wurden, eine Gesamtstrafe gebildet. Zentrale Voraussetzung ist, dass die einzelnen Straftaten rechtlich unabhängig sind, der Täter aber alle vor der ersten Aburteilung begangen hat (sog. „Tatmehrheit“). Beim Mehrfachtäter kann dies zu erheblichen Gesamtsanktionen führen.

Auswirkungen auf Bewährung und Sicherungsverwahrung

Die Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung hängt maßgeblich vom Einzelfall ab. Die Begehung mehrerer Straftaten kann gegen die Annahme günstiger Sozialprognose sprechen (§ 56 StGB). Darüber hinaus ist Mehrfachtäterschaft bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung ein gewichtiges Kriterium, insbesondere bei schweren oder wiederholten Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder gegen das Leben.

Kriminologische Aspekte

Kriminogenese

Die Gründe für Mehrfachtäterschaft sind vielfältig und reichen von sozialen und psychologischen Faktoren bis hin zu soziologischen Einflüssen. Die Kriminogenese analysiert insbesondere das Zusammenspiel von persönlichen Dispositionen, Lebensverhältnissen und gesellschaftlichen Faktoren.

Rückfallforschung und Prävention

Empirische Untersuchungen zeigen, dass Mehrfachtäter einen erheblichen Anteil an der Gesamtkriminalität ausmachen. Wirksame Präventionsstrategien und Maßnahmen zur Resozialisierung sind ein Schwerpunkt aktueller kriminologischer Forschung, um erneute Straffälligkeit zu verhindern.

Praktische Bedeutung in der Strafverfolgung

Ermittlungsverfahren

Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren spielen Erkenntnisse über Mehrfachtäterschaft eine zentrale Rolle. Ermittlungsbehörden gewichten frühere Straftaten eines Beschuldigten schwer, insbesondere wenn dadurch eine Wiederholungsgefahr angenommen wird. Dies kann auch bei Anträgen auf Untersuchungshaft (§ 112 Abs. 3 StPO) relevant werden.

Hauptverhandlung und Urteil

Im Strafprozess wird dem Umstand der Mehrfachtäterschaft bei der Feststellung des Strafmaßes, der Einordnung der Schuld und bei der Entscheidung über Maßnahmen der Besserung und Sicherung besonderes Gewicht beigemessen.

Internationale Perspektiven

Auch in anderen Rechtsordnungen wird der Umstand mehrfach begangener Straftaten bei der Strafzumessung und bei vorbeugenden Maßnahmen (wie Bewährungsentscheidungen oder Sicherungsverwahrungen) relevant. Die genaue Ausgestaltung variiert jedoch je nach nationalem Rechtssystem.

Fazit

Die rechtliche Bewertung von Mehrfachtätern ist ein zentrales Thema des Strafrechts und der Kriminologie. Sie berührt nicht nur die Frage der Strafzumessung, sondern auch Aspekte der Prävention, der Resozialisierung und der Gefahrenabwehr. Die sorgfältige rechtliche Einordnung und differenzierte Behandlung von Mehrfachtäterschaft ist für ein ausgewogenes und gerechtes Strafjustizsystem von großer Bedeutung.

Häufig gestellte Fragen

Wie wird der Mehrfachtäterstatus im deutschen Strafrecht festgestellt?

Der Mehrfachtäterstatus im deutschen Strafrecht wird auf Grundlage der Anzahl und Art der Einzelstraftaten sowie der rechtskräftigen Verurteilungen einer Person festgestellt. Es unterscheidet sich, ob es sich um mehrere eigenständige Taten handelt, die unabhängig voneinander begangen wurden, oder um Serienstraftaten mit gleichartigem Modus Operandi. Relevant ist dabei insbesondere, ob und wie oft der Betroffene bereits wegen ähnlicher Delikte verurteilt wurde. Das Gericht nimmt hierzu eine genaue Prüfung der Vorstrafen, Tatzeitpunkte und Umstände jeder einzelnen Straftat vor und bewertet, ob eine wiederholte Rückfälligkeit – etwa im Sinne der §§ 53 ff. StGB (Strafgesetzbuch) – vorliegt. Insbesondere im Rahmen der Strafzumessung (§ 46 StGB) wird dem Umstand, dass jemand Mehrfachtäter ist, besondere Bedeutung beigemessen; auch spezialpräventive Aspekte spielen eine Rolle. Die Feststellung erfolgt meist durch die Auswertung des Bundeszentralregisters und der Erkenntnisse aus Vorstrafenregistern.

Welche Auswirkungen hat der Status als Mehrfachtäter auf das Strafmaß?

Der Status als Mehrfachtäter kann erhebliche Auswirkungen auf die konkrete Straffestsetzung haben. Im Rahmen der Strafzumessung (§ 46 StGB) wird die wiederholte Begehung gleichartiger Delikte als strafverschärfender Umstand bewertet. Die Justiz geht davon aus, dass die vorherigen Strafen keine ausreichende Abschreckung oder Besserung bewirkt haben, was wiederum eine strengere Strafe nahelegt. Häufig werden Freiheitsstrafen verhängt, die gegebenenfalls auch zur Bewährung ausgesetzt werden können, wobei Mehrfachtäterschaft die Gewährung von Bewährung erschweren oder sogar ausschließen kann. In bestimmten Fällen, etwa bei Intensivtätern oder Rückfalltätern, können zudem Maßregeln der Besserung und Sicherung (zum Beispiel die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB oder Sicherungsverwahrung gemäß § 66 StGB) angeordnet werden.

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen Mehrfachtätern im Wiederholungsfall?

Im Wiederholungsfall, also nach erneuter Begehung einschlägiger Straftaten, werden Gerichte strengere Maßnahmen ergreifen. Das Strafmaß kann deutlich erhöht werden, und es drohen Nebenfolgen wie Führungsaufsicht (§ 68 ff. StGB), Berufsverbote (§ 70 StGB) oder sogar die Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) bei besonders gefährlichen Straftätern. Die Gerichte werden prüfen, ob spezielle Tatausführungen oder wiederholte Rückfälligkeit vorliegen, was gegebenenfalls als „Hang“ zur Begehung erheblicher Straftaten im Sinne des Gesetzes ausgelegt wird. Gerade bei Gewalt-, Sexual- oder Eigentumsdelikten kann dies zu einer erheblichen Verschärfung der Sanktionen führen.

In welchen Fällen ist eine Strafaussetzung zur Bewährung bei Mehrfachtätern ausgeschlossen?

Die Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung nach § 56 StGB hängt von Prognose und Straferwartung ab. Insbesondere bei Mehrfachtätern, deren Vorstrafen einen ähnlichen Deliktskatalog aufweisen und bei denen die bisherigen Bewährungen oder milden Strafen keinen erkennbaren Lerneffekt gezeigt haben, verweigern Gerichte oftmals die Bewährungsgewährung. Gesetzlich ausgeschlossen ist die Bewährung bei Freiheitsstrafen über zwei Jahren. Bei Mehrfachtätern mit einschlägigen Wiederholungstaten geht das Gericht häufig davon aus, dass weder eine günstige Sozialprognose noch eine Aussicht auf Legalbewährung besteht.

Welche Rolle spielt der Mehrfachtäterstatus bei der Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung?

Der Mehrfachtäterstatus ist ein zentrales Kriterium für die Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung gemäß §§ 61 ff. StGB. Insbesondere bei einer erkannten Rückfalltendenz, bei erheblichen Straftaten oder bei einer festgestellten Gefährlichkeit der Person kann das Gericht Maßnahmen wie die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) oder die Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) anordnen. Der Mehrfachtäterstatus unterstreicht die fortbestehende Gefährdung der Allgemeinheit und das erhöhte Rückfallrisiko, welches eine solche gerichtliche Anordnung rechtfertigen kann.

Gibt es eine Verjährung der Berücksichtigung früherer Straftaten für die Bewertung als Mehrfachtäter?

Das deutsche Strafrecht kennt grundsätzlich Verjährungsfristen, die sich auf die Strafverfolgung und die Vollstreckung beziehen (§§ 78 ff. StGB). Für die Bewertung im Rahmen der Mehrfachtäterschaft können jedoch auch ältere Straftaten und Verurteilungen berücksichtigt werden, solange sie noch im Bundeszentralregister eingetragen sind und eine Rückfallneigung indizieren. Allerdings ist mit Ablauf festgelegter Fristen eine Tilgung aus dem Register vorgesehen (§§ 45, 46 BZRG), so dass besonders alte oder bereits getilgte Strafen in der Regel nicht mehr zum Nachteil des Täters herangezogen werden dürfen.

Wie unterscheidet sich die Behandlung von Erst- und Mehrfachtätern vor Gericht?

Während bei Ersttätern grundsätzlich mehr Zurückhaltung bei der Strafzumessung und eine größere Bereitschaft zur Aussetzung der Strafe auf Bewährung besteht, werden bei Mehrfachtätern sowohl spezialpräventive als auch generalpräventive Gesichtspunkte stärker gewichtet. Das bedeutet, dass die Strafe nicht nur individuell (Besserung) angepasst wird, sondern auch eine abschreckende Wirkung auf die Allgemeinheit entfalten soll. Bei Mehrfachtätern erfolgt die Prüfung, ob die bisher ergriffenen Maßnahmen zur Verhaltensänderung ausreichen oder verschärft werden müssen. Auch im Rahmen der Sozialprognose und der Untersuchungshaftfrage wirkt sich Mehrfachtäterschaft regelmäßig negativ aus.