Begriff und Bedeutung des Medienstaatsvertrags
Der Medienstaatsvertrag (MStV) ist ein multilateraler Staatsvertrag der deutschen Bundesländer, der die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Regulierung von Medien im Rundfunk und im Internet in Deutschland bestimmt. Er trat am 7. November 2020 in Kraft und löste damit den zuvor geltenden Rundfunkstaatsvertrag (RStV) ab. Ziel des Medienstaatsvertrags ist es, eine einheitliche und zeitgemäße Regulierung von Telemedien, Rundfunk und intermediären Online-Diensten vorzusehen und so der fortschreitenden Digitalisierung der Medienlandschaft Rechnung zu tragen.
Historische Entwicklung und Hintergrund
Entstehungsgeschichte
Mit dem Aufkommen digitaler Medienangebote und der damit verbundenen Konvergenz von Rundfunk, Internet und sozialen Netzwerken stieß die bisherige Regelung des Rundfunkstaatsvertrags an ihre Grenzen. Die Länder sahen sich angesichts der veränderten Medienrealität veranlasst, eine grundlegende Neuausrichtung der Medienregulierung vorzunehmen. In mehrjährigen Verhandlungen und Konsultationen legten sie die Grundlagen für den Medienstaatsvertrag, der am 6. Mai 2020 unterzeichnet wurde und nach der Ratifikation in allen 16 Landesparlamenten das bisherige Regelwerk ablöste.
Zielsetzungen
Die zentralen Zielsetzungen des MStV sind der Schutz der Meinungs- und Medienvielfalt, die Sicherstellung chancengleicher Zugänge zu Medienangeboten, der Jugendschutz, Transparenz bei Medienintermediären sowie die Anpassung der Regulierung an neue Vermittlungsformen von Medieninhalten.
Rechtliche Struktur und Anwendungsbereich des Medienstaatsvertrags
Geltungsbereich
Der Medienstaatsvertrag regelt die Zulassung, Aufsicht und Kontrolle von Rundfunk, Telemedien sowie Medienintermediären (z. B. Suchmaschinen, soziale Netzwerke, Video-Sharing-Plattformen) in Deutschland. Der Geltungsbereich umfasst alle Anbieter, die Inhalte für die Allgemeinheit bereitstellen und einen Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung nehmen.
Systematik der Normen
Der Medienstaatsvertrag gliedert sich in sieben Hauptabschnitte:
- Allgemeine Vorschriften (§§ 1-7)
- Zulassung und Aufsicht (§§ 8-16)
- Sicherung der Meinungsvielfalt (§§ 17-35)
- Telemedien (§§ 36-61)
- Medienintermediäre und Plattformen (§§ 92-106)
- Aufsicht, Verfahren, Sanktionen (§§ 107-114)
- Übergangs- und Schlussbestimmungen (§§ 115-117)
Zentrale Regelungsinhalte
Rundfunkbegriff und Zulassungspflicht
Der Medienstaatsvertrag erweitert und konkretisiert den Begriff des Rundfunks. Nach § 2 Abs. 1 MStV ist Rundfunk jede lineare, an die Allgemeinheit gerichtete Übertragung von Inhalten entlang eines Sendeplans mittels elektronischer Kommunikationsnetze. Nicht lineare Angebote (sog. Telemedien), wie Mediatheken oder Video-on-Demand-Dienste, unterfallen gesonderten Vorschriften.
Für private Rundfunkanbieter ist nach wie vor eine Zulassung erforderlich, es bestehen jedoch Ausnahmen, beispielsweise bei geringfügigen Angeboten (vgl. § 54 Abs. 2 MStV).
Telemedien und journalistische Sorgfaltspflichten
Telemedien unterliegen den Anforderungen an die journalistische Sorgfalt sowie Vorgaben zur Transparenz und zum Jugendschutz. § 18 MStV verpflichtet Anbieter beispielsweise dazu, Inhalte, die als journalistisch-redaktionell gestaltet gelten, mit einer verantwortlichen Person zu kennzeichnen. Bei Telemedien mit Informations- und Meinungsbildungsrelevanz sind zudem Auskunfts-, Berichtigungs- und Sorgfaltspflichten zu beachten.
Medienintermediäre und Plattformen
Mit dem Medienstaatsvertrag werden erstmals umfassende Regelungen für Medienintermediäre wie Suchmaschinen, soziale Netzwerke und Videoportale eingeführt. Sie sind verpflichtet, algorithmische Auswahlkriterien und Empfehlungen gegenüber Nutzenden offen zu legen und Diskriminierungsfreiheit sicherzustellen (vgl. §§ 92 ff. MStV). Ferner haben Plattformen, die Fernsehinhalte bzw. audiovisuelle Angebote bündeln, Anforderungen zur Auffindbarkeit öffentlich-rechtlicher und privater Inhalte zu erfüllen.
Sicherung der Meinungsvielfalt
Besonderes Augenmerk liegt auf der Gewährleistung der Meinungsvielfalt im dualen Rundfunksystem. Durch Bestimmungen zur Sicherung von Pluralität, Transparenz bei Medienkonzentrationen und die Aufsicht über die Einhaltung von Vielfaltsanforderungen haben Landesmedienanstalten umfassende Kompetenzen erhalten (vgl. §§ 28 ff. MStV).
Regulierung von Werbung, Sponsoring und Produktplatzierung
Die Vorschriften zu Werbung, Sponsoring und Produktplatzierung wurden im Medienstaatsvertrag überarbeitet und teilweise verschärft. Sie orientieren sich eng an den Vorgaben der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie). So gelten bei beiden, dem Rundfunk wie auch Telemedien, spezifische Kennzeichnungspflichten sowie strikte Vorgaben für werbliche Unterbrechungen, zulässige Produkte und Trennungsgebote.
Landesmedienanstalten und Aufsicht
Aufgaben und Befugnisse
Die Durchführung, Überwachung und Durchsetzung der Regelungen des Medienstaatsvertrags verbleiben bei den Landesmedienanstalten. Sie sind mit umfassenden Aufsichtsbefugnissen ausgestattet (z. B. Prüf- und Sanktionskompetenzen nach §§ 115 ff. MStV) und für Lizenzierung, Kontrolle der Einhaltung von Werbevorschriften, Aufsicht über Telemedien, Plattformen und Medienintermediäre sowie den Schutz der Meinungsvielfalt zuständig.
Verfahren und Sanktionen
Verfahren der Landesmedienanstalten richten sich nach den Bestimmungen des Medienstaatsvertrags und Durchführungsgesetzen der Länder. Neben Hinweisen und Beanstandungen können auch Untersagungsanordnungen und Bußgelder als Sanktionen verhängt werden. In schwerwiegenden Fällen kann die Zulassung eines Anbieters widerrufen werden (§ 114 MStV).
Medienstaatsvertrag im Verhältnis zu anderen Rechtsquellen
Verhältnis zu EU-Recht
Ein Großteil der Vorschriften des Medienstaatsvertrags setzt Vorgaben der Europäischen Union, insbesondere der AVMD-Richtlinie, in deutsches Landesrecht um. Die Regelungen werden zudem flankiert durch Vorgaben des Telemediengesetzes (TMG), des NetzDG sowie anderer europarechtlicher Normen.
Verhältnis zur Landesgesetzgebung
Obwohl der Medienstaatsvertrag bundesweite Gültigkeit besitzt, ist er formal ein zwischen den Ländern geschlossener Staatsvertrag. Die Umsetzung und Anwendung erfolgt durch die Landesmediengesetze und Zuständigkeitsregelungen der einzelnen Länder.
Bedeutung für die Medienlandschaft und Ausblick
Der Medienstaatsvertrag stellt das zentrale Regelwerk für die Regulierung von Rundfunk und Telemedien in Deutschland dar und dient als Antwort auf die vielfältigen Herausforderungen der digitalen Medienwirklichkeit. Ziel ist es, einen fairen, transparenten und vielfältigen Zugang zur öffentlichen Meinungsbildung zu gewährleisten und einen deutschlandweit einheitlichen Medienrahmen zu schaffen. Durch kontinuierliche Novellierungen wird der Vertrag fortlaufend den technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen angepasst.
Literatur und Quellen
- Text des Medienstaatsvertrags (amtliche Fundstelle, z. B. GVBl. NRW 2020, S. 663)
- Landesanstalt für Medien NRW: Leitfäden und Erläuterungen zum Medienstaatsvertrag
- Kommentierung: Heger, in: BeckOK InfoMedienR, MStV, Stand: 01.01.2024
- Europäische Kommission: AVMD-Richtlinie 2018/1808
Hinweis: Dieser Artikel bietet eine umfassende und sachbezogene Darstellung des Medienstaatsvertrags unter rechtlichen Gesichtspunkten für ein Rechtslexikon und berücksichtigt den Stand bis Juni 2024.
Häufig gestellte Fragen
Welche Anforderungen stellt der Medienstaatsvertrag an die Kennzeichnung von Werbung in audiovisuellen Medien?
Der Medienstaatsvertrag (MStV) schreibt vor, dass Werbung in audiovisuellen Medien klar als solche erkennbar und vom übrigen Inhalt unterscheidbar sein muss. Dies gilt insbesondere für journalistisch-redaktionelle Angebote, aber auch für Telemedien und Rundfunk. Der rechtliche Hintergrund dazu findet sich in § 8 MStV, der die Trennung von Werbung und Programm regelt. Es ist unerlässlich, dass Werbung nicht den Eindruck erweckt, Teil des redaktionellen Inhalts zu sein. Besonders deutlich wird dies bei sogenannten Schleichwerbungen und Produktplatzierungen, die nach § 8 Abs. 3 MStV ausdrücklich verboten sind bzw. nur unter engen Voraussetzungen zulässig sind. Werden diese Vorgaben nicht eingehalten, drohen aufsichtsrechtliche Maßnahmen und Bußgelder durch die zuständigen Landesmedienanstalten. Zu beachten ist auch, dass spezielle Regelungen für Influencer und Anbieter von Telemedien gelten, die im Rahmen der europäischen E-Commerce-Richtlinie und ergänzenden Leitfäden der Medienanstalten konkretisiert werden. Hier besteht zudem eine Pflicht zur vollständigen und wahrnehmbaren Kennzeichnung aller kommerziellen Inhalte, um Verbraucher vor versteckter Werbung zu schützen.
Welche Pflichten ergeben sich für Anbieter von Streamingdiensten im Hinblick auf Jugendschutz gemäß dem Medienstaatsvertrag?
Anbieter von Streamingdiensten unterliegen gemäß dem Medienstaatsvertrag umfassenden Verpflichtungen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen. Diese Pflichten sind in den §§ 19 bis 25 MStV kodifiziert und sehen vor, dass Anbieter insbesondere sicherstellen müssen, dass entwicklungsbeeinträchtigende oder jugendgefährdende Inhalte nicht zugänglich sind. Dies umfasst unter anderem die Einteilung von Inhalten in Altersstufen, die Implementierung technischer Maßnahmen wie Altersverifikationssysteme und die Bereitstellung von Jugendschutzprogrammen. Anbieter sind außerdem verpflichtet, auf die Alterskennzeichnung deutlich hinzuweisen und müssen gegebenenfalls Sendezeitenbeschränkungen umsetzen. Verstöße gegen diese Vorschriften führen regelmäßig zu aufsichtsrechtlichen Konsequenzen bis hin zum Verbot der Bereitstellung der betreffenden Inhalte. Darüber hinaus verlangt der Medienstaatsvertrag eine regelmäßige Überprüfung und Dokumentation der getroffenen Schutzmaßnahmen sowie eine Kooperation mit den Jugendmedienschutzstellen.
Welche Bedeutung hat der Medienstaatsvertrag für Anbieter von Telemedien mit journalistisch-redaktionellen Angeboten?
Für Anbieter journalistisch-redaktioneller Telemedien, wie etwa Nachrichtenseiten oder Blogs mit gesellschaftspolitisch relevanten Inhalten, schafft der Medienstaatsvertrag einen spezifischen rechtlichen Rahmen hinsichtlich Sorgfaltspflichten, Transparenz und journalistischer Unabhängigkeit. § 18 MStV verpflichtet diese Anbieter zur Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht, darunter fallen insbesondere die Überprüfung von Fakten, Quellenangaben und eine Trennung zwischen Meinung und Nachricht. Weiterhin muss ein verantwortlicher redaktioneller Ansprechpartner nach § 55 Abs. 2 RStV (bzw. nun MStV) benannt werden, der für etwaige Rechtsverstöße verantwortlich gemacht werden kann. Außerdem besteht eine Impressumspflicht und die Verpflichtung, Gegendarstellungen zu ermöglichen. Die Landesmedienanstalten sind befugt, bei Verstößen aufsichtsrechtlich einzuschreiten. Für die Betroffenen birgt der MStV damit ein breites Spektrum an Compliance-Anforderungen und Haftungsrisiken.
Welche Regulierungsmechanismen sieht der Medienstaatsvertrag zum Schutz der Meinungsvielfalt vor?
Der Medienstaatsvertrag wurde geschaffen, um Vielfaltssicherung im Rundfunk und in Telemedien zu gewährleisten. Zentrale Mechanismen sind dabei die Begrenzung von Marktanteilen für einzelne Medienunternehmen (§§ 26 ff. MStV), Lizenzierungspflichten und die Sicherstellung der Transparenz über Eigentumsverhältnisse sowie über Strukturen und Entscheidungswege in Medienunternehmen. Auch für so genannte Medienintermediäre (beispielsweise Suchmaschinen, soziale Netzwerke oder Plattformen wie YouTube) regelt der MStV Pflichten zur Diskriminierungsfreiheit, Transparenz gegenüber Nutzern und zur nichtdiskriminierenden Auffindbarkeit von Inhalten (§§ 93-96 MStV). Damit soll verhindert werden, dass einzelne Akteure den Informationszugang oder die öffentliche Meinungsbildung dominieren. Ferner werden redaktionelle Unabhängigkeit und Pluralität durch Aufsichtsmaßnahmen und Berichterstattungspflichten an die Landesmedienanstalten flankiert.
Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen die Vorgaben des Medienstaatsvertrags?
Verstöße gegen den Medienstaatsvertrag können unterschiedlich geahndet werden, abhängig von Art und Schwere des jeweiligen Delikts. Die Landesmedienanstalten haben weitreichende Befugnisse zur Durchsetzung des MStV, darunter die Anordnung der Beseitigung oder Unterlassung unzulässiger Inhalte, die Verhängung von Bußgeldern sowie – im äußersten Fall – die Entziehung der Zulassung für Rundfunkveranstalter. Die Höhe der Geldbußen orientiert sich nach § 115 MStV und kann insbesondere bei schweren oder wiederholten Verstößen bis zu mehrere hunderttausend Euro betragen. Zudem besteht die Möglichkeit der Veröffentlichung von Verstößen, was zu Reputationsschäden führen kann. Im Falle strafrechtlich relevanter Verstöße, beispielsweise bei volksverhetzenden Inhalten oder illegaler Werbung, ist zusätzlich eine strafrechtliche Verfolgung nach allgemeinen Gesetzen möglich. Anbieter sind verpflichtet, mit den Behörden zu kooperieren und auf Anfragen zeitnah zu reagieren, um weitergehende Sanktionen abzuwenden.
Welche Rolle spielen die Landesmedienanstalten bei der Durchsetzung des Medienstaatsvertrags?
Die Landesmedienanstalten sind die zentralen Aufsichtsorgane für die Umsetzung des Medienstaatsvertrags in den jeweiligen Bundesländern. Sie überwachen insbesondere die Einhaltung der Zulassungs-, Transparenz- und Werberegelungen, den Jugendmedienschutz sowie die Sicherung der Meinungsvielfalt. Zu ihren Aufgaben gehört die Bearbeitung von Beschwerden, die Durchführung von Prüfverfahren, die Beratung der Anbieter und die Verhängung von aufsichtsrechtlichen Maßnahmen, wie Abmahnungen, Bußgeldern oder im äußersten Fall Entzug von Lizenzen. Die Landesmedienanstalten arbeiten in sämtlichen aufsichtsrechtlichen Fragen eng im Rahmen der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) und der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zusammen und fungieren so als Garant für die einheitliche und durchsetzungsstarke Anwendung des Medienstaatsvertrags auf Bundesebene.