Begriff und Definition der Maßregel der Besserung und Sicherung
Die Maßregel der Besserung und Sicherung ist ein rechtlicher Begriff des deutschen Strafrechts und bezeichnet eine besondere Form staatlicher Reaktion auf bestimmte rechtswidrige Taten. Ziel dieser Maßnahmen ist es nicht primär, eine Strafe für bereits begangenes Unrecht zu verhängen, sondern vielmehr der Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Täterinnen und Tätern sowie deren nachhaltige Besserung und Resozialisierung.
Allgemeiner Kontext und Relevanz
Während herkömmliche Strafen im Strafrecht vor allem auf Sühne und Schuld abstellen, dienen die Maßregeln der Besserung und Sicherung dem präventiven Schutz der Gesellschaft. Sie greifen immer dann, wenn bestimmte Voraussetzungen hinsichtlich der Gefährlichkeit oder des Zustands der Täterinnen und Täter erfüllt sind und eine reine Bestrafung zur Abwehr zukünftiger Gefahren nicht ausreicht. Die Maßregeln wurden entwickelt, um insbesondere dem Umgang mit psychisch gestörten oder suchtkranken Menschen, aber auch mit hochgefährlichen Rückfalltätern angemessen Rechnung zu tragen.
Definition und rechtliche Einordnung
Formelle Definition
Formal versteht man unter Maßregeln der Besserung und Sicherung gerichtliche Anordnungen, die zusätzlich oder anstelle einer Freiheitsstrafe zur Anwendung kommen können, wenn nach Ansicht des Gerichts vom Täter eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht bzw. wenn seine Besserung einer besonderen Intervention bedarf.
Laienverständliche Definition
Vereinfacht gesprochen handelt es sich also um spezielle Maßnahmen, mit denen das Gericht sicherstellen will, dass gefährliche Personen behandelt, kontrolliert oder ihrer Bewegungsfreiheit beraubt werden, solange ein hohes Risiko für die Allgemeinheit besteht. Anders als bei der „normalen“ Strafe ist das Ziel vor allem Vorbeugung und Heilung, statt Vergeltung.
Rechtliche Perspektive
Die Maßregeln der Besserung und Sicherung sind im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt, insbesondere ab den §§ 61 ff. Ihre Anordnung setzt eine sorgfältige richterliche Prüfung voraus und ist an klare Voraussetzungen gebunden. Maßregeln werden zusätzlich zu einer Strafe oder isoliert angeordnet, wenn ein Wohnsitzloser, ein psychisch Kranker oder jemand mit einer Abhängigkeitserkrankung eine Straftat begangen hat.
Typische Anwendungsbereiche
Die Maßregeln der Besserung und Sicherung werden ausschließlich im strafrechtlichen Kontext angewandt. Sie kommen typischerweise in den folgenden Situationen zur Anwendung:
- Bei psychisch kranken Straftäterinnen und Straftätern, deren Gefährlichkeit eine herkömmliche Strafe als nicht ausreichend erscheinen lässt
- Bei Suchterkrankten oder Alkoholabhängigen, wenn die Sucht unmittelbar mit der Tat zusammenhängt
- Bei Personen, von denen wegen wiederholten kriminellen Verhaltens hohe Rückfallgefahr ausgeht
- Bei der dauerhaften Sicherung gefährlicher, aber nicht schuldfähiger Personen
Außerhalb des Strafrechts spielen Maßregeln der Besserung und Sicherung keine unmittelbare Rolle, da es sich um eine spezifisch strafrechtliche Reaktionsform handelt.
Beispiele für die Anwendung
- Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Jemand begeht im Zustand der Schuldunfähigkeit eine schwere Straftat, etwa ein Gewaltdelikt unter Einfluss einer schweren psychischen Störung. Das Gericht ordnet die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an.
- Sicherungsverwahrung: Ein mehrfach vorbestrafter Sexualstraftäter zeigt auch nach Verbüßung mehrjähriger Haftstrafe Anzeichen für schwere fortbestehende Gefährlichkeit. Zur Verhinderung weiterer Straftaten ordnet das Gericht die Sicherungsverwahrung an.
- Entziehungskur: Eine Person begeht wiederholt Diebstähle, um ihre Drogensucht zu finanzieren. Das Gericht ordnet eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an, statt primär auf Freiheitsentzug zu setzen.
Gesetzliche Vorschriften und Regelungen
Maßgebliche Normen
Die Maßregeln der Besserung und Sicherung sind im deutschen Strafgesetzbuch (StGB) in den §§ 61 bis 72 geregelt.
Wichtige Maßregeln gemäß StGB:
- Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB)
- Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB)
- Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB)
- Führungsaufsicht (§ 68 StGB)
- Berufsverbot (§ 70 StGB)
- Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB)
Gesetzgeberisches Ziel
Die gesetzlichen Regelungen bezwecken, das individuelle Risiko einer Person für die Allgemeinheit abzumildern und gleichzeitig deren Resozialisierung zu fördern. Die genaue Anwendung und Ausgestaltung dieser Maßnahmen wird von spezialgesetzlichen Vorschriften begleitet, z. B. forensisch-psychiatrischer Begutachtung und Berichten über den Therapieverlauf.
Dauer und Überprüfung
Maßregeln der Besserung und Sicherung können – anders als Freiheitsstrafen – in ihrer Dauer variabel sein und werden regelmäßig überprüft. Eine Entlassung erfolgt, sobald die Voraussetzungen für eine weiteres Festhalten oder eine Maßnahme nicht mehr vorliegen.
Institutionen und Vollzug
Vollzugsformen
Die verschiedenen Maßregeln werden in unterschiedlichen Einrichtungen vollzogen:
- Psychiatrische Krankenhäuser für nach § 63 StGB Untergebrachte
- Spezialisierte Entziehungsanstalten oder Suchtkliniken für Maßnahmen nach § 64 StGB
- Justizvollzugsanstalten mit besonderen Anforderungen für Sicherungsverwahrte (§ 66 StGB)
Überwachung und Kontrolle
Für die Umsetzung und Überwachung der Maßregeln sind sowohl Strafgerichte als auch forensische Sachverständige, Gesundheitsbehörden und die jeweilige Vollzugseinrichtung zuständig. Regelmäßige Begutachtungen sind vorgeschrieben, um eine möglichst individuelle Entscheidung über Fortsetzung oder Beendigung der Maßnahme sicherzustellen.
Relevante Besonderheiten und Problemstellungen
Verhältnis zur Freiheitsstrafe
Eine bedeutende Besonderheit liegt im Verhältnis zwischen Strafe und Maßregel: Während die Strafe für das begangene Unrecht gedacht ist, erlaubt die Maßregel unabhängig davon die Anordnung zusätzlicher Sicherungsmaßnahmen. Dies ist mit Blick auf das Grundrecht auf Freiheit eine erhebliche Einschränkung für die betroffene Person und wird deshalb besonders sorgfältig rechtlich geprüft.
Kritik und Diskussion
Im Laufe der Jahre wurde insbesondere die Sicherungsverwahrung wiederholt kritisch diskutiert. Zentraler Kritikpunkt ist die potentiell unbegrenzte Unterbringung, was mit dem Grundrecht auf Freiheit kollidieren kann. 2011 hat das Bundesverfassungsgericht in einer viel beachteten Entscheidung die Regelungen zur Sicherungsverwahrung teilweise für verfassungswidrig erklärt und Nachbesserungen gefordert, um die Rechte der Betroffenen zu stärken, z. B. durch bessere therapeutische Angebote und zeitliche Begrenzungen.
Problemfelder bei der Umsetzung
- Hohe Anforderungen an Sachverständigengutachten zur Beurteilung von Gefährlichkeit und Therapiefähigkeit
- Regelmäßige Überprüfung und aufwendige Dokumentation des Therapieverlaufs
- Kapazitätsprobleme in spezialisierten Einrichtungen
Internationaler Vergleich
Im internationalen Kontext sind vergleichbare Instrumentarien zur Sicherung und Besserung gefährlicher Straftäter auch in vielen anderen Staaten (z. B. Österreich, Schweiz, Frankreich) vorhanden, wenn auch mit unterschiedlichen rechtlichen Ausgestaltungen und Kontrollmechanismen.
Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte
Die Maßregel der Besserung und Sicherung ist ein zentrales Element des deutschen Strafrechtssystems. Sie bezweckt, tat- und gefahrenbedingt gefährliche Täter von der Allgemeinheit fernzuhalten und gezielt zu bessern, ohne sich allein auf klassische Bestrafung zu beschränken. Die Maßnahmen sind ausschließlich im Strafrecht verankert, umfassen unter anderem die Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern oder Entziehungsanstalten, Sicherungsverwahrung, Führungsaufsicht, Berufsverbot und Entziehung der Fahrerlaubnis. Die Anordnung unterliegt strengen gesetzlichen Voraussetzungen und wird laufend überprüft, um Missbrauch oder unangemessen lange Freiheitsentziehung zu vermeiden. Maßregeln stellen eine wichtige Balance zwischen innerer Sicherheit und individuellen Grundrechten her.
Hinweis zur Relevanz
Für bestimmte Personengruppen – etwa Personen, die im Bereich Strafjustiz arbeiten, Behördenmitarbeiter, Angehörige von im Maßregelvollzug Untergebrachten sowie Verantwortungsträger in Gesundheitswesen und Sozialdiensten – ist die Kenntnis über die Maßregeln der Besserung und Sicherung von besonderem Interesse. Auch für das Verständnis der Funktionsweise des deutschen Strafrechts und den Umgang mit schwierigen Tätertypen sind diese Vorschriften von erheblicher Bedeutung.
Häufig gestellte Fragen
Was versteht man unter einer Maßregel der Besserung und Sicherung?
Unter einer Maßregel der Besserung und Sicherung versteht man strafrechtliche Maßnahmen, die neben oder anstelle von Strafen angeordnet werden können, wenn eine Person wegen Schuldunfähigkeit oder verminderter Schuldfähigkeit eine rechtswidrige Tat begangen hat oder von ihr in Zukunft erhebliche Straftaten zu erwarten sind. Im Gegensatz zur eigentlichen Strafe steht bei den Maßregeln nicht die Vergeltung im Vordergrund, sondern der Schutz der Allgemeinheit sowie die Besserung des Täters. In Deutschland sind die wichtigsten Maßregeln im Strafgesetzbuch (StGB) in den §§ 61 ff. geregelt und umfassen vor allem die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, einer Entziehungsanstalt, in der Sicherungsverwahrung, aber auch die Führungsaufsicht oder ein Berufsverbot. Die Anordnung einer Maßregel erfolgt durch das Gericht nach eingehender Prognose. Ziel ist es, Wiederholungstaten zu verhindern und den Täter – sofern möglich – zu resozialisieren.
Welche Arten von Maßregeln der Besserung und Sicherung gibt es im deutschen Strafrecht?
Die wichtigsten Arten der Maßregeln der Besserung und Sicherung sind:
- Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB): Wird bei schuldunfähigen oder erheblich vermindert schuldfähigen Tätern angeordnet, wenn von ihnen erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und die Allgemeinheit gefährdet ist.
- Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB): Gilt für Täter, die bei ihren Taten alkohol- oder drogenabhängig waren und bei denen eine Behandlung Aussicht auf Erfolg verspricht.
- Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB): Diese besonders einschneidende Maßregel dient dem dauerhaften Schutz der Allgemeinheit vor besonders gefährlichen Straftätern.
- Führungsaufsicht (§ 68 ff. StGB): Hierbei handelt es sich um eine Nachbetreuungsmaßnahme zur Kontrolle und Unterstützung des Entlassenen.
- Berufsverbot (§ 70 StGB): Wird verhängt, wenn ein Täter durch seinen Beruf erhebliche Straftaten begangen hat und die Gefahr weiterer Taten besteht.
Wann kann eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet werden?
Eine Maßregel der Besserung und Sicherung wird angeordnet, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen, die sich von denen einer klassischen Straftat unterscheiden. In der Regel ist maßgeblich, dass vom Täter eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht, beispielsweise infolge von psychischen Erkrankungen oder Süchten. Die Anordnung erfolgt häufig, wenn eine Schuldunfähigkeit oder eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit vorliegt und Wiederholungstaten zu befürchten sind. Das Gericht trifft die Entscheidung über die Anordnung der Maßregel nach einer umfassenden Gefahrenprognose und in der Regel unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, um die Gefahr für die Allgemeinheit sowie den therapeutischen Erfolg zu beurteilen. Bei Sicherungsverwahrung und bestimmten anderen Maßregeln muss zusätzlich eine besondere Schwere der Tat vorliegen.
Wie unterscheidet sich eine Maßregel von einer Strafe?
Der grundlegende Unterschied zwischen Maßregel und Strafe liegt im jeweiligen Zweck und der Zielrichtung der Maßnahme. Die Strafe verfolgt das Ziel, die Schuld des Täters zu sühnen und dient der Generalprävention sowie der individuellen Abschreckung des Täters. Die Maßregel der Besserung und Sicherung hingegen ist rein präventiv ausgerichtet und verfolgt das Ziel, die Gefahr, die von dem Täter für die Allgemeinheit ausgeht, zu beseitigen oder zu verringern. Sie soll den Täter bessern oder dauerhaft sichern, ohne dass es auf die individuelle Schuld ankommt, was insbesondere bei schuldunfähigen Tätern relevant ist. Während eine Strafe regelmäßig nach festgesetzter Zeit endet, unterliegt die Maßregel oft einer fortlaufenden Überprüfung und kann je nach Gefährlichkeitsprognose verlängert, verkürzt oder aufgehoben werden.
Wie lange dauert eine Maßregel der Besserung und Sicherung?
Die Dauer einer Maßregel der Besserung und Sicherung ist abhängig von der Art der Maßregel und von der Entwicklung des Gefährdungs- oder Behandlungspotenzials des Täters. Bei der Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik oder Entziehungsanstalt gibt es keine starre Frist; das Gericht überprüft in regelmäßigen Abständen, ob die Voraussetzungen für die Fortdauer der Unterbringung noch bestehen (§ 67e StGB). Bei positiver Prognose kann die Maßregel ausgesetzt und der Täter entlassen werden, andernfalls kann die Unterbringung auch deutlich länger als eine Haftstrafe andauern. Die Sicherungsverwahrung ist grundsätzlich unbefristet, sie wird aber regelmäßig durch das Gericht überprüft und darf nur fortgeführt werden, wenn von einer andauernden Gefährlichkeit auszugehen ist. Andere Maßregeln wie das Berufsverbot können für eine bestimmte Dauer ausgesprochen werden.
Können Maßregeln der Besserung und Sicherung mit einer Freiheitsstrafe kombiniert werden?
Ja, deutsche Gerichte können neben einer Freiheitsstrafe auch eine Maßregel der Besserung und Sicherung anordnen, wenn dies erforderlich erscheint. Das bedeutet, dass beispielsweise ein Straftäter sowohl zu einer Haftstrafe als auch zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt oder einer psychiatrischen Klinik verurteilt werden kann. In solchen Fällen regelt das Gesetz in § 67 StGB die Vollzugsreihenfolge. In der Regel wird zunächst die Maßregel vollzogen, um die Resozialisierung und Behandlung des Täters in den Vordergrund zu stellen. Die verbleibende Freiheitsstrafe wird nach erfolgreicher Behandlung vollstreckt, sofern die weiteren Voraussetzungen noch vorliegen.
Wer entscheidet über die Beendigung einer Maßregel der Besserung und Sicherung?
Die Entscheidung über die Beendigung einer Maßregel der Besserung und Sicherung trifft ausschließlich das zuständige Gericht. Grundlage für diese Entscheidung ist eine regelmäßige Überprüfung der Gefährlichkeit des Untergebrachten durch Sachverständige und dem zuständigen Vollstreckungsgericht. Maßgeblich ist dabei, ob die Voraussetzungen, aufgrund derer die Maßregel angeordnet wurde, noch bestehen und ob eine erneute Gefährdung der Allgemeinheit zu erwarten ist. Bei positiver Entwicklung kann das Gericht die Maßregel unter bestimmten Auflagen beenden oder aussetzen, etwa im Rahmen einer Führungsaufsicht.