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Massegläubiger

Definition und Einordnung

Massegläubiger sind Personen oder Unternehmen, deren Ansprüche sich unmittelbar gegen die Insolvenzmasse richten. Die Insolvenzmasse umfasst das gesamte pfändbare Vermögen, das nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger dient. Ansprüche von Massegläubigern entstehen typischerweise erst nach Verfahrenseröffnung oder werden durch Maßnahmen der Verfahrensverwaltung ausgelöst. Sie werden grundsätzlich vor den übrigen Gläubigern aus der Masse bedient.

Der Begriff ist abzugrenzen von den Insolvenzgläubigern. Diese machen Forderungen geltend, die vor Verfahrenseröffnung begründet wurden. Massegläubiger nehmen innerhalb des Verfahrens eine privilegierte Stellung ein, da ihre Forderungen – soweit die Masse ausreicht – vorrangig erfüllt werden.

Abgrenzung zu anderen Gläubigergruppen

Insolvenzgläubiger

Insolvenzgläubiger sind Gläubiger mit Forderungen aus der Zeit vor der Verfahrenseröffnung. Sie müssen ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden und erhalten – abhängig von der vorhandenen Masse – eine Quote. Im Unterschied dazu machen Massegläubiger ihre Ansprüche außerhalb der Tabelle unmittelbar gegenüber der Verwaltung der Insolvenzmasse geltend.

Absonderungsberechtigte

Absonderungsberechtigte verfügen über Sicherungsrechte an bestimmten Gegenständen der Masse (z. B. Sicherungseigentum, Pfandrechte). Sie werden aus dem Verwertungserlös der belasteten Gegenstände bevorzugt befriedigt. Diese Rechtsposition ist von der Stellung als Massegläubiger zu unterscheiden; ein Gläubiger kann allerdings zusätzlich Massegläubiger werden, wenn nach Verfahrenseröffnung durch die Verwaltung weitere Verpflichtungen gegenüber ihm begründet werden.

Aussonderungsberechtigte

Aussonderungsberechtigte sind keine Gläubiger der Masse, sondern beanspruchen das Recht, bestimmte Gegenstände aus der Masse herauszuverlangen (z. B. weil das Eigentum nicht zur Masse gehört). Ihre Ansprüche richten sich nicht auf Zahlung aus der Masse, sondern auf Herausgabe des Gegenstands.

Entstehungsgründe von Masseverbindlichkeiten

Masseverbindlichkeiten sind Ansprüche, aus denen die Stellung als Massegläubiger folgt. Sie entstehen typischerweise durch:

  • Kosten des Verfahrens und der Verwaltung der Masse (z. B. Vergütungen und notwendige Aufwendungen zur Durchführung und Fortführung des Betriebs).
  • Geschäfte und Verträge, die nach Verfahrenseröffnung im Namen der Masse abgeschlossen oder fortgeführt werden (z. B. Liefer- und Dienstleistungsverträge, neue Finanzierungen, Miete und Leasing).
  • Erfüllung gegenseitiger Verträge, die bei Verfahrenseröffnung noch nicht vollständig abgewickelt waren, wenn die Masse die Erfüllung wählt und daraus Leistungspflichten entstehen.
  • Nutzung, Verwahrung oder Verwertung fremder Sachen oder Rechte durch die Masse, aus der sich Ansprüche auf Nutzungsentgelt, Wertersatz oder Aufwendungsersatz ergeben können.
  • Arbeitsentgelt und sonstige Ansprüche von Beschäftigten für Arbeitsleistungen, die nach Verfahrenseröffnung für den Betrieb erbracht werden.
  • Öffentlich-rechtliche Abgaben und Steuern, soweit sie auf Vorgänge nach Verfahrenseröffnung oder auf die Verwaltung und Verwertung der Masse entfallen.
  • Ansprüche aus Pflichtverletzungen, die im Rahmen der Verwaltung oder Fortführung des Unternehmens nach Verfahrenseröffnung verursacht werden.

Geltendmachung und Prüfung

Kein Eintrag in die Insolvenztabelle

Massegläubiger melden ihre Forderungen nicht zur Tabelle an. Sie machen ihre Ansprüche unmittelbar gegenüber der zuständigen Verwaltung der Insolvenzmasse geltend. Dies erfolgt regelmäßig durch Abrechnung, Rechnungsstellung oder schriftliche Anspruchsanzeige.

Nachweis, Fälligkeit und Prüfung

Die Verwaltung prüft, ob der Anspruch dem Grunde und der Höhe nach als Masseverbindlichkeit besteht und ob er fällig ist. Dazu werden Unterlagen und Vertragsgrundlagen herangezogen. Bei unklarer Einordnung spielt der Zeitpunkt der Entstehung sowie der Bezug zur Verwaltung oder Fortführung des Unternehmens eine wesentliche Rolle.

Streitfälle und gerichtliche Klärung

Wird ein Anspruch bestritten oder nicht erfüllt, kann er auf Leistung gegen die Masse eingeklagt werden. Zuständig sind – je nach Rechtsverhältnis – die allgemeinen Zivilgerichte oder die Arbeitsgerichtsbarkeit. Die Durchsetzung unterliegt den verfahrensrechtlichen Besonderheiten des Insolvenzverfahrens.

Befriedigung und Rangfolge

Ansprüche von Massegläubigern sind vorrangig aus der Insolvenzmasse zu erfüllen. Erst wenn diese Ansprüche vollständig bedient sind, kommt eine Verteilung an Insolvenzgläubiger in Betracht. Die tatsächliche Befriedigung hängt davon ab, ob die Masse ausreicht.

Reihenfolge innerhalb der Masseverbindlichkeiten

In der Praxis wird zunächst der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens sichergestellt. Hierzu gehören insbesondere notwendige Kosten der Verfahrensführung und der Betriebsfortführung. Soweit die Masse hinreicht, werden alle Masseverbindlichkeiten vollständig bedient. Bei angespannten Liquiditätslagen kann die Verwaltung Zahlungen priorisieren, solange keine gesetzlichen Grenzen verletzt werden, etwa bei geschützten Arbeitnehmeransprüchen oder unabdingbaren Betriebskosten.

Masseunzulänglichkeit

Reicht die Masse voraussichtlich nicht aus, um sämtliche Masseverbindlichkeiten zu erfüllen, liegt Masseunzulänglichkeit vor. Die Verwaltung zeigt diesen Zustand den Gläubigern an. Ab diesem Zeitpunkt gilt eine besondere Zahlungsreihenfolge: Neu begründete Verbindlichkeiten, die zur geordneten Abwicklung nach der Anzeige erforderlich sind, werden vorrangig erfüllt. Bereits zuvor begründete Masseverbindlichkeiten werden in der Regel nur quotal bedient. Dies kann dazu führen, dass einzelne Massegläubiger ihre Forderungen nicht vollständig realisieren.

Besonderheiten in ausgewählten Rechtsverhältnissen

Arbeitsverhältnisse

Arbeitsentgelt und weitere Ansprüche für Tätigkeiten nach Verfahrenseröffnung sind typischerweise Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt für bestimmte Nebenleistungen, soweit sie auf der Fortführung des Betriebs beruhen. Ansprüche, die Zeiträume vor der Eröffnung betreffen, gehören regelmäßig zu den Insolvenzforderungen.

Miet- und Leasingverhältnisse

Miete, Pacht und Leasingraten für die Nutzung nach Verfahrenseröffnung sind in der Regel Masseverbindlichkeiten. Wird das Vertragsverhältnis nicht fortgeführt, können Ansprüche für die Zeit nach der Beendigung anders einzuordnen sein. Nutzungsentschädigungen für die fortgesetzte Inanspruchnahme von Räumen oder Gegenständen durch die Masse werden dem Grunde nach häufig als Masseverbindlichkeit behandelt.

Lieferanten und Dienstleister

Lieferungen und Leistungen, die nach Verfahrenseröffnung auf Veranlassung der Verwaltung erbracht werden, begründen Masseverbindlichkeiten. Bei bereits vor der Eröffnung geschlossenen, aber noch nicht vollständig abgewickelten Verträgen kommt es darauf an, ob die Masse die Erfüllung wählt und Leistungen abnimmt.

Steuern und Sozialabgaben

Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, die auf die Zeit nach Verfahrenseröffnung entfallen, sind regelmäßig als Masseverbindlichkeiten einzuordnen. Dies betrifft insbesondere laufende Umsatzsteuer, Lohnsteuer und Arbeitgeberanteile, soweit sie aus der Fortführung des Betriebs resultieren.

Verfahren mit Eigenverwaltung und Insolvenzplan

Eigenverwaltung

Auch in Verfahren mit Eigenverwaltung bestehen Massegläubiger. Die rechtliche Einordnung ihrer Ansprüche entspricht grundsätzlich derjenigen im Verfahren mit externer Verwaltung. Maßgeblich ist, ob der Anspruch aus der Verwaltung oder Fortführung nach Verfahrenseröffnung herrührt.

Insolvenzplan

Ein Insolvenzplan regelt vornehmlich die Befriedigung der Insolvenzgläubiger. Masseverbindlichkeiten werden grundsätzlich außerhalb der Planquote erfüllt. Regelungen des Plans zu Masseverbindlichkeiten sind möglich, setzen jedoch entsprechende Einbeziehung und Zustimmung der Betroffenen voraus.

Internationale Bezüge

In grenzüberschreitenden Fällen kann maßgeblich sein, welches Verfahrensrecht Anwendung findet und welche Stelle die Verwaltung der Masse ausübt. Dies wirkt sich auf die Einordnung von Forderungen als Masseverbindlichkeiten sowie auf die Durchsetzungsmodalitäten aus. Entscheidend sind die Zuständigkeit des Eröffnungsgerichts und der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners.

Häufig gestellte Fragen

Was ist ein Massegläubiger?

Ein Massegläubiger hat einen Anspruch, der sich unmittelbar gegen die Insolvenzmasse richtet. Diese Ansprüche entstehen typischerweise erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder werden durch Maßnahmen der Verfahrensverwaltung begründet und werden vorrangig aus der Masse befriedigt.

Worin unterscheidet sich ein Massegläubiger von einem Insolvenzgläubiger?

Insolvenzgläubiger haben Forderungen aus der Zeit vor der Verfahrenseröffnung und melden diese zur Tabelle an. Massegläubiger entstehen durch Vorgänge nach der Eröffnung oder durch die Verwaltung der Masse und machen ihre Ansprüche direkt gegenüber der Verwaltung geltend, ohne Tabellenanmeldung.

Muss ein Massegläubiger seine Forderung zur Insolvenztabelle anmelden?

Nein. Ansprüche von Massegläubigern werden nicht zur Tabelle angemeldet. Sie werden gegenüber der Verwaltung der Insolvenzmasse geltend gemacht und, soweit berechtigt und fällig, aus der Masse bezahlt.

Wie werden Massegläubiger befriedigt, wenn die Masse nicht ausreicht?

Bei Masseunzulänglichkeit wird dies den Gläubigern angezeigt. Danach gilt eine besondere Reihenfolge: Verbindlichkeiten, die für die geordnete Abwicklung nach der Anzeige notwendig neu entstehen, werden prioritär bedient. Bereits zuvor begründete Masseverbindlichkeiten erhalten in der Regel nur eine anteilige Befriedigung.

Gehören laufende Löhne und Gehälter zu den Masseverbindlichkeiten?

Vergütungen für Arbeitsleistungen, die nach der Verfahrenseröffnung erbracht werden, zählen regelmäßig zu den Masseverbindlichkeiten. Entgeltansprüche für Zeiträume vor der Eröffnung sind grundsätzlich Insolvenzforderungen.

Sind Steuern und Sozialabgaben nach Verfahrenseröffnung Masseverbindlichkeiten?

Öffentlich-rechtliche Abgaben, die auf Vorgänge nach der Eröffnung oder auf die Verwaltung und Verwertung der Masse entfallen, werden typischerweise als Masseverbindlichkeiten eingeordnet. Dazu gehören insbesondere laufende Umsatzsteuer, Lohnsteuer und Arbeitgeberanteile.

Wie macht ein Massegläubiger seine Ansprüche geltend, wenn die Verwaltung nicht zahlt?

Besteht Streit über Grund oder Höhe oder erfolgt keine Zahlung, kann der Anspruch gerichtlich auf Leistung gegen die Masse geprüft und durchgesetzt werden. Zuständig sind die ordentlichen Gerichte oder – bei arbeitsrechtlichen Ansprüchen – die Arbeitsgerichte.