Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Zivilrecht»Masseanspruch

Masseanspruch


Masseanspruch

Begriff und rechtlicher Kontext

Der Begriff Masseanspruch ist ein zentraler Terminus im deutschen Insolvenzrecht und beschreibt einen Anspruch, der sich gegen die Insolvenzmasse richtet. Die Insolvenzmasse ist die Gesamtheit des zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Verfügung stehenden Vermögens des Schuldners sowie das Vermögen, das während der Verfahrensdauer hinzukommt (§ 35 Insolvenzordnung – InsO). Masseansprüche sind von der gesetzlichen Systematik strikt von den Insolvenzforderungen und nachrangigen Forderungen zu unterscheiden.

Rechtsgrundlagen des Masseanspruchs

Gesetzliche Normierung

Die einschlägigen Vorschriften für Masseansprüche finden sich insbesondere in der Insolvenzordnung. Zentral ist hier § 53 InsO, der regelt, dass Masseverbindlichkeiten vorweg aus der Insolvenzmasse zu berichtigen sind.

Zu den gesetzlichen Grundlagen zählen unter anderem:

  • § 35 InsO (Begriff der Insolvenzmasse)
  • § 53 InsO (Begriff und Vorrang der Masseverbindlichkeiten/Masseansprüche)
  • §§ 54-55 InsO (Verzeichnis der Masseverbindlichkeiten)

Systematische Einordnung

Im System der Insolvenzgläubiger sind Masseansprüche vorrangig zu bedienen. Während Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) im Rang zurücktreten und erst nach den Masseverbindlichkeiten anteilig bedient werden, werden Masseansprüche unmittelbar und vollständig aus der Insolvenzmasse erfüllt, solange deren Mittel ausreichen. Eine besondere Kategorie bilden die nachrangigen Verbindlichkeiten (§ 39 InsO), die am Ende der Verteilungsreihenfolge stehen.

Arten und Entstehungsgründe von Masseansprüchen

Masseansprüche entstehen regelmäßig durch Handlungen des Insolvenzverwalters während des Insolvenzverfahrens. Ein Anspruch kann sich dabei aus unterschiedlichen Gründen ergeben. Typische Beispiele sind:

Ansprüche aus der Verwaltung der Insolvenzmasse

Masseansprüche entstehen insbesondere durch:

  • Lieferungen und Leistungen, die der Insolvenzverwalter nach Verfahrenseröffnung zur Aufrechterhaltung oder Fortführung des insolvenzbefangenen Unternehmens in Auftrag gibt (z. B. Reparaturleistungen, Lieferantenrechnungen, Miete für betrieblich genutzte Räume, Energiekosten).
  • Arbeitsverhältnisse, die der Insolvenzverwalter nach Verfahrenseröffnung fortführt (§ 55 InsO).
  • Verträge, die durch den Verwalter nach Verfahrenseröffnung abgeschlossen werden.

Ansprüche kraft Gesetzes

Auch gesetzlich können für bestimmte Vorgänge Masseansprüche entstehen, etwa:

  • Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, die auf während des Verfahrens erzielte Einkünfte aus insolvenzmassenzugehörigem Vermögen entfallen.
  • Ansprüche auf Ersatz rechtswidrig gezogener Masse (§ 55 Abs. 2 InsO).

Masseansprüche durch Arbeitsverhältnisse

Bei weiterbeschäftigten Arbeitnehmern sind Lohnansprüche für die Zeit nach Verfahrenseröffnung regelmäßig Masseansprüche. Das gilt ebenfalls für Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer, die auf diesen Arbeitslohn entfallen.

Abgrenzung zu weiteren Forderungsarten

Insolvenzforderungen

Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) sind Ansprüche, die bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner entstanden sind. Sie werden grundsätzlich nur quotal im Rahmen des Insolvenzplans oder der Schlussverteilung berücksichtigt.

Nachrangige Insolvenzforderungen

Zu den nachrangigen Forderungen zählen insbesondere Zinsforderungen der Gläubiger für die Zeit nach Verfahrenseröffnung, Kosten der Gläubiger für ihre Teilnahme am Verfahren und Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschaftereinlagen.

Separationsrechte und Aussonderungsrechte

Vom Masseanspruch zu unterscheiden sind Rechte, mit denen Gläubiger bestimmte Vermögensgegenstände aus der Masse aussondern (Aussonderungsrecht) oder bevorzugt verwerten können (Absonderungsrecht).

Rang und Befriedigung von Masseansprüchen

Masseansprüche sind gemäß § 53 InsO vorrangig, d. h., sie sind vor den Insolvenzforderungen zu bedienen. Sollte die vorhandene Masse nicht zur vollständigen Befriedigung aller Massegläubiger ausreichen, sind die Forderungen nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz anteilig („quotenmäßig“) auszugleichen.

Der Insolvenzverwalter haftet in diesen Fällen nicht persönlich; allerdings können Gläubiger einen Anspruch auf gleichmäßige Massenverteilung geltend machen. Für die Rechtsverfolgung verbleibt den Gläubigern der ordentliche Rechtsweg.

Verfahren zur Anmeldung und Durchsetzung von Masseansprüchen

Da Masseansprüche nicht wie andere Forderungsarten zur Insolvenztabelle angemeldet werden, sind sie unmittelbar gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen. Im Streitfall können Massegläubiger ihre Forderungen auf dem Klageweg durchsetzen. Ein vollstreckbares Urteil gewährt dann die Teilnahme am Verteilungsverfahren als Massegläubiger.

Sonderfälle und aktuelle Entwicklungen

Insolvenzgeldvorfinanzierung

Ein spezifischer Sonderfall ergibt sich für Insolvenzgeld (§§ 165 ff. SGB III), das von der Bundesagentur für Arbeit gezahlt wird. Die daraus entstehenden Rückgriffsforderungen gegen die Insolvenzmasse können je nach Einzelfall Masseanspruchsqualität besitzen.

Praktische Relevanz und Problemlagen

In der Insolvenzpraxis gewinnt die Unterscheidung zwischen Masseansprüchen und Insolvenzforderungen besondere Bedeutung, wenn die Masse voraussichtlich nicht ausreicht, sämtliche Masseverbindlichkeiten zu decken (Massenunzulänglichkeit, § 208 InsO). In diesem Fall ist der Verwalter verpflichtet, eine entsprechende Anzeige zu erstatten. Gläubiger haben dann nur Anspruch auf eine anteilige Befriedigung.

Zusammenfassung

Masseansprüche stehen im Zentrum der insolvenzrechtlichen Gläubigerbefriedigung und erschließen sich aus zahlreichen materiell- wie auch verfahrensrechtlichen Normen. Ihre bevorzugte Behandlung, die Einordnung und die Durchsetzung sind für die einschlägigen Akteure von maßgeblicher praktischer Bedeutung. Die saubere dogmatische Abgrenzung zu Insolvenzforderungen sowie zum nachrangigen Bereich ist dabei unumgänglich. Im Spannungsfeld zwischen Massegesamtinteresse und Gläubigerschutz stellt die Behandlung der Masseansprüche einen wesentlichen Baustein für das Insolvenzverfahren dar.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist zur Anmeldung eines Masseanspruchs berechtigt?

Zur Anmeldung eines Masseanspruchs sind grundsätzlich alle Personen oder Unternehmen berechtigt, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens unmittelbar aus Handlungen oder Unterlassungen des Insolvenzverwalters beziehungsweise aus der Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse einen Anspruch erworben haben. Dies betrifft beispielsweise Vertragspartner, die nach Insolvenzeröffnung mit Zustimmung des Verwalters Verträge erfüllen oder neue Verträge schließen, Dienstleister, Lieferanten oder Beschäftigte, deren Ansprüche ausdrücklich als Masseverbindlichkeiten eingeordnet werden. Auch Behörden können berechtigt sein, wenn etwa Steuern oder Sozialabgaben für die Zeit nach Insolvenzeröffnung anfallen. Die Anmeldung selbst erfolgt in der Regel formlos direkt beim Insolvenzverwalter, wobei die Berechtigung und die Grundlage des Anspruchs substantiiert darzulegen sind. Dabei ist zu beachten, dass Masseansprüche vorrangig gegenüber Insolvenzforderungen behandelt werden und deshalb eine genaue Abgrenzung erforderlich ist.

Welche Rechtsfolgen hat die Anerkennung eines Masseanspruchs durch den Insolvenzverwalter?

Die Anerkennung eines Masseanspruchs durch den Insolvenzverwalter hat zur Folge, dass der betreffende Anspruch als so genannte Masseverbindlichkeit zu behandeln ist und somit aus der vorhandenen Insolvenzmasse vorrangig vor den Insolvenzgläubigern zu erfüllen ist. Die Gläubiger eines Masseanspruchs können die sofortige Befriedigung verlangen, sobald die Masse hierzu ausreichend ist und dürfen bei Nichtzahlung auch ausnahmsweise die Zwangsvollstreckung in die Masse betreiben (§ 55, § 64 InsO). Es entsteht ein unmittelbarer Zahlungsanspruch gegen die Masse, nicht gegen den Verwalter persönlich oder die übrigen Gläubiger. Sollte die Insolvenzmasse für die vollständige Bedienung aller Massegläubiger nicht ausreichen, so gilt eine besondere Ausgleichs- und Quotenregelung gemäß § 209 InsO.

Wann verjähren Masseansprüche und welche Fristen sind zu beachten?

Für die Verjährung von Masseansprüchen gilt grundsätzlich das allgemeine Verjährungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), sofern keine spezielleren Vorschriften Anwendung finden. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt nach § 195 BGB drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Zu beachten ist dabei aber, dass Masseansprüche erst nach Insolvenzeröffnung entstehen und zum Teil besondere Anmelde- und Durchsetzungsmechanismen greifen können. Sollte der Insolvenzverwalter einen Masseanspruch abweisen, muss der Anspruchsteller diesen innerhalb der gesetzlichen Fristen gerichtlich durchsetzen, um Rechtsnachteile und Verjährung zu vermeiden. Außerdem gelten für die Anmeldung und Geltendmachung von Masseansprüchen keine besonderen insolvenzrechtlichen Fristen, jedoch ist eine frühzeitige Geltendmachung aus praktischen Gründen zu empfehlen.

Wie erfolgt die Durchsetzung und ggf. zwangsweise Vollstreckung eines Masseanspruchs?

Die Durchsetzung eines Masseanspruchs erfolgt zunächst durch unmittelbare Geltendmachung beim Insolvenzverwalter. Wird der Anspruch vom Insolvenzverwalter anerkannt, wird er aus der vorhandenen Insolvenzmasse beglichen. Lehnt der Verwalter die Befriedigung ab, steht dem Massegläubiger der Weg der gerichtlichen Durchsetzung offen. Anders als bei Insolvenzforderungen ist für Masseansprüche die Durchführung eines besonderen Feststellungsverfahrens nicht erforderlich. Nach Titulierung des Anspruchs durch ein Gericht kann der Massegläubiger die Zwangsvollstreckung direkt in die Insolvenzmasse betreiben (§ 55, § 208 InsO). Hierbei gelten jedoch Einschränkungen, wenn die Masse nicht ausreicht: Laut § 209 InsO sind die befriedigten Massegläubiger im Fall der Masseunzulänglichkeit zur anteiligen Rückerstattung verpflichtet; danach erfolgt die Befriedigung aller Massegläubiger nur noch quotal.

Welche Rolle spielt die Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 InsO für Masseansprüche?

Tritt Masseunzulänglichkeit ein, das heißt, die vorhandene Insolvenzmasse reicht nicht aus, um sämtliche Masseverbindlichkeiten zu erfüllen, so ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, diesen Zustand beim Insolvenzgericht anzuzeigen (§ 208 InsO). Ab diesem Zeitpunkt dürfen Masseverbindlichkeiten, die bis dahin nicht beglichen wurden, nur noch anteilsmäßig (quotal) aus der verbleibenden Masse befriedigt werden. Neue Masseverbindlichkeiten, die nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit entstehen, sind im Rang nachrangig und werden nur beglichen, wenn nach Befriedigung der bereits bestehenden Masseverbindlichkeiten noch Masse zur Verfügung steht. Für betroffene Massegläubiger bedeutet dies, dass ihr Anspruch auf vorrangige und vollständige Zahlung erheblich eingeschränkt wird und sie im Zweifel lediglich eine vergleichsweise geringe Quote erhalten. Zudem kann die zwangsweise Vollstreckung nicht mehr einzeln, sondern nur noch kollektiv im Rahmen der Quotenregelung erfolgen.

Wie unterscheiden sich Masseansprüche von Insolvenzforderungen in Bezug auf die Haftung?

Masseansprüche und Insolvenzforderungen unterscheiden sich maßgeblich hinsichtlich ihrer Haftungsgrundlage und Rangstellung im Insolvenzverfahren. Während Masseansprüche aus Handlungen des Insolvenzverwalters oder aufgrund besonderer gesetzlicher Anordnung nach Insolvenzeröffnung entstehen und unmittelbar gegen die Insolvenzmasse gerichtet sind, beruhen Insolvenzforderungen auf Ansprüchen, die bereits vor Insolvenzeröffnung bestanden. Masseansprüche werden aus der Masse vorrangig vor allen Insolvenzforderungen befriedigt. Die Insolvenzmasse haftet dabei ausschließlich für Masseansprüche, nicht jedoch für private Verbindlichkeiten des Insolvenzverwalters oder für Forderungen, die nicht durch die Verwaltung oder Verwertung der Masse entstanden sind. Insolvenzforderungen werden erst nach vollständiger Begleichung aller Masseverbindlichkeiten im Rahmen einer Quote bedient (§ 38, § 174 ff. InsO), während Massegläubiger grundsätzlich auf die vollständige und bevorzugte Zahlung hoffen können, sofern die Masse ausreicht.

Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen bei der Ablehnung eines Masseanspruchs durch den Insolvenzverwalter?

Lehnt der Insolvenzverwalter einen angemeldeten Masseanspruch ab, steht dem Gläubiger grundsätzlich der ordentliche Rechtsweg offen. Er kann seinen Anspruch durch Klage gegen den Insolvenzverwalter als Vertreter der Masse (nicht als Privatperson) geltend machen. Wird dem Anspruch in vollem Umfang stattgegeben, ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, aus der vorhandenen Masse zu leisten. Kommt es zur Feststellung der Masseunzulänglichkeit während des Verfahrens, erfolgt die Befriedigung auch hier quotal gemäß § 209 InsO. Zu beachten ist, dass der Gläubiger das Vorliegen und den Umfang seines Masseanspruchs detailliert darlegen und beweisen muss. Ein Anerkenntnis oder Versäumnis des Verwalters kann zu einem vollstreckbaren Titel führen. Ebenso besteht die Möglichkeit, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine vorläufige Sicherung des Anspruchs gegen drohende Nachteile beim Zugriff auf die Insolvenzmasse zu beantragen, falls akute Gefährdung besteht.