Mandatsträgerbestechung – Rechtliche Einordnung, Bedeutung und Regelungen
Begriff und Definition der Mandatsträgerbestechung
Die Mandatsträgerbestechung bezeichnet im deutschen Recht die unzulässige Beeinflussung von Personen, die ein öffentliches Amt oder Mandat innehaben, insbesondere Mitglieder von gesetzgebenden Organen auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene. Der Straftatbestand zielt darauf ab, die Integrität und Funktionsfähigkeit parlamentarischer Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse zu schützen. Für gewöhnlich wird zwischen aktiver und passiver Korruption unterschieden, wobei die Mandatsträgerbestechung eine Form der politischen Korruption darstellt.
Historische Entwicklung und gesetzliche Grundlagen
Gesetzliche Verankerung im Strafgesetzbuch
Die strafrechtliche Verfolgung der Mandatsträgerbestechung basiert im Wesentlichen auf den §§ 108e, 331 ff. StGB (Strafgesetzbuch). Der heutige § 108e StGB wurde im Jahr 2014 auf Grundlage der UN-Konvention gegen Korruption und der Forderung nach international einheitlichen Standards eingeführt und regelt die „Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern“.
Bezug zu internationalen Abkommen
Deutschland hat mit der Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption sowie durch Gesetzgeberinitiativen auf europäischer Ebene die Reichweite und Handhabung der Mandatsträgerbestechung kontinuierlich weiterentwickelt. Ziel war eine Harmonisierung und Schärfung der Vorschriften zur Bekämpfung politischer Korruption.
Täterkreis und Schutzgut
Geschützte Rechtsgüter
Das Hauptschutzgut der Mandatsträgerbestechung ist die Funktionsfähigkeit und Unabhängigkeit der parlamentarischen Demokratie. Es soll sichergestellt werden, dass Abgeordnete frei von sachfremden Einflüssen ihren Mandatsfunktionen nachkommen.
Personenkreis
Tatobjekt sind Abgeordnete auf allen politischen Ebenen, dies betrifft Mitglieder des Deutschen Bundestages, der Landtage sowie kommunaler Vertretungsorgane. Auch gleichgestellte Gremien, wie internationale Parlamente, können erfasst sein, sofern sie in Deutschland tätig werden oder deutsche Rechtsnormen betroffen sind.
Objektiver und subjektiver Tatbestand
Objektiver Tatbestand
- Tathandlung: Die Mandatsträgerbestechung setzt voraus, dass einem Mandatsträger ein Vorteil (materieller oder immaterieller Natur) für eine bestimmte Handlung oder Unterlassung im Zusammenhang mit seiner Mandatswahrnehmung angeboten, versprochen oder gewährt wird (§ 108e Abs. 2 StGB).
- Gegenleistung: Im Gegenzug erwartet der Vorteilsgeber ein bestimmtes Verhalten, etwa eine Stimmabgabe, Redebeitrag oder Unterlassung – der sogenannte „Konnex“ zwischen Vorteil und pflichtwidrigem Verhalten ist konstitutiv.
- Mandatsbezogenheit: Die Tathandlung muss im Zusammenhang mit der Ausübung des Mandats stehen und darf nicht rein private Lebenssachverhalte betreffen.
Subjektiver Tatbestand
Für die Strafbarkeit ist Vorsatz erforderlich, das bedeutet, Täter und Mandatsträger müssen die Unrechtsvereinbarung bzw. den Konnex zwischen Vorteil und Mandatsausübung zumindest billigend in Kauf nehmen.
Strafrahmen und Rechtsfolgen
Strafandrohung
Nach § 108e StGB wird Mandatsträgerbestechung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist eine Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu drei Jahren vorgesehen.
Nebenfolgen
Neben der primären Strafsanktion kann das Gericht nach §§ 45 ff. StGB den Verlust von Rechten, insbesondere der Wählbarkeit und des aktiven Wahlrechts, aussprechen. In schwerwiegenden Fällen kann darüber hinaus die Einziehung des Erlangten nach den §§ 73 ff. StGB erfolgen.
Abgrenzung zu ähnlichen Tatbeständen
Bestechung und Vorteilsannahme im öffentlichen Dienst
Die Mandatsträgerbestechung ist von der Bestechlichkeit (§ 332 StGB) und der Vorteilsannahme (§ 331 StGB) im Amt zu unterscheiden, da diese sich auf Amts- und Funktionsträger außerhalb des Mandatsbereichs beziehen.
Gesetzliche Besonderheiten
Insbesondere die Vorschriften bezüglich der Straffreistellung bestimmter Mandatsträger im Rahmen der parlamentarischen Immunität und Indemnität (§§ 46 GG, 36 AbgG) sind bei der strafrechtlichen Verfolgung zu beachten. So ist für Ermittlungsmaßnahmen gegen Bundestagsabgeordnete regelmäßig eine Genehmigung des Bundestags notwendig.
Bedeutung in der Praxis und aktuelle Entwicklungen
Relevanz in der parlamentarischen Arbeit
Immer wieder gelangen Fälle von Mandatsträgerbestechung ins Licht der Öffentlichkeit, etwa im Rahmen von Lobbyismus-Skandalen oder Spendenaffären. In der Praxis ist die Beweisführung oft schwierig, da klare Abgrenzungen zu zulässiger Interessenvertretung notwendig sind.
Reformbestrebungen
Vor dem Hintergrund wiederkehrender Korruptionsvorwürfe bestehen laufende Diskussionen über eine Ausweitung und Präzisierung der Tatbestände, insbesondere im Hinblick auf die Einbeziehung von Hinterzimmerabsprachen und schwer nachweisbaren Unrechtsvereinbarungen. Auf europäischer Ebene besteht zudem die Tendenz, Mindeststrafandrohungen und weitere Präventionsmaßnahmen zu implementieren.
Zusammenfassung und Ausblick
Die Mandatsträgerbestechung stellt einen zentralen Straftatbestand zur Wahrung der Integrität parlamentarischer Entscheidungsprozesse dar. Sie ist durch umfangreiche nationale und internationale Normen abgesichert und unterliegt einer kontinuierlichen Weiterentwicklung, um neuen Erscheinungsformen der politischen Korruption zu begegnen. Das Zusammenwirken von Transparenzgesetzen, Compliance-Vorschriften und effektiver Strafverfolgung bleibt dabei ein wesentlicher Bestandteil der Korruptionsbekämpfung im politischen Raum.
Häufig gestellte Fragen
Welche gesetzlichen Regelungen gelten für Mandatsträgerbestechung in Deutschland?
Mandatsträgerbestechung ist in Deutschland primär durch § 108e Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Der Paragraf unterscheidet dabei zwischen der aktiven Bestechung (dem Anbieten, Versprechen oder Gewähren von Vorteilen) und der passiven Bestechlichkeit (dem Fordern, Sich-Versprechen-Lassen oder Annehmen von Vorteilen) hinsichtlich Mandatsträgern, zu denen insbesondere Mitglieder gesetzgebender Körperschaften auf Bundes-, Landes- und Europaebene zählen. Die Strafbarkeit setzt voraus, dass der Vorteil im Zusammenhang mit einer konkreten „Handlung oder Unterlassung bei der Wahrnehmung des Mandats“ steht. Nachdem der Gesetzgeber den Paragraphen 2014 nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts reformiert hat, umfasst die Norm nunmehr einen erheblich weiteren Schutzbereich als früher, auch und gerade im Hinblick auf Mandatsträger in Fraktionsgremien und Ausschüssen. Neben dem Strafgesetzbuch können auch weitere Rechtsnormen, etwa aus dem Abgeordnetengesetz und Nebengesetze auf Landesebene, eine Rolle spielen. Für die Strafverfolgung ist zu beachten, dass in aller Regel ein Strafantrag der gesetzgebenden Körperschaft oder der Staatsanwaltschaft erforderlich ist.
Wer gilt als Mandatsträger im Sinne der Bestechungsvorschriften?
Der Begriff des Mandatsträgers ist rechtlich genau umrissen. Erfasst sind sämtliche Mitglieder einer Volksvertretung des Bundes, der Länder, der Kommunen und der Europäischen Union. Dazu zählen Bundestags- und Landtagsabgeordnete, Mitglieder des Europäischen Parlaments sowie in vielen Auslegungen auch kommunale Mandatsträger, sofern sie ein entsprechendes Mandat tragen. Das Amt oder das Mandat muss jedoch tatsächlich ausgeübt werden, wobei auch bereits gewählte, aber noch nicht vereidigte Personen vom strafrechtlichen Schutz umfasst sein können. Entscheidend ist nicht die haupt- oder ehrenamtliche Tätigkeit, sondern allein die Ausübung eines öffentlichen Mandats. Nicht erfasst sind dabei explizit Beamte, da deren Bestechung unter §§ 331 ff. StGB fällt.
Was sind die Voraussetzungen für die Strafbarkeit der Mandatsträgerbestechung?
Voraussetzung ist zunächst, dass ein rechtswidriger Vorteil im Zusammenhang mit der Mandatsausübung angeboten, gefordert oder angenommen wird. Die Vorteilsannahme oder -gewährung muss bezogen sein auf ein bestimmtes Verhalten des Mandatsträgers im Rahmen seines Mandats, etwa sein Abstimmungsverhalten in Ausschüssen oder im Plenum, die Ausübung bestimmter Einflussnahmen oder das Unterlassen einer Handlung. Die Unrechtsvereinbarung, also die Verknüpfung zwischen Vorteil und Mandatshandlung, muss nachweisbar sein. Die Strafbarkeit ist dabei nicht abhängig davon, ob der Vorteil materieller oder immaterieller Art ist. Es genügt jede Besserstellung, die geeignet ist, das Abstimmungsverhalten oder sonstige Mandatshandlungen zu beeinflussen.
Welche Strafen drohen bei Mandatsträgerbestechung?
Die Strafandrohung bei Mandatsträgerbestechung ist nach § 108e StGB Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. In besonders schweren Fällen kann die Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren betragen. Als besonders schwer werden Taten angesehen, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat. Neben der Freiheitsstrafe können strafrechtliche Nebenfolgen wie der Verlust des Mandats, der Verlust von Pensionsansprüchen oder die Eintragung ins Führungszeugnis hinzukommen. Daneben sind Disziplinarmaßnahmen gemäß den jeweiligen Abgeordnetengesetzen möglich.
Welche Rolle spielen Fraktionsdisziplin und interne Parteientscheidungen im Kontext der Mandatsträgerbestechung?
Rein rechtlich betrachtet ist das Verhalten von Mandatsträgern im Rahmen von Fraktionsdisziplin und internen Parteientscheidungen nicht per se strafbar. Problematisch wird es jedoch, wenn finanzielle oder sonstige unberechtigte Vorteile im Austausch für ein bestimmtes Verhalten bei parteiinternen Abstimmungen oder im Rahmen der Fraktionsdisziplin zugesichert oder entgegengenommen werden. Die Strafbarkeit entsteht, sobald eine sogenannte Unrechtsvereinbarung zwischen Vorteil und Mandatsausübung vorliegt. Das bloße Befolgen eines Fraktionsbeschlusses ist also nicht strafbar, wohl aber die Annahme von Vorteilen für die Einhaltung oder Nichtbeachtung solcher Beschlüsse.
Sind auch Versuche der Mandatsträgerbestechung strafbar?
Ja, der Versuch der Mandatsträgerbestechung ist gemäß § 23 StGB strafbar. Dies betrifft sowohl die versuchte Bestechung (das Anbieten oder Versprechen eines Vorteils, der nicht angenommen wird) als auch die versuchte Bestechlichkeit (das Fordern eines Vorteils, der nicht gewährt wird). Die Schwelle zur Strafbarkeit wird bereits mit dem Beginn der Verhandlungen um einen Vorteil überschritten, auch wenn die eigentliche Mandatshandlung letztlich nicht vorgenommen wird oder der Vorteil nicht gewährt wird. Auch ein einseitiges Anbieten, ohne dass es zur Einigung kommt, kann bereits relevant sein.
Inwieweit sind ausländische Mandatsträger durch deutsches Recht erfasst?
Das deutsche Strafrecht (§ 108e StGB) gilt grundsätzlich für Mandatsträger, die einem deutschen Gesetzgebungsorgan angehören. Eine Besonderheit ergibt sich jedoch aus internationalen Vereinbarungen und aus § 5 Nr. 15 StGB, wonach unter bestimmten Bedingungen auch Taten gegen Mandatsträger anderer Staaten oder supranationaler Organisationen unter das deutsche Strafrecht fallen können, zum Beispiel im Rahmen von zwischenstaatlicher Zusammenarbeit und internationalen Abkommen wie dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption (UNCAC). Konkret bedeutet dies, dass auch ausländische Mandatsträger durch deutsches Recht geschützt sein können, sofern bestimmte Voraussetzungen, etwa ein Bezug zum deutschen Inland, erfüllt sind.