Begriffserklärung und historische Entwicklung des Lustmords
Der Begriff Lustmord bezeichnet eine besondere Ausprägung eines vorsätzlichen Tötungsdelikts, bei dem der Täter das Töten eines Menschen mit der Absicht begeht, sexuelle Lust zu gewinnen oder sich durch die Tat sexuell zu erregen. Der Lustmord stellt eine der extremsten Formen gewalttätiger Sexualdelikte dar und ist im deutschen Strafrecht kein eigenständiger Straftatbestand, findet aber insbesondere bei der rechtlichen Bewertung von Mordmotiven besondere Berücksichtigung.
Der Begriff ist aus der Kriminalpsychologie und Kriminologie sowie der historischen Rechtswissenschaft bekannt und findet sich bereits in der Fachliteratur des 19. Jahrhunderts. Die Begrifflichkeit „Lustmord“ wurde insbesondere durch die forensische Praxis und mediale Berichterstattung geprägt.
Rechtliche Einordnung des Lustmords
Mord nach § 211 StGB
Im deutschen Strafrecht wird der Lustmord unter dem gesetzlichen Tatbestand des Mordes nach § 211 Strafgesetzbuch (StGB) eingeordnet. Die Vorschrift definiert Mord als vorsätzliche Tötung eines Menschen, wenn bestimmte sogenannte „Mordmerkmale“ vorliegen. Ein zentrales Mordmerkmal ist das „Handeln aus Mordlust oder zur Befriedigung des Geschlechtstriebs“. Das Sexualmotiv des Täters ist hierbei entscheidungsrelevant für die rechtliche Bewertung der Tat.
Tatbestandsvoraussetzungen
Ein Lustmord liegt strafrechtlich dann vor, wenn der Täter
- einen Menschen tötet,
- aus Motiven handelt, die der Befriedigung seines Geschlechtstriebes dienen (vor, während oder nach der Tat),
- und dabei mit bedingtem oder direktem Tötungsvorsatz handelt.
Das Mordmerkmal „zur Befriedigung des Geschlechtstriebs“ ist unabhängig davon erfüllt, ob eine tatsächliche sexuelle Handlung erfolgt. Es genügt, wenn im Rahmen der Tötungshandlung der Geschlechtstrieb des Täters angesprochen wird oder dieser durch die Ausführung der Tat befriedigt werden soll.
Abgrenzung zu ähnlichen Tatbeständen
Ein Lustmord ist klar abzugrenzen von klassischen Sexualdelikten wie Vergewaltigung (§ 177 StGB) oder sexuellem Missbrauch (§§ 176 ff. StGB), bei denen eine sexuelle Handlung im Vordergrund steht, ohne zwingend einen Tötungsvorsatz. Beim Lustmord bildet genau die Tötungshandlung das zentrale Tatmittel zur sexuellen Befriedigung.
Außerdem ist die Abgrenzung zu Tötungsdelikten aus anderen Motiven wesentlich; wird die Tötung als Mittel zur Vertuschung eines Sexualdelikts oder zur Beseitigung eines Zeugen durchgeführt, liegt der Fokus strafrechtlich auf anderen Mordmerkmalen, wie etwa der „Verdeckung einer Straftat“.
Strafrahmen
Für den Mord nach § 211 StGB sieht das Gesetz zwingend die lebenslange Freiheitsstrafe vor. Der Strafrahmen ist unabhängig von möglichen sogenannten minder schweren Fällen, die bei Totschlag gemäß § 213 StGB in Betracht kommen könnten. Der qualifizierende Tatbestand des Mordes wegen Befriedigung des Geschlechtstriebes schließt derartige Erwägungen aus.
Aspekte der Strafzumessung und besondere Umstände
Besonders schwere Schuld und Sicherungsverwahrung
Im Rahmen der Strafzumessung werden bei Lustmorden regelmäßig sogenannte besonders schwere Schuld festgestellt, die beispielsweise Auswirkungen auf die Dauer einer eventuellen Strafaussetzung zur Bewährung oder auf die Verhängung von Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB haben können. Die schwerwiegende Tatmotivation und die besondere Gefährlichkeit des Täters stehen im Vordergrund der Bewertung. Gerichte stützen sich hierzu regelmäßig auf Sachverständigengutachten zur Schuldfähigkeit und Gefährlichkeit des Täters.
Schuldunfähigkeit, verminderte Schuldfähigkeit
Im Rahmen von Lustmordfällen wird oft geprüft, ob der Täter zum Tatzeitpunkt schuldunfähig (§ 20 StGB) oder nur vermindert schuldfähig (§ 21 StGB) war, etwa in Folge schwerer psychischer Störungen, Persönlichkeitsstörungen oder Sexualpathologien. Stellt das Gericht eine solche Einschränkung fest, können die Rechtsfolgen modifiziert werden, wodurch insbesondere auch eine Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus gemäß § 63 StGB möglich wird.
Kriminalpsychologische und kriminologische Bewertung
Psychopathologie und Täterprofile
Lustmorde werden in der Regel von Tätern begangen, bei denen schwerwiegende Störungen im Bereich der Sexualität, Impulskontrolle oder Persönlichkeitsstruktur vorliegen können. Kriminalpsychologisch werden Motive wie Sadismus, Paraphilien oder sexuelle Deviationen untersucht. Die tatbegleitende Sexualmotivation ist Gegenstand intensiver forensischer und psychologischer Begutachtung.
Bedeutung für Prävention und Strafverfolgung
Die erkennbare Tatmotivation beim Lustmord hat erhebliche Bedeutung für die Ermittlungsarbeit sowie die Gefahrenabwehr. Lustmorde sind äußerst selten, erlangen jedoch aufgrund ihrer besonderen Grausamkeit eine herausgehobene Stellung in der kriminalistischen Praxis. Die frühzeitige Erkennung und Einordnung solcher Taten ist für die polizeiliche Prävention und den Opferschutz wesentlich.
Internationale Perspektive
Auch in anderen Ländern gibt es vergleichbare Mordmerkmale bei vorsätzlichen Tötungsdelikten mit sexuellem Motiv, wenngleich die Terminologie variiert. Anglosächsische Rechtsordnungen sprechen beispielsweise häufig von „lust murder“ oder „sexually motivated homicide“. In der Mehrzahl der Rechtsordnungen wird dem besonderen Unrecht und der gesteigerten Gefährlichkeit des Täters Rechnung getragen und ein erhöhter Strafrahmen vorgesehen.
Rechtsprechung und Literatur
Die Gerichte, insbesondere die Strafsenate der Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofs, haben die Anwendung und Auslegung des Tatbestandes in zahlreichen Grundsatzentscheidungen herausgearbeitet. Die hierzu einschlägige Rechtsprechung nimmt maßgeblich Bezug auf das Mordmerkmal „zur Befriedigung des Geschlechtstriebs“ und definiert die Abgrenzungslinien zu anderen Tötungsdelikten und Motivlagen. In der rechtwissenschaftlichen Literatur wird insbesondere die Frage der Schuldfähigkeit und die konsequente Anwendung des Verschuldensprinzips vertieft erörtert.
Zusammenfassung: Lustmord stellt eine besonders verwerfliche Ausprägung des vorsätzlichen Tötungsdelikts dar, bei der das sexuelle Motiv des Täters im Fokus steht. Rechtlich beurteilt wird der Lustmord im Strafrecht als Mord nach § 211 StGB unter dem Mordmerkmal der „Befriedigung des Geschlechtstriebs“. Die dogmatische, psychologische und prozessuale Behandlung dieses Delikts ist sowohl für die Ermittlung als auch die Strafzumessung von zentraler Bedeutung.
Häufig gestellte Fragen
Welche strafrechtlichen Konsequenzen drohen im Falle eines Lustmordes?
Im deutschen Strafrecht wird der sogenannte „Lustmord“ grundsätzlich als Mord eingestuft, da die Tat oftmals nach den Kriterien eines besonders verwerflichen Motivs, nämlich zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, begangen wird (§ 211 StGB, Mordmerkmal der Befriedigung des Geschlechtstriebs). Ein verurteilter Täter sieht sich daher mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe konfrontiert. In besonders schweren Fällen kann auch eine besondere Schwere der Schuld festgestellt werden, wodurch eine Haftentlassung nach 15 Jahren häufig ausgeschlossen ist. Darüber hinaus kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn von dem Täter weiterhin eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht. Neben der strafrechtlichen Ahndung werden regelmäßig auch zivilrechtliche Ansprüche der Hinterbliebenen, insbesondere auf Schmerzensgeld, geprüft.
Wie wird das Mordmerkmal der Befriedigung des Geschlechtstriebs im Strafprozess nachgewiesen?
Die Feststellung des Mordmerkmals „zur Befriedigung des Geschlechtstriebs“ erfolgt durch die ausführliche Analyse aller Umstände der Tat und des Täters selbst. Dabei werden insbesondere rechtsmedizinische, psychiatrische und psychologische Gutachten eingeholt, die den Beweggrund beziehungsweise die Motivation des Täters beleuchten. Die Befriedigung des Geschlechtstriebs kann vor, während oder nach der Tötung stattgefunden haben. Der Nachweis kann sich unter anderem auf Spurenlagen, Zeugenaussagen, Geständnisse sowie biografische und sexuelle Vorgeschichte des Täters stützen. Die Gerichte haben die Aufgabe, zweifelsfrei zu prüfen, ob die Tötung in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der sexuellen Motivation steht.
Welche Rolle spielen psychiatrische Gutachten bei Sexual- und Lustmorden?
Psychiatrische Gutachten sind bei sogenannten Lustmorden von ganz zentraler Bedeutung. Sie dienen der Einschätzung, ob und inwiefern eine psychische Störung beim Täter vorliegt, die Einfluss auf die Schuldfähigkeit haben könnte (§ 20, 21 StGB). Der Gutachter bewertet unter anderem, ob eine Sexualpräferenzstörung, wie zum Beispiel Sadismus, vorliegt und ob diese für die Tat ursächlich war. Weiterhin wird eingeschätzt, ob vom Täter künftig erneut schwere Straftaten zu erwarten sind. Diese Erkenntnisse beeinflussen sowohl das Strafmaß als auch mögliche Maßnahmen wie die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) oder die Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB).
Kann ein Täter trotz sexuellen Motivs wegen Totschlags statt Mordes verurteilt werden?
Grundsätzlich nicht, sofern das Mordmerkmal „zur Befriedigung des Geschlechtstriebs“ bejaht wird. Die Abgrenzung zwischen Mord und Totschlag erfolgt im deutschen Recht über das Vorliegen von Mordmerkmalen nach § 211 StGB. Liegt das Motiv der sexuellen Befriedigung als Tatantrieb vor, ist die Tat stets als Mord zu werten. Nur wenn im Einzelfall das Gericht zu dem Schluss kommt, dass kein entsprechendes sexuelles Motiv bestand oder dieses nicht nachweisbar ist, käme eine Verurteilung wegen Totschlags (§ 212 StGB) in Betracht, die ein geringeres Strafmaß vorsieht.
Welche Möglichkeiten der Sicherungsverwahrung bestehen nach der Haftentlassung?
Wird bei einem sogenannten Lustmörder die Sicherungsverwahrung angeordnet, so bleibt der Täter nach Verbüßung der eigentlichen Freiheitsstrafe weiterhin in einer speziellen Justizvollzugsanstalt, wenn von ihm eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht. Diese Maßnahme dient dem präventiven Schutz der Gesellschaft und ist im Gesetz genau geregelt (§ 66 StGB). Eine erneute Überprüfung der Gefährlichkeit erfolgt in regelmäßigen Abständen, vorrangig durch forensisch-psychiatrische Gutachten. Die Sicherungsverwahrung kann theoretisch unbegrenzt fortdauern, solange von dem Täter eine erhebliche Gefahr ausgeht.
Wie wird mit minderjährigen Tätern umgegangen, die einen Lustmord begehen?
Für Jugendliche und Heranwachsende gelten im deutschen Recht abweichende Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes (JGG). Bei besonders schweren Taten – dazu zählt auch der Mord aus sexuellen Motiven – ist allerdings eine Jugendstrafe von bis zu zehn Jahren möglich (§ 18 Abs. 1 JGG). In extremen Ausnahmefällen und bei Heranwachsenden (18- bis 20-Jährige) kann auch Erwachsenenstrafrecht Anwendung finden, wenn die sittliche und geistige Entwicklung des Täters der eines Erwachsenen entspricht. Darüber hinaus werden regelmäßig intensivpädagogische und therapeutische Maßnahmen angeordnet, die auf eine Resozialisierung des Täters abzielen.
Welche Mitwirkungspflichten hat ein Beschuldigter im Ermittlungsverfahren bei einem Tatverdacht auf Lustmord?
Wie bei allen Strafverfahren hat der Beschuldigte grundsätzlich das Recht zu schweigen und muss sich nicht selbst belasten (sogenanntes Nemo-tenetur-Prinzip). Allerdings kann die Staatsanwaltschaft und das Gericht anordnen, dass der Beschuldigte an bestimmten Untersuchungsmaßnahmen teilnehmen muss, wie etwa an einem körperlichen Eingriff (zum Beispiel zur DNA-Entnahme) oder einer psychiatrischen Begutachtung. Eine Pflicht zur aktiven Mitwirkung an der Erstellung eines Gutachtens besteht jedoch nicht; eine Verweigerung der Aussagen kann allerdings als Indiz für die Schuldfähigkeit oder das Tatmotiv herangezogen werden. Alle Maßnahmen müssen stets im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben stehen.