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Letztes Wort


Das Letzte Wort im Strafverfahren

Das sogenannte „Letzte Wort” ist ein zentraler Begriff des Strafprozessrechts. Es bezeichnet das in der Strafprozessordnung (StPO) normierte Recht einer beschuldigten Person, vor Abschluss der gerichtlichen Hauptverhandlung – insbesondere vor der Urteilsberatung – das letzte Mal selbst zu sprechen. Das Letzte Wort stellt in vielerlei Hinsicht eine wichtige prozessuale Garantie dar und dient dem Schutz des fairen Verfahrens.


Rechtliche Einordnung und Grundlagen

Historische Entwicklung

Das Letzte Wort ist tief in der Geschichte der Strafrechtspflege verwurzelt und war bereits in früheren europäischen Rechtsordnungen Bestandteil eines strafrechtlichen Verfahrens. Die Entwicklung dieses Rechts wurde wesentlich durch den Gedanken getragen, der beschuldigten Person die letzte Möglichkeit zu geben, eigenständig vor dem Urteil zu Stellung zu nehmen.

Gesetzliche Regelung nach der Strafprozessordnung

In Deutschland ist das Letzte Wort in § 258 Abs. 2 und 3 StPO geregelt. Dort heißt es, dass dem Angeklagten nach den Schlussvorträgen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung stets das letzte Wort zu gewähren ist. Der Vorsitzende hat hierbei sicherzustellen, dass dieses Recht ausdrücklich eingeräumt wird.

Zweck und Funktion des Letzten Wortes

Das Letzte Wort erfüllt mehrere Funktionen im Strafprozess:

  • Ausdruck des rechtlichen Gehörs: Es gewährleistet, dass der Angeklagte unmittelbar vor dem Urteil seine Sicht der Dinge ohne Einschränkungen durch Dritte vortragen kann.
  • Wahrung der Verfahrensgerechtigkeit: Dieser Verfahrensschritt sichert, dass das Gericht alle wesentlichen Argumente der Verteidigung vor seiner Entscheidung kennt.
  • Psychosoziale Komponente: Das Recht auf das Letzte Wort ermöglicht eine Entäußerung von Emotionen, Eingeständnissen oder Reue durch den Angeklagten.

Ablauf und Durchführung

Zeitpunkt und Form

Das Letzte Wort erfolgt nach § 258 StPO am Ende der Hauptverhandlung, nachdem das Gericht die Beweisaufnahme geschlossen und die Schlussvorträge gehalten wurden. Die Reihenfolge ist streng festgelegt: Zunächst erhält die Staatsanwaltschaft das Wort, gefolgt von der Verteidigung oder dem Angeklagten selbst in seiner Verteidigerrolle, zuletzt dem Angeklagten in Person. Die Ausübung des Letzten Wortes erfolgt grundsätzlich mündlich.

Umfang des Letzten Wortes

Während des Letzten Wortes kann der Angeklagte uneingeschränkt, jedoch innerhalb der sittlichen und protokollarischen Grenzen, sprechen. Es besteht kein Zwang, Aussagen zu machen. Störungen oder Zwischeneinwürfe des Gerichts oder von Prozessbeteiligten sind unzulässig.

Rechtsfolgen bei Verletzung des Rechts auf das Letzte Wort

Absolute Revisionsgründe

Das Versäumen, einem Beschuldigten das Letzte Wort einzuräumen, stellt einen absoluten Revisionsgrund dar. Nach § 338 Nr. 7 StPO ist ein solches Versäumnis stets ein Verstoß gegen ein grundlegendes Verfahrensrecht und führt zur Aufhebung eines Urteils.

Heilung oder Nachholung

Eine Nachholung des Letzten Wortes ist möglich, solange das Urteil nicht gesprochen wurde. Nach Urteilsverkündung kann der Fehler nicht mehr geheilt werden. In diesem Fall ist das Revisionsgericht verpflichtet, das Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung zurückzuverweisen.

Anwendungsbereich und Besonderheiten

Jugendstrafverfahren

Im Jugendstrafrecht gilt das Recht auf das Letzte Wort grundsätzlich in gleicher Weise wie im Erwachsenenstrafrecht (§ 72 JGG i.V.m. § 258 StPO). Aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit von Jugendlichen wird der Vorsitzende auf das Letzte Wort besonders hinweisen.

Abwesenheitsverfahren und schriftliches Verfahren

In Fällen, in denen eine Hauptverhandlung ohne Anwesenheit des Angeklagten stattfindet oder das Verfahren schriftlich durchgeführt wird, ist das Recht auf das Letzte Wort abweichend geregelt und kann unter Umständen eingeschränkt sein.

Ordnungsmittel und Begrenzungen

Der Vorsitzende kann das Letzte Wort einschränken, wenn beleidigende oder rechtswidrige Inhalte geäußert werden. Eine grundsätzliche Begrenzung der Redezeit gibt es nicht, in Ausnahmefällen kann jedoch bei evidentem Missbrauch das Letzte Wort abgeschnitten werden.

Internationaler Vergleich

Das Letzte Wort ist nicht ausschließlich im deutschen Recht beheimatet, sondern findet auch in anderen Staaten mit vergleichbarem Strafverfahrensrecht ein Entsprechung. Beispielsweise kennt das österreichische Strafrecht (§ 244 öStPO) ebenfalls ein Recht auf das Letzte Wort. Auch nach europäischem und internationalem Verfahrensstandard hat die Gewährung eines Letzten Wortes Bedeutung im Hinblick auf die Einhaltung des fairen Verfahrens.


Letztes Wort in anderen Rechtsgebieten und Kontexten

Abseits des Strafprozesses wird der Begriff „Letztes Wort” gelegentlich auch in anderen rechtlichen Kontexten verwendet, etwa im zivilrechtlichen Schiedsverfahren oder in arbeitsrechtlichen Anhörungen. Eine ausdrückliche gesetzliche Verankerung wie im Strafprozessrecht existiert dort allerdings üblicherweise nicht.


Zusammenfassung und Bedeutung

Das Letzte Wort bildet einen elementaren Bestandteil des Strafverfahrens und steht als Symbol für das Prinzip des rechtlichen Gehörs und der Mitwirkung des Angeklagten im Prozess. Seine Nichtbeachtung begründet schwerwiegende Verfahrensfehler. Im Zusammenspiel mit weiteren prozessualen Rechten sorgt das Letzte Wort für Transparenz, Fairness und Schutz der Persönlichkeitsrechte im Strafverfahren.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtliche Bedeutung hat das Letzte Wort im Strafprozess?

Das sogenannte „Letzte Wort” ist im Strafprozessrecht von zentraler Bedeutung und wird durch § 258 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) ausdrücklich geregelt. Es handelt sich dabei um das gesetzlich verbriefte Recht des Angeklagten, sich nach Abschluss der Beweisaufnahme und den Ausführungen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung noch einmal persönlich zur Sache zu äußern. Dieses Recht kann nicht durch einen Verteidiger oder eine andere Person wahrgenommen werden – es steht ausschließlich dem Angeklagten zu und soll ihm die Gelegenheit bieten, ohne Unterbrechung oder Rückfragen abschließende Worte zu äußern, die er für wesentlich hält. Die Missachtung dieses Rechts kann einen Verfahrensfehler darstellen, der im Rahmen der Revision zur Aufhebung des Urteils führen kann. Die Einhaltung dieses Rechtes wird insoweit als unabdingbarer Bestandteil des fairen Strafverfahrens gewertet und betont die Würde und Autonomie des Angeklagten im Strafprozess.

Was geschieht, wenn dem Angeklagten das Letzte Wort nicht gewährt wird?

Wird das Recht auf das Letzte Wort dem Angeklagten nicht ausdrücklich und eigenständig eingeräumt, stellt dies grundsätzlich einen absoluten Revisionsgrund nach § 338 Nr. 7 StPO dar. Das bedeutet, dass ein darauf gestütztes Rechtsmittel (Revision) regelmäßig zur Aufhebung des ergangenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das erstinstanzliche Gericht führt, ohne dass geprüft werden müsste, ob das Urteil tatsächlich auf diesem Fehler beruht („Beweislastumkehr”). Die Einräumung des Letzten Wortes muss protokolliert werden, andernfalls wird vermutet, dass es nicht gewährt wurde. Nur in sehr seltenen Ausnahmefällen, etwa wenn der Angeklagte gar nicht anwesend ist oder ausdrücklich auf das Letzte Wort verzichtet, kann auf die Gewährung verzichtet werden.

Muss das Letzte Wort tatsächlich wahrgenommen werden oder kann darauf verzichtet werden?

Der Angeklagte ist nicht verpflichtet, das Letzte Wort wahrzunehmen; es handelt sich um ein Recht, nicht um eine Pflicht. Der Angeklagte kann ausdrücklich oder konkludent (z. B. durch Stillschweigen) auf das Recht verzichten, ohne dass dies negative prozessuale Folgen hat. Ein solcher Verzicht sollte aber eindeutig feststellbar sein, um spätere Verfahrensrügen auszuschließen. Im Protokoll muss das Gericht festhalten, dass dem Angeklagten das Letzte Wort eingeräumt wurde und wie dieser darauf reagiert hat. Ein bloßes Schweigen des Gerichts kann nicht als Verzicht gewertet werden; die ausdrückliche Befragung ist zwingend erforderlich.

Welche inhaltlichen und zeitlichen Grenzen gelten für das Letzte Wort?

Das Letzte Wort bietet dem Angeklagten einen sehr weitreichenden Äußerungsspielraum, wobei weder Inhalt noch Form strengen rechtlichen Grenzen unterliegen. Der Angeklagte darf sowohl zur Sache, zu seiner Person als auch zu den Verfahrensvorgängen Stellung nehmen. Allerdings findet das Recht seine Grenze in der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verfahrensökonomie; beleidigende, ehrverletzende Ausführungen können gemäß § 177 GVG unterbunden werden. Der Vorsitzende kann das Letzte Wort unterbrechen oder beenden, wenn der Angeklagte ausführlich vom Thema abschweift oder den Rahmen des Zumutbaren verlässt, muss dabei jedoch stets die Grundrechte und das faire Verfahren beachten. Die Länge des Letzten Wortes wird üblicherweise nicht normativ begrenzt.

Wird das Letzte Wort protokolliert?

Ja, gemäß § 273 Abs. 1a StPO ist im Protokoll ausdrücklich zu vermerken, dass dem Angeklagten das Letzte Wort eingeräumt wurde. Die tatsächlichen Inhalte der Äußerungen werden dagegen in der Regel nicht wörtlich festgehalten, sofern der Angeklagte nicht ein schriftliches Statement einreicht oder dies ausdrücklich verlangt wird. Im Zweifelsfall kann der Angeklagte jedoch verlangen, dass der genaue Wortlaut seiner Erklärung in das Sitzungsprotokoll aufgenommen wird. Kommt das Gericht dieser Pflicht nicht nach, kann dies zu Verfahrensfehlern führen.

Hat der Angeklagte auch im Berufungs- oder Revisionsverfahren ein Recht auf das Letzte Wort?

Das Recht auf das Letzte Wort besteht grundsätzlich in jeder Tatsacheninstanz, also sowohl in der ersten Instanz als auch in der Hauptverhandlung vor dem Berufungsgericht. Auch im Strafbefehlsverfahren kann das Letzte Wort relevant werden, sofern eine mündliche Verhandlung stattfindet. Im Revisionsverfahren, das nur eine Überprüfung von Rechtsfragen zulässt, findet keine Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung statt, weshalb dort kein Letztes Wort zu gewähren ist. Eine Ausnahme besteht, wenn in der Revisionshauptverhandlung doch eine Beweisaufnahme durchgeführt werden sollte – dann ist das Letzte Wort zu gewähren.

Wie verhält es sich bei abwesenden oder gestörten Angeklagten mit dem Letzten Wort?

Das Letzte Wort setzt die Anwesenheit und die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten voraus. Ist der Angeklagte abwesend, beispielsweise weil er von der Teilnahme ausgeschlossen oder nach § 231a StPO trotz Abwesenheit verhandelt wird, entfällt das Letzte Wort zwangsläufig. Gleiches gilt, wenn der Angeklagte verhandlungsunfähig ist, etwa wegen krankheitsbedingter Bewusstlosigkeit oder erheblicher Verhandlungsstörungen. Ein nachträgliches Nachholen des Letzten Wortes ist in der Regel nicht möglich; das Verfahren muss so gesteuert werden, dass der Angeklagte die Möglichkeit zur Wahrnehmung dieses Rechtes hat, sofern es irgendwie praktikabel ist.