Begriff und rechtliche Einordnung der „Leitenden Angestellten“
Definition und Abgrenzung
Als leitende Angestellte werden in Deutschland Beschäftigte bezeichnet, denen innerhalb eines Unternehmens oder einer Organisation eine hervorgehobene Führungsposition mit besonderen Entscheidungsbefugnissen und Weisungsrechten zukommt. Sie nehmen eine Zwischenstellung zwischen der Unternehmensleitung und der regulären Belegschaft ein. Die rechtliche Einordnung und die genaue Definition des Begriffs variieren je nach anwendbarem Gesetz und sind insbesondere für das Arbeitsrecht, das Betriebsverfassungsrecht und das Kündigungsschutzrecht von Bedeutung.
Rechtliche Grundlagen
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Das deutsche Arbeitsrecht kennt den Begriff des leitenden Angestellten nicht ausdrücklich im Bürgerlichen Gesetzbuch. Allerdings setzt das BGB im Bereich der Arbeitgebervertretung und in Haftungsfragen häufig voraus, dass Personen mit umfangreichen Leitungsfunktionen gesondert betrachtet werden.
Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) definiert in § 5 Abs. 3 BetrVG exakt, wer als leitender Angestellter gilt. Entscheidend sind dabei die tatsächlichen Entscheidungsbefugnisse, insbesondere:
- Die selbständige Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern
- Die Ausübung von Generalvollmacht oder Prokura mit unternehmensweiter Gültigkeit
- Die Übertragung besonderer Aufgaben, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebes von Bedeutung sind
Das Vorliegen lediglich eines „leitenden Titels“ genügt nicht; die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit ist maßgebend.
Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
Das KSchG sieht in § 14 besondere Regelungen für leitende Angestellte vor. Diese haben unter bestimmten Voraussetzungen ein Sonderkündigungsrecht und können im Kündigungsfall auf Antrag des Arbeitgebers gegen Zahlung einer Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, auch wenn die Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung sonst nicht gegeben sind. Die Definition des KSchG orientiert sich an der des BetrVG, ist in einigen Punkten jedoch weiter.
Arbeitszeitgesetz (ArbZG)
Leitende Angestellte sind gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG von den Regelungen des Arbeitszeitgesetzes ausgenommen. Dies gilt insbesondere für die Höchstarbeitszeit, Ruhezeiten sowie für Sonn- und Feiertagsarbeit, da angenommen wird, dass sie ihre Arbeitszeiten weitgehend eigenverantwortlich gestalten können.
Mitbestimmungsgesetze
Im Rahmen von Aufsichtsrat und Mitbestimmung (Drittelbeteiligungsgesetz, Mitbestimmungsgesetz) werden leitende Angestellte vom Geltungsbereich der betrieblichen Mitbestimmung ausgenommen. Sie haben eigene Vertretungen (Sprecherausschüsse nach dem Sprecherausschussgesetz), um ihre Interessen gegenüber der Unternehmensleitung zu vertreten.
Praktische Abgrenzung und Kriterien
Abgrenzung zu anderen Arbeitnehmergruppen
Die Einordnung als leitender Angestellter ist stets eine Frage des Einzelfalls und erfordert eine genaue Analyse der Aufgaben und Befugnisse. Typische Abgrenzungsmerkmale sind:
- Umfangreiche unternehmerische Entscheidungsbefugnis
- Eigenverantwortliche Leitungs- und Personalverantwortung
- Vertretung des Arbeitgebers nach außen und innen mit umfassender Vollmacht
- Teilnahme an der Entwicklung und Umsetzung der Unternehmensstrategie
Personen, die lediglich untergeordnete Führungsfunktionen (z. B. Abteilungsleiter ohne weitreichende Entscheidungsbefugnis) ausführen, werden in der Regel nicht als leitende Angestellte im rechtlichen Sinne angesehen.
Bedeutung des Arbeitsvertrags und der Stellung im Betrieb
Auch wenn ein Arbeitsvertrag eine Person als „leitenden Angestellten“ bezeichnet, ist das für die rechtliche Einordnung nicht entscheidend. Maßgeblich sind die tatsächlichen Befugnisse und die praktische Stellung im Betrieb.
Rechtliche Besonderheiten für Leitende Angestellte
Arbeitsrechtlicher Kündigungsschutz
Leitende Angestellte unterliegen einem erleichterten Kündigungsschutz. Im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes kann der Arbeitgeber die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung durchsetzen, ohne die sonst strengen Voraussetzungen nachweisen zu müssen.
Betriebliche Mitbestimmung und Interessenvertretung
Leitende Angestellte sind von der regulären betrieblichen Mitbestimmung (Betriebsrat) ausgeschlossen. Ihre Interessen werden durch einen Sprecherausschuss wahrgenommen. Diese Sondervertretung kooperiert mit der Unternehmensleitung auf Augenhöhe, allerdings mit eingeschränkten Mitwirkungsrechten im Vergleich zum Betriebsrat.
Arbeitszeitrechtliche Regelungen
Da leitende Angestellte ihre Arbeitszeit weitgehend selbst bestimmen und sich die Arbeitszeiten an den betrieblichen Anforderungen ausrichten, sind sie nicht durch das Arbeitszeitgesetz geschützt. Dies betrifft insbesondere maximal zulässige Arbeitsstunden, Pausenregelungen und Sonn- und Feiertagsarbeit.
Steuer- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung
Sozialversicherungsrecht
In der Sozialversicherung gelten leitende Angestellte grundsätzlich als Arbeitnehmer und unterliegen den allgemeinen beitragspflichtigen Regelungen. Allerdings gibt es bei Geschäftsführern einer GmbH oder Vorstandsmitgliedern von Aktiengesellschaften Sonderregelungen, insbesondere bei der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit.
Steuerrechtliche Aspekte
Leitende Angestellte unterliegen den allgemeinen lohnsteuerlichen Vorschriften für Arbeitnehmer. Besondere Besteuerungsvorschriften existieren insbesondere für variable Gehaltsbestandteile und Abfindungen, wobei die steuerliche Behandlung von vertraglichen und gesetzlichen Regelungen abhängt.
Zusammenfassung
Leitende Angestellte nehmen im deutschen Arbeitsrecht eine Sonderstellung ein. Sie zeichnen sich insbesondere durch eine hervorgehobene Entscheidungsbefugnis, eigenverantwortliche Leitungsfunktion und weitgehende Weisungsfreiheit aus. Die genaue rechtliche Einordnung ist abhängig von den jeweiligen gesetzlichen Regelungen und der tatsächlichen Ausgestaltung der Arbeitsaufgaben. Leitende Angestellte sind von wesentlichen Schutzvorschriften des Arbeitszeit- und Mitbestimmungsrechts teilweise ausgeschlossen und unterliegen einem besonderen Kündigungsschutz. Steuer- und sozialversicherungsrechtlich gelten für sie hingegen im Regelfall die allgemeinen Arbeitnehmerregelungen, mit einigen Ausnahmen bei Geschäftsführern und Vorständen. Die Ermittlung, ob eine Person als leitender Angestellter im Rechtssinne gilt, ist von zentraler arbeitsrechtlicher Bedeutung und bedarf stets einer sorgfältigen Einzelfallprüfung.
Häufig gestellte Fragen
Welche besonderen Kündigungsbedingungen gelten für leitende Angestellte?
Leitende Angestellte unterliegen in Bezug auf die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses besonderen rechtlichen Rahmenbedingungen. Anders als bei regulären Arbeitnehmern findet das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) für leitende Angestellte im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG nur eingeschränkt Anwendung. Zwar sind auch hier die allgemeinen Kündigungsfristen einzuhalten, Arbeitgeber haben jedoch – im Gegensatz zu nicht-leitenden Angestellten – die Möglichkeit, jederzeit einen Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit gerichtlicher Entscheidung und der Zahlung einer Abfindung zu stellen (§ 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG). Das bedeutet, dass im Falle eines Kündigungsschutzprozesses das Arbeitsgericht auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufheben kann, auch wenn die Kündigung an sich unwirksam war, sofern ein leitender Angestellter betroffen ist. Zusätzlich gelten für die Kündigung leitender Angestellter nicht die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gemäß § 102 Betriebsverfassungsgesetz, d.h. der Betriebsrat muss nicht angehört werden. Demgegenüber sind leitende Angestellte im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes von der Mitbestimmung weitgehend ausgenommen. Wichtig ist jedoch, dass tarifliche Sonderregelungen oder einzelvertragliche Vereinbarungen abweichende Regelungen enthalten können. Es empfiehlt sich immer, sowohl den Arbeitsvertrag als auch etwaige Tarifwerke sorgfältig zu prüfen.
Inwiefern gelten arbeitszeitrechtliche Vorschriften für leitende Angestellte?
Leitende Angestellte sind im Rahmen der Arbeitszeitgesetzgebung in vielen Bereichen privilegiert beziehungsweise ausgenommen. Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) finden die wesentlichen Schutzvorschriften dieses Gesetzes – insbesondere zu Höchstarbeitszeiten, Ruhezeiten und Arbeit an Sonn- und Feiertagen – keine Anwendung auf leitende Angestellte. Hintergrund dieser Regelung ist die Annahme, dass Leitende aufgrund ihrer herausgehobenen Position, Eigenverantwortung und Entscheidungsbefugnisse ihre Arbeitszeit selbst bestimmen können und daher keiner detaillierten arbeitszeitrechtlichen Regulierung bedürfen. Daraus ergibt sich jedoch auch, dass ein Anspruch auf Überstundenausgleich oder Zeitzuschläge im Geltungsbereich des ArbZG für leitende Angestellte grundsätzlich entfällt, sofern dies nicht explizit arbeitsvertraglich anders geregelt ist.
Welche Bedeutung hat der Betriebsrat für leitende Angestellte?
Leitende Angestellte sind im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ausdrücklich von der aktiven und passiven Wahl zum Betriebsrat ausgenommen (§ 5 Abs. 3 BetrVG). Das bedeutet, sie können weder gewählt werden noch an Betriebsratswahlen teilnehmen. Die Beteiligungsrechte des Betriebsrates, z.B. bei personellen Einzelmaßnahmen, gelten für leitende Angestellte ebenfalls nicht. Für deren spezielle Anliegen sieht das Betriebsverfassungsgesetz die Bildung eines besonderen Sprecherausschusses vor, der die Interessen der leitenden Angestellten gegenüber dem Arbeitgeber vertritt (§§ 5 Abs. 3, 28 ff. BetrVG). Somit verfügen Leitende zwar über ein Interessenvertretungsorgan, dieses besitzt jedoch wesentlich eingeschränktere Beteiligungsrechte als der Betriebsrat der übrigen Arbeitnehmer.
Haben leitende Angestellte Anspruch auf Mutterschutz und Elternzeit?
Die Vorschriften zum Mutterschutzgesetz (MuSchG) und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) gelten grundsätzlich auch für leitende Angestellte. Das bedeutet, dass insbesondere die Schutzfristen vor und nach der Entbindung, das Beschäftigungsverbot sowie der besondere Kündigungsschutz während Schwangerschaft und Elternzeit auch auf leitende Angestellte anzuwenden sind. Auch Ansprüche auf Elterngeld bestehen unter den jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen. Allerdings können sich abweichende Regelungen aus arbeitsvertraglichen oder tarifvertraglichen Vereinbarungen ergeben, weshalb eine genaue Prüfung der jeweiligen individuellen Konstellation erforderlich ist.
Wie ist die Vergütung von Überstunden bei leitenden Angestellten geregelt?
Leitende Angestellte sind gemäß § 18 ArbZG grundsätzlich von den Arbeitszeitregelungen – und damit auch von einem gesetzlichen Anspruch auf Überstundenvergütung – ausgenommen. Ob Überstunden zusätzlich vergütet werden, ist daher primär eine Frage des Arbeitsvertrags. In der Praxis ist zumeist eine pauschale Abgeltung von Mehrarbeit durch das Gehalt vereinbart, was angesichts der herausgehobenen Position und der damit verbundenen Selbstständigkeit als sachgerecht gilt. Ist im Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung keine Regelung getroffen, steht es dem leitenden Angestellten grundsätzlich frei, Überstundenvergütung einzufordern, wobei die Rechtsprechung jedoch hohe Anforderungen an den Nachweis und die Notwendigkeit der Überstunden stellt.
Können leitende Angestellte befristet beschäftigt werden?
Befristungen von Arbeitsverhältnissen sind auch für leitende Angestellte gesetzlich zulässig. Hierbei gelten die allgemeinen Regelungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG). Demnach kann ein Arbeitsverhältnis mit einem leitenden Angestellten ohne Sachgrund bis zu zwei Jahren befristet und innerhalb dieses Zeitraums bis zu dreimal verlängert werden (§ 14 Abs. 2 TzBfG). Eine Befristung mit Sachgrund, etwa für die Dauer eines Projekts, ist jederzeit möglich. Bei der Gestaltung befristeter Arbeitsverträge sind etwaige tarifvertragliche Sonderregeln und die genaue Definition als leitender Angestellter zu berücksichtigen.
Genießen leitende Angestellte besonderen Kündigungsschutz, wie z.B. Schwerbehinderte oder Schwangere?
Auch für leitende Angestellte gilt der besondere Kündigungsschutz, wie er beispielsweise für schwerbehinderte Menschen gemäß § 168 SGB IX oder während der Schwangerschaft und Elternzeit nach dem Mutterschutzgesetz (§ 17 MuSchG) vorgesehen ist. Das heißt, auch bei leitenden Angestellten ist im Falle einer Schwerbehinderung eine Zustimmung des Integrationsamtes vor Ausspruch der Kündigung erforderlich, und Schwangere genießen unabhängig von ihrer Position einen besonderen Kündigungsschutz. Die Sonderregeln greifen somit auch für diesen Personenkreis. Eine Kündigung in diesen Fällen kann im Regelfall nur mit behördlicher Zustimmung ausgesprochen werden.