Begriff und Definition der Leichenschändung
Leichenschändung bezeichnet eine strafbare Handlung, bei der der Körper eines verstorbenen Menschen oder dessen unmittelbare Umgebung in einer die Totenruhe verletzenden Weise behandelt wird. Im deutschen Recht ist der Begriff „Leichenschändung“ geprägt vom Schutzgedanken der Menschenwürde, auch über den Tod hinaus. Maßgeblich ist hierbei, dass das Ansehen des Verstorbenen und das Pietätsgefühl der Gesellschaft bewahrt werden sollen.
Rechtsnormen und Gesetzliche Grundlagen
Deutschland
Die Leichenschändung ist in Deutschland im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. § 168 StGB lautet:
(1) Wer unbefugt den Körper oder Teile des Körpers eines verstorbenen Menschen wegnimmt, zerstört, beschädigt oder auf andere Weise die Totenruhe stört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Dies umfasst sämtliche Handlungen, die geeignet sind, die Totenruhe nachhaltig zu beeinträchtigen. Geschützt werden nach deutschem Recht sowohl der gesamte Leichnam als auch Teile des Körpers sowie die Ruhestätte des Verstorbenen (z. B. Grabstätten, Urne, Sarg).
Österreich
In Österreich sind einschlägige Bestimmungen insbesondere im § 190 Strafgesetzbuch (StGB) verankert:
„Wer eine Leiche oder Teile einer solchen schändet oder einen Leichnam verunstaltet …, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen.“
Hier wird auch auf die Schändung als Tatbestand Bezug genommen und ähnliche Schutzinteressen wie im deutschen Recht verfolgt.
Schweiz
Das Schweizer Recht enthält im Strafgesetzbuch (Art. 262 StGB) spezifische Bestimmungen zum Tatbestand der Schändung eines Leichnams.
Tatbestandsmerkmale
Objektiver Tatbestand
Um eine Leichenschändung zu erfüllen, müssen objektiv folgende Voraussetzungen vorliegen:
- Tatobjekt: Der Körper eines verstorbenen Menschen oder dessen Teile
- Tathandlung: Wegnahme, Zerstörung, Beschädigung, Verunstaltung oder eine andere Form der Schändung (z. B. Entweihung einer Ruhestätte)
- Rechtswidrigkeit: Die Tat muss unbefugt erfolgen, d. h. ohne Zustimmung der dazu Berechtigten oder ohne gesetzliche Erlaubnis
Mögliche Handlungen sind etwa das Öffnen eines Grabes, das Entfernen von Teilen des Leichnams, das Beschmieren, Verstümmeln oder Zerstören eines Leichnams sowie das Herabwürdigen in anderer Form.
Subjektiver Tatbestand
Für die Strafbarkeit ist in der Regel Vorsatz erforderlich. Das bedeutet, der Handelnde muss mit dem Bewusstsein und dem Willen handeln, die Totenruhe zu stören oder den Leichnam zu schänden. Fahrlässigkeit ist grundsätzlich nicht strafbar, es sei denn, das Gesetz stellt diese ausdrücklich unter Strafe (was bei Leichenschändung typischerweise nicht der Fall ist).
Geschütztes Rechtsgut
Das zentrale Schutzinteresse bei der Leichenschändung ist der postmortale Achtungsanspruch des Menschen. Die Würde jedes Individuums setzt sich mit dem Tod fort („Totenwürde“), wonach auch der Umgang mit Verstorbenen von Respekt und Rücksicht auf das Empfinden der Hinterbliebenen und der Allgemeinheit getragen sein muss. Weiterhin schützt die Strafnorm die Pietät und die öffentliche Ordnung.
Strafmaß und Rechtsfolgen
Nach § 168 StGB droht bei Leichenschändung in Deutschland eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Der Versuch ist straflos, da das Gesetz dies nicht ausdrücklich regelt. Besondere Schwere kann sich ergeben, wenn die Tat öffentlich erfolgt oder besonders verwerflich ist (z. B. bei Verstümmelung zu rituellen Zwecken oder zur Belustigung Dritter).
Begleitend können zivilrechtliche Ansprüche auf Unterlassung, Widerruf oder Schadenersatz entstehen, insbesondere von Angehörigen des Verstorbenen.
Abgrenzungen und Sonderfälle
Störung der Totenruhe
Die Sachverhalte der Störung der Totenruhe überschneiden sich mit denen der Leichenschändung, sind jedoch häufig weiter gefasst. Während die Leichenschändung immer eine konkrete Einwirkung auf den Leichnam bedingt, kann die Störung der Totenruhe auch die Verletzung der Grabstelle oder Identitätsentwendung beinhalten.
Zulässiger Umgang mit Leichen
Bestimmte Handlungen an Leichnamen sind durch spezielle Gesetze oder eine behördliche Genehmigung gedeckt, etwa im Rahmen medizinischer Forschung, Obduktionen oder Maßnahmen der Gefahrenabwehr. Voraussetzung bleibt jedoch immer eine sachgerechte und würdige Behandlung.
Umgang mit Leichenteilen und Erinnerungsstücken
Auch das Aufbewahren, Sammeln oder Präsentieren von Körperteilen Verstorbener (z. B. als medizinisches Präparat oder in Privatbesitz) kann tatbestandlich eine Leichenschändung darstellen, wenn dies ohne rechtfertigenden Grund erfolgt.
Internationale Regelungen und Vergleich
Leichenschändung ist in nahezu allen Rechtsordnungen unter Strafe gestellt, teils unter anderen Bezeichnungen wie „Störung der Totenruhe“, „Schändung eines Grabes“ oder „Misshandlung von Leichnamen“. Der Schutzgedanke ist international vergleichbar und häufig vom Prinzip der Achtung vor der Würde des Menschen abgeleitet. Unterschiede bestehen in Detail und Ausmaß der Strafzumessung sowie bei den erfassten Handlungen.
Kriminologische und gesellschaftliche Aspekte
Leichenschändungen werden in der Gesellschaft als besonders verwerflich betrachtet, da sie nicht nur das Andenken eines Menschen, sondern auch das Empfinden der Hinterbliebenen und das Pietätempfinden einer gesamten Gemeinschaft verletzen. Die Aufklärung solcher Taten stellt Ermittlungsbehörden regelmäßig vor praktische und ethische Herausforderungen.
Fazit
Leichenschändung ist ein strafbares Verhalten, das die Pietätsgrenzen der Gesellschaft überschreitet und mit der höchsten Sensibilität bewertet wird. Entsprechende Strafvorschriften dienen dem Schutz der Totenwürde und des gesellschaftlichen Respekts vor dem Menschen, auch nach dessen Tod. Die gesetzlichen Regelungen sind komplex und unterscheiden sich teilweise im Detail zwischen verschiedenen Ländern, haben jedoch weltweit vergleichbare Schutzziele.
Häufig gestellte Fragen
Welche Straftatbestände sind im Zusammenhang mit Leichenschändung relevant?
Leichenschändung wird im deutschen Recht vor allem durch § 168 des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt. Dieser Paragraph schützt die Totenruhe als Rechtsgut, indem er das unbefugte Öffnen von Gräbern oder Urnen, das Entwenden von Leichen oder Leichenteilen sowie jede Form der Schändung oder Verletzung des Leichnams unter Strafe stellt. Darüber hinaus können, je nach Einzelfall, weitere Straftatbestände erfüllt sein, etwa Störung der Totenruhe, Hausfriedensbruch (§ 123 StGB), Sachbeschädigung (§ 303 StGB), Diebstahl (§ 242 StGB), wenn z.B. Grabbeigaben entwendet werden, oder auch Körperverletzungsdelikte, sollten Handlungen an Leichen vorgenommen werden, die medizinisch nicht gerechtfertigt sind. In besonders schweren Fällen, beispielsweise bei der gewerbsmäßigen Ausnutzung oder wenn rassistische, volksverhetzende Beweggründe vorliegen, kann eine Strafverschärfung erfolgen.
Welche Rechtsfolgen drohen bei einer Verurteilung wegen Leichenschändung?
Bei einer Verurteilung nach § 168 StGB droht dem Täter grundsätzlich eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Eine Strafzumessung im Einzelfall hängt von der Tatschwere, dem Ausmaß der Schändung, den Beweggründen sowie etwaigen Vorstrafen des Täters ab. In besonders gravierenden Fällen oder bei gleichzeitiger Verwirklichung weiterer Straftatbestände wird die Strafe entsprechend höher ausfallen. Außerhalb des Strafrechts können auch zivilrechtliche Konsequenzen folgen, beispielsweise Schmerzensgeldansprüche der Hinterbliebenen aufgrund der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Verstorbenen.
Wer ist zum Schutz der Totenruhe berechtigt, Anzeige zu erstatten?
Grundsätzlich kann jede Person eine Anzeige bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft erstatten, sobald von einer möglichen Leichenschändung Kenntnis erlangt wird, da es sich hierbei um ein Offizialdelikt handelt, welches von Amts wegen verfolgt wird. Berechtigt und häufig in der Praxis betroffen sind insbesondere nahe Angehörige, wie Ehepartner, Kinder, Eltern oder Geschwister des Verstorbenen. Auch Friedhofsverwaltungen, Kirchen oder das zuständige Ordnungsamt sind häufig anzeigeberechtigte oder -pflichtige Stellen, da sie für den Schutz und die Überwachung von Ruhestätten verantwortlich sind.
Wie unterscheidet sich Leichenschändung von anderen Straftaten im Zusammenhang mit Leichen?
Leichenschändung nach § 168 StGB zielt auf die Verletzung der Totenruhe durch besondere Missachtungshandlungen an der Leiche, Teilen davon oder an deren Begräbnisstätte ab. Andere Delikte, die sich im weiteren Sinn auf den Umgang mit menschlichen Überresten oder Grabstätten beziehen, umfassen unter anderem Störung der Bestattungsruhe, Grabräuberei (z.B. Diebstahl von Grabbeigaben), Körperverletzung bei Sterbenden oder Missachtung von Bestattungsvorschriften nach den Landesbestattungsgesetzen. Während Leichenschändung auf die Ehrverletzung des Verstorbenen abzielt, schützen andere Delikte oftmals auch Eigentumsinteressen oder die öffentliche Ordnung.
Welche Rolle spielt der Vorsatz bei der Strafbarkeit der Leichenschändung?
Für eine Strafbarkeit nach § 168 StGB ist grundsätzlich Vorsatz erforderlich, das heißt, der Täter muss bewusst und willentlich die Totenruhe verletzen wollen. Fahrlässige Handlungen, etwa unbeabsichtigte Grabstörungen oder irrtümliche Beeinträchtigungen, sind grundsätzlich nicht strafbar im Sinne der Leichenschändung. Es ist jedoch möglich, dass fahrlässige Beeinträchtigungen durch andere Vorschriften, etwa ordnungswidrigkeitsrechtliche Bestimmungen, geahndet werden können. Der Nachweis des Vorsatzes erfolgt jeweils im Rahmen staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen anhand der Umstände des Einzelfalls.
Gibt es Ausnahmen, in denen eine Handlung an einer Leiche nicht strafbar ist?
Ja, das Strafgesetz sieht tatbestandsausschließende Ausnahmen vor. So sind Handlungen, die im Rahmen einer rechtmäßigen Obduktion, wissenschaftlicher Untersuchungen, medizinischer Transplantationen oder behördlich angeordneter Exhumierungen durchgeführt werden, ausdrücklich erlaubt, sofern sie gesetzlich zulässig sind und mit dem gebotenen Respekt erfolgen. Voraussetzung ist regelmäßig die Zustimmung der berechtigten Angehörigen oder eine richterliche Anordnung bei behördlichem Interesse. Überschreitungen des rechtlichen Rahmens, etwa nicht genehmigte oder nicht ordnungsgemäß durchgeführte Handlungen, können dennoch zu einer Strafbarkeit führen.
Können auch juristische Personen (z.B. Unternehmen oder Vereine) für Leichenschändung verantwortlich gemacht werden?
Das deutsche Strafrecht kennt grundsätzlich keine unmittelbare Strafbarkeit von juristischen Personen wie Unternehmen oder Vereinen. Allerdings können verantwortliche Entscheidungsträger – wie Geschäftsführer oder leitende Angestellte – persönlich strafrechtlich belangt werden, wenn sie eine Leichenschändung in Ausübung ihrer Tätigkeit anordnen, dulden oder unmittelbar begehen. Darüber hinaus sieht das Ordnungswidrigkeitenrecht (§ 30, § 130 OWiG) die Möglichkeit vor, gegen Unternehmen oder Vereine Bußgelder zu verhängen, wenn Straftaten aus dem Bereich ihres Geschäftsbetriebs begangen werden.