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Leibesfrucht, Tötung der –


Definition der Leibesfrucht und rechtlicher Rahmen

Als Leibesfrucht bezeichnet das deutsche Recht das ungeborene menschliche Leben im Mutterleib, also den Embryo oder Fötus in allen Stadien vor der Geburt. Die Begriffsverwendung stammt aus verschiedenen Bereichen des Zivil- und Strafrechts und berührt insbesondere Fragen des Lebensschutzes, Erbrechts sowie des Strafrechts im Zusammenhang mit der Tötung der Leibesfrucht.

Historische und rechtliche Entwicklung

Die rechtliche Behandlung der Leibesfrucht, besonders hinsichtlich ihrer Tötung, hat sich in der deutschen Rechtsgeschichte fortlaufend gewandelt. Während im Mittelalter noch uneinheitliche Regelungen galten, sind heute sowohl im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) als auch im Strafgesetzbuch (StGB) maßgebliche Normen enthalten.

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Im BGB spielt die Leibesfrucht vor allem im Bereich des Erbrechts und des Kindesrechts eine Rolle. Gemäß § 1923 Abs. 2 BGB ist auch ein noch nicht geborenes Kind (Nasciturus) bereits erbfähig, sofern es lebend geboren wird. Damit werden dem ungeborenen Leben gewisse Rechte eingeräumt, die aber durch das tatsächliche Überleben bei der Geburt aufschiebend bedingt sind.

Strafgesetzbuch (StGB)

Das Strafrecht schützt das ungeborene Leben primär im Zusammenhang mit der Tötung der Leibesfrucht. Die wichtigsten Vorschriften sind in den §§ 218 ff. StGB („Straftaten gegen das Leben – Schwangerschaftsabbruch“) enthalten.

Die Tötung der Leibesfrucht im Strafrecht

Begriffsklärung: Tötung der Leibesfrucht

Unter der Tötung der Leibesfrucht wird im Wesentlichen die vorsätzliche oder fahrlässige Beendigung des ungeborenen menschlichen Lebens verstanden. Der juristische Terminus bezieht sich meist auf die Abtreibung, umfasst jedoch auch Fälle der Fremdeinwirkung, bei denen die Leibesfrucht durch Dritte zum Tod gebracht wird.

Straftatbestand: Schwangerschaftsabbruch (§ 218 StGB)

Der Schwangerschaftsabbruch ist nach deutschem Recht grundsätzlich strafbar (§ 218 Abs. 1 StGB). Lediglich unter engen Voraussetzungen, etwa bei Einhaltung gesetzlicher Fristen und Beratungsauflagen (§ 218a StGB), bleibt die Tat straflos.

Voraussetzungen der Strafbarkeit

  • Vorsätzlicher Abbruch der Schwangerschaft stellt grundsätzlich eine Straftat dar.
  • Ein Schutz der Leibesfrucht besteht auch bei fahrlässiger Einwirkung (beispielsweise durch Körperverletzung der Schwangeren mit Todesfolge).
  • Ausnahmen gelten insbesondere bei einer Vergewaltigung (§ 218a Abs. 3 StGB) oder bei medizinischer Indikation (zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit der Schwangeren).

Beteiligung Dritter

Auch Dritte – namentlich Ärzte, das Umfeld der Schwangeren sowie sonstige Personen – können sich strafbar machen, wenn sie an einem nicht gerechtfertigten Eingriff beteiligt sind.

Rechtsgüter und Schutzumfang

Das ungeborene Leben genießt grundgesetzlichen Schutz gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG („Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“). Nach der Rechtsprechung umfasst dieser Schutz auch die Leibesfrucht ab dem Zeitpunkt der Nidation (Einnistung der Eizelle), nicht jedoch pränatale Entwicklungsstadien davor.

Abgrenzung zu anderen Tatbeständen

Unterscheidung zur Tötung auf Verlangen und Totschlag

Die Tötung der Leibesfrucht ist nicht mit den §§ 212, 216 StGB (Totschlag, Tötung auf Verlangen) gleichzusetzen, da die Leibesfrucht strafrechtlich nicht als „Mensch“ im Sinne dieser Vorschriften gilt. Der Schutz für das ungeborene Leben endet mit dem Beginn der Geburt; ab diesem Zeitpunkt greifen andere Tatbestände wie Totschlag oder Mord.

Körperverletzung der Schwangeren mit Folgen für die Leibesfrucht

Führt eine Körperverletzung an der Schwangeren zum Tod oder Schaden der Leibesfrucht, ist eine eigenständige Strafbarkeit nach §§ 223 ff., 227 StGB möglich, je nach Eintritt des Schadens und der Kausalität.

Sonderfälle: Leibesfruchtschädigung und fahrlässige Tötung

Die fahrlässige oder vorsätzliche Herbeiführung des Todes der Leibesfrucht kann auch außerhalb eines gezielten Schwangerschaftsabbruchs strafrechtlich relevant werden, beispielsweise bei Verkehrsunfällen oder sonstigen Gewalthandlungen, die den Fötus im Mutterleib schädigen oder töten.

Prozessrechtliche Besonderheiten

Vertretung der Leibesfrucht

Im gerichtlichen Verfahren wird die Leibesfrucht, soweit erforderlich, durch einen vom Gericht bestellten Pfleger vertreten, der die Interessen des ungeborenen Kindes wahrt.

Beweisrechtliche Aspekte

Die Feststellung, ob und wann der Tod der Leibesfrucht eingetreten ist, kann erhebliche Bedeutung für die Zurechnung und Bewertung der Tat haben. Dies betrifft insbesondere den Zeitraum zwischen dem Beginn der Schwangerschaft und der Geburt.

Internationaler Rechtsvergleich

Die Schutzvorschriften für die Leibesfrucht und die Regelungen zur Tötung differieren im internationalen Vergleich teils erheblich. Während viele europäische Staaten vergleichbare Regelungen hinsichtlich des Schwangerschaftsabbruchs und des Lebensschutzes kennen, gibt es Unterschiede bezüglich der Fristen, Indikationen und strafrechtlichen Sanktionen.

Zusammenfassung

Die Tötung der Leibesfrucht ist in Deutschland umfassend rechtlich geregelt und unterliegt einem differenzierten Schutz durch das Zivil- und Strafrecht. Die einschlägigenNormen zielen darauf ab, das ungeborene Leben zu schützen, Straftaten zu verhindern und einen sorgfältigen Ausgleich zwischen Selbstbestimmung der Schwangeren sowie Lebensrecht des ungeborenen Kindes zu gewährleisten. Die Tötung der Leibesfrucht ist grundsätzlich strafbar, es bestehen jedoch normierte Ausnahmen, die unter engen gesetzlichen Voraussetzungen eine Straflosigkeit begründen. Die Behandlung dieses Themenkomplexes ist von erheblicher Bedeutung für den Lebensschutz und die medizinisch-ethische Praxis in Deutschland.

Häufig gestellte Fragen

Wann gilt die Tötung der Leibesfrucht im rechtlichen Sinne als strafbar?

Im deutschen Recht ist die Tötung der Leibesfrucht insbesondere im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Grundsätzlich ist die vorsätzliche Tötung der Leibesfrucht – also des ungeborenen Kindes – im Rahmen des § 218 StGB als Schwangerschaftsabbruch (Abtreibung) unter Strafe gestellt. Strafbar wird der Schwangerschaftsabbruch, wenn er ohne Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen erfolgt, d.h. insbesondere ohne vorherige Beratung und Ablauf bestimmter Fristen oder ohne medizinische oder kriminologische Indikation. Als Leibesfrucht gilt dabei das Kind, welches sich im Mutterleib befindet – ab der Nidation (Einnistung der befruchteten Eizelle in der Gebärmutterschleimhaut). Die Strafbarkeit beginnt somit nicht bereits mit der Befruchtung, sondern mit der Einnistung. Bleiben die gesetzlichen Voraussetzungen unberücksichtigt, handelt es sich rechtlich um eine strafbare Tötung der Leibesfrucht.

Welche gesetzlichen Ausnahmen von der Strafbarkeit gibt es?

Das deutsche Strafrecht sieht in § 218a StGB zahlreiche Ausnahmen von der grundsätzlichen Strafbarkeit der Tötung der Leibesfrucht vor. Keine Strafbarkeit besteht beispielsweise, wenn der Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten zwölf Wochen nach Empfängnis vorgenommen wird und die Schwangere sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff einer Pflichtberatung nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz unterzogen hat (Beratungsregelung). Ferner sind Abbrüche auch nach Ablauf dieser Frist straffrei, wenn eine medizinische oder kriminologische Indikation vorliegt. Die medizinische Indikation umfasst Fälle, in denen das Leben oder die physische bzw. psychische Gesundheit der Schwangeren ernsthaft gefährdet ist. Eine kriminologische Indikation liegt vor, wenn die Schwangerschaft auf einer rechtswidrigen Tat, wie z.B. Vergewaltigung, beruht.

Wer kann wegen Tötung der Leibesfrucht strafrechtlich belangt werden?

Nicht nur die schwangere Person selbst kann wegen der Tötung der Leibesfrucht belangt werden. Das StGB sieht vor, dass auch Dritte, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen oder ermöglichen – wie beispielsweise ärztliches Personal -, strafbar sein können, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen nicht eingehalten werden. Auch Personen, die zur Tötung der Leibesfrucht auffordern, anstiften oder Beihilfe leisten, können sich strafbar machen. Es bestehen unterschiedliche Strafandrohungen, je nachdem, ob der Eingriff mit oder ohne Einwilligung der Schwangeren erfolgt. Zudem gibt es eine besondere Beurteilung, wenn die Schwangere durch andere zu diesem Schritt genötigt wird.

Welche strafrechtlichen Konsequenzen drohen bei der Tötung der Leibesfrucht?

Das Strafmaß für die Tötung der Leibesfrucht richtet sich nach § 218 StGB. Ein unerlaubter Schwangerschaftsabbruch wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet. Erfolgt die Handlung ohne Einwilligung der Schwangeren, kann das Strafmaß sogar bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe betragen. Versucht die Schwangere selbst einen Schwangerschaftsabbruch und verstößt gegen die gesetzlichen Vorgaben, ist auch sie strafbar, allerdings sieht das Gesetz häufig die Möglichkeit eines Absehens von Strafe vor, wenn mildernde Umstände vorliegen. Die ärztliche Zulassung kann ebenfalls berührt werden, wenn die gesetzlichen Bestimmungen missachtet werden.

Wie wird die Tötung der Leibesfrucht von anderen Tötungsdelikten abgegrenzt?

Die Tötung der Leibesfrucht ist von anderen Tötungsdelikten wie Totschlag (§ 212 StGB) oder Mord (§ 211 StGB) dadurch abzugrenzen, dass die Leibesfrucht nicht als Person im Sinne dieser Vorschriften gilt. Das ungeborene Kind ist rechtlich gesehen erst mit dem Beginn der Geburt (§ 1 BGB) als Mensch zu behandeln. Vor diesem Zeitpunkt sind ausschließlich die speziellen Regelungen zu Schwangerschaftsabbrüchen anzuwenden. Diese rechtliche Grenze ist maßgeblich für die Einordnung und die relevante Strafnorm.

Welche prozessualen Besonderheiten gelten bei der Verfolgung von Straftaten im Zusammenhang mit der Tötung der Leibesfrucht?

Straftaten nach §§ 218 ff. StGB werden grundsätzlich von Amts wegen verfolgt (Offizialdelikt), es gibt aber Ausnahmen: Zum Beispiel wird nach § 218b Absatz 3 StGB beim Schwangerschaftsabbruch auf Verlangen der Schwangeren ein Strafantrag benötigt, sofern nur sie selbst betroffen ist. Die Prozesse finden, wie bei anderen Tötungsdelikten, vor den ordentlichen Gerichten statt. Es ist stets zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Eingriff vorlagen, was eine umfassende Beweisaufnahme und Prüfung der ärztlichen Dokumentation notwendig macht.

Welche Rolle spielt die ärztliche Beratungspflicht im Kontext der Leibesfruchttötung?

Die ärztliche Beratung und die umfassende Information der Schwangeren sind zentrale Voraussetzungen für die Straflosigkeit eines Schwangerschaftsabbruchs. Nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz muss die Beratung ergebnisoffen und unter Berücksichtigung des Schutzes des ungeborenen Lebens erfolgen. Sie dient dazu, der Schwangeren alle medizinischen, sozialen und rechtlichen Möglichkeiten aufzuzeigen. Die Missachtung dieser Pflicht kann zur Strafbarkeit führen und beeinflusst insbesondere die Frage, ob ein Eingriff unter die Ausnahmeregelungen des § 218a StGB fällt. Die Einholung einer schriftlichen Bestätigung über das Beratungsgespräch ist zwingend erforderlich.