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Lebenslange Freiheitsstrafe


Lebenslange Freiheitsstrafe

Die lebenslange Freiheitsstrafe gehört in vielen Staaten weltweit zu den schwersten Sanktionsformen im Strafrecht. Sie ist insbesondere als Höchstmaß strafrechtlicher Sanktionen im Bereich schwerer Verbrechen, insbesondere Mord, zu finden. Im deutschen Strafrecht markiert die lebenslange Freiheitsstrafe eine zeitlich nicht begrenzte Inhaftierung, wobei unterschiedliche gesetzliche Regelungen deren Vollstreckung, Aussetzung und mögliche Haftentlassung regeln.


Begriff und Definition

Die lebenslange Freiheitsstrafe beschreibt eine durch ein Gericht verhängte Strafe, die nach dem Wortlaut dazu bestimmt ist, den Verurteilten bis zum Lebensende seiner Freiheit zu berauben. Sie unterscheidet sich von zeitlich begrenzten Freiheitsentziehungen, da das Strafmaß formal keine festgelegte Höchstdauer kennt. Die tatsächliche Haftdauer kann jedoch durch Regelungen zur vorzeitigen Haftentlassung beeinflusst werden.


Gesetzliche Grundlagen

Deutschland

In Deutschland ist die lebenslange Freiheitsstrafe im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Sie findet nach § 38 Abs. 1 StGB als „lebenslang“ statt. Das Strafmaß wird dabei insbesondere für den Straftatbestand des Mordes (§ 211 StGB) zwingend vorgeschrieben. Darüber hinaus sieht das Gesetz weitere besonders schwere Straftatbestände vor, bei denen die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe möglich ist, wie etwa Völkermord gemäß § 6 VStGB.

Österreich

Auch im Strafrecht Österreichs kann eine lebenslange Freiheitsstrafe (§ 18 StGB) verhängt werden, insbesondere für Mord und andere Schwerverbrechen. Hier besteht ähnliche Möglichkeit zur bedingten Entlassung nach einer bestimmten Mindestverbüßungsdauer.

Schweiz

In der Schweiz ist die lebenslange Freiheitsstrafe im Strafgesetzbuch (Art. 40 Schweizer StGB) vorgesehen und wird etwa bei Mord oder besonders schweren Sexualdelikten angewendet.


Voraussetzungen und Verhängung

Absolute und relative Strafandrohung

Einige Straftatbestände verlangen zwingend die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe (absolute Strafandrohung), z. B. Mord nach deutschem Recht. Andere sehen sie im Rahmen einer Strafzumessung als Möglichkeit vor (relative Strafandrohung), etwa bei besonders schweren Fällen von Totschlag.

Strafzumessung und besondere Schwere der Schuld

Die Feststellung einer „besonders schweren Schuld“ (§ 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB) stellt regelmäßig ein zentrales Kriterium dar. Das Gericht muss hier eigenständig bewerten, ob die Schuld des Täters das Maß gewöhnlicher Verbrechen erheblich übersteigt, was sich insbesondere auf die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung auswirkt.


Vollstreckung und Haftbedingungen

Die Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe erfolgt grundsätzlich in Justizvollzugsanstalten. Die Bedingungen richten sich nach den jeweiligen Vollzugsgesetzen der Bundesländer beziehungsweise nach nationalen Standards, die unter anderem den Schutz der Menschenwürde, Versorgung, Beschäftigung und Resozialisierungsangebote betreffen.

Sicherungsverwahrung

Bei besonders gefährlichen Tätern kann zusätzlich zur lebenslangen Freiheitsstrafe die sogenannte Sicherungsverwahrung angeordnet werden. Diese erfolgt im Anschluss an die verbüßte Freiheitsstrafe und dient ausschließlich dem Schutz der Allgemeinheit.


Aussetzung zur Bewährung und Haftentlassung

Rechtliche Grundlage

In Deutschland bestimmt § 57a StGB, dass eine lebenslange Freiheitsstrafe nach frühestens 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden kann, sofern nicht die besondere Schwere der Schuld die Fortdauer gebietet oder die Sicherungsverwahrung angeordnet wurde.

Voraussetzungen der Entlassung

Eine vorzeitige Entlassung kommt nur in Betracht, wenn die Gefährlichkeit des Verurteilten nicht mehr besteht, keine gravierenden Rückfallgefahren vorliegen und positive Prognosen hinsichtlich der Wiedereingliederung bestehen. Zuständig für diese Entscheidung ist die Strafvollstreckungskammer.

Rückfall und Bewährungswiderruf

Bei Aussetzungen zur Bewährung kann die Entlassung widerrufen werden, falls der Verurteilte erneut schwerwiegend straffällig wird oder gegen Bewährungsauflagen verstößt.


Abgrenzung zu anderen Sanktionen

Zeitliche Freiheitsstrafe

Die zeitige Freiheitsstrafe ist im Gegensatz zur lebenslangen Freiheitsstrafe auf einen bestimmten Zeitraum (mindestens einen Monat bis höchstens 15 Jahre gemäß § 38 Abs. 2 StGB) begrenzt.

Todesstrafe

Die lebenslange Freiheitsstrafe hat in vielen modernen Rechtsordnungen die Todesstrafe als schärfste gesetzliche Sanktionsform abgelöst. In Deutschland ist die Todesstrafe durch Art. 102 GG abgeschafft.


Reformdiskussionen und Kritik

Menschenrechte und Verhältnismäßigkeit

Die lebenslange Freiheitsstrafe steht national wie international im Fokus rechtsstaatlicher Debatten, insbesondere im Hinblick auf die Achtung der Menschenwürde und die Möglichkeit einer Resozialisierung. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fordert, dass auch bei einer lebenslangen Strafe eine realistische Aussicht auf Entlassung gegeben sein muss (Fall „Vinter u.a. gegen Vereinigtes Königreich“).

Resozialisierung und Sicherungsinteressen

Befürworter sehen in der lebenslangen Freiheitsstrafe einen gewichtigen Beitrag zum Schutz der Gesellschaft und der Opferinteressen, während Kritiker auf die mitunter fehlenden Perspektiven für betroffene Personen verweisen und eine menschenwürdige Haftgestaltung fordern.


Internationale Perspektiven

Die Regelungen zur lebenslangen Freiheitsstrafe differieren weltweit erheblich. Während einige Länder eine tatsächliche Haft bis zum Tod erlauben, kennen andere starre oder flexible Mindestverbüßungszeiten. Zudem gibt es Staaten, in denen regelmäßige Überprüfungen der weiteren Haftdauer oder bewährungshalber Entlassungen gesetzlich vorgesehen sind.


Fazit

Die lebenslange Freiheitsstrafe stellt das extremste reguläre Sanktionsmittel moderner Rechtsordnungen dar. Sie ist zumeist schweren Straftaten vorbehalten und unterliegt streng reglementierten rechtlichen Anforderungen. Zugleich ist sie vielfältigen Reformdiskussionen unterworfen, die sich insbesondere auf menschenrechtliche Aspekte und Anforderungen der Resozialisierung konzentrieren. Ein ausgewogenes Strafrechtssystem sucht den Interessenausgleich zwischen Schutz der Allgemeinheit, Gerechtigkeit für Opfer und der Menschenwürde auch der verurteilten Personen.

Häufig gestellte Fragen

Wie wird der Beginn und das Ende einer lebenslangen Freiheitsstrafe rechtlich bestimmt?

Der Beginn einer lebenslangen Freiheitsstrafe wird rechtlich durch das rechtskräftige Urteil bestimmt, mit dem das Strafmaß festgesetzt wird. Die Strafe beginnt grundsätzlich mit der Aufnahme des Verurteilten in einer Justizvollzugsanstalt auf der Grundlage des vollstreckbaren Urteils. Das Ende der lebenslangen Freiheitsstrafe ist hingegen nicht kalendarisch festgelegt, da das Gesetz – in Deutschland § 38 StGB – keine feste zeitliche Begrenzung vorsieht. Allerdings besteht gemäß § 57a StGB die Möglichkeit, nach 15 Jahren eine Aussetzung zur Bewährung zu beantragen. Die endgültige Entlassung erfolgt dann durch richterlichen Beschluss, wenn unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit keine Gefahr mehr von der verurteilten Person ausgeht. Die tatsächliche Vollzugsdauer kann sich durch besondere Sicherungsinteressen signifikant verlängern. Ein automatisches Ende existiert bei der lebenslangen Freiheitsstrafe gesetzlich nicht; vielmehr gilt sie solange, bis entweder eine entsprechende gerichtliche Entscheidung zur Aussetzung zur Bewährung getroffen oder die Person verstirbt.

Welche Voraussetzungen müssen für eine vorzeitige Entlassung nach lebenslanger Freiheitsstrafe erfüllt sein?

Gemäß § 57a StGB kann eine lebenslange Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn der Verurteilte mindestens 15 Jahre verbüßt hat, keine besondere Schwere der Schuld festgestellt wurde oder diese nach Ablauf von 15 Jahren keine weitere Rolle mehr für die Gefährlichkeit spielt und unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit eine günstige Sozialprognose getroffen werden kann. Das heißt, es darf keine Gefahr bestehen, dass der Entlassene weitere schwere Straftaten begeht. Die Entscheidung hierüber trifft das zuständige Strafvollstreckungskammergericht nach umfassender Würdigung der Persönlichkeit des Verurteilten, des Tatbildes, des Vollzugsverhaltens sowie sonstiger prognoserelevanter Umstände. Die Anhörung des Verurteilten und gegebenenfalls die Einholung forensisch-psychiatrischer Gutachten gehören regelmäßig zum Entscheidungsprozess.

Gibt es Unterschiede zwischen der lebenslangen Freiheitsstrafe für Erwachsene und für Heranwachsende oder Jugendliche?

Das deutsche Jugendstrafrecht kennt gemäß § 18 JGG keine lebenslange Freiheitsstrafe für Jugendliche (bis 18 Jahre). Bei Heranwachsenden (18 bis 21 Jahre) kann das Jugendgericht ausnahmsweise auf lebenslange Freiheitsstrafe erkennen, wenn das Jugendstrafrecht zwar grundsätzlich gilt, die Tat aber nach Art, Ausführung und Schuldgehalt einer Erwachsenenstraftat gleichkommt. In der Praxis wird bei Heranwachsenden jedoch regelmäßig eine Höchststrafe von 10 Jahren Jugendstrafe verhängt. Die Anwendung der lebenslangen Freiheitsstrafe bei Heranwachsenden ist somit eine Ausnahme und bedarf besonders sorgfältiger Begründung.

Wie wird mit einer festgestellten besonderen Schwere der Schuld umgegangen?

Wird im Urteil die besondere Schwere der Schuld festgestellt (§ 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB), ist nach der gesetzlichen Regelung eine Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung nach 15 Jahren regelmäßig ausgeschlossen. Die Prüfung einer Aussetzung zur Bewährung kann dann erst nach Ablauf einer individuell zu bestimmenden Sperrfrist erfolgen, deren Mindestdauer aber gesetzlich nicht abschließend geregelt ist. Es gibt Urteile des Bundesverfassungsgerichts, die verlangen, dass auch hier nach etwa 18 bis 25 Jahren eine konkrete Einzelfallprüfung vorzunehmen ist, um eine lebenslange Inhaftierung ohne Hoffnung auf Entlassung zu verhindern.

Kann die lebenslange Freiheitsstrafe zusätzlich mit Sicherungsverwahrung kombiniert werden?

Ja, nach deutschem Recht ist es möglich, neben einer lebenslangen Freiheitsstrafe auch die anschließende Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) anzuordnen. Dies setzt voraus, dass der Verurteilte als weiterhin gefährlich für die Allgemeinheit angesehen wird und eine entsprechende richterliche Anordnung ergeht. Nach Verbüßung der lebenslangen Freiheitsstrafe bleibt der Betroffene dann weiterhin in Haft, um die Gesellschaft vor möglichen weiteren schweren Straftaten zu schützen. Die Sicherungsverwahrung ist dabei keine Strafe im eigentlichen Sinn, sondern eine präventive Maßnahme, die einer fortlaufenden gerichtlichen Überprüfung unterliegt.

Welche Rechtsmittel stehen gegen eine Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe zur Verfügung?

Gegen das Urteil, mit dem lebenslange Freiheitsstrafe verhängt wird, kann der Verurteilte die ordentlichen Rechtsmittel des deutschen Strafprozessrechts einlegen. Dazu zählen insbesondere die Berufung (bei Landgerichten nicht gegeben, da diese als erste Instanz ohnehin am Landgericht verhandelt werden) und insbesondere die Revision zum Bundesgerichtshof gemäß § 333 StPO. Mit der Revision kann die Verletzung materiellen oder formellen Rechts geltend gemacht werden. Darüber hinaus besteht im Ausnahmefall die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht oder einer Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, etwa bei behaupteten Verstößen gegen das Grundgesetz oder die Europäische Menschenrechtskonvention.

Wie werden während der Haftzeit Rechte und Pflichten des Verurteilten geregelt?

Die Rechte und Pflichten eines zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten richten sich nach den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) bzw. entsprechenden Landesgesetzen. Während der Verbüßung der Strafe stehen dem Verurteilten grundsätzliche Rechte wie Menschenwürde, das Recht auf medizinische Versorgung, Möglichkeiten zur Arbeit und Weiterbildung sowie Kontakt zu Rechtsanwälten zu. Pflichten umfassen insbesondere die Einhaltung der Anstaltsordnung und Weisungen der Anstaltsleitung. Das Vollzugsziel bleibt trotz der langen Haftdauer die Resozialisierung, wobei besondere Regelungen und Überwachungsmaßnahmen existieren, sofern von dem Verurteilten weiterhin eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht.

Was bedeutet lebenslange Freiheitsstrafe im Kontext internationaler Haftbedingungen und Menschenrechte?

Internationale Maßstäbe, insbesondere die EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention), verlangen, dass auch lebenslange Haftstrafen grundsätzlich eine reale Möglichkeit auf vorzeitige Entlassung unter klaren Bedingungen vorsehen und nicht faktisch eine Haft bis zum Tod bedeuten dürfen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mehrfach entschieden, dass der absolute Ausschluss einer Bewährungsmöglichkeit gegen das Folterverbot (Art. 3 EMRK) verstoßen würde. Die deutsche Rechtsprechung wahrt diese Vorgaben, indem sie regelmäßig Überprüfungen und die Möglichkeit der Haftentlassung nach spätestens 15 Jahren vorsieht, sofern keine besonderen Sicherungsinteressen entgegenstehen.