Landwirtschaftliche Unfallversicherung
Die landwirtschaftliche Unfallversicherung ist eine spezielle Form der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland. Sie sichert insbesondere Personen im Bereich der Land- und Forstwirtschaft sowie deren Familienangehörige und Beschäftigte gegen die Folgen von Arbeitsunfällen, Wegeunfällen und Berufskrankheiten ab. Die rechtlichen Rahmenbedingungen und Zuständigkeiten ergeben sich maßgeblich aus dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sowie dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG).
Rechtlicher Rahmen
Rechtsgrundlagen
Die Hauptregelung zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung findet sich im Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Ergänzende Vorschriften bestehen im Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) sowie in diversen Ausführungsordnungen und Satzungen der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften.
Wichtige Normen:
- SGB VII – Insbesondere §§ 1 und 2, 114 ff.
- ALG – Insbesondere § 51 zur Sachlichen Zuständigkeit
- Satzungen der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften
Träger der landwirtschaftlichen Unfallversicherung
Zuständiger Träger ist die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG), in der die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften zusammengefasst sind. Diese Körperschaft des öffentlichen Rechts überwacht die Einhaltung der Versicherungspflicht, zieht die Beiträge ein und führt das gesamte Versicherungsverfahren durch.
Versicherungsumfang
Versicherungspflichtige Personen
Die landwirtschaftliche Unfallversicherung umfasst:
- Unternehmer/innen landwirtschaftlicher Unternehmen (einschließlich deren Ehegatten und Lebenspartner/innen)
- Mithelfende Familienangehörige
- Beschäftigte in der Land- und Forstwirtschaft
- Personen in Einrichtungen der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (z. B. Auszubildende, Praktikanten)
Versicherte Tätigkeiten
Das Versicherungsschutz erstreckt sich auf:
- Alle Tätigkeiten im landwirtschaftlichen Unternehmen (einschließlich Betriebsgelände, Ställe, Wiesen, Felder)
- Wegeunfälle (d. h. Unfälle auf dem direkten Weg zur oder von der landwirtschaftlichen Arbeit)
- Teilweise auch Zweige wie Weinbau, Fischzucht, Gärtnerei und Forstwirtschaft
Versicherungsfreie Tätigkeiten
Nicht unter den Versicherungsschutz fallen:
- Tätigkeiten außerhalb der Landwirtschaft, die keinen Zusammenhang mit dem landwirtschaftlichen Betrieb darstellen
- reine Hobbylandwirtschaft unterhalb festgesetzter Mindestgrenzen (z. B. unwesentlicher Nebenerwerb)
Leistungen der landwirtschaftlichen Unfallversicherung
Prävention
Die Prävention hat laut SGB VII (§ 14 ff.) eine zentrale Bedeutung. Dazu zählen:
- Beratung und Überwachung zur Verhütung von Arbeitsunfällen
- Ausbildungs- und Informationsmaßnahmen
- Kontrolle der Einhaltung von Arbeitsschutzvorschriften
Leistungen im Versicherungsfall
Nach einem Arbeits- oder Wegeunfall sowie bei Auftreten einer Berufskrankheit gewährt die landwirtschaftliche Unfallversicherung:
- Heilbehandlung und Rehabilitation (medizinisch, beruflich und sozial)
- Verletztengeld als Einkommensersatzleistung während der Arbeitsunfähigkeit
- Übergangsgeld bei Maßnahmen zur beruflichen Wiedereingliederung
- Verletztenrente bei dauerhafter Minderung der Erwerbsfähigkeit
- Hinterbliebenenrenten für Angehörige im Todesfall
- Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (berufliche Rehabilitation)
- Pflegeleistungen bei schwerer Pflegebedürftigkeit infolge eines Versicherungsfalls
Umfang und Höhe der Leistungen
Die Bemessung der Ansprüche erfolgt nach den Vorschriften der §§ 47 ff. SGB VII. Maßgeblich ist das Arbeitsentgelt bzw. ein durch die Satzung festgelegtes Jahresarbeitsverdienstmaß, aus dem die Rentenleistungen berechnet werden.
Beiträge und Finanzierung
Beitragspflicht
Die Finanzierung der landwirtschaftlichen Unfallversicherung erfolgt grundsätzlich über Beiträge der Unternehmerinnen und Unternehmer. Die Beitragshöhe richtet sich nach den Entschädigungslasten und dem Gefährdungsrisiko der einzelnen Betriebe (§ 182 SGB VII). Eine Besonderheit stellt der Bundeszuschuss dar, mit dem der Gesetzgeber die Versicherung finanziell unterstützt (§ 110 SGB VII).
Beitragsberechnung
- Die Beiträge werden durch die SVLFG festgesetzt
- Grundlage ist die Gefahrklasse des Unternehmens und dessen Arbeitsentgeltmaß
- Die Mindest- und Höchstbeiträge sowie Nachweispflichten ergeben sich aus den Satzungen der Trägerorganisation
Melde- und Mitwirkungspflichten
Versicherte Betriebe sind verpflichtet, alle Änderungen, die Einfluss auf die Beitragshöhe oder den Versicherungsschutz haben (z. B. Flächenerweiterung, Änderung der Wirtschaftsrichtung), unverzüglich anzuzeigen (§ 192 SGB VII). Verletzungen der Meldepflicht können sowohl zivilrechtliche wie ordnungsrechtliche Folgen nach sich ziehen.
Rechtsweg und Verfahren
Leistungsansprüche werden zunächst im Verwaltungsverfahren bei der SVLFG geltend gemacht. Gegen Bescheide ist der Widerspruch zulässig. Im weiteren Rechtszug ist das Sozialgericht für Streitigkeiten zuständig, es gelten die Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Besonderheiten und Abgrenzungen
Besondere Schutzbedürftigkeit
Die landwirtschaftliche Unfallversicherung trägt den besonderen Gefährdungen in der Land- und Forstwirtschaft Rechnung, die gegenüber anderen Wirtschaftszweigen erhöhte Unfallrisiken aufweisen.
Abgrenzung zu anderen Sozialversicherungszweigen
Es handelt sich um eine eigenständige Unfallversicherung mit spezifischem Versichertenkreis und eigener Beitragsstruktur. Überschneidungen mit der Unfallversicherung der gewerblichen Berufsgenossenschaften bestehen nicht. In Grenzfällen (z. B. landwirtschaftliche Nebenbetriebe) ist eine eindeutige betragsrechtliche Abgrenzung erforderlich.
Internationale Aspekte
Aufgrund europarechtlicher Vorgaben ist die landwirtschaftliche Unfallversicherung auch auf entsandte und ausländische Arbeitskräfte in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen anwendbar, wobei Details im SGB VII sowie in diversen internationalen Sozialversicherungsabkommen geregelt sind.
Fazit:
Die landwirtschaftliche Unfallversicherung stellt durch ihren besonderen rechtlichen Rahmen sicher, dass die spezifischen Risiken der Land- und Forstwirtschaft erfasst und umfassend abgesichert werden. Sie weist eine eigenständige Organisation, spezielle Beitragserhebung sowie Leistungen und zahlreiche rechtliche Besonderheiten im Verhältnis zu anderen Zweigen der gesetzlichen Unfallversicherung auf. Damit bildet sie einen wesentlichen Pfeiler der landwirtschaftlichen Sozialversicherung in Deutschland.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist gesetzlich verpflichtet, eine landwirtschaftliche Unfallversicherung abzuschließen?
Grundsätzlich besteht nach deutschem Recht für Unternehmer eines land- oder forstwirtschaftlichen Unternehmens sowie deren mitarbeitende Familienangehörige gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII eine gesetzliche Verpflichtung zum Abschluss einer landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Diese Versicherungspflicht betrifft sowohl hauptberufliche als auch nebenberufliche Landwirte und erstreckt sich ebenfalls auf die Ehepartner und Kinder, soweit sie im Betrieb mitarbeiten. Die Mitgliedschaft und somit der Versicherungsschutz beginnen grundsätzlich mit der Aufnahme der Tätigkeit bzw. der Anmeldung bei der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG). Von Bedeutung sind die exakte Definition des landwirtschaftlichen Unternehmens, die Größe des Betriebs und die Tätigkeit der mitarbeitenden Personen, da hiervon die Beitragshöhe und der Umfang des Versicherungsschutzes abhängen können. Arbeitnehmer und saisonale Hilfskräfte sind in der Regel über die allgemeine gesetzliche Unfallversicherung abgesichert, sofern sie im Betrieb beschäftigt werden.
Welche Leistungen erbringt die landwirtschaftliche Unfallversicherung im Schadensfall?
Im Schadensfall bietet die landwirtschaftliche Unfallversicherung ein umfassendes Leistungsspektrum, das sich primär nach dem SGB VII richtet. Der Versicherungsschutz umfasst zunächst die medizinische Versorgung einschließlich Heilbehandlung und Rehabilitation. Für Versicherte besteht zudem Anspruch auf Verletztengeld, sofern die Erwerbsfähigkeit infolge eines Arbeitsunfalles, Wegeunfalles oder einer Berufskrankheit vorübergehend eingeschränkt ist. Kommt es zu schwerwiegenden oder dauerhaften Gesundheitsschäden, werden Rentenleistungen gewährt, beispielsweise Verletztenrente oder Erwerbsminderungsrente. Im Todesfall sind Hinterbliebene anspruchsberechtigt auf Sterbegeld, Witwen- bzw. Witwerrente sowie Waisenrente. Außerdem übernimmt die Unfallversicherung Leistungen zur Prävention und Wiedereingliederung in das Arbeitsleben sowie Leistungen zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben (Teilhabeleistungen). Die konkrete Ausgestaltung und Höhe der Leistungen richten sich nach dem Grad der Schädigung und den gesetzlichen Vorgaben.
Wie wird der Beitrag zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung juristisch festgesetzt?
Die Beitragserhebung zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung ist im SGB VII geregelt und erfolgt nach dem sogenannten Umlageverfahren. Beiträge werden auf Grundlage der Unfallgefahr im jeweiligen Betrieb und der Arbeitskraftnutzung festgelegt (§ 182 ff. SGB VII). Für landwirtschaftliche Unternehmer ist die beitragspflichtige „Arbeitskraft“ ein zentrales Bemessungskriterium, wobei Family-Labour zumeist in Arbeitskräfte-Einheiten (AK) umgerechnet wird. Der SVLFG zugrunde liegende Gefahrtarif stuft die unterschiedlichen Betriebsarten und Tätigkeiten entsprechend ihres Unfallrisikos ein. Die rechtliche Prüfung und Festsetzung der Beiträge erfolgt durch die jeweilige Unfallkasse, wobei der Versicherte gegen fehlerhafte Beitragsbescheide mittels Widerspruchs und Klage vorgehen kann. Besondere beitragsrechtliche Regelungen gelten für Kleinbetriebe und Nebenerwerbslandwirte.
Welche rechtlichen Schritte stehen dem Versicherten bei Streitigkeiten mit der Unfallversicherung zur Verfügung?
Kommt es zu Streitigkeiten zwischen dem Versicherten und der jeweiligen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft bzw. Unfallversicherung, etwa hinsichtlich der Anerkennung eines Versicherungsfalles oder der Leistungsgewährung, steht dem Versicherten zunächst das Widerspruchsverfahren offen. Nach Zugang eines ablehnenden Bescheides kann binnen eines Monats schriftlich Widerspruch eingelegt werden, worauf die Versicherung ihren Bescheid überprüft (§ 78 ff. SGG). Wird der Widerspruch zurückgewiesen, besteht die Möglichkeit der Klage vor dem Sozialgericht (§ 54 SGG). Auch Eilverfahren sind möglich, sollte die Existenzbedrohung bestehen oder eine besondere Dringlichkeit vorliegen. Der sozialrechtliche Instanzenweg umfasst das Sozialgericht, Landessozialgericht und das Bundessozialgericht, wobei kostenfreie Prozessführung und Anwaltszwang nicht in der ersten Instanz bestehen.
Inwieweit umfasst die landwirtschaftliche Unfallversicherung auch Arbeitsunfälle von Kindern und Jugendlichen im Familienbetrieb?
Kinder und Jugendliche, die im Familienbetrieb mitarbeiten, sind durch die gesetzliche Unfallversicherung geschützt, sofern sie das Mindestalter von 13 Jahren erreicht haben und die Tätigkeit im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen erfolgt (§ 2 SGB VII i.V.m. Jugendarbeitsschutzgesetz). Die Versicherungspflicht erstreckt sich dabei sowohl auf leibliche wie auch auf adoptiere Kinder und umfasst unentgeltliche Mitarbeit ebenso wie entgeltliche Beschäftigung. Besonders zu beachten sind dabei arbeitsrechtliche Schutzvorschriften hinsichtlich Art und Umfang der zulässigen Tätigkeiten sowie die erforderlichen Meldungen an die Versicherung. Unfälle, die im direkten Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen, sind gedeckt; hiervon ausgenommen sind jedoch private und unfallversicherungsfremde Verrichtungen.
Welche Voraussetzungen müssen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls im Sinne der landwirtschaftlichen Unfallversicherung erfüllt sein?
Ein Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung liegt vor, wenn eine versicherte Person durch eine äußere Einwirkung plötzlich und unfreiwillig während einer versicherten Tätigkeit einen Gesundheitsschaden erleidet (§ 8 SGB VII). Bei der Prüfung der Voraussetzungen sind das Vorliegen einer versicherten Tätigkeit (z.B. landwirtschaftliche Arbeit oder Weg zur Arbeit), der ursächliche Zusammenhang zwischen Tätigkeit und Unfallereignis (haftungsbegründende Kausalität) sowie der Nachweis der Unfallfolgen ausschlaggebend. Meldepflichten nach einer Verletzung bestehen gegenüber dem Versicherungsträger, insbesondere wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Tage dauert (§ 193 SGB VII). Der Versicherungsschutz kann entfallen, wenn ein Eigenverschulden in Form grober Fahrlässigkeit oder vorsätzlicher Handlung nachgewiesen wird.
Welche Besonderheiten existieren rechtlich bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung im Vergleich zur allgemeinen gesetzlichen Unfallversicherung?
Die landwirtschaftliche Unfallversicherung unterscheidet sich von der allgemeinen gesetzlichen Unfallversicherung insbesondere durch den versicherten Personenkreis, den Beitragsmaßstab und die Organisation. Während die allgemeine Unfallversicherung vor allem abhängig Beschäftigte abdeckt, richtet sich die landwirtschaftliche Unfallversicherung zusätzlich an Unternehmer und deren Familienangehörige, unabhängig vom Umfang der Mitarbeit. Rechtlich besonders ist die Beitragsbemessung nicht auf das Bruttolohnprinzip, sondern auf Arbeitskraft-Einheiten und Gefahrtarife ausgerichtet. Zudem erfolgt die Durchführung über eigenständige Versicherungsträger, vornehmlich die SVLFG. Spezifische Rechtsvorschriften bestehen hinsichtlich der Präventionsmaßnahmen, organisatorischen Abläufe und des Leistungsumfangs, die auf die Besonderheiten des land- und forstwirtschaftlichen Sektors zugeschnitten sind.