Begriffsdefinition und Rechtliche Einordnung der Landesverordnung
Eine Landesverordnung (auch: Verordnung eines Landes) ist eine von einem Organ der Landesexekutive erlassene, abstrakt-generelle Rechtsvorschrift, die unterhalb des Landesgesetzes steht und auf gesetzlicher Grundlage ergeht. Landesverordnungen kommen ausschließlich in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland vor und dienen insbesondere der Ausfüllung und Konkretisierung der Landesgesetze sowie der Umsetzung bundesrechtlicher Vorgaben im landesrechtlichen Bereich.
Anders als Bundesverordnungen werden Landesverordnungen von den jeweiligen Landesregierungen oder Landesministerien erlassen und gelten stets nur im Hoheitsgebiet des jeweiligen Bundeslandes. Sie stellen damit eine grundlegende Quelle des Landesrechts dar.
Gesetzliche Grundlagen und Ermächtigungsgrundlage
Gesetzliche Grundlagen
Die Befugnis, Landesverordnungen zu erlassen, ergibt sich aus der jeweiligen Landesverfassung und den Landesgesetzen. Die wichtigsten Bestimmungen finden sich in den Landesverfassungen selbst sowie in den Ausführungsgesetzen der Landesparlamente. Zentral ist hierbei das sogenannte Rechtsstaatsprinzip, das die Bindung jedes hoheitlichen Handelns an Gesetz und Recht fordert.
Ermächtigungsgrundlage (Verordnungsermächtigung)
Die maßgebliche Ermächtigungsgrundlage zur Erlassung einer Landesverordnung findet sich stets im jeweiligen Landesgesetz. Nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung darf eine Landesverordnung grundsätzlich nur dann erlassen werden, wenn ein formelles Gesetz dazu ausdrücklich ermächtigt (§ 80 Abs. 1 VwGO; Parallelen zu Art. 80 Abs. 1 GG hinsichtlich Bundesverordnungen). Die Verordnungsermächtigung muss Inhalt, Zweck und Ausmaß der vorgesehenen Regelung hinreichend bestimmen, um dem Parlament die wesentlichen Entscheidungen vorzubehalten.
Verfahren zur Erlassung einer Landesverordnung
Zuständige Organe
Die Zuständigkeit zur Erlassung von Landesverordnungen liegt in der Regel bei folgenden Organen:
- Landesregierung,
- zuständiges Fachministerium,
- in Ausnahmefällen auch bei anderen Landesbehörden.
Die konkrete Zuständigkeitsbestimmung ergibt sich aus den jeweiligen Landesgesetzen und den jeweiligen Geschäftsordnungen der Landesregierungen.
Ablauf des Verordnungsverfahrens
- Entwurfserstellung: Ein Entwurf der Landesverordnung wird in der regel vom zuständigen Fachressort ausgearbeitet.
- Beteiligung anderer Stellen: Je nach Landesrecht kann eine Anhörung weiterer Behörden, Kommunen oder betroffener Interessen erfolgen.
- Beschlussfassung: Die Verordnung wird durch die Landesregierung oder das zuständige Ministerium beschlossen.
- Verkündung: Die Landesverordnung wird in dem dafür vorgesehenen Amtsblatt (z.B. Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes) verkündet und tritt zu dem dort bestimmten Zeitpunkt in Kraft.
Landesverordnung im Normenrang und Verhältnis zu anderen Rechtsquellen
Landesverordnungen stehen im Rang unterhalb der Landesgesetze, jedoch über lokalen Rechtsnormen wie Satzungen (z. B. kommunale Satzungen). Im Verhältnis zu Bundesrecht gilt der Grundsatz, dass Landesverordnungen den Vorgaben des Bundesrechts nicht widersprechen dürfen (Art. 31 GG: Bundesrecht bricht Landesrecht).
Rangfolge beispielhaft:
- Bundesgesetz
- Landesgesetz
- Landesverordnung
- Satzung
Inhalt und Reichweite von Landesverordnungen
Landesverordnungen sind abstrakt und generell, das heißt, sie richten sich an eine Vielzahl von Fällen und Adressaten. Ihre Inhalte reichen von Ausführungsbestimmungen zu Landesgesetzen bis hin zu Regelungen aus dem Bereich des Polizei-, Gesundheits-, Schul-, Bau- und Verwaltungsrechts.
Typische Beispiele für Landesverordnungen:
- Datenschutzverordnungen auf Landesebene
- Schulordnungen
- Bauverordnungen
- Infektionsschutzregelungen (z. B. während einer Pandemie)
Kontrolle und Überprüfung von Landesverordnungen
Normenkontrolle
Landesverordnungen unterliegen der gerichtlichen Kontrolle hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht. Die wichtigste Form ist das Normenkontrollverfahren, insbesondere vor den Oberverwaltungsgerichten (OVG) der Länder (§ 47 VwGO). Auf Antrag kann ein Gericht prüfen, ob eine Landesverordnung mit dem höherrangigen Recht, insbesondere mit der Landesverfassung oder dem Landesgesetz, vereinbar ist.
Weitere Kontrollinstanzen
Zudem kann im Rahmen konkreter Rechtsstreitigkeiten vor allen zuständigen Gerichten inzident geprüft werden, ob eine Landesverordnung grundgesetzwidrig oder gesetzeswidrig ist. Die Exekutive selbst ist ebenfalls verpflichtet, ihre Verordnungen fortlaufend zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen oder außer Kraft zu setzen.
Unterschied zu anderen Rechtsnormen
Abgrenzung vom Gesetz
Gesetze werden vom parlamentarischen Landesgesetzgeber erlassen, Verordnungen hingegen durch Exekutivorgane aufgrund gesetzlicher Ermächtigung. Landesverordnungen sind daher keine Parlamentsgesetze, sondern Rechtsnormen der sogenannten abgeleiteten Gesetzgebung.
Abgrenzung zur Satzung
Im Gegensatz zu Landesverordnungen beruhen Satzungen auf der Autonomie von Körperschaften des öffentlichen Rechts (z. B. Gemeinden, Universitäten), während Landesverordnungen durch die Landesregierung bzw. Landesministerien erlassen werden.
Bedeutung und Anwendungsbereiche
Landesverordnungen besitzen hohe praktische Relevanz in zahlreichen Verwaltungsbereichen. Sie stellen sicher, dass gesetzliche Vorgaben zügig und flexibel umgesetzt werden können, was insbesondere in dynamischen Regelungsbereichen (Gesundheitsschutz, Bauwesen, Bildung) von großer Bedeutung ist.
Literatur und weiterführende Hinweise
Conradis, Wolfgang: Das Recht der Verordnungen im deutschen Föderalismus, 2. Aufl., München 2020.
Schmidt-Aßmann, Eberhard: Staats- und Verwaltungsrecht, Heidelberg 2019.
* Battis, Ulrich/Rubel, Torsten: Landesrecht – Kompakt und übersichtlich, Berlin 2021.
Fazit
Die Landesverordnung ist ein zentrales Instrument des Landesrechts und ermöglicht eine flexible, an den Erfordernissen des jeweiligen Bundeslandes orientierte Rechtssetzung. Sie steht im Rang unter den Landesgesetzen und bedarf einer klaren gesetzlichen Ermächtigung, unterliegt jedoch einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle. Ihre korrekte Anwendung und Kontrolle sichern die demokratische und rechtsstaatliche Ordnung im föderalen System Deutschlands.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist für den Erlass einer Landesverordnung zuständig?
Für den Erlass einer Landesverordnung ist grundsätzlich die jeweilige Landesregierung des Bundeslandes zuständig, sofern im Landesrecht nichts anderes bestimmt ist. Die Kompetenz zum Erlass von Verordnungen ergibt sich aus der jeweiligen Landesverfassung sowie aus den einschlägigen Fachgesetzen, die eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage enthalten müssen (sog. Verordnungsermächtigung gemäß Art. 80 Abs. 1 GG). Häufig übt die Landesregierung ihr Recht durch Ressortchefs aus, wie beispielsweise durch Ministerien oder bestimmte Fachbehörden. Bei umstrittenen oder weitreichenden Verordnungen kann auch die vorherige Zustimmung des Landtags erforderlich sein, etwa wenn dies in der Landesverfassung vorgesehen ist. Daneben ist zu beachten, dass der Vollzug und die Ausgestaltung von Landesverordnungen ebenfalls an Behörden auf der unteren Verwaltungsebene delegiert werden kann. Die Zuständigkeit und das Verfahren zum Erlass sind im Einzelnen im jeweiligen Landesrecht und den zugehörigen Geschäftsordnungen geregelt.
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für den Erlass einer Landesverordnung vorliegen?
Für den Erlass einer Landesverordnung müssen verschiedene rechtliche Voraussetzungen beachtet werden. Zunächst bedarf es einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, die Umfang, Zweck und Inhalt der Verordnung bestimmt, wie dies aus dem Bestimmtheitsgrundsatz folgt. Diese Ermächtigung wird im jeweiligen landesrechtlichen Fachgesetz geregelt. Ferner dürfen Landesverordnungen nur in dem Umfang erlassen werden, wie den Ländern in der jeweiligen Materie überhaupt die Gesetzgebungshoheit zusteht (Art. 70 ff. GG). Darüber hinaus muss das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt werden, was insbesondere die Einhaltung der etwaigen Beteiligungspflichten (z. B. Anhörung betroffener Kreise, Beteiligung des Landtags oder anderer Gremien) sowie die ordnungsgemäße Verkündung der Verordnung einschließt. Die formellen Anforderungen richten sich nach den Landesverfassungen und dem Landesverwaltungsverfahrensgesetz.
In welcher Form und auf welchem Weg werden Landesverordnungen bekannt gemacht?
Landesverordnungen müssen grundsätzlich so bekannt gemacht werden, dass sie für die Betroffenen in zumutbarer Weise zugänglich sind und eine rechtliche Verbindlichkeit entfalten können. Die Art und Weise der Bekanntmachung ist meist in der jeweiligen Landesverfassung oder im Landesgesetz über das Verkündungswesen geregelt. Üblicherweise erfolgt die amtliche Bekanntmachung im Gesetz- und Verordnungsblatt des jeweiligen Bundeslandes. In Ausnahmefällen kann die Bekanntmachung zusätzlich in Amtsblättern, Internetportalen oder im Rahmen anderer öffentlicher Medien erfolgen, sofern dies durch Gesetz oder Rechtsverordnung ausdrücklich geregelt ist. Die Wirksamkeit der Landesverordnung tritt in der Regel erst mit ihrer ordnungsgemäßen Verkündung und zum in der Verordnung angegebenen Zeitpunkt in Kraft.
Wie kann gegen eine Landesverordnung rechtlich vorgegangen werden?
Gegen Landesverordnungen kann auf dem Rechtsweg vorgegangen werden, indem Betroffene eine verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle gemäß § 47 VwGO oder andere geeignete Rechtsbehelfe einlegen. Die Normenkontrolle ist auf Landesebene regelmäßig vor den Oberverwaltungsgerichten (bzw. Verwaltungsgerichtshöfen) möglich, wenn Landesrecht dazu eine Ermächtigung enthält. Voraussetzung ist in der Regel eine Antragsbefugnis, d. h., der Antragsteller muss geltend machen können, durch die Verordnung in seinen Rechten verletzt zu sein oder unmittelbar betroffen zu werden. Im Einzelfall kann auch eine Überprüfung einer Verordnung im Rahmen eines konkreten Rechtsstreits über eine Inzidentkontrolle durch die Gerichte erfolgen. Außerdem ist es in bestimmten Fällen möglich, Verfassungsbeschwerde zum jeweiligen Landesverfassungsgericht einzulegen, wenn grundrechtliche Verstöße behauptet werden.
Welche Bindungswirkung entfaltet eine Landesverordnung?
Eine ordnungsgemäß erlassene Landesverordnung entfaltet verbindliche Rechtswirkung im gesamten räumlichen Geltungsbereich des jeweiligen Bundeslandes und ist von allen betroffenen natürlichen und juristischen Personen sowie Behörden zu beachten. Sie steht in der Normenhierarchie unterhalb der Landesgesetze, darf diesen nicht widersprechen und muss sich im Rahmen der vom Gesetzgeber gesetzten Ermächtigung halten. Im Falle von Widersprüchen zu höherrangigem Recht, insbesondere zu Landes- oder Bundesgesetzen oder gar der Verfassung, ist die Verordnung insoweit nichtig oder unangewendet zu lassen. Behörden sind verpflichtet, ihre Maßnahmen auf Basis und im Rahmen der Landesverordnung zu treffen; Gerichte sind bei der Normprüfung gehalten, die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht zu prüfen.
Wann tritt eine Landesverordnung in Kraft und wann verliert sie ihre Gültigkeit?
Der Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Landesverordnung wird in der Regel in der Verordnung selbst bestimmt. Fehlt eine ausdrückliche Regelung, tritt die Verordnung nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften, die in den jeweiligen Landesgesetzen zur Verkündung und zum Inkrafttreten enthalten sind, oftmals am Tag nach ihrer Bekanntmachung oder mit Ablauf des Verkündungstages in Kraft. Die Gültigkeit einer Landesverordnung kann durch Zeitbefristung, durch ausdrückliche Aufhebungs- oder Änderungsverordnung oder automatisch kraft Gesetzes enden, etwa wenn die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage entfällt oder ein übergeordnetes Gesetz die Regelungsmaterie neu ordnet. Ferner verliert eine Verordnung ex tunc ihre Gültigkeit, wenn sie für nichtig erklärt oder durch ein zuständiges Gericht aufgehoben wird.
Welche Rolle spielen Landesverordnungen im Verhältnis zu Bundesrecht und kommunalem Recht?
Landesverordnungen sind, wie allgemein das Landesrecht, im föderalen System Deutschlands nach dem Grundsatz „Bundesrecht bricht Landesrecht“ (Art. 31 GG) dem Bundesrecht nachgeordnet. Sie dürfen Bundesgesetzen oder bundesrechtlichen Verordnungen nicht widersprechen. Ihre Regelungsbefugnis beschränkt sich auf die Angelegenheiten, die nach dem Grundgesetz den Ländern zur Gesetzgebung zugewiesen sind. Im Verhältnis zum kommunalen Satzungsrecht stehen Landesverordnungen über den Kommunalsatzungen, sodass letztere mit den Vorgaben der Landesverordnung in Einklang stehen müssen. Kommunen sind verpflichtet, landesrechtliche Verordnungen zu beachten und bei der Ausgestaltung eigener Satzungen den Rahmen der Landesverordnung zu respektieren. Bei Kompetenzüberschreitungen gilt die jeweilige höherrangige bzw. speziellere Regelung.