Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Strafrecht»Landesstrafrecht

Landesstrafrecht


Begriff und Grundlagen des Landesstrafrechts

Das Landesstrafrecht bezeichnet jene strafrechtlichen Vorschriften, die auf Ebene der deutschen Bundesländer (Länder) durch diese selbstständig erlassen werden können. Im Gegensatz zum Bundesstrafrecht – vor allem kodifiziert im Strafgesetzbuch (StGB) und ergänzenden Strafgesetzen des Bundes – handelt es sich beim Landesstrafrecht um Gesetze der einzelnen Bundesländer, die strafbewehrte Handlungen eigenständig regeln. Die Möglichkeit zur Schaffung von Landesstrafrecht unterliegt in Deutschland jedoch erheblichen verfassungsrechtlichen Schranken.

Gesetzgebungskompetenz im Strafrecht

Nach Artikel 70 ff. des Grundgesetzes (GG) liegt die Gesetzgebungskompetenz grundsätzlich beim Bund, wobei das Strafrecht gemäß Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zur konkurrierenden Gesetzgebung gehört. Dies bedeutet, dass die deutschen Bundesländer im Bereich des Strafrechts grundsätzlich nur dann eigene Gesetze schaffen können, soweit der Bund von seiner Regelungskompetenz keinen Gebrauch gemacht hat.

In der Praxis ist der Bereich des möglichen Landesstrafrechts klein, da der Bund im Strafgesetzbuch und in speziellen Strafgesetzen (z.B. Betäubungsmittelgesetz, Jugendgerichtsgesetz) die kriminalrechtliche Materie nahezu vollständig geregelt hat. Die Länder können nur für bestimmte, klar umrissene Sachverhalte eigene Straftatbestände normieren, sofern hierfür gesetzlich noch ein Regelungsraum besteht oder wenn ihnen im Rahmen der Verwaltungshilfe strafbewehrte Ordnungswidrigkeiten oder Nebenstrafrecht ausdrücklich zugestanden werden.

Inhalt und Gegenstand des Landesstrafrechts

Typische Anwendungsfälle

Das Anwendungsfeld des Landesstrafrechts beschränkt sich im Wesentlichen auf sogenannte Nebenstrafrechte innerhalb landesrechtlicher Rechtsbereiche. Beispiele hierfür sind:

  • Verstöße gegen das Landespressegesetz
  • Verstöße gegen das Landesarchivgesetz
  • Ordnungswidrigkeiten im Bereich der Gefahrenabwehr durch Landespolizeigesetze
  • Regelungen zum Schutz von Denkmälern nach dem Denkmalschutzgesetz eines Landes

Nebenstrafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht

Vielfach wird das Landesstrafrecht nicht in Form von echten Straftatbeständen ausgestaltet, sondern vielmehr als Ordnungswidrigkeitsrecht. Ordnungswidrigkeiten sind keine Straftaten im Sinne des Strafgesetzbuchs, sondern Verwaltungsübertretungen, die mit einer Geldbuße geahndet werden können. Hier besitzen die Länder einen relativ weiten Gestaltungsspielraum.

Abgrenzung zu Bundesstrafrecht und Bundesordnungswidrigkeitenrecht

Bundesstrafrecht

Der größte Teil des deutschen Strafrechts ist Bundesrecht. Dazu zählt das Strafgesetzbuch sowie die zahlreichen Nebengesetze des Bundes mit strafrechtlichem Inhalt. Das Bundesstrafrecht genießt Vorrang vor dem Landesstrafrecht. Jede landesrechtliche Strafbestimmung, die in Widerspruch zum Bundesstrafrecht steht oder in einem bereits durch Bundesrecht geregelten Bereich ergeht, ist nichtig (Art. 31 GG: „Bundesrecht bricht Landesrecht“).

Bundesordnungswidrigkeitenrecht

Auch das Ordnungswidrigkeitenrecht wird überwiegend durch das Bundesrecht, namentlich das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG), geregelt und nimmt vielfach Bezug auf bundesrechtliche Vorschriften. Gleichwohl können die Länder im Rahmen ihrer Zuständigkeit eigene Ordnungswidrigkeiten anordnen, etwa im Polizeirecht, im Straßenrecht oder im Landesnaturschutzrecht.

Historische Entwicklung des Landesstrafrechts

Vor dem Grundgesetz

Vor Inkrafttreten des Grundgesetzes existierte in Deutschland eine äußerst heterogene Strafrechtslandschaft. Im 19. Jahrhundert und bis weit in das 20. Jahrhundert hinein waren zahlreiche Strafvorschriften länderspezifisch geregelt. Mit der Schaffung einheitlicher Reichsstrafgesetze ab 1871 (Reichsstrafgesetzbuch) wurde das Strafrecht nach und nach zentralisiert.

Nach dem Grundgesetz

Seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes 1949 ist die Ausschließliche oder zumindest überwiegende Gesetzgebungskompetenz für das Strafrecht auf den Bund übergegangen. Die Bundesländer nehmen seitdem nur noch in Nischenbereichen (insbesondere im Verwaltungsrecht) Eingriffe im Bereich strafrechtlicher Sanktionen vor.

Praktische Bedeutung des Landesstrafrechts

Mit fortschreitender Verdrängung durch das Bundesstrafrecht und durch die Konzentration auf Bundeseinheitlichkeit hat das Landesstrafrecht im täglichen Rechtsverkehr eine eher untergeordnete Bedeutung erlangt. Gleichwohl sind landesspezifische sanktionsbewehrte Regelungen in bestimmten Feldern durchaus relevant, etwa bei Verstößen gegen landesspezifische Regelungen in den Bereichen Versammlungsrecht, Polizeirecht, Denkmalschutzrecht, Schulgesetze oder im Bereich des Kommunalrechts.

Verfassungsrechtliche Kontrolle und Rechtsschutz

Landesstrafrechtliche Vorschriften unterliegen der Kontrolle durch die Landesverfassungsgerichte sowie gegebenenfalls durch das Bundesverfassungsgericht, insbesondere dann, wenn Kompetenzüberschreitungen oder Kollisionen mit vorrangigem Bundesrecht behauptet werden. Betroffene können auf dem Rechtsweg gegen entsprechende Strafverfolgungen vorgehen und eine verfassungsgerichtliche Klärung herbeiführen.

Zusammenfassung

Das Landesstrafrecht umfasst jene Strafvorschriften, die von den deutschen Bundesländern in eigener Gesetzgebungskompetenz erlassen werden. Infolge der umfassenden bundesgesetzlichen Regelungen ist der Anwendungsbereich des Landesstrafrechts heute stark beschränkt und findet sich überwiegend im Nebenstrafrecht sowie im Bereich von Ordnungswidrigkeiten. Verfassungsrechtlich ist die Kompetenz der Länder zur Setzung von Strafrecht deutlich begrenzt, um die Einheitlichkeit des deutschen Strafrechts zu sichern.

Weiterführende Literatur und Rechtsprechung
  • Dreher/Tröndle: Strafgesetzbuch und Nebengesetze. Kommentar
  • Maurach/Schroeder/Maiwald: Strafrecht – Allgemeiner Teil
  • Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (insbes. zur Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern)

Diese Darstellung des Landesstrafrechts bietet einen fundierten Überblick über Begriff, Rechtsquellen, Geltungsbereich sowie die historische und aktuelle Bedeutung innerhalb des deutschen Rechtssystems.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rolle spielt das Landesstrafrecht im föderalen Rechtssystem Deutschlands?

Das Landesstrafrecht umfasst die strafrechtlichen Vorschriften, die von den einzelnen Bundesländern in Deutschland erlassen werden. Im föderalen System der Bundesrepublik ist das Strafrecht grundsätzlich Bundessache, geregelt vor allem im Strafgesetzbuch (StGB) und ergänzenden Bundesgesetzen. Die Gesetzgebungskompetenz für das Strafrecht liegt gemäß Artikel 74 Absatz 1 Nr. 1 Grundgesetz (GG) beim Bund. Allerdings existiert weiterhin Landesstrafrecht, namentlich in Form von sogenannten Ordnungswidrigkeitengesetzen sowie in spezifisch landesrechtlichen Vorschriften wie etwa Polizeigesetzen, Ladenschlussgesetzen oder solchen zum Umweltrecht. Dabei handelt es sich meist nicht um Delikte im Sinne des StGB, sondern um eigenständige straf- oder bußgeldbewehrte Tatbestände, die von den Ländern formuliert und umgesetzt werden, soweit der Bund den entsprechenden Regelungsbereich nicht abschließend geregelt hat. Im Bereich des Nebenstrafrechts kann Landesrecht darüber hinaus subsidiäre Lücken füllen oder bundesrechtliche Regelungen ergänzen. Die praktische Bedeutung des Landesstrafrechts ist jedoch im Vergleich zum Bundesstrafrecht relativ gering geblieben.

Welche Delikte werden typischerweise durch das Landesstrafrecht erfasst?

Das Landesstrafrecht befasst sich in der Regel mit geringeren Verstößen gegen besondere, regionale Regelungen. Dazu zählen insbesondere Ordnungswidrigkeiten, wie etwa Verstöße gegen landesspezifische Bestimmungen zu Feiertagsgesetzen, Ladenschlusszeiten, Lärmschutz, kommunale Satzungen oder das Landesnaturschutzrecht. In manchen Ländern existieren zudem spezielle landesrechtliche Straftatbestände, etwa im Bereich des öffentlichen Rechts, wie der Verstoß gegen das Bayerische Sonn- und Feiertagsgesetz. Die Strafandrohungen im Landesrecht sind typischerweise niedriger angesetzt und dienen vor allem der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im jeweiligen Bundesland. Schwerwiegende Kriminalität, wie Körperverletzung oder Diebstahl, wird dagegen ausschließlich durch das Bundesstrafrecht erfasst.

Wie unterscheidet sich das Landesstrafrecht vom Bundesstrafrecht?

Das zentrale Unterscheidungsmerkmal liegt in der Gesetzgebungskompetenz. Während Bundesgesetze, namentlich das StGB, bundeseinheitlich gelten und für schwerwiegende Straftaten umfassende Regelungen schaffen, sind landesrechtliche Strafvorschriften auf spezifische landesbezogene Rechtsgüter und Ordnungsinteressen zugeschnitten. Außerdem unterscheiden sie sich im Anwendungsbereich: Landesstrafrecht gilt nur im jeweiligen Bundesland, während Bundesstrafrecht im gesamten Bundesgebiet Anwendung findet. Zudem bestehen Unterschiede in der Strafzumessung, den zuständigen Behörden und dem Verfahrensrecht. Im Regelfall ist das Landesstrafrecht auf geringfügige, lokal bedeutsame Sachverhalte begrenzt, wohingegen das Bundesrecht auch für schwerste Kriminalitätsformen zuständig ist.

Welche Behörden sind für die Durchsetzung des Landesstrafrechts verantwortlich?

Die Durchsetzung des Landesstrafrechts obliegt den jeweils zuständigen Landesbehörden. Dies können Polizeibehörden, Ordnungsämter oder spezielle Landesämter sein. Bei Ordnungswidrigkeiten sind häufig die örtlichen Ordnungsämter oder die jeweiligen Fachbehörden, wie Natur- oder Umweltschutzbehörden, zuständig. Die Verfolgung und Ahndung von Straftaten nach Landesrecht richtet sich nach den landesrechtlichen Zuständigkeitsvorschriften. Die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit sind in der Regel weiterhin für die Aburteilung zuständig, wobei die Strafverfolgung von den Landesstaatsanwaltschaften übernommen wird. Die Auslegung, Anwendung und letztlich der Vollzug der landesrechtlichen Vorschriften liegen damit klar im Zuständigkeitsbereich der Bundesländer.

In welchen Bereichen sind landesstrafrechtliche Regelungen am häufigsten anzufinden?

Landesstrafrechtliche Regelungen finden sich besonders häufig in Gebieten, in denen der Bund keine abschließende Regelung getroffen hat oder explizit die Gesetzgebungskompetenz der Länder besteht. Typische Anwendungsfelder sind das öffentliche Ordnungsrecht (z.B. Polizeigesetze), Umweltrecht (z.B. Baum- und Naturschutz), das Versammlungsrecht, das Feiertagsrecht und teilweise kommunales Verwaltungsrecht. Auch im Bereich des Schulwesens, des Bauordnungsrechts und bei spezifischen lokalspezifischen Verhaltensnormen können landesrechtliche Straf- oder Bußgeldvorschriften existieren. Diese dienen in erster Linie der Durchsetzung landesspezifischer Interessen und Werte.

Gibt es Besonderheiten im Strafverfahren bei landesrechtlichen Straftatbeständen?

Ja, das Strafverfahren bei landesrechtlichen Straftatbeständen weist einige Besonderheiten auf, insbesondere hinsichtlich der Zuständigkeit und Verfahrensweise der verfolgenden Behörden. Während im Bundesstrafrecht zentrale Strafverfolgungsbehörden (wie die Bundesanwaltschaft bei bestimmten Delikten) involviert sind, ist bei Verstößen gegen Landesgesetze regelmäßig die lokale Polizei, das jeweilige Ordnungsamt oder ein spezialisiertes Landesamt zuständig. Die Zuständigkeit für das gerichtliche Verfahren bleibt allerdings wie beim Bundesstrafrecht bei den ordentlichen Gerichten. Im Bereich der Ordnungswidrigkeiten greifen zudem häufig vereinfachte Verfahren, und vielfach sind Fristen und Rechtsbehelfe landesrechtlich ausgestaltet.

Wie wirkt sich das Landesstrafrecht auf das Nebeneinander von Bundes- und Landesrecht aus?

Das Nebeneinander von Bundes- und Landesrecht führt dazu, dass auf bestimmten Gebieten eine Doppelstruktur entstehen kann, bei der zunächst die Anwendung des Bundesrechts zu prüfen ist und subsidiär das Landesrecht greift. Ist ein Sachverhalt bereits durch das Bundesstrafrecht umfassend geregelt, gilt das Vorrangprinzip: Das Bundesrecht verdrängt abweichendes Landesrecht (Artikel 31 GG – Bundesrecht bricht Landesrecht). Landesgesetzgeber dürfen demnach keine dem Bundesrecht widersprechenden Strafnormen schaffen, sie können lediglich bestehende Regelungslücken mit eigenständigen Vorschriften füllen oder spezifische, vom Bundesrecht nicht geregelte Lebenssachverhalte normieren. Dieses Zusammenspiel erhöht die Komplexität der Rechtsanwendung, ist jedoch aufgrund der klaren föderalen Kompetenzaufteilung meist gut handhabbar.